Kündigung von Mietverhältnissen; ordentliche und
außerordentliche Kündigung; keine Anwendung von § 543 II Nr. 3 BGB auf die
ordentliche Kündigung; Verschulden und Rechtsirrtum
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - VIII ZR 107/12 - LG
Berlin
Fundstelle:
NJW 2013, 159
BGHZ 195, 64
Amtl. Leitsatz:
1. Eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs
ist auch unterhalb der für die fristlose Kündigung geltenden Grenze des §
543 Abs. 2 Nr. 3 BGB möglich. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des
Mieters liegt jedoch nicht vor, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete
nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt.
2. § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB findet keine entsprechende Anwendung auf die
ordentliche Kündigung.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der für BGHZ vorgesehenen
Entscheidung steht die in Rspr. und Literatur
umstrittene Frage, ob die in § 543 II Nr. 3 BGB für die außerordentliche
Kündigung eines Mietvertrags (Zahlungsverzug für zwei aufeinanderfolgende
Termine oder in Höhe eines Betrags über zwei Monatsmieten) auch für eine
ordentliche Kündigung nach § 573 II Nr. 1 BGB (nicht unerhebliche
schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten) gilt. Der Senat verneint
dies. Die Entscheidung ist in diesem Zusammenhang auch für die Frage des
Verschuldens infolge (unvermeidlichen) Rechtsirrtums von Bedeutung. S. zu
diesem Themenkomplex auch BGH NJW
2007, 428,
BGH NJW 2012, 2882 sowie
BGH v. 4.2.2015 - VIII ZR 175/14.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Der Beklagte ist seit 1972 Mieter einer Wohnung in Berlin. Die
Klägerin, eine aus zwei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen
Rechts, ist durch Eigentumserwerb im Jahr 2003 in die Vermieterstellung
eingetreten.
2 Gemäß § 4 des Mietvertrags ist die Miete monatlich im Voraus, spätestens
am dritten Werktag, zu entrichten. Nach § 5 des Mietvertrags kann der Mieter
gegenüber Mietforderungen mit Gegenforderungen nur aufrechnen, wenn er seine
Absicht dem Vermieter mindestens eine Woche vor Fälligkeit angekündigt hat.
3 Nach dem Anschluss der ursprünglich nur mit Einzelöfen ausgestatteten
Wohnung des Beklagten an die Fernwärmeversorgung verlangte die Klägerin ab
März 2008 neben der Grundmiete (252,81 €) monatliche Heizkostenvorschüsse in
Höhe von 70 €. Dem Beklagten waren zu diesem Zeitpunkt vom Jobcenter
monatliche Leistungen von 302,81 € für Heizung und Unterkunft bewilligt,
wovon das Jobcenter 252,81 € direkt an die Klägerin und 50 € monatlich auf
ein vom Beklagten benanntes Konto überwies.
4 Der Beklagte zahlte die von der Klägerin ab März 2008 verlangten
Vorschüsse zunächst nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Mai 2009 teilte
er mit, er sei davon ausgegangen, dass das Jobcenter monatliche Vorschüsse
von 50 € an die Klägerin gezahlt habe, und kündigte Zahlungen in dieser Höhe
für die Zukunft an; für Mai und Juni 2009 zahlte er am 1. Juli 2009 100 €
und danach monatlich 50 €.
5 Mit Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2009 kündigte die Klägerin das
Mietverhältnis fristgemäß zum 31. Juli 2010, weil der Beklagte die
Heizkostenvorauszahlungen von März 2008 bis April 2009 (14 x 70 € = 980 €)
nicht gezahlt hatte. Die rückständigen Vorschüsse für diesen
Zeitraum waren Gegenstand eines Zahlungsprozesses, in dem der Beklagte mit
Urteil des Amtsgerichts vom 12. November 2009 antragsgemäß verurteilt wurde.
Der Beklagte leistete die ausstehenden Zahlungen am 30. Juli 2010. Das
Urteil des Amtsgerichts wurde durch Zurückweisung der Berufung am 15.
November 2010 rechtskräftig.
6 Mit Schreiben vom 12. November 2010 kündigte die Klägerin erneut
fristgemäß, weil der Beklagte zu diesem Zeitpunkt die Miete für den
laufenden Monat noch nicht gezahlt hatte.
7 Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat
die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung
weiter.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
9 Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2012, 548) hat zur Begründung seiner
Entscheidung ausgeführt:
10 Die Kündigung vom 5. Oktober 2009 scheitere zwar nicht daran, dass sie
nicht von der Klägerin, sondern von deren Gesellschaftern persönlich erklärt
worden sei. Ungeachtet der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts sei es den Gesellschaftern unbenommen, persönlich die Kündigung des
Mietverhältnisses zu erklären.
11 Der Beklagte könne gegen die Kündigung auch nicht mit Erfolg einwenden,
dass ihn kein Verschulden an den Zahlungsrückständen treffe. Der Beklagte
habe selbst eingeräumt, dass das Jobcenter an ihn 50 € monatlich für
Heizkosten überwiesen habe, was ihm jedenfalls im Juni 2009 durch einen
entsprechenden Ausdruck der Zahlungen des Jobcenters klar gewesen sein
müsse. Allerdings könne die Kündigung unwirksam sein, wenn die Vorschrift
des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf die ordentliche Kündigung anzuwenden sei.
Dies könne indes dahinstehen, weil jedenfalls die weitere Kündigung vom 12.
November 2010 das Mietverhältnis beendet habe. Der Beklagte sei im Zeitpunkt
dieser weiteren Kündigung mit der vollen Novembermiete in Rückstand gewesen.
Dies rechtfertige eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB,
denn es handele sich angesichts der Höhe des Rückstands um eine erhebliche
Pflichtverletzung. Der Rückstand mit einer Monatsmiete genüge für die
ordentliche Kündigung. Auf die in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verbindung mit §
569 Abs. 3 Nr. 1 BGB genannte Grenze könne für die ordentliche Kündigung
nicht abgestellt werden, denn sonst liefe diese bei Verletzung der
Hauptleistungspflicht leer.
II.
12 Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung lediglich im Ergebnis
stand. Die Kündigung vom 12. November 2010 ist unwirksam, weil
Zahlungsrückstände des Mieters die ordentliche Kündigung nicht
rechtfertigen, wenn sie - wie hier - den Betrag einer Monatsmiete nicht
übersteigen und im Zeitpunkt der Kündigung weniger als einen Monat
angedauert haben. Gleichwohl hat das Berufungsgericht die Berufung
des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen, denn das
Mietverhältnis der Parteien ist bereits durch die Kündigung vom 5. Oktober
2009 beendet worden.
13 1. Die Kündigung der Klägerin vom 12. November 2010 ist
unwirksam, weil die Pflichtverletzung des Beklagten, auf die sie gestützt
ist - die Nichtzahlung der neun Tage zuvor fälligen Miete - keine "nicht
unerhebliche Pflichtverletzung" im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB
darstellt.
14 a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass
die Miete für den Monat November 2010 gemäß § 4 des Mietvertrags am 3.
November 2010 fällig wurde. Zwar wurde der Mietvertrag noch unter Geltung
von § 551 BGB aF abgeschlossen, wonach die Miete jeweils am Monatsende zu
zahlen war. Eine Formularklausel, die hiervon abweichend eine Zahlung
jeweils bis zum dritten Werktag eines Monats im Voraus verlangt, ist nach
der Rechtsprechung des Senats gleichwohl wirksam (Senatsbeschluss vom 26.
Oktober 1994 - VIII ARZ 3/94, BGHZ 127, 245, 249 f.). Entgegen der Ansicht
der Revision gilt dies auch dann, wenn die Fälligkeitsklausel - wie hier -
mit einer sogenannten Ankündigungsklausel kombiniert ist (Senatsurteil vom
4. Mai 2011 - VIII ZR 191/10, NJW 2011, 2201 Rn. 15; Senatsbeschluss vom 7.
September 2011 - VIII ZR 345/10, WuM 2011, 676 Rn. 3).
15 b) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der mietrechtlichen
Literatur ist streitig, wie hoch ein vom Mieter verschuldeter
Zahlungsrückstand sein und wie lange er angedauert haben muss, um die
ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
16 aa) Nach einer teilweise vertretenen Auffassung soll den in § 543 Abs. 2
Nr. 3 BGB für die fristlose Kündigung festgelegten Voraussetzungen eine
allgemeingültige Bedeutung zukommen. Deshalb setze auch eine auf
Zahlungsverzug gestützte ordentliche Kündigung voraus, dass sich der Mieter
mit einem Betrag in Höhe von zwei vollen Monatsmieten oder für zwei
aufeinanderfolgende Monate mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete in
Verzug befinde (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 10. Auflage, § 573 BGB
Rn. 27; Münch-KommBGB/Häublein, 6. Aufl., § 573 Rn. 59).
17 bb) Nach der Gegenauffassung kommt auch bei einem Zahlungsverzug
unterhalb der Schwelle des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine ordentliche Kündigung
in Betracht. Dabei werden an die Höhe des Rückstands und die Dauer des
Verzugs unterschiedliche Anforderungen gestellt. Teilweise soll jeder
Zahlungsverzug zur Kündigung berechtigen, soweit es sich nicht um einen
solchen handele, der auch bei jedem gutwilligen Vertragspartner einmal
auftreten könne und nur zu einer kurzfristigen Störung des
Vertragsverhältnisses führe (Schmid, DWW 1982, 77, 84); auch Rückstände
unterhalb einer Monatsmiete und einer Verzugsdauer unterhalb eines Monats
werden gelegentlich als ausreichend angesehen (Grapentin in: Bub/Treier,
Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Rn. IV 64).
18 Überwiegend wird jedoch eine erhebliche Pflichtverletzung erst bei einem
Rückstand von einer Monatsmiete und einer Verzugsdauer von mindestens einem
Monat angenommen (LG Wiesbaden NZM 2003, 713: rückständige titulierte
Monatsmiete; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2011, § 573 Rn. 47; Bamberger/Roth/Hannapel,
BGB, 3. Aufl., § 573 Rn. 28; Schmid/Gahn, Miete, 2006, § 573 Rn. 22; Erman/Lützenkirchen,
BGB, 13. Aufl., § 573 Rn. 24; vgl. auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl.,
§ 573 Rn. 16: mindestens ein halber Monat Verzugsdauer).
19 cc) Der Auffassung, dass auch unterhalb der in § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB
festgelegten Grenzen eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs
möglich ist, gebührt der Vorzug. Die fristlose Kündigung setzt voraus, dass
dem Vermieter unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung
des Vertrags nicht bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zugemutet werden
kann. Demgegenüber knüpft die ordentliche Kündigung an eine nicht
unerhebliche Vertragsverletzung des Mieters an, die dem Vermieter die Lösung
vom Vertrag nur unter Beachtung gesetzlicher oder vereinbarter
Kündigungsfristen erlaubt. Angesichts dieser unterschiedlichen Anforderungen
an die fristlose und die ordentliche Kündigung besteht kein Grund, die vom
Gesetzgeber für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs festgelegten
Grenzen auf die ordentliche Kündigung zu übertragen.
20 Hiervon geht auch das Berufungsgericht im Ansatzpunkt zutreffend aus.
Allerdings muss bei der Bewertung einer Pflichtverletzung als "nicht
unerheblich" die Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs berücksichtigt
werden. Nicht jeder geringfügige oder nur kurzfristige Zahlungsverzug
rechtfertigt die Annahme einer nicht unerheblichen Pflichtverletzung.
In
Anlehnung an die überwiegend vertretenen Auffassungen erscheint dem Senat
die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten, wenn der Rückstand eine
Monatsmiete nicht übersteigt und
zudem die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt. Hier befand sich der
Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung vom 12. November 2010 mit der Miete für
November neun Tage in Verzug, so dass die Grenze zur "nicht unerheblichen"
Pflichtverletzung noch nicht überschritten war.
21 2. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich jedoch aus anderen
Gründen als richtig, denn das Mietverhältnis der Parteien ist bereits durch
die Kündigung der Klägerin vom 5. Oktober 2009 beendet worden.
22 a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung vom 5. Oktober
2009 nicht deswegen unwirksam, weil sie nicht im Namen der Vermieterin
erklärt worden wäre. Auf die - nach Ansicht der Revision zu verneinende -
Frage, ob die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein von
der Gesellschaft eingegangenes Mietverhältnis persönlich kündigen können,
kommt es nicht an, weil die anwaltliche Kündigung vom 5. Oktober 2009 im
Namen der Gesellschaft ausgesprochen worden ist. Denn der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat darin auf eine von beiden
Gesellschaftern erteilte Vollmacht und das mit dem Beklagten bestehende
Mietverhältnis Bezug genommen. Hieraus ergibt sich hinreichend, dass die
Kündigung im Namen der Gesellschaft als Vermieterin erfolgte.
23 b) Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des
Mietverhältnisses (§ 573 Abs. 1 BGB), weil der Beklagte seine Pflichten aus
dem Mietvertrag schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr.
1 BGB), indem er in der Zeit von März 2008 bis April 2009 keine Zahlungen
auf die in Höhe von 70 € monatlich geschuldeten Heizkostenvorauszahlungen
leistete.
24 Dass er diese Pflichtverletzung mangels Verschulden nicht zu vertreten
hätte (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), lässt sich dem Vorbringen des Beklagten entgegen der Auffassung der Revision nicht entnehmen.
Zu Recht hat das
Berufungsgericht darauf abgestellt, dass eine unverschuldete wirtschaftliche
Notlage, die den Beklagen an der Zahlung der Vorschüsse gehindert hätte,
schon deshalb nicht vorlag, weil er im fraglichen Zeitraum monatlich 50 €
für Heizkostenvorauszahlungen vom Jobcenter erhielt. Dass er diese Beträge
"versehentlich" zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten verwendete, ändert
nichts daran, dass dem Beklagen zumindest Fahrlässigkeit zur Last fiel.
Selbst wenn nur monatliche Vorauszahlungen von 50 € berücksichtigt würden,
wäre in dem Zeitraum von März 2008 bis April 2009 ein erheblicher, zwei
Monatsmieten übersteigender und vom Beklagten auch zu vertretender Rückstand
aufgelaufen.
25 Soweit der Beklagte geltend macht, er sei irrig davon ausgegangen, dass
er die Vorauszahlungen nicht leisten müsse, könnte ihn dies nur unter den
Voraussetzungen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums entlasten (vgl.
Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 102/06, NZM 2007, 35 Rn. 25, 27
sowie vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 138/11, WuM 2012, 499 Rn.19).
Für das
Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums bestehen nach dem Sachvortrag
des Beklagten jedoch keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Beklagte
nach eigenen Angaben davon ausging, dass die Zahlungen in Höhe von monatlich
50 € für ihn vom Jobcenter erbracht worden seien, und er Zahlungen in dieser
Höhe ab Mai 2009 tatsächlich auch leistete, spricht im Gegenteil dafür, dass
er sich darüber im Klaren war, nach dem Anschluss seiner Wohnung an die
Fernwärmeversorgung Heizkostenvorauszahlungen entrichten zu müssen. Entgegen
der Auffassung der Revision rechtfertigt der Umstand, dass dem Beklagten im
Zahlungsprozess in der ersten Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden
war, keine andere Beurteilung.
26 c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revision steht
der Kündigung vom 5. Oktober 2009 auch nicht die "Sperrwirkung" des
§ 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB entgegen. Diese Vorschrift bestimmt für die fristlose
Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, dass im Falle einer
rechtskräftigen Verurteilung des Mieters zur Zahlung einer erhöhten Miete
nach §§ 558 bis 560 BGB das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs nicht vor
Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung gekündigt werden
kann, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen
Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.
27 Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die ordentliche
Kündigung kommt nicht in Betracht. Es besteht schon keine Regelungslücke,
die eine solche analoge Anwendung rechtfertigen könnte.
28 aa) Wie der Senat für den ähnlich gelagerten Fall der in § 569 Abs. 3 Nr.
2 BGB geregelten Schonfristzahlung ausgeführt hat (Senatsurteil vom
16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2 a, c), sprechen
bereits die unterschiedlichen Kündigungsvoraussetzungen für die
außerordentliche fristlose Kündigung in § 543 BGB und für die ordentliche
Kündigung in § 573 BGB dagegen, dass der Gesetzgeber die in § 569 Abs. 3 BGB
enthaltenen Schutzvorschriften nur versehentlich auf die außerordentliche
Kündigung beschränkt haben könnte. Der Zweck der Schutzvorschriften besteht
darin, in bestimmten Konstellationen eine Obdachlosigkeit des Mieters
infolge einer fristlosen Kündigung zu vermeiden; eine solche Gefahr der
Obdachlosigkeit besteht angesichts der bei der ordentlichen Kündigung
einzuhaltenden Kündigungsfrist nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße
(Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO unter II 2 d aa). Im
Übrigen kann von einem gesetzgeberischen Versehen, die Schutzvorschriften
des § 569 Abs. 3 BGB entgegen der eigentlichen Intention nicht auch auf die
ordentliche Kündigung bezogen zu haben, auch deshalb nicht (mehr)
ausgegangen werden, weil der Gesetzgeber im Mietrechtsreformgesetz vom 19.
Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) zwar die
Schonfrist bei der fristlosen Kündigung auf zwei Monate verlängert,
gleichwohl aber bei dieser Gelegenheit für die ordentliche Kündigung keine
anderweitige Regelung getroffen hat, obwohl die obergerichtliche
Rechtsprechung schon in den 1990er Jahren eine analoge Anwendung der
Regelung über die Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung verneint
hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO unter II 2
b).
29 bb) Auch bei der Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB handelt es sich um
eine Regelung mit Ausnahmecharakter. Nach der Rechtsprechung des Senats
kommt deshalb - mangels Bestehen einer Regelungslücke - eine analoge
Anwendung weder für den preisgebundenen Wohnraum (Senatsurteil vom 9. Mai
2012 - VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2279 Rn. 16) noch für den Fall in Betracht,
dass der Vermieter wegen Mietrückständen, die aus erhöhten
Betriebskostenvorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 BGB) resultieren, nach § 543
Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b BGB kündigt, ohne zuvor auf Zahlung der Rückstände zu
klagen (Senatsurteil vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 1/11, WuM 2012, 497 Rn.
21). Für die ordentliche Kündigung gilt nichts anderes; auch insoweit ist
für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB kein
Raum.
30 d) Entgegen der Auffassung der Revision führt die vom Beklagten am 30.
Juli 2010 nachträglich geleistete Zahlung ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit
der Kündigung.
31 Allerdings hat der Senat im Zusammenhang mit der Bedeutung der
Schonfristzahlung für eine ordentliche Kündigung ausgeführt, die innerhalb
der Frist des § 569 BGB erfolgte nachträgliche Zahlung könne die
Pflichtverletzung des Mieters in einem milderen Licht erscheinen lassen und
unter diesem Gesichtspunkt von Bedeutung sein (vgl. Senatsurteil vom 16.
Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO unter II 2 d cc). Ob dies - wie es im
damaligen Senatsurteil
möglicherweise anklingt - im Rahmen der Wirksamkeit der Kündigung oder -was
aus systematischen Gründen näher liegen dürfte - im Rahmen von § 242 BGB zu
prüfen ist, weil sich die Berufung auf eine wirksam ausgesprochene Kündigung
aufgrund nachträglich eingetretener Umstände im Einzelfall als
rechtsmissbräuchlich darstellen kann (vgl. hierzu Senatsurteil vom 13.
Oktober 2010 - VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rn. 14, zur Anbietpflicht),
bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die im Juli 2010 und somit fast neun
Monate nach der Kündigung erfolgte Zahlung lässt die schuldhafte
Pflichtverletzung des Beklagten, der in der Zeit vom März 2008 bis April
2009 Rückstände in Höhe von mehr als zwei Monatsmieten hat auflaufen lassen,
auch nachträglich nicht in einem milderen Licht erscheinen. Die
nachträgliche Zahlung steht daher dem Räumungsbegehren der Klägerin weder
unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit der Kündigung noch mit Rücksicht auf
Treu und Glauben entgegen.
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