Verzug (§ 286 BGB); Vertretenmüssen (§ 286 IV
BGB) bei Geldmangel: "Geld muss man haben"; Kündigung wegen
Mietzahlungsverzugs nach §§ 543 II Nr. 3 BGB: Keine weitere Abwägung nach
Zumutbarkeitskriterien; Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung von
Wohnraum bei "Nachzahlung" gem. § 569 III Nr. 2 BGB
BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 -
VIII ZR 175/14 - LG Düsseldorf
Fundstelle:
NJW 2015, 1296
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Dem für einen Mietzahlungsverzug des Mieters
gemäß § 286 Abs. 4 BGB erforderlichen Vertretenmüssen steht nicht entgegen,
dass er, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer
öffentlichen Stelle angewiesen ist und diese Leistungen rechtzeitig
beantragt hat.
b) Kündigt der Vermieter in solch einem Fall gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BGB aus wichtigem Grund, findet eine Berücksichtigung von persönlichen
Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht statt. Vielmehr
sind die nach dieser Vorschrift allein auf den Umstand des Zahlungsverzugs
abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass bei
Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BGB bereits ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben ist und die
in § 543 Abs. 1 BGB genannten Abwägungsvoraussetzungen nicht noch zusätzlich
erfüllt sein müssen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 - VIII
ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 26).
Zentrale Probleme:
Es geht um die Kündigung von Wohnraum wegen
Zahlungsverzugs des Mieters. Nach § 543 I BGB kann jede Vertragspartei das
Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen, "wenn dem Kündigenden unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines
Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses
nicht zugemutet werden kann". Für Wohnraummietverhältnisse wird der
"wichtige Grund" durch § 569 BGB präzisiert. Nach § 543 II Nr. 3b BGB liegt
ein wichtiger Grund insbesondere bei einem qualifizierten Zahlungsverzug mit
der Miete vor. "Qualifiziert" deshalb, weil es sich um einen Verzug an zwei
aufeinanderfolgenden Terminen (a) oder in Höhe von zwei Monatsmieten handeln
muss (b). Hier geht es nun um drei Fragen, nämlich: (1) Ob das für den
Verzug (§ 286 BGB) erforderliche Vertretenmüssen vorlag, (2) ob im Fall von
Verzug auch noch eine Abwägung nach § 534 I BGB vorzunehmen ist und (3) ob
die beigebrachte Verpflichtungserklärung des Sozialamts die Kündigung nach §
569 III Nr. 2 BGB unwirksam gemacht hat.
Zu (1) führt der Senat den bekannten Grundsatz aus, dass man den Mangel an
finanziellen Mitteln nach § 276 I BGB immer, d.h. ohne Rücksicht auf
Verschulden zu vertreten hat ("Geld muss man haben") und dass die bloße
Beantragung von Mitteln beim Sozialamt daran nichts ändert, obwohl das
Sozialamt nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters ist. Zu (2) führt er aus, dass
die in § 543 II genannten Gründe für sich genommen einen "wichtigen Grund"
darstellen, so dass die für den "wichtigen Grund" nach Abs. 1 erforderliche
Abwägung der Zumutbarkeit nicht mehr stattfindet. § 543 II Nr. 3 ist also
speziell (zur Frage des Rückgriffs auf
eine ordentliche Kündigung nach § 573 II Nr. 1 BGB wenn
der Verzug nicht "qualifiziert" war s.
BGH v. 10.10.2012 - VIII ZR 107/12).
Zu (3): Nach § 569 III Nr. 2 kann eine bereits erklärte Kündigung unwirksam
werden, wenn der Mieter innerhalb von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit der
Räumungsklage die Miete nachzahlt oder sich eine öffentliche Stelle zur
Befriedigung verpflichtet. Der Mieter von Wohnraum hat also gleichsam eine
"zweite Chance", die Miete nachzuzahlen, wenn er bereits auf Räumung
verklagt ist. Diese kann er aber nach § 569 III Nr. 2 S. 2 BGB nicht
kettenförmig, sondern innerhalb von 2 Jahren nur einmal wahrnehmen. Wenn
also bereits einmal eine Kündigung auf diesem Weg nachträglich unwirksam
wurde, kann das innerhalb von 2 Jahren nicht ein zweites Mal geschehen. So
lag der Fall hier.
Vgl. zum Erfordernis des Vertretenmüssens beim Mietzahlungsverzug auch
BGH NJW 2007, 428
und BGH v. 10.10.2012 - VIII ZR
107/12 (Rechtsirrtum) sowie
BGH NJW 2012, 2882
(unberechtigte Minderung).
©sl 2015
Tatbestand:
1 Der Beklagte ist seit Dezember 2010
Mieter einer 140 qm großen Wohnung des Klägers in H. . Die spätestens bis
zum dritten Werktag eines jeden Monats im Voraus zu entrichtende Miete
beläuft sich auf monatlich 1.100 € netto zuzüglich der Miete für die
dazugehörige Garage in Höhe von 50 € sowie einer Betriebskostenvorauszahlung
von 180 €.
2 Ab Oktober 2011 bezog der Beklagte Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem
SGB II. Die seit Januar 2013 vom zuständigen Jobcenter für seine Unterkunft
erhaltenen Zahlungen leitete er nicht an den Kläger weiter. Dieser kündigte
daraufhin das Mietverhältnis unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin
aufgelaufenen Mietrückstände fristlos. Mit seiner am 8. Juni 2013
zugestellten Klage hat er den Beklagten auf Zahlung der rückständigen Miete
bis einschließlich Mai 2013 in Höhe von 6.650 € nebst Zinsen sowie auf
Räumung der Wohnung in Anspruch genommen. Seine Mietzahlungspflicht hat der
Beklagte anerkannt, so dass er durch rechtskräftiges Teilanerkenntnisurteil
des Amtsgerichts insoweit antragsgemäß verurteilt worden ist.
3 Nach Zustellung der Klage beantragte der Beklagte bei dem für ihn bis
dahin zuständigen Jobcenter die Übernahme der Mietschulden, was mit
Rücksicht auf die Größe der Wohnung durch Bescheid vom 26. Juni 2013
abgelehnt wurde. Nachdem sein hiergegen erhobener Widerspruch erfolglos
geblieben war, begehrte der Beklagte unter dem 23. Juli 2013 bei dem
zuständigen Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz. Dieses verpflichtete
das Jobcenter durch einstweilige Anordnung vom 8. August 2013, zur Abwendung
der Räumungsklage die vom Kläger eingeklagte rückständige Miete sowie
darüber hinaus die fällige Miete beziehungsweise Nutzungsentschädigung zu
zahlen; zugleich wurde dem Jobcenter aufgegeben, noch am selben Tage
gegenüber dem Kläger eine entsprechende Verpflichtungserklärung abzugeben.
Das Jobcenter gab die geforderte Verpflichtungserklärung in der Folge ab,
zahlte jedoch an den Kläger lediglich die eingeklagte Miete von Januar bis
Mai 2013.
4 Seit Juni 2013 stehen dem Beklagten Sozialleistungen nach dem SGB XII zu,
für deren Bewilligung nicht mehr das Jobcenter, sondern die Stadt H.
zuständig ist. Diese bewilligte ihm wegen Bedenken gegen die Angemessenheit
der Unterkunftskosten durch Bescheid vom 26. August 2013 lediglich den
Regelsatz. Hiergegen erhob der Beklagte am 5. September 2013 Widerspruch.
Auf Antrag des Beklagten wurde die Stadt H. durch Beschluss des zuständigen
Sozialgerichts vom 30. April 2014 im Wege einstweiliger Anordnung
verpflichtet, die Kosten der Unterkunft des Beklagten für die Zeit von
November 2013 bis Juni 2014 zu tragen.
5 Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Amtsgericht der Räumungsklage mit
Schlussurteil vom 2. Oktober 2013 stattgegeben. Hierbei ist es zwar davon
ausgegangen, dass die Kündigung des Klägers vom 17. April 2013 durch die
Verpflichtung des Jobcenters, die rückständigen Mieten auszugleichen, gemäß
§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden ist. Zugleich hat es jedoch
eine auf die rückständige Miete für die Monate Juni bis August 2013
gestützte weitere fristlose Kündigung des Klägers vom 30. August 2013 für
wirksam erachtet. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagen hat keinen
Erfolg gehabt, nachdem der Kläger das Mietverhältnis wegen der von Oktober
2013 bis März 2014 ausgebliebenen Miete unter dem 12. März 2014 und wegen
der von Juli 2013 bis April 2014 ausgebliebenen Miete unter dem 17. April
2014 erneut fristlos gekündigt hatte. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren
hinsichtlich der Räumungsklage weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
8 Zwar sei die Kündigung vom 30. August 2013 wegen Verstoßes gegen § 242 BGB
unwirksam. Denn das Jobcenter habe sich zum Zeitpunkt des
Kündigungsausspruchs gegenüber dem Kläger verpflichtet, die rückständige
Miete jedenfalls bis August 2013 auszugleichen; die Vermögensinteressen des
Klägers seien deshalb nicht ernsthaft gefährdet gewesen, auch wenn eine
Zahlung für die Monate Juni bis August 2013 zum Kündigungszeitpunkt noch
nicht erfolgt sei. Allerdings sei das Mietverhältnis durch die anschließende
Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden, auf die sich der Kläger
ungeachtet der verweigerten Einwilligung des Beklagten im Wege einer
sachdienlichen Klageänderung hilfsweise gestützt habe und die er im Wege
einer wirksam erhobenen Anschlussberufung auch noch zum Gegenstand seines
Räumungsbegehrens habe machen können. Denn der Beklagte sei auch mit der
Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug geraten, so dass
hierauf gestützt der Kläger gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erneut habe
kündigen können.
9 Der Annahme eines dafür erforderlichen Zahlungsverzugs stehe nicht
entgegen, dass der Beklagte rechtzeitig die entsprechenden Anträge beim
zuständigen Sozialamt gestellt und ein sozialgerichtliches Verfahren
angestrengt habe, nachdem das Sozialamt sich geweigert habe, die Kosten für
die Unterkunft zu tragen. Denn für seine finanzielle Leistungsfähigkeit habe
ein Schuldner - wie der Beklagte - verschuldensunabhängig einzustehen. Eine
Fallgestaltung, bei der nach einer in der Instanzrechtsprechung teilweise
vertretenen Auffassung das Ausbleiben der Mietzahlung ausnahmsweise
entschuldigt sein könne, weil der Mieter auf die Mietzahlung durch das
Sozialamt habe vertrauen können und von deren Ausbleiben überrascht worden
sei oder weil er sonst unabwendbar durch unvorhergesehene Umstände an einer
rechtzeitigen Zahlung gehindert gewesen sei, sei hier nicht gegeben. Soweit
in der Instanzrechtsprechung auch für die hier gegebene Konstellation
bisweilen die Auffassung anklinge, der im Leistungsbezug der ARGE [heute
gemäß § 6d SGB II: Jobcenter] stehende Mieter habe mit der rechtzeitigen
Leistungsbeantragung alles ihm Obliegende und Zumutbare getan, um die ARGE
zur pünktlichen Zahlung der geschuldeten Miete an den Vermieter zu
veranlassen und mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip dadurch seinem
Beschaffungsrisiko genügt, könne dem schon deshalb nicht gefolgt werden,
weil auch das Sozialstaatsprinzip nicht so weit gehe, dass es die
Verantwortung für den hilfebedürftigen Mieter dem Vermieter anstelle der
staatlichen Gemeinschaft aufbürde.
10 Die am 12. März 2014 ausgesprochene Kündigung sei auch nicht durch den
Beschluss des Sozialgerichts vom 30. April 2014 unwirksam geworden.
Abgesehen davon, dass dieser Beschluss nicht alle der Kündigung zugrunde
liegenden Zahlungsrückstände erfasst habe, habe § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2
BGB der Gewährung einer erneuten Schonfrist entgegengestanden, da bereits
die Kündigung vom 17. April 2013 nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB
unwirksam geworden sei.
II.
11 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die
Revision zurückzuweisen ist.
12 Das Berufungsgericht hat den Räumungsanspruch des Klägers (§ 546
Abs. 1 BGB) rechtsfehlerfrei für begründet erachtet, weil das Mietverhältnis
der Parteien durch die Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden
ist. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit der Entrichtung der Miete (§
535 Abs. 2 BGB) für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug, so dass
ein für die ausgesprochene fristlose Kündigung erforderlicher wichtiger
Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569
Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB vorgelegen hat.
13 1. Das Berufungsgericht durfte - anders als die Revision meint - über das
auf die Kündigung des Klägers vom 12. März 2014 gestützte Räumungsbegehren
in der Sache entscheiden. Denn der Kläger hat diesen Klagegrund
zulässigerweise im Wege der Anschlussberufung (§ 524 ZPO) in das
Berufungsverfahren eingeführt.
14 a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine
hilfsweise Klageänderung vorgelegen hat, als der Kläger im
Berufungsrechtszug sein Räumungsbegehren nunmehr auch auf die Kündigung vom
12. März 2014 gestützt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem
sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und
durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die
begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10,
GRUR 2012, 180 Rn. 19; vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953
Rn. 15; jeweils mwN). Dementsprechend hat der Kläger, der erstinstanzlich
mit dem auf die Kündigung vom 30. August 2013 gestützten Räumungsbegehren
durchgedrungen war, dadurch, dass er dieses Begehren zusätzlich mit der
Kündigung vom 12. März 2014 unterlegt hat, einen neuen Streitgegenstand in
den Prozess eingeführt, nämlich ein Räumungsbegehren, das hilfsweise auf
diese erneute Kündigung und den darin geltend gemachten Kündigungsgrund
gestützt war (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12,
GE 2013, 117 Rn. 8). Die auf diese Weise herbeigeführte nachträgliche
(Eventual-)Klage-häufung (§ 260 ZPO) ist deshalb wie eine Klageänderung im
Sinne der §§ 263, 533 ZPO mit den dafür geltenden Regeln zu behandeln (vgl.
BGH, Urteile vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 8;
vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 unter 4; jeweils mwN;
BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12, aaO).
15 b) Den neuen Klagegrund konnte und musste der Kläger zweitinstanzlich im
Wege eines Anschlussrechtsmittels in den Rechtsstreit einführen. Denn der
Berufungsbeklagte, der seine in erster Instanz erfolgreiche Klage erweitern
oder auf einen neuen Klagegrund stellen will, muss sich dazu gemäß § 524 ZPO
der Berufung der Gegenseite anschließen. Das gilt entgegen der Auffassung
der Revision auch dann, wenn - wie hier - die Einführung des neuen
Klagegrundes eine Änderung des Sachantrags nicht erforderlich macht. Auch in
einem solchen Fall will nämlich der Berufungsbeklagte, der im
Berufungsrechtszug seine Klage auf einen anderen Klagegrund stützt, damit
mehr erreichen als die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung
über den mit der Klage verfolgten Anspruch (BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 -
I ZR 41/10, aaO Rn. 22; vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, aaO).
16 c) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen,
dass die Anschlussberufung auch sonst den Anforderungen des § 524 ZPO
genügt. Insoweit erhebt auch die Revision keine Beanstandungen. Insbesondere
ist es unschädlich, dass der Kläger, als er sich in seiner
Berufungserwiderung auf die spätere Kündigung gestützt hat, dieses Vorgehen
nicht als Anschlussberufung bezeichnet hat. Für die Einlegung eines
Anschlussrechtsmittels ist keine dahingehende ausdrückliche Erklärung
erforderlich. Es genügt vielmehr jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach
als Begehren auf Abänderung des Urteils erster Instanz darstellt.
Dementsprechend kann der Anschluss an das Rechtsmittel der Gegenseite auch
konkludent in der Weise erfolgen, dass der Kläger - wie im Streitfall - sein
im Übrigen unverändertes Klagebegehren auf einen weiteren Klagegrund stützt
(BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, aaO Rn. 26).
17 2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht
zu Recht angenommen, dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung vom 12.
März 2014 mit der Zahlung der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März
2014 in Verzug war. Dass der Beklagte, um die Miete entrichten zu
können, auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen war und
diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte, ändert an dem - neben den hier
gegebenen Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für
einen Verzugseintritt erforderlichen - Vertretenmüssen (§ 286 Abs. 4 BGB)
ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass der zuständige Träger der
Sozialhilfe nach Kündigungsausspruch zur Übernahme der Mietschulden
verpflichtet worden ist.
18 a) Zur Verantwortlichkeit des Schuldners und damit auch zu der
von § 286 Abs. 4 BGB geforderten Zurechnung einer Nichtleistung trotz
Fälligkeit sieht § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, dass der Schuldner Vorsatz und
Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere Haftung
weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses,
insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines
Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Eine solche
strengere Haftung besteht aber nach allgemeiner Auffassung bei Geldschulden.
Danach befreit eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher
Schwierigkeiten, um die es hier geht, den Schuldner auch dann nicht von den
Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung, wenn sie auf
unverschuldeter Ursache beruht. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der
unbeschränkten Vermögenshaftung, das § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB genauso
zugrunde liegt wie der Vorgängerregelung des § 279 BGB aF und das im Übrigen
auch aus dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abzuleiten
ist, ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle
Leistungsfähigkeit einzustehen (BGH, Urteile vom 28. Februar 1989 -
IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 102 mwN; vom 11. Dezember 2001 - VI ZR 350/00,
WM 2002, 347 unter II 3 b; vom 15. März 2002 - V ZR 396/00, BGHZ 150, 187,
194; ebenso auch BT-Drucks. 14/6040, S. 132).
19 b) Dieses Verständnis des Vertretenmüssens im Falle mangelnder
finanzieller Leistungsfähigkeit gilt auch für Mietzahlungspflichten und die
bei Ausbleiben der Miete bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters
aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (Senatsurteil vom
16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2 d cc; Staudinger/
Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 543 Rn. 56a; Schmidt-Futterer/Blank,
Mietrecht, 11. Aufl., § 543 BGB Rn. 96 f.; Wiek, WuM 2010, 204, 205; jeweils
mwN). Soweit in der Instanzrechtsprechung teilweise die Auffassung
vertreten oder jedenfalls erwogen wird, ein Mieter, der Sozialleistungen
einer öffentlichen Stelle beziehe, genüge seinen Pflichten zur Beschaffung
der zur Entrichtung der Miete benötigten Geldmittel bereits dann, wenn er
alles ihm Obliegende und Zumutbare getan habe, um die öffentliche Stelle zur
pünktlichen Zahlung der für seine Unterkunft geschuldeten Miete zu
veranlassen (LG Bonn, Beschluss vom 10. November 2011 - 6 T 198/11,
juris Rn. 5; Urteil vom 6. November 2014 - 6 S 154/14, juris Rn. 15; LG
Wiesbaden, WuM 2012, 623, 624; ähnlich LG Berlin, NZM 2013, 121, 122; WuM
2014, 607 f.), trifft dies nicht zu.
20 aa) Zwar braucht sich - wie der Senat klargestellt hat - ein
hilfebedürftiger Wohnungsmieter die Säumnis einer öffentlichen Stelle, die
die Kosten seiner Unterkunft zu übernehmen hat, nicht gemäß § 278 BGB als
eigenes Verschulden zurechnen zu lassen. Denn eine Behörde, die im Rahmen
der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen an einen Bürger erbringt,
ist hierbei nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters zur Erfüllung seiner
Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinem Vermieter (Senatsurteil
vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 30). Das ändert
entgegen der Auffassung der Revision aber nichts daran, dass der Mieter
verschuldensunabhängig für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen
hat.
21 Dementsprechend sind auch die nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB
allein auf den Umstand des Zahlungsverzugs abstellenden Kündigungsgründe vom
Gesetzgeber so konzipiert worden, dass sie - anders als § 543 Abs. 1, § 573
Abs. 2 Nr. 1 BGB (dazu Senatsurteile vom 16. Februar 2005 - VIII ZR
6/04, aaO; vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, aaO Rn. 26) - eine
Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen
grundsätzlich nicht zulassen (Senatsurteil vom 15. April 1987 -
VIII ZR 126/86, WM 1987, 932 unter II 1 c). Vielmehr ist danach bei
Vorliegen der Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB allein aus diesem Grund eine
außerordentliche fristlose Kündigung möglich, ohne dass die in § 543 Abs. 1
BGB genannten Abwägungsvoraussetzungen noch zusätzlich erfüllt sein müssen.
Denn nach der Gesetzessystematik und den ihr zugrunde liegenden
gesetzgeberischen Wertungen handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 bis 3 BGB aufgeführten, die (objektive) Verletzung bestimmter
mietrechtlicher (Kardinal-)Pflichten von erheblichem Gewicht betreffenden
Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer
weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche
Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger
Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben
(vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, NJW 2010,
3020 Rn. 15; vom 29. April 2009 - VIII ZR 142/08, NJW 2009, 2297 Rn. 16 mwN;
vom 26. März 1969 - VIII ZR 76/67, WM 1969, 625 unter IV 3 c).
22 bb) Gegenläufige Wertungskriterien, die eine abweichende rechtliche
Beurteilung der aufgrund mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit des
Mieters und seinem Angewiesensein auf öffentliche Sozialleistungen
ausgebliebenen Mietzahlungen und einer hierauf gestützten Kündigung tragen
könnten, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere steht der von ihr
hervorgehobene Umstand, dass der Beklagte bei dem für ihn zuständigen
Sozialhilfeträger rechtzeitig die Übernahme seiner Wohnungskosten beantragt
und dieser die Übernahme - wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist -
zunächst zu Unrecht verweigert hatte, einer Wirksamkeit der Kündigung des
Klägers vom 12. März 2014 nicht entgegen.
23 Der Gesetzgeber, der es seit langem als eine in der
Sozialstaatsverpflichtung des Art. 20 Abs. 1 GG angelegte Aufgabe begreift,
den vertragstreuen Mieter vor willkürlichen beziehungsweise vor nicht von
berechtigten Interessen des Vermieters getragenen Kündigungen und damit dem
Verlust seiner Wohnung zu schützen (vgl. nur BT-Drucks. 7/2011, S.
7), hat die in Rede stehende Problemlage gesehen, sie jedoch nicht
dadurch zu bereinigen versucht, dass er - abweichend von den sonst geltenden
rechtlichen Maßstäben - die Anforderungen an die Leistungspflichten des
Mieters und ein Vertretenmüssen von Mietzahlungsrückständen zu Lasten des
Vermieters herabgesetzt und dadurch die Kündigungsvoraussetzungen des § 543
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB verändert hat. Er hat dem Interesse des durch einen
erheblichen Mietrückstand vertragsuntreu gewordenen Mieters an einem Erhalt
der gemieteten Wohnung vielmehr dadurch Rechnung getragen, dass er ihm -
allerdings vorrangig zum Zwecke der im allgemeinen Interesse liegenden
Vermeidung von Obdachlosigkeit - durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB genauso
wie zuvor schon durch § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB aF die Möglichkeit zur
einmaligen Nachholung rückständiger Mietzahlungen innerhalb von zwei Jahren
eingeräumt hat, um bei deren Einhaltung eine auf den eingetretenen
Mietzahlungsverzug gestützte Kündigung unwirksam werden zu lassen
(BT-Drucks. 14/4553, S. 64).
24 Zugleich hat der Gesetzgeber es bei Verfolgung dieses Ziels genügen
lassen, dass eine Befriedigung des Vermieters nicht sofort, wie in §
535 Abs. 2, § 556b Abs. 1 BGB vorgesehen, durch Entrichtung der bis dahin
fälligen Miete oder Entschädigung, sondern durch Vorlage der entsprechenden
Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle erfolgt (vgl.
bereits BT-Drucks. IV/806, S. 10). Aufgrund der Erkenntnis, dass sich die
ursprünglich vorgesehene Nachholungsfrist von einem Monat für die
Sozialhilfebehörden häufig als zu kurz erwiesen hat, hat er, um diesen
Behörden ein auf die Vermeidung von Obdachlosigkeit finanziell schwacher
Mieter gerichtetes Tätigwerden zu erleichtern, bei Schaffung des § 569 Abs.
3 Nr. 2 Satz 1 BGB schließlich die Schonfrist für die Nachholung der Zahlung
der rückständigen Miete und der fälligen Nutzungsentschädigung oder der
Vorlage einer entsprechenden Verpflichtungserklärung um einen Monat auf zwei
Monate verlängert (BT-Drucks. 14/4553, aaO; vgl. dazu auch Senatsurteil vom
14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 21).
25 Durch diese Sonderregelung (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR
267/09, aaO) hat der Gesetzgeber - allerdings abschließend - im allgemeinen
Interesse zugleich auch dem Anliegen eines leistungsunfähigen Mieters, eine
auf einen erheblichen Mietzahlungsverzug gestützte fristlose Kündigung des
Vermieters nachträglich ungeschehen zu machen und ihm so die gemietete
Wohnung zu erhalten, Rechnung getragen (im Ergebnis ebenso
Schmidt-Futterer/Blank, aaO Rn. 97). Die dem Mieter auf diese Weise
kraft Gesetzes einmalig eingeräumte Nachfrist zur Beschaffung der zur
Mietzahlung erforderlichen Mittel, zumindest aber zur Herbeiführung der
erforderlichen Verpflichtungserklärung, kann entgegen der Auffassung der
Revision deshalb nicht dahin erweitert werden, dass über den eindeutigen
Gesetzeswortlaut hinaus bereits die Beantragung der zur Erbringung der
Mietzahlungen erforderlichen öffentlichen Mittel genügen soll. Denn
die damit verbundene Ungewissheit, den Gebrauch der Mietsache weiterhin
gewähren zu müssen, ohne als Gegenleistung zumindest die Sicherheit einer
Begleichung der bis dahin fälligen Mietrückstände zu haben, hat der
Gesetzgeber dem Vermieter über den zweimonatigen Schonfristzeitraum hinaus
gerade nicht mehr aufbürden wollen.
26 c) Da nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
bereits die unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin seit Januar 2013
aufgelaufenen Mietrückstände ausgesprochene fristlose Kündigung durch die im
August 2013 abgegebene Verpflichtungserklärung des Jobcenters gemäß § 569
Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden war, kommt auch eine erneute
Anwendung dieser Bestimmung hinsichtlich der auf den weiteren
Mietzahlungsverzug im Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2014 gestützten
Kündigung vom 12. März 2014 von vornherein nicht mehr in Betracht (§ 569
Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB). Das Mietverhältnis der Parteien ist durch diese
Kündigung vielmehr wirksam beendet worden.
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