Vertragsschluss bei ebay: Keine missbräuchliche
Geltendmachung des Vertragsschlusses durch einen "Schnäppchenjäger",
Abgrenzung zum "Abbruchjäger" (BGH v.
24.8.2016 - VIII ZR 182/15)
BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 - VIII
ZR 182/17 - LG Frankfurt (Oder)
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Bei der Beurteilung, ob das
Verhalten eines Bieters auf der Internet-Plattform eBay, der an einer
Vielzahl von Auktionen teilgenommen hat, als rechtsmissbräuchlich
einzustufen ist, können abstrakte, verallgemeinerungsfähige Kriterien, die
den zwingenden Schluss auf ein Vorgehen als "Abbruchjäger" zulassen, nicht
aufgestellt werden. Es hängt vielmehr von einer dem Tatrichter obliegenden
Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände ab, ob die
jeweils vorliegenden Indizien einen solchen Schluss tragen.
Zentrale Probleme:
Es geht - mal wieder - um den Vertragsschluss bei ebay.
Der Beklagte hatte sein Angebot - wie zu unterstellen war - unberechtigt
zurückgenommen. Damit kam ein Vertrag mit dem zu diesem Zeitpunkt
Höchstbietenden zustande (der Einwand des Beklagten, der Gegenstand sei
während des Bieterzeitraums gestohlen worden, scheiterte am fehlenden
Nachweis). Nach einer Fristsetzung macht der Kläger Schadensersatz statt der
Leistung nach §§ 280 I, III, 281 BGB geltend. Wie bereits die Vorinstanz
war auch der BGH der (zutreffenden) Ansicht, dass der Inanspruchnahme aus
dem Vertrag der Einwand aus § 242 BGB (hier in der Form des
Rechtsmissbrauchs) nicht entgegensteht. Der Kläger war eben ein
"Schnäppchenjäger" (worauf ebay geradezu angelegt ist) und kein
"Abbruchjäger" (s. dazu BGH v. November 2014
- VIII ZR 42/14, BGH,
Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 182/15). Im Übrigen hätte der
Beklagte es ja in der Hand gehabt, einen höheren Startpreis als 1 € und/oder
einen Minimalpreis festzulegen. Zu anderen damit in Zusammenhang
stehenden Frage s. BGH vom 28. März 2012 - VIII
ZR 244/10. Zur Abbrechusberechtigung s. BGH
v. 81.2014 - VIII ZR 63/13, NJW 2014, 1292 m.w.N.
©sl 2019
Tatbestand:
1 Der Beklagte bot
Ende März/Anfang April 2012 einen Pirelli-Radsatz für einen Audi A6
mit einem Startpreis von 1 € auf der Internet-Plattform eBay zum Verkauf an.
Er beendete die Auktion vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger
Höchstbietender mit einem Gebot von 201 €. Nach den seinerzeit geltenden
Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay kam ein Kaufvertrag mit dem
Höchstbietenden auch bei vorzeitiger Beendigung der Auktion zustande, es sei
denn, der Anbieter war zur Rücknahme des Angebots "gesetzlich" berechtigt.
2 Der Beklagte hat geltend gemacht, der Radsatz sei aus der Garage
des Zeugen R. entwendet worden, wovon er, der Beklagte, erst unmittelbar vor
dem Abbruch der Auktion erfahren habe.
3 Der Kläger hatte seit dem
Jahr 2009 in großem Umfang Gebote bei eBay-Auktionen abgegeben. Mit E-Mail
vom 4. April 2012 forderte der Kläger den Beklagten vergeblich auf, den
angebotenen Radsatz, dem er zuletzt einen Wert von mindestens 1.701 €
zugemessen hatte, gegen Zahlung von 201 € herauszugeben. Mit Schreiben vom
24. Januar 2013 trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und forderte
Schadensersatz.
4 Die auf Zahlung von 1.500 € nebst Zinsen gerichtete
Klage hat vor dem Amtsgericht dem Grunde nach Erfolg gehabt. Das
Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen
Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
6 Das
Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen
ausgeführt:
7 Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Anspruch auf
Schadensersatz statt der Leistung gegen den Beklagten aus § 280 Abs. 1, 3, §
281 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
8 Die Parteien hätten nach den
seinerzeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay einen
wirksamen Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 BGB über den Pirelli-Radsatz
abgeschlossen, denn der Kläger sei zum Zeitpunkt des Abbruchs der Auktion
Höchstbietender mit dem Betrag von 201 € gewesen.
9
Der Beklagte habe nicht nachweisen können, zum vorzeitigen Abbruch der
Auktion berechtigt gewesen zu sein. Zwar könne auch ein Diebstahl
des Auktionsgutes nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Abbruch
der Auktion rechtfertigen. Die Darlegungs- und Beweislast für die
Voraussetzungen eines solchen berechtigten Auktionsabbruchs trage nach
allgemeinen Grundsätzen der Verkäufer. Dem Beklagten sei jedoch der Nachweis
nicht gelungen, dass gerade der Radsatz, auf den der Kläger geboten habe,
gestohlen worden sei. Der Kläger habe durch Überreichung eines
zweiten Auktionsangebotes des Beklagten für einen Pirelli-Radsatz, beendet
am 23. März 2012, dargelegt, dass es zumindest zwei Auktionsangebote des
Beklagten im fraglichen Zeitraum gegeben habe. Dass der
streitgegenständliche Radsatz aus der Garage des Zeugen R. entwendet worden
sei, lasse sich dessen Aussage aber nicht entnehmen.
10 Der Beklagte
könne dem Anspruch des Klägers nicht gemäß § 242 BGB den Einwand des
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenhalten. Die Annahme eines
Rechtsmissbrauchs müsse nach der Rechtsprechung auf besondere Ausnahmefälle
beschränkt bleiben.
11 Es könne nicht als rechtsmissbräuchlich
angesehen werden, wenn jemand bei einer Internetauktion gezielt auf solche
Waren biete, die mit einem weit unter dem Marktwert liegenden Mindestgebot
angeboten würden, und er zugleich sein Höchstgebot auf einen Betrag
limitiere, der immer noch deutlich unter dem Marktpreis liege. Denn der
Verkäufer einer solchen Onlineauktion begründe das Risiko eines ungünstigen
Auktionsverlaufs selbst, indem er einen niedrigen Startpreis unterhalb des
Marktpreises ohne Mindestgebot festsetze.
12 Es sei auch nicht zu
missbilligen, wenn sich ein Käufer in einer Vielzahl von Fällen solche für
den Verkäufer riskanten Auktionsangebote zunutze mache und auf diese Gebote
weit unterhalb des Marktpreises abgebe, um bei einem für ihn günstigen und
für den Verkäufer ungünstigen Auktionsverlauf ein "Schnäppchen" zu machen.
Allein die Quantität führe dann nicht zur Missbilligung. Dass ein
sogenannter Schnäppchenjäger besonders günstige Kaufabschlüsse anstrebe,
verstoße auch dann nicht gegen das Anstandsgefühl, wenn der Käufer in einer
großen Anzahl von Fällen so vorgehe. Nicht zu beanstanden sei dann auch die
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch einen solchen
"Schnäppchenjäger", wenn der Anbieter die Auktion ohne zureichenden Grund
vorzeitig abbreche und damit den Erwerb zum "Schnäppchenpreis" zu vereiteln
suche.
13 Die Grenze zu einem missbilligenswerten Verhalten sei erst
dann überschritten, wenn der Bieter nicht den Ankauf der angebotenen Ware
anstrebe, sondern in Wahrheit den Abbruch der Auktion, um danach
Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Lasse sich feststellen,
dass ein Bieter im Falle des Erfolges seines Gebotes den Kaufgegenstand
regelmäßig nicht abnehme, sei dem Verkäufer der Einwand des
Rechtsmissbrauchs zuzubilligen.
14 Es könne hier indes nicht
festgestellt werden, dass es sich bei dem Kläger um einen solchen
"Abbruchjäger" handele.
15 Dies ergebe sich zunächst nicht aus der
Anzahl der vom Kläger im Vertragszeitraum abgegebenen Gebote oder der
Gesamtsumme der gebotenen Geldbeträge, da dies auch auf den als
"Schnäppchenjäger" auftretenden Bieter zuträfe, ohne dass dessen Verhalten
zu missbilligen sei. Die Gesamtsumme der gebotenen Geldbeträge sei schon
deswegen unerheblich, weil auch der "Schnäppchenjäger" bei der Abgabe von
weit unter dem Marktwert liegenden Höchstgeboten regelmäßig überboten werde,
bei der Auktion dann nicht zum Zuge komme und auch den Angebotspreis nicht
zu entrichten habe. Keine rechtliche Bedeutung habe ferner die Anzahl der
vom Kläger verwendeten Pseudonyme. Gleiches gelte für die Kündigung der
Mitgliedschaft des Klägers durch eBay nach dem Erlass der erstinstanzlichen
Entscheidung.
16 Es lägen hinsichtlich der Ernsthaftigkeit seiner
Erwerbsabsichten im Jahr 2012 auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür
vor, dass es dem Kläger vorrangig um die Geltendmachung eines
Schadensersatzanspruchs nach einem Abbruch der Auktion gegangen sei und er
den Radsatz tatsächlich nicht habe erwerben wollen. Der Kläger habe erklärt,
alle von ihm ersteigerten Waren auch abgenommen zu haben und in einigen
Fällen sogar beim Abbruch von Auktionen im Vergleichswege einen höheren als
den von ihm zunächst gebotenen Preis gezahlt zu haben. In einer
größeren Anzahl von Fällen, vom Kläger entsprechend seiner Angabe in einem
früheren Verfahren mit seinerzeit ca. 100 beziffert, habe er nach dem
Abbruch einer Auktion Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Da
vom Kläger hiernach alle Waren, auf die er geboten habe, auch abgenommen
worden seien, habe bei ihm eine Erwerbsabsicht bestanden.
17 Allein
der Zeitablauf zwischen der Beendigung der Auktion und der gerichtlichen
Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs sei hier kein beweiskräftiges
Indiz für eine mangelnde eigene Erwerbsabsicht des Klägers. Vorliegend habe
der Kläger seinen Primäranspruch bereits am 4. April 2012 geltend gemacht.
Dass er seinen Schadensersatzanspruch sodann erst Anfang des Jahres 2013
geltend und erst im Jahr 2015 bei Gericht anhängig gemacht habe, spreche
nicht gegen seine Erwerbsabsicht im April 2012.
18 Nach allem lasse
sich dem Kläger nicht widerlegen, dass er sich in erster Linie als
"Schnäppchenjäger" betätigt habe, dem es vorrangig um den Erwerb von Waren
deutlich unter dem Marktwert gegangen sei und allenfalls nachrangig um die
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Falle eines unberechtigten
Auktionsabbruchs. Dieses Verhalten sei jedoch nicht rechtsmissbräuchlich.
II.
19 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so
dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat dem Kläger
rechtsfehlerfrei einen Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB dem Grunde nach zuerkannt.
20 1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der
Kläger nach den seinerzeit für die Parteien maßgeblichen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Internet-Plattform eBay einen wirksamen
Kaufvertrag mit dem Beklagten gemäß § 433 BGB über den angebotenen Radsatz
abgeschlossen hat. Insbesondere hat es rechtsfehlerfrei - und insoweit von
der Revision auch nicht angegriffen - festgestellt, der Beklagte habe den
Nachweis nicht erbracht, dass ihm gerade der Radsatz, auf den der Kläger
geboten hatte, gestohlen worden war und er deshalb die Internetauktion etwa
aus berechtigtem Grund vorzeitig abgebrochen hätte.
21 2.
Der Beklagte kann dem Schadensersatzanspruch des Klägers, wie das
Berufungsgericht ebenfalls frei von Rechtsfehlern entschieden hat,
auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenhalten.
22 a) Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine
sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des
Einzelfalls und muss auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben
(BGH, Urteile vom 12. November 2014 - VIII ZR 42/14, NJW 2015, 548 Rn. 11;
vom 27. April 1977 - IV ZR 143/76, BGHZ 68, 299, 304). Die Beurteilung, ob
das Verhalten eines Bieters auf der Internet-Plattform eBay, der an einer
Vielzahl von Auktionen teilgenommen hat, als rechtsmissbräuchlich zu
qualifizieren ist, ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Sie kann
vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht
den Sachverhalt rechtsfehlerfrei festgestellt, alle maßgeblichen
Gesichtspunkte berücksichtigt sowie den zutreffenden rechtlichen Maßstab
angewandt hat und ob seine Wertung gegen Denk-und Erfahrungssätze verstößt
(Senatsurteile vom 15. März 2017 - VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474 Rn. 20;
vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 154/14, BGHZ 204, 145 Rn. 16 mwN). Ein solcher
Rechtsfehler ist dem Berufungsgericht indes nicht unterlaufen.
23 b)
Wie auch die Revision nicht verkennt, ist es für sich genommen
nicht zu beanstanden, dass ein Bieter sich als sogenannter Schnäppchenjäger
betätigt, der bei Internetauktionen gezielt auf Waren bietet, die zu einem
weit unter Marktwert liegenden Mindestgebot angeboten werden.
Ebensowenig ist es missbilligenswert, wenn ein solcher Bieter sein
Höchstgebot auf einen deutlich unter dem Marktwert der Ware liegenden Betrag
begrenzt. Denn es macht gerade den Reiz einer solchen
Internetauktion aus, dass der Bieter die Chance hat, den Auktionsgegenstand
zu einem Schnäppchenpreis zu erwerben, während umgekehrt der Veräußerer die
Chance wahrnimmt, durch den Mechanismus des Überbietens einen für ihn
vorteilhaften Preis zu erzielen (vgl.
Senatsurteile vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723 Rn. 20
f.; vom 12. November 2014 - VIII ZR 42/14, aaO
Rn. 10). Im Übrigen ist es der Verkäufer, der in solchen Fällen von
sich aus durch die Wahl eines niedrigen Startpreises unterhalb des
Marktwerts ohne Einrichtung eines Mindestpreises das Risiko eines für ihn
ungünstigen Auktionsverlaufs eingegangen ist (Senatsurteil
vom 12. November 2014 - VIII ZR 42/14, aaO Rn.
12 mwN). An der Beurteilung dieser Ausgangslage ändert sich auch
dann nichts, wenn ein Bieter sich in einer Vielzahl von Fällen solche für
den Verkäufer riskanten Auktionsangebote zunutze macht, um ein für ihn
günstiges "Schnäppchen" zu erzielen, weil allein die Quantität eines von der
Rechtsordnung im Einzelfall gebilligten Vorgehens in der Regel nicht zu
dessen Missbilligung führt.
24 c) Ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten eines Bieters bei
Internetauktionen kommt dagegen, wovon das Berufungsgericht zutreffend
ausgegangen ist, dann in Betracht, wenn seine Absicht von vornherein
nicht auf den Erfolg des Vertrages, sondern auf dessen Scheitern gerichtet
ist, er also den angebotenen Gegenstand gar nicht erwerben will, sondern auf
den Abbruch der Auktion abzielt, um daraufhin Schadensersatzansprüche
geltend machen zu können (sogenannter Abbruchjäger).
25 Allerdings lassen sich abstrakte, verallgemeinerungsfähige
Kriterien, die den zwingenden Schluss auf ein Vorgehen als "Abbruchjäger" in
diesem Sinne zuließen, nicht aufstellen. Es hängt vielmehr von der
dem Tatrichter obliegenden Gesamtwürdigung der konkreten
Einzelfallumstände ab, ob die jeweils vorliegenden Indizien einen
solchen Schluss tragen.
26 Auch insofern ist die Beurteilung des
Berufungsgerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das
Berufungsgericht hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können,
dass eine entsprechende, nicht auf Vertragsdurchführung, sondern auf den
Abbruch und somit das Scheitern des Vertrages gerichtete Absicht beim Kläger
vorhanden gewesen ist. Das Berufungsgericht hat die Angaben des Zeugen S.
sowie die des Klägers bei seiner Anhörung sowie ersichtlich alle
wesentlichen Umstände des Einzelfalls gewürdigt.
27 Soweit die
Revision geltend macht, verschiedene - vom Berufungsgericht ausdrücklich
gewürdigte - Umstände (Gesamtsumme der gebotenen Geldbeträge, Anzahl der
Gegenstände, auf die ein Gebot abgegeben worden sei, Zeitablauf bis zur
gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs im vorliegenden Fall) ließen
zumindest insgesamt den Schluss darauf zu, dass es dem Kläger nur um das
Scheitern des Vertrags und daraus resultierende Schadensersatzansprüche
gegangen und er in diesem Sinne ein "Abbruchjäger" gewesen sei, setzt sie
lediglich ihre eigene Wertung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung
des Berufungsgerichts, zeigt aber einen Rechtsfehler nicht auf. Das Gleiche
gilt für weitere von der Revision herangezogene, vom Berufungsgericht nicht
ausdrücklich erörterte Einzelumstände (Gebote vornehmlich auf hochpreisige
Gegenstände, regelmäßige Benennung derselben Zeugen in verschiedenen
Gerichtsverfahren, an denen der Kläger als Partei beteiligt gewesen sei).
28 aa) Ohne Erfolg macht die Revision (unter Bezugnahme auf ein vom
Landgericht Darmstadt [Urteil vom 21. November 2014, 24 S 53/14]
aufgehobenes Urteil des Amtsgerichts Groß-Gerau vom 16. Juli 2014, 62 C
26/14) geltend, ein Rückschluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des
Beklagten sei bereits aus der Vielzahl seiner Gebote zu ziehen, weil bei
normalem Verlauf der Auktionen nicht damit gerechnet werden könne, dass er
die Gesamtsumme seiner Gebote tatsächlich werde aufbringen können.
29
Insoweit hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung - rechtsfehlerfrei -
darauf abgestellt, dass die Gesamtsumme der gebotenen Geldbeträge schon
deswegen unerheblich ist, weil ein Bieter bei der Abgabe von weit unter dem
Marktwert liegenden Höchstgeboten regelmäßig überboten wird, bei der Auktion
dann nicht zum Zuge kommt und demzufolge auch den angebotenen Preis nicht zu
entrichten hat. Er muss bei einem normalen Verlauf der Auktionen daher
gerade nicht damit rechnen, die Gesamtsumme seiner Angebote auch aufbringen
zu müssen. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, zielt
seine Vorgehensweise stattdessen in einer den Internetauktionen immanenten
und nicht zu missbilligenden Weise darauf ab, bei einer geringen Anzahl von
Auktionen, dann aber zu einem für ihn aufbringbaren "Schnäppchenpreis", zum
Zuge zu kommen.
30 Aus demselben Grund kann - entgegen der
Auffassung der Revision - insoweit auch nicht von einem Vortäuschen einer
tatsächlich nicht vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers als Bieter
ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat im Gegenteil vielmehr
festgestellt, dass der Kläger die Artikel, auf die er - erfolgreich -
geboten hat, auch jeweils abgenommen hat. Zudem hat er nach den von der
Revision nicht angegriffenen Feststellungen in einigen Fällen - nach einem
vorzeitigen Abbruch der Auktion - sogar im Vergleichswege einen höheren als
den von ihm gebotenen Preis dafür gezahlt.
31 Die von der Revision in
diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe die
Beiziehung anderer Prozessakten versäumt, in denen der Kläger als
Anspruchsteller aufgetreten sei, hat der Senat geprüft, aber nicht für
durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO
abgesehen.
32 bb) Ebenso geht der Einwand der Revision fehl, es sei
zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er für die Gegenstände, auf
die er geboten habe, in ihrer Vielzahl keine tatsächliche Verwendung und
daher kein erkennbares Interesse an ihrem Erwerb gehabt habe.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht insoweit festgestellt, dass es
unerheblich ist, wofür der Kläger die angebotenen Waren, die er für einen
weit unter dem Marktpreis liegenden Preis erwerben wollte, zu verwenden
beabsichtigte. Ob der Kläger den Radsatz für sich selbst oder einen Dritten
erwerben, weiter verschenken oder - mit Gewinn -weiterveräußern wollte,
lässt als bloßes Kaufmotiv keine tragfähigen Rückschlüsse auf eine fehlende
Erwerbsabsicht des Klägers zu.
33 cc) Schließlich bleibt auch der
Verweis der Revision auf den in einem obiter dictum des Senats (Senatsurteil
vom 24. August 2016 - VIII ZR 182/15, WM 2016, 2145 Rn. 13) bejahten
Rechtsmissbrauch in einem Fall, in welchem das dortige Berufungsgericht
einen Schadensersatzanspruch eines "Abbruchjägers" wegen
rechtsmissbräuchlichen Bieterverhaltens verneint hatte (LG Görlitz, Urteil
vom 8. Juli 2015 - 2 S 213/14, juris), ohne Erfolg. Jenes
Berufungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass seinerzeit
neben dem Mitbieten bei einer Vielzahl von Auktionen zusätzliche besonders
zu missbilligende Umstände im Verhalten des damaligen Bieters hinzutraten.
So hat dieser Bieter bei einer nachfolgenden, ihm bekannt gewordenen Auktion
über denselben Gegenstand nicht mitgeboten, seine (vermeintlichen) Ansprüche
an einen Zeugen abgetreten und dieser seinen Schadensersatzanspruch
anschließend erst sehr spät gerichtlich geltend gemacht, als er davon
ausgehen konnte, dass der Gegenstand bereits an einen Dritten veräußert
worden war. Diese Besonderheiten liegen im vorliegenden Fall jedoch
nicht vor. Denn anders als in dem dem vorgenannten Senatsurteil
zugrundeliegenden Fall, in dem der dortige Käufer davon ausgehen konnte,
dass der Verkäufer lange Zeit nach der Auktion den angebotenen Gegenstand
anderweitig veräußert hatte und er deshalb Schadensersatz statt der Leistung
geltend machen konnte, schied hier eine zwischenzeitliche
anderweitige Veräußerung des angebotenen Radsatzes bereits deshalb aus, weil
der Beklagte einen Diebstahl des Radsatzes geltend gemacht hatte. Damit
war auch eine anderweitige, etwa schutzwürdige Disposition des Beklagten im
Vertrauen auf das Ausbleiben (weiterer) Forderungen im hier vorliegenden
Fall zwischen erstmaliger Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs und
einer gerichtlichen Durchsetzung in einem Zeitraum von über zwei
Jahren nicht berührt.
34 dd) Die Revision sieht zwar ein maßgebliches
Indiz für ein Vorgehen des Klägers als "Abbruchjäger" darin, dass er in den
Jahren 2013/2014 - also in einem deutlich nach der Internet-Auktion vom
März/April des Jahres 2012 liegenden Zeitraum - in einer sehr großen Anzahl
von Auktionen mit einem außergewöhnlich hohen Gesamtbetrag der insgesamt
abgegebenen Gebote (etwa 14.000 Auktionen mit einem Gesamtbetrag von mehr
als 52 Millionen Euro) teilgenommen und nach seinen im Jahr 2014 selbst
gemachten Angaben in etwa 100 Fällen Schadensersatzansprüche geltend gemacht
hat. Dies hat das Berufungsgericht hier jedoch rechtsfehlerfrei - auch im
Hinblick auf die sonstigen Indizien in der Gesamtschau aller Umstände -
nicht für ausschlaggebend erachtet, weil das spätere Verhalten des Klägers
keine Rückschlüsse auf eine etwa fehlende Erwerbsabsicht im Zeitpunkt der
Internet-Auktion im vorliegenden Fall zulässt, zumal der Kläger die von ihm
ersteigerten Gegenstände jeweils abgenommen hat.
35 ee) Die von der
Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der Revisionsverhandlung pauschal
geäußerte Auffassung, von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Klägers
sei schon deshalb auszugehen, weil er seiner "sekundären Darlegungslast"
nicht nachgekommen sei, geht fehl. Sie verkennt, dass sich der Kläger zu den
Umständen (Indizien), aus denen der Beklagte ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten des Klägers herleiten will, sehr wohl in seiner mündlichen
Anhörung vor dem Berufungsgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom
28. Juni 2017 geäußert hat. Hier hat er unter anderem Angaben zur Anzahl der
von ihm im Jahr 2012 abgegebenen Gebote, zur Anzahl der Verfahren, in denen
er Schadensersatz geltend gemacht hat und zur Art der Artikel, auf die er
geboten hat, gemacht.
36 Soweit die Prozessbevollmächtigte des
Beklagten in der Revisionsverhandlung (erstmals) beanstandet hat, dass das
Berufungsgericht den Zeugen S. zur Anzahl der vom Kläger im Jahr 2012
abgegebenen Gebote nicht vernommen habe, ist diese Verfahrensrüge schon
deshalb unbeachtlich, weil sie nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist
erhoben worden ist (§ 557 Abs. 3 Satz 2, § 551 ZPO).
37 ff) Entgegen
der Ansicht der Revision wird ein Internet-Verkäufer durch die Würdigung des
Berufungsgerichts auch nicht rechtlos gestellt. Der Verkäufer hat es
vielmehr selbst in der Hand, den von ihm angebotenen Artikel nicht zu einem
für ihn ungünstigen Preis zu verkaufen, indem er einen
Mindestpreis festsetzt und er es unterlässt, die Internetauktion
unberechtigt vorzeitig abzubrechen.
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