Verschulden und
Rechtsirrtum; Rechtsberater als Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 BGB
BGH, Urteil vom 25. Oktober
2006 - VIII ZR 102/06
Fundstelle:
NJW 2007, 428
Amtl. Leitsatz:
1. Der Mieter ist im
Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch für das schuldhafte Verhalten eines
Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB verantwortlich; die ordentliche Kündigung
des Vermieters wegen einer nicht unerheblichen Vertragsverletzung setzt
nicht ein eigenes schuldhaftes Verhalten des Mieters voraus.
2. Ein Mieterschutzverein, der den Mieter bei der Entscheidung darüber
berät, ob er von einem Zurückbehaltungsrecht an der Miete Gebrauch machen
soll, ist Erfüllungsgehilfe des Mieters bei der Erfüllung der Verpflichtung
zur Entrichtung der Miete.
Zentrale Probleme:
Es geht hier im Rahmen eines mietrechtlichen
Spezialproblems (Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen schuldhafter
Verletzung von Mieterpflichten) um grundsätzliche Fragen des Verschuldens
bei Rechtsirrtum (s. dazu etwa auch
BGH NJW 2005, 976) sowie
um den Begriff des Erfüllungsgehilfen i.S.v. § 278 BGB. Das macht die
Entscheidung über den konkreten mietrechtlichen Kontext hinaus für die
Ausbildung von Interesse:
Ein Rechtsirrtum entlastet nur unter engen Voraussetzungen vom Verschulden.
Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich
Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig
beachten. Nach § 278 BGB hat man allerdings auch für Verschulden des
Erfüllungsgehilfen einzustehen. Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den
tatsächlichen Verhältnissen des gegebenen Falles mit dem Willen des
Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als
seine Hilfsperson tätig wird (s. dazu auch die Anm. zu
BGH v. 10.2.2005 - III ZR 258/04 m.w.N.). Hierunter fällt nach der vorliegenden
Entscheidung nicht nur eine Person, die in die Erfüllung der Hauptpflichten
eingeschaltet ist, sondern auch ein Rechtsberater, der über die Frage der
Erfüllung der Verpflichtungen durch den Schuldner berät. Das ist nicht
unproblematisch, denn der Mieter schuldet keinen Rechtsrat, sondern
Mietzahlung. S. dazu auch BGH v. 10.10.2012 - VIII ZR
107/12,
BGH NJW 2012, 2882
sowie BGH v.
4.2.2015 - VIII ZR 175/14.
©sl 2006
Tatbestand:
1 Die Beklagten sind aufgrund eines Mietvertrages vom 3. Juni 2000 Mieter
einer nicht preisgebundenen Wohnung der Klägerin. Die zuletzt vereinbarte
Miete beträgt 577,08 €. Darin sind monatlich zu leistende Vorauszahlungen
auf die Betriebskosten in Höhe von 157,82 € enthalten, die die Beklagten für
die Zeit von März 2004 bis Januar 2005 nicht erbrachten. Wegen des dadurch
entstandenen Rückstandes in Höhe von 1.736,02 € kündigte die Klägerin das
Mietverhältnis mit Schreiben vom 1. Februar 2005 zum 30. April 2005.
2 Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Räumung und Herausgabe der
Wohnung. Die Beklagten haben eingewandt, sie hätten die
Nebenkostenvorauszahlungen auf Empfehlung des Mieterschutzvereins H.
zurückbehalten, weil die Klägerin trotz wiederholter Aufforderungen keine
Rechnungsbelege zu den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2001 bis 2003
übersandt habe. Nach Klageerhebung am 25. Mai 2005 wurden die Beklagten in
einem anderen Verfahren zur Leistung der rückständigen Betriebskosten
verurteilt; sie zahlten den Betrag von 1.736,02 € daraufhin am 11. Juli
2005.
3 Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten
hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
4 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
5 Die Klägerin habe gegenüber den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung der
Wohnung. Die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 1. Februar 2005 habe das
Mietverhältnis nicht beendet. Dafür sei gemäß § 573 BGB ein berechtigtes
Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses
erforderlich, das insbesondere dann vorliege, wenn der Mieter seine
vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt habe (§ 573
Abs. 2 Nr. 1 BGB).
6 Zwar liege eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung der Beklagten darin,
dass sie durch die Zurückbehaltung der Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe
von 1.736,02 € mit einem Betrag von mehr als zwei Monatsmieten in
Zahlungsrückstand geraten seien (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB). Ein
Zurückbehaltungsrecht habe ihnen nicht zugestanden, weil sie nicht
berechtigt gewesen seien, die Übersendung von Belegen für die
Nebenkostenabrechnungen zu verlangen. Die Kündigung der Klägerin sei auch
nicht durch die Zahlung des rückständigen Betrags seitens der Beklagten am
11. Juli 2005 unwirksam geworden, weil die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2
BGB, nach der eine Kündigung unwirksam werde, wenn der Vermieter spätestens
bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des
Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt werde, im Fall
einer ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB keine Anwendung
finde.
7 Die Beklagten hätten jedoch nicht schuldhaft gehandelt. Ein eigenes
Verschulden liege nicht vor, weil sie aufgrund der Empfehlung des
Mieterschutzvereins H. von einem Zurückbehaltungsrecht an den
Nebenkostenvorauszahlungen hätten ausgehen dürfen. Ein Verschulden des
Mieterschutzvereins brauchten die Beklagten sich nicht gemäß § 278 BGB
zurechnen zu lassen, weil § 278 BGB im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB
nicht anwendbar sei. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der
Beendigung des Mietverhältnisses könne sich nur aus einem persönlichen
Fehlverhalten des Mieters ergeben. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB setze deshalb ein
eigenes Verschulden des Mieters voraus.
II.
8 Die Revision hat Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Räumung und
Herausgabe der von den Beklagten gemieteten Wohnung zu (§ 546 Abs. 1 BGB).
Ihre ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses vom 1. Februar 2005 ist
gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam. Das Berufungsgericht hat ein
berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses
zu Unrecht verneint. Die Beklagten haben ihre vertraglichen Pflichten
schuldhaft nicht unerheblich verletzt (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
9 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der mehr
als zwei Monate andauernde Verzug mit der Entrichtung von
Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe eines Betrages, der - wie hier - die
Bruttomiete von zwei Monaten überschreitet, eine nicht unerhebliche
Pflichtverletzung eines Mieters im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB
darstellt. Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB
berechtigt dieser Umstand den Vermieter sogar zu einer außerordentlichen
Kündigung aus wichtigem Grund. Nach Auffassung des Gesetzgebers handelt es
sich bei einem solchen Verhalten also um eine erhebliche Pflichtverletzung,
die die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter regelmäßig als
unzumutbar erscheinen lässt. Es begründet daher jedenfalls ein berechtigtes
Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 573
Rdnr. 16; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 573 BGB Rdnr. 26).
10 Verzug mit der Entrichtung von Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von
1.736,02 € lag hier im Zeitpunkt der Kündigung am 1. Februar 2005 -
vorbehaltlich eines Verschuldens der Beklagten (siehe dazu unten unter 2) -
vor. Ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB wegen der Forderung
nach Übersendung von Belegen für die Nebenkostenabrechnungen der Jahre 2001
bis 2003 stand den Beklagten nicht zu. Wie der Senat durch Urteil vom 8.
März 2006 (VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 unter II A 1 a bb (2)) entschieden
hat, hat der Mieter preisfreien Wohnraums grundsätzlich keinen Anspruch
gegen den Vermieter auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur
Betriebskostenabrechnung, sondern kann er zum Zwecke der Überprüfung der
Abrechnung nur Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen verlangen. Dass
den Beklagten die Einsichtnahme in den Räumen der Vermieterin verwehrt
worden wäre oder dass sie ihnen ausnahmsweise nicht zuzumuten gewesen wäre,
hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und macht auch die
Revisionserwiderung nicht geltend.
11 Dass die Beklagten den Zahlungsrückstand am 11. Juli 2005 und damit
innerhalb von zwei Monaten nach Erhebung der Räumungsklage am 25. Mai 2005
ausgeglichen haben, beseitigt die Wirksamkeit der auf den Verzug gestützten
ordentlichen Kündigung nicht. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1
BGB, der zufolge eine außerordentliche fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 BGB unwirksam wird, wenn der Vermieter spätestens bis zum
Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des
Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird, gilt, wie
auch das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nicht für die ordentliche
Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB (Senat, Urteil vom 16. Februar 2005 -
VIII ZR 6/04, WuM 2005, 250 unter II 2).
12 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch ein Verschulden der
Beklagten im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB verneint.
13 a) Dabei ist allerdings seine Beurteilung, die Beklagten treffe kein
eigenes Verschulden, entgegen der Ansicht der Revision aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs sind zwar an das Vorliegen eines unverschuldeten
Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen. Der Schuldner muss die Rechtslage
sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die
höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten (BGH, Urteil vom 12.
Juli 2006 - X ZR 157/05, BB 2006, 1819 unter II 3 c; Senatsurteil vom 4.
Juli 2001 - VIII ZR 279/00, NJW 2001, 3114 unter II 3 d m.w.Nachw.).
14 Diesen Anforderungen haben die Beklagten jedoch genügt. Sie selbst
befanden sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum darüber, dass das
Verlangen nach Belegen für die Nebenkostenabrechnungen sie nicht zur
Zurückbehaltung der laufenden Betriebskostenvorschüsse berechtigte. Nach den
unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind sie einer
Empfehlung des Mieterschutzvereins gefolgt, die Betriebskostenvorschüsse bis
zur Übersendung der Belege zurückzuhalten. Sie durften sich auf die
Kompetenz des Mieterschutzvereins, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die
Beratung in Mietrechtsangelegenheiten gehört, verlassen (Schmidt-Futterer/Blank,
aaO, § 543 BGB Rdnr. 97) und hatten keinen Anlass, an dem erteilten Rat zu
zweifeln.
15 b) Die Revision macht jedoch zu Recht geltend, dass der Mieter im Rahmen
von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
auch für das schuldhafte Verhalten eines Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB
verantwortlich ist. Das entspricht der ganz herrschenden Auffassung in
Rechtsprechung und Schrifttum, die der Senat teilt (OLG Köln, ZMR 1998, 763,
766 = WuM 1998, 23, 24; LG Berlin, NZM 1998, 573 = ZMR 1998, 231 unter II;
Schmidt-Futterer/Blank, aaO, § 573 BGB Rdnrn. 19 und 31 i.V.m. § 543 BGB
Rdnr. 97; Palandt/Weidenkaff, aaO, § 573 Rdnr. 14; MünchKommBGB/ Häublein,
4. Aufl., § 573 Rdnr. 64; Staudinger/Rolfs, BGB, 2003, § 573 Rdnr. 33; Reick
in Bamberger/Roth, BGB, § 573 Rdnr. 23; Barthelmess,
Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 564b BGB Rdnr.
57; Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraum miete, 3.
Aufl., IV Rdnr. 63 f.; Haug in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 573
Rdnr. 22; Lammel, Wohraummietrecht, 2. Aufl., § 573 BGB Rdnr. 58; Krenek, in
Müller/Walther, Miet- und Pachtrecht, Stand August 2006, C § 573 Rdnr. 20;
Wenger, MDR 2000, 1239). Die dagegen vom Kammergericht (Rechtsentscheid vom
15. Juni 2000, NJW-RR 2000, 1397; vgl. auch Rechtsentscheid vom 11. Dezember
1997, NZM 1998, 110) erhobenen Bedenken, die sich das Berufungsgericht zu
Eigen gemacht hat, sind nicht berechtigt.
16 aa) Der Wortlaut von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (entspricht § 564b Abs. 2 Nr.
1 BGB in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung) schließt eine
Anwendung von § 278 BGB jedenfalls nicht aus, auch wenn er ein schuldhaftes
Verhalten des Mieters und nicht ein Vertretenmüssen der Pflichtverletzung
durch den Mieter voraussetzt. Denn gemäß § 278 BGB ist der Schuldner für ein
Verschulden seines Erfüllungsgehilfen in gleichem Umfang verantwortlich wie
für ein eigenes Verschulden. Zu vertreten hätte er dagegen über ein eigenes
oder ein ihm nach § 278 BGB zuzurechnendes Verschulden eines Dritten hinaus
auch eine (unverschuldete) finanzielle Leistungsunfähigkeit (BGHZ 107, 92,
102 m. w. Nachw.) oder bloßen Zufall (etwa im Fall des § 287 Satz 2 BGB).
17 bb) Die vom Kammergericht weiter als Argument herangezogene Vorschrift
des § 553 BGB (in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung) - die
zugunsten des Vermieters ausdrücklich ein (außerordentliches)
Kündigungsrecht für den Fall vorsah, dass derjenige, welchem der Mieter den
Gebrauch der gemieteten Sache überlassen hat, ungeachtet einer Abmahnung des
Vermieters einen vertragswidrigen Gebrauch der Sache fortsetzt - ist
inzwischen außer Kraft getreten. Ihr Regelungsgehalt ist insoweit nicht in
die Nachfolgenorm des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB übernommen worden, so
dass ihr schon deshalb im Rahmen einer systematischen Auslegung keine
Bedeutung mehr zukommen kann.
18 cc) Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB
auf ein eigenes schuldhaftes Verhalten des Mieters ist ferner nicht mit
Rücksicht auf Sinn und Zweck der Regelung wegen des in Absatz 1 geforderten
berechtigten Interesses des Vermieters an der Kündigung veranlasst. Ein
solches kann sich zum Beispiel auch aus einem schuldhaften erheblichen
Fehlverhalten eines in der Wohnung lebenden - und im Hinblick auf den
vertragsgemäßen Gebrauch der Sache als Erfüllungsgehilfe anzusehenden -
Familienangehörigen des Mieters ergeben, selbst wenn den Mieter persönlich
daran kein Verschulden trifft. Das besondere Interesse an der Beendigung des
Mietverhältnisses wird in diesen Fällen dadurch begründet, dass die
Beeinträchtigung aus dem allgemeinen Einflussbereich des Mieters herrührt.
Dafür, dass dennoch ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der
Beendigung des Mietverhältnisses nur bei einer Zerstörung des
Vertrauensverhältnisses zwischen Vermieter und Mieter gerade durch ein
persönliches Fehlverhalten des letzteren bestehen soll, wie das
Berufungsgericht meint, bietet § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB keine Stütze. Dem
entgegenstehenden Bestandsinteresse des Mieters, dessen Lebensmittelpunkt
die Mietwohnung ist und für den ein Umzug mit nicht unbeträchtlichen Kosten
und Unzuträglichkeiten verbunden ist, trägt die Vorschrift dadurch Rechnung,
dass nicht schon jede Pflichtverletzung eine ordentliche Kündigung
rechtfertigt, sondern eine nicht unerhebliche Verletzung vertraglicher
Pflichten vorliegen muss.
19 Die vom Kammergericht und von der Revisionserwiderung gezogene Parallele
zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Februar 1959 (BGHZ 29,
275), in der ausgesprochen ist, dass der Ausgleichsanspruch des
Handelsvertreters nach § 89b Abs. 3 Satz 2 (jetzt § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB)
grundsätzlich nur wegen eines eigenen schuldhaften Verhaltens, nicht wegen
eines Verschuldens seiner Angestellten entfällt, ist nicht gerechtfertigt.
Aus den Voraussetzungen, unter denen nach dem Grundgedanken von § 89b HGB
der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ausgeschlossen ist, lässt sich
nichts für die Frage herleiten, in welchen Fällen ein berechtigtes Interesse
des Vermieters an einer ordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses
bestehen kann.
20 3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig dar (§ 561 ZPO).
21 a) Die Beklagten haben sich des von ihnen eingeschalteten
Mieterschutzvereins im Sinne von § 278 BGB bezüglich der Erfüllung ihrer
mietvertraglichen Verpflichtung zur monatlichen Entrichtung von
Betriebskostenvorschüssen bedient. Die Zurechnung eines Verschuldens des
Mieterschutzvereins nach § 278 BGB scheitert daher nicht an einer fehlenden
Erfüllungsgehilfeneigenschaft.
22 Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Verhältnissen des
gegebenen Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem
obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (BGHZ 13,
111, 113; st.Rspr.). Der Mieterschutzverein ist allerdings nicht zur
Ausführung der eigentlichen Erfüllungshandlung, der Zahlung der
Betriebskostenvorschüsse, tätig geworden, sondern hat die Beklagten in
rechtlicher Hinsicht bei der Entscheidung darüber beraten, ob erfüllt werden
oder von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht werden soll. Es
ist umstritten, ob ein in dieser Weise mitwirkender Rechtsberater als
Erfüllungsgehilfe anzusehen sein kann. Teilweise wird die Auffassung
vertreten, der Beratene hafte nur für ein Auswahlverschulden (Erman/Battes,
BGB, 10. Aufl., § 285 Rdnr. 5; LG Karlsruhe, WuM 1990, 294); nach
überwiegender Ansicht hat er dagegen für ein Verschulden seines
Rechtsberaters, auch eines Rechtsanwalts, nach § 278 BGB einzustehen (BGH,
Urteil vom 12. Juli 2006, aaO; BAG, ZIP 1987, 1339 unter B IV 2 b; Soergel/Wiedemann,
BGB, 12. Aufl., § 285 Rdnr. 13; Staudinger/Löwisch, BGB (2004), § 286 Rdnr.
163; Fischer, ZMR 1994, 309, 311; Kinne in Kin-ne/Schach/Bieber, Miet- und
Mietprozessrecht, 4. Aufl., § 543 Rdnr. 87; Münch-KommBGB/Häublein, aaO, §
573 Rdnr. 64; Lammel, aaO, § 573 Rdnr. 58; Schmidt-Futterer/Blank, aaO, §
543 BGB, Rdnr. 97; OLG Köln, aaO; vgl. auch LG Berlin, aaO).
23 Der Senat teilt die herrschende Meinung, weil nur sie eine angemessene
Risikoverteilung zwischen Gläubiger und Schuldner ermöglicht und eine
ungerechtfertigte Privilegierung des Beraters verhindert (vgl. auch BGHZ
58, 207, 211). Müsste der Schuldner nur für eine sorgfältige Auswahl des
Beraters haften, ginge eine etwaige Falschberatung durch diesen zulasten des
Gläubigers, der an dem Beratungsverhältnis nicht beteiligt ist und dem auch
kein Schadensersatzanspruch gegen den Berater zustünde, während der
Schuldner dadurch geschützt ist, dass er bei seinem Rechtsberater Regress
nehmen kann.
24 b) Den von den Beklagten zu Rate gezogenen Mieterschutzverein trifft der
Vorwurf schuldhaften Verhaltens im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das
gilt unabhängig davon, ob sich der für den Mieterschutzverein Handelnde
seinerseits in einem Rechtsirrtum befand oder ob er den Beklagten in
Kenntnis einer ungeklärten Rechtslage geraten hat, die vertraglich
geschuldeten Betriebskostenvorschüsse wegen der fehlenden Übersendung von
Belegen zu den Nebenkostenabrechnungen zurückzuhalten.
25 aa) Wie oben (unter 2 a) bereits ausgeführt, sind nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung an das Vorliegen eines unverschuldeten
Rechtsirrtums grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen. Der Schuldner muss
die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
sorgfältig prüfen. Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum nur dann, wenn der
Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer
anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH,
Urteil vom 12. Juli 2006, aaO; Urteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 351/81,
NJW 1983, 2318 unter B II 2 b; Urteil vom 18. April 1974 - KZR 6/73, NJW
1974, 1903 unter III). Bei einer zweifelhaften Rechtsfrage handelt bereits
fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich
Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende
Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in
Betracht ziehen muss (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 - I ZR 79/95, NJW
1998, 2144 unter II 1). Der Schuldner darf nicht das Risiko einer
zweifelhaften Rechtslage dem Gläubiger zuschieben (BGH, Urteil vom 16.
Dezember 1986 - KZR 36/85, GRUR 1987, 564 unter 3; Urteil vom 7. März 1972 -
VI ZR 169/70, WM 1972, 589 unter II 2).
26 Nach diesen Maßstäben war die Beratung durch den Mieterschutzverein
dahingehend, dass den Beklagten wegen der fehlenden Übersendung von Belegen
zu den Nebenkostenabrechnungen durch die Klägerin ein Zurückbehal-tungsrecht
an den laufenden Betriebskostenvorauszahlungen zustand, schuldhaft falsch.
Bis zu der Entscheidung des Senats vom 8. März 2006 (aaO), die erst nach dem
hier maßgeblichen Zeitraum von März 2004 bis Januar 2005 ergangen ist, war
in der Rechtsprechung der Berufungsgerichte und im Schrifttum umstritten, ob
dem Mieter ein Anspruch auf Übermittlung von Fotokopien der
Abrechnungsbelege zusteht oder ob er nur verlangen kann, in die
Abrechnungsunterlagen Einsicht zu nehmen (vgl. die Nachweise im Senatsurteil
vom 8. März 2006, aaO, unter II A 1 a bb), ohne dass sich insoweit eine als
herrschend anzusehende oder gar ganz überwiegend vertretene Meinung
herausgebildet hatte. Höchstrichterliche Rechtsprechung lag zu dieser Frage
noch nicht vor. In dieser Situation durfte der Mitarbeiter des
Mieterschutzvereins nicht darauf vertrauen, der Mieter werde mit der
Rechtsauffassung, Übersendung von Belegen verlangen und deshalb bis zur
Erfüllung seiner Forderung die geschuldete Miete oder
Betriebskostenvorauszahlungen zurückhalten zu dürfen, im Falle einer
gerichtlichen Auseinandersetzung Erfolg haben. Deshalb handelte er
fahrlässig, wenn er dem Mieter in Kenntnis der ungeklärten Rechtslage zu der
Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts riet. Beruhte der Rat dagegen darauf,
dass dem Mitarbeiter des Mieterschutzvereins die ungeklärte Streitfrage
unbekannt war, hat er schon deshalb fahrlässig gehandelt, weil er die
gebotene sorgfältige Prüfung der Rechtslage unterlassen hat.
27 bb) Es besteht kein Grund, im Rahmen der Kündigungsregelung des § 573
Abs. 2 Nr. 1 BGB bei den Sorgfaltsanforderungen an den Schuldner im
Zusammenhang mit seiner Verpflichtung zur Mietzahlung einen geringeren
Maßstab anzulegen als etwa im Rahmen der Schadensersatzhaftung nach den §§
280 ff. BGB. Allerdings wird teilweise die Auffassung vertreten, das Risiko
der fehlerhaften Beurteilung einer streitigen Rechtsfrage sei - abweichend
vom Grundsatz (Urteil vom 18. April 1974 aaO) - nicht dem Mieter als
Schuldner, sondern dem Vermieter als Gläubiger aufzuerlegen, soweit ein
Kündigungsrecht des Vermieters in Rede stehe (Schmidt-Futterer/Blank, aaO, §
543 BGB Rdnr. 97; LG Hagen, WuM 1988, 58, noch zu § 564b Abs. 2 Nr. 1 BGB
a.F.; vgl. auch Haug, in Emmerich/Sonnenschein, aaO, § 573 Rdnr. 22; Sternel,
Mietrecht, 3. Aufl., IV Rdnr. 406; a. A. Fischer, ZMR 1994, 309, 310). Dem
ist nicht zu folgen.
28 Abgesehen davon, dass es dem Mieter nicht generell unzumutbar ist, bei
einer infolge von streitigen Rechtsfragen unklaren Rechtslage die
vertraglich vereinbarte Miete zumindest unter Vorbehalt (MünchKommBGB/Häublein,
aaO, § 573 Rdnr. 64) oder auf ein Anderkonto zu zahlen, um einer Kündigung
zu entgehen, greift § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erst bei einer nicht
unerheblichen Vertragsverletzung des Mieters ein. Die für den Mieter
schwerwiegende Kündigungsfolge ist also bereits im Rahmen der objektiven
Tatbestandsmerkmale an engere Voraussetzungen geknüpft als die allgemeine
Haftung nach den §§ 280 ff. BGB. Er braucht, selbst wenn er die geschuldete
Miete oder - wie hier - geschuldete Betriebskostenvorauszahlungen fahrlässig
nicht leistet, eine Kündigung nicht zu befürchten, solange der sich
letztlich als unberechtigt erweisende Zahlungsrückstand in zeitlicher
Hinsicht und im Hinblick auf seine Höhe noch als unerhebliche
Vertragsverletzung anzusehen ist. Insoweit besteht deshalb kein Grund, zur
Vermeidung der Kündigungsfolge zusätzlich die Sorgfaltsanforderungen an den
Mieter zu senken. Eine - wie hier - nicht mehr als unerheblich anzusehende
Pflichtverletzung durch einen Zahlungsrückstand in Höhe von mehr als zwei
Monatsmieten hat eine spürbare Gefährdung der Interessen des Vermieters zur
Folge, der das Insolvenzrisiko des Mieters zu tragen hat. Es ist nicht
ersichtlich, warum ihm in diesem Fall nicht auch ein Kündigungsrecht
zustehen sollte, wenn sich herausstellt, dass der Mieter zu Unrecht einen
erkennbar ungesicherten Rechtsstandpunkt eingenommen hat.
29 c) Aus dem Senatsurteil vom 16. Februar 2005 (aaO, unter II 2 d cc) lässt
sich entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung zugunsten der Beklagten
ebenfalls nichts herleiten. Sie haben zwar inzwischen den Zahlungsrückstand
ausgeglichen. Die Beklagten haben jedoch mit der Zahlung zugewartet, bis sie
dazu vom Amtsgericht verurteilt worden sind, die streitige Rechtsfrage also
jedenfalls durch die erste Instanz zu ihren Ungunsten entschieden worden
war. Gleichzeitig wussten sie, dass die Klägerin ihre Rechtsauffassung nicht
teilte und auch nicht bereit war, die Sache bis zu einer gerichtlichen
Entscheidung über die Zahlungspflicht auf sich beruhen zu lassen; denn sie
hatte wegen des Zahlungsrückstands im Februar 2005 die Kündigung erklärt und
nach Ablauf der Kündigungsfrist auch bereits die vorliegende Räumungsklage
erhoben. Die Beklagten sind demnach zumindest vom Zeitpunkt der Kündigung
durch die Klägerin an bewusst das Risiko einer von ihrem Rechtsstandpunkt
abweichenden gerichtlichen Beurteilung der Streitfrage eingegangen und haben
erst gezahlt, nachdem sich dieses Risiko verwirklicht hatte.
III.
30 Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat
kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer tatsächlicher
Feststellungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Revision der
Klägerin ist daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der
Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
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