(Keine) Sittenwidrigkeit einer ebay-Internetauktion
bei niedrigem Zuschlag; Gewährleistung beim Verkauf von Plagiatsware ("Vertu-Handy"):
Anforderungen an eine (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung;
Anforderungen an einen Gewährleistungsausschluss nach § 442 BGB (Kenntnis
des Käufers)
BGH, Urteil vom 28. März 2012 - VIII
ZR 244/10
Fundstelle:
NJW 2012, 2723
Amtl. Leitsatz:
a) Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein
grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem
(angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den
Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters.
b) Aus einem geringen Startpreis (hier: 1 €) bei einer Internetauktion
ergeben sich keine Rückschlüsse auf den Wert des Versteigerungsobjekts.
c) Ob und mit welchem Inhalt bei einer Internetauktion durch die
Angebotsbeschreibung des Anbieters eine Beschaffenheitsvereinbarung mit dem
Meistbietenden zustande kommt, ist unter umfassender Würdigung der
abgegebenen Willenserklärungen unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls zu beurteilen.
d) Grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers von der Unechtheit eines im
Internet unter Angabe des Markennamens versteigerten Luxusobjekts kann nicht
mit der Begründung bejaht werden, es sei erfahrungswidrig, dass ein solcher
Gegenstand mit einem Startpreis von nur einem Euro angeboten werde.
Zentrale Probleme (s. dazu auch den
Telefonkommentar in NJW Audio-CD 8/2012):
Ein schöner "ebay"-Fall, in
dessen Zentrum die Frage nach Existenz und Auslegung einer
Beschaffenheitsvereinbarung steht (s. dazu auch
BGH NJW 2007, 1346): Der Bekl.
stellte ein „Edelhandy“ der Marke
Vertu, das im Original neu 24 000.- € kostet, bei ebay als
gebrauchtes Gerät mit einem Startpreis von 1.- € zum Verkauf ein. Der Kl.
ist bei Auktionsende mit einem Gebot von 782.- € der Höchstbietende, womit
ein Kaufvertrag zu diesem Preis zustandekommt (der Senat spricht etwas
ungenau vom „Zuschlag“, bekanntermaßen handelt es sich aber bei ebay-Auktionen
nicht um Versteigerungen im Rechtssinne, sondern um einen „Verkauf zum
Höchstgebot“, s. dazu zuletzt BGH NW 2011, 2643
Tz. 16; grundlegend
BGHZ 149, 129). Der Kl.
verweigerte die Annahme des Geräts, weil es sich um Plagiatsware handelte,
forderte den Bekl. vergeblich zur Lieferung eines Originals auf und macht
schließlich in der Hauptsache Schadensersatz i.H.v. 23218.- € (Wert eines
Originalhandy abzgl. Kaufpreis) geltend.
Das Berufungsgericht hatte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, III,
281 BGB wegen Sittenwidrigkeit des Vertrags nach den Grundsätzen des
wucherähnlichen Rechtsgeschäfts (§ 138 I BGB), hilfsweise wegen des Fehlens
einer Beschaffenheitsvereinbarung, dass das Gerät als Original verkauft sein
sollte, jedenfalls aber wegen § 442 I S. 2 BGB (grobfahrlässige Unkenntnis
des Klägers) verneint. Der Senat stellt fest, dass sich die Klageabweisung
mit dieser Begründung nicht halten lässt und verweist den Rechtsstreit
zurück.
Vollkommen zutreffend wird die Nichtigkeit des Vertrags nach den unter § 138
I BGB entwickelten Grundsätzen des sog. „wucherähnlichen Rechtsgeschäfts“
verneint. Dabei geht es um Rechtsgeschäfte, bei welchen zwar ein grobes
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, die besonderen
weiteren Voraussetzungen des Wuchers nach § 138 II BGB (Ausnutzung von
Zwangslage, Unerfahrenheit etc.) aber nicht vorliegen. Angesichts des
speziellen Charakters von § 138 II BGB kann in solchen Fällen eine
Nichtigkeit nach § 138 I BGB nicht allein mit dem Missverhältnis von
Leistung und Gegenleistung begründet werden. Es bedarf vielmehr des
Hinzutretens weiterer sittenwidrigkeitsbegründender Merkmale. Als ein
solches zieht die Rspr. insbesondere bei Grundstücksgeschäften die
„verwerfliche Gesinnung“ des Begünstigten heran, die wiederum (tatsächlich)
vermutet wird, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie
derjenige der Gegenleistung (s. etwa
BGHZ 146, 298,
BGH
NJW 2002, 3165;
BGH NJW 2010, 363
sowie zuletzt BGH v. 10.2.2012 - V ZR 51/11; zu
den Anforderungen an die Erschütterung der nur tatsächlichen Vermutung s.
etwa
BGH NJW 2006, 3054).
"Tatsächliche" Vermutung bedeutet, dass nicht - wie bei einer rechtlichen
Vermutung - der volle Gegenbeweis geführt werden muss, sondern dass eine
Erschütterung genügt (s. dazu sowie zur Darlegungslast
BGH NJW 2010, 363).
Diese Vermutung darf aber nicht zu einer Einführung der dem deutschen Recht
unbekannten „laesio enormis“ (automatische Nichtigkeit von Verträgen bei
einem objektiven Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung) auf kaltem
Wege führen. Der Senat legt vollkommen zutreffend dar, dass die
Besonderheiten von ebay-Auktionen eine Übertragung der Grundsätze des
wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nicht gestatten: Es ist hier gerade der Reiz
dieses Vertriebswegs und gleichsam die „Spielregel“, auch exorbitante
„Schnäppchen“ zu machen. Der der (tatsächlichen) Vermutung einer
verwerflichen Gesinnung zugrundeliegende Erfahrungssatz, dass
außergewöhnliche Leistungen in der Regel nicht ohne Not oder einen anderen
den Benachteiligten hemmenden Umstand zugestanden werden, greift hier
schlicht nicht ein.
Bei der Frage, ob das Handy „als Original“ verkauft wurde, wendet sich der
Senat gegen die Ansicht des Berufungsgericht, dass angesichts des niedrigen
Startpreises von 1.- € eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434
I S. 1 BGB) nicht in Betracht komme. Wiederum aus der Eigenart von
Internet-„Auktionen“, dass nämlich der erzielbare Preis vom Startpreis
völlig unabhängig ist und häufig gerade bei geringem Starpreis hohe
Endpreise zu erzielen seien, erkläre sich nämlich, dass ein Rückschluss vom
niedrigen Startpreis auf eine (negative) Beschaffenheitsvereinbarung, dass
das Handy als Replika verkauft werde, nicht zulässig sei.
Bei seiner Rückverweisung an das Berufungsgericht weist der Senat im Übrigen
auf mögliche Auslegungskriterien hin. Für eine Beschaffenheitsvereinbarung,
das Handy als Original zu verkaufen, sprächen der Wortlaut des Angebots des
Klägers („an alle Liebhaber von Vertu“) sowie die den Parteien bekannten AGB
von ebay, die den Verkauf von Plagiatsware verbieten. Beziehe sich das
Angebot ausdrücklich und einschränkungslos auf einen Markennamen, könne und
dürfe der andere Teil daher im Allgemeinen die berechtigte Erwartung haben,
dass das angebotene Produkt kein Plagiat ist. Die nicht zwischen den
Parteien, sondern nur im jeweiligen Verhältnis zu ebay geltenden AGB dienen
hier also als „Spielregeln“ bei der Ermittlung des nach § 157 BGB
maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts des Angebotsempfängers (s. dazu
insbes.
BGH NW 2011, 2643 Tz. 15
m.w.N.). Gegen einen Verkauf „als Original“ könne neben der fehlenden
Modellbezeichnung auch der Hinweis des Verkäufers sprechen, dass er das
Gerät selbst „ersteigert“ habe und die Gebrauchsanweisung fehle.
Ungewöhnlich und gegen einen Verkauf „als Original“ sprechend ist weiter,
dass das Gerät – anders als bei Luxusgegenständen üblich – ohne
Herkunftsnachweis (Zertifikate, Garantieschein etc.) verkauft werden sollte.
Ganz ähnliche Kriterien gelten für die Frage, ob die Voraussetzungen eines
gesetzlichen Gewährleistungsausschlusses nach § 442 I S. 2 BGB
(grobfahrlässige Unkenntnis des Käufers) vorliegen.
Die Entscheidung des Rechtsstreits steht und fällt mit der erwähnten
Auslegungsfrage. Man darf mit Spannung erwarten, wie das Berufungsgericht,
das insbesondere durch den unvertretbaren Rückgriff auf § 138 I BGB
ersichtlich bemüht war, dem Verkäufer den „Hals aus der Schlinge zu ziehen“,
diese entscheiden wird:
Ist das Gerät als Original verkauft bzw. ergibt sich aus dem objektiven
Fehlerbegriff des § 434 I Nr. 2 BGB, dass es als Original geschuldet war,
ergäbe sich eine Haftung des Bekl. angesichts des Stückschuldcharakters
allerdings wohl nicht aus den vom Berufungsgericht herangezogenen § 280 I,
III i.V.m. § 281 BGB, sondern aus § 311a II BGB (in direkter Anwendung, da
der Anwendungsbereich von § 437 BGB mangels Übergabe noch nicht eröffnet
war). Da mit Sicherheit nicht von einer Beschaffenheitsgarantie ausgegangen
werden kann (zur dieser Abgrenzung gerade bei ebay-Verkäufen s.
BGHZ 170, 86), kann der Bekl. eine Haftung
nach § 311 II S. 2 BGB dann nur noch mit dem Nachweis abwenden, weder
gewusst noch fahrlässig verkannt zu haben, dass es sich bei dem verkauften
Gerät um ein Plagiat handelt. Gelingt ihm auch dies nicht, haftet er auf das
gesamte Erfüllungsinteresse. Das ist die – in der Tat harte - Konsequenz aus
der Tatsache, dass der Gesetzgeber mit der Schuldrechtsmodernisierung 2002
eine Schadensersatzhaftung des Verkäufers bei bloßer Fahrlässigkeit
eingeführt hat. Der Einwand, der Schadensersatz sprenge die „Grenzen der
Normalität“, würde hier also nicht weiterhelfen (so ausdrücklich
BGH
NJW 1993, 2103, 2104 im insoweit vergleichbaren „Burra“-Fall).
Liegt eine Beschaffenheitsvereinbarungen vor, hilft dem Verkäufer auch der
dort bei ebay häufig anzutreffende Gewährleistungsausschluss nicht weiter
(s. auch dazu
BGHZ 170, 86).
S. dazu auch BGH
v. 12.11..2014 - VIII ZR 42/14.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Der Kläger verlangt von der
Beklagten aufgrund eines zwischen den Parteien auf der Internetplattform
eBay abgeschlossenen Kaufvertrages Schadensersatz.
2 Die Beklagte bot auf der Internetplattform eBay im Rahmen einer Auktion
unter Hinzufügung eines Fotos ein Mobiltelefon zum Verkauf unter der
Bezeichnung "Vertu Weiss Gold" ab einem Startpreis von 1 € an. Zur
Beschreibung heißt es in dem Angebot "Zustand gebraucht". Außerdem teilte
die Beklagte dazu Folgendes mit:
"Hallo an alle Liebhaber von Vertu.
Ihr bietet auf ein fast neues Handy (wurde nur zum ausprobieren ausgepackt).
Weist aber ein paar leichte Gebrauchsspuren auf (erwähne ich ehrlichkeit
halber). Hatte 2 ersteigert und mich für das gelb goldene entschieden.
Gebrauchsanweisung (englisch) lege ich von dem gelb goldene bei, das andere
habe ich auch nicht bekommen. Dazu bekommt ihr ein Etui, Kopfhörer und
Ersatzakku. Privatverkauf, daher keine Rücknahme. Viel Spaß beim Bieten."
3 Der Kläger gab ein Maximalgebot von 1.999 € ab und erhielt für 782
€ den Zuschlag. Die Annahme des seitens der Beklagten angebotenen
Mobiltelefons verweigerte der Kläger mit der Begründung, es handele sich um
ein Plagiat. Er behauptet, bei dem im Übergabetermin angebotenen
Mobiltelefon habe es sich um eine Imitation der Firma Vertu gehandelt, ein
Original des von der Beklagten angebotenen Mobiltelefons koste 24.000 €. Der
Aufforderung des Klägers, ihm ein "Original Vertu Handy Signature weiß-gold"
zur Verfügung zu stellen oder Schadensersatz zu zahlen, kam die Beklagte
nicht nach.
4 Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 23.218 € Schadensersatz
(24.000 € abzüglich des Kaufpreises von 782 €) nebst Zinsen und Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch; hilfsweise hat er die
Erfüllung des Kaufvertrages sowie die Feststellung begehrt, dass sich die
Beklagte im Verzug befinde. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg
gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
Klagebegehren hinsichtlich des Hauptantrags weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für
das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
7 Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger weder
aus § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB noch gemäß diesen Bestimmungen
in Verbindung mit §§ 434, 437 Nr. 3, § 440 BGB zu.
8 Zwischen den Parteien sei zwar ein Kaufvertrag zustande gekommen. Ein
Schadensersatzanspruch scheitere nach dem eigenen Vortrag des Klägers aber
daran, dass der mit der Beklagten geschlossene Kaufvertrag als
wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Hiervon
sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszugehen, wenn zwischen
Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis bestehe und
mindestens ein weiterer Umstand hinzukomme, der den Vertrag bei
Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig
erscheinen lasse. Ein besonders großes Missverhältnis lasse dabei bereits
den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu.
9 Diese Vermutungsregel sei auch auf im Rahmen von Internetauktionen
abgeschlossene Kaufverträge anwendbar. Danach sei der zwischen den Parteien
geschlossene Kaufvertrag unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags
nichtig. Insoweit sei bei dem erforderlichen Wertvergleich allerdings nicht
auf den Preis abzustellen, zu dem der Vertrag geschlossen worden sei,
sondern auf den Preis, den der Kläger zu zahlen bereit gewesen sei, also
sein Maximalgebot von 1.999 €. Der vom Kläger behauptete Wert des
Mobiltelefons übersteige dieses Gebot um mehr als das Zwölffache. Die
demnach gegen ihn sprechende tatsächliche Vermutung habe der Kläger nicht
erschüttern können.
10 Der Annahme der Sittenwidrigkeit des Vertrages stehe die Behauptung des
Klägers nicht entgegen, die Beklagte habe sich bei Vertragsschluss arglistig
verhalten. Insoweit habe der Kläger bereits nicht behauptet, dass die
Beklagte bei Vertragsschluss Kenntnis davon gehabt habe, dass es sich nicht
um ein Originalmobiltelefon handele. Im Übrigen spreche bereits der Umstand,
dass die Beklagte das Mobiltelefon mit einem Startpreis von 1 € angeboten
habe, gegen die Annahme, sie habe die Bieter bewusst über die Echtheit des
Mobiltelefons täuschen wollen.
11 Unabhängig hiervon stünde dem Kläger aber auch dann ein
Schadensersatzanspruch nicht zu, wenn der Kaufvertrag wirksam wäre.
12 Ein Sachmangel des Mobiltelefons läge selbst dann nicht vor, wenn es sich
nicht um ein Originalmobiltelefon handelte, denn es könne nicht davon
ausgegangen werden, dass Gegenstand des Kaufvertrages ein Original-VertuMobiltelefon
weiß-gold gewesen sei. Zwar könne auch die Echtheit der Kaufsache Gegenstand
einer Beschaffenheitsvereinbarung sein, dies setze aber eine entsprechende
Abrede der Parteien voraus. An einer ausdrücklichen Vereinbarung des
Mobiltelefons als Original fehle es.
13 Die Angaben der Beklagten in dem Angebot rechtfertigten nicht die
Annahme, die Beklagte habe die Beschaffenheit des Mobiltelefons als Original
des Herstellers Vertu beschrieben und der Kläger habe dies auch so
verstanden. Gegen eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung spreche vor
allem, dass die Beklagte es zu einem Startpreis von 1 € angeboten habe,
obwohl ein Originalmobiltelefon - nach der Behauptung des Klägers - einen
Wert von 24.000 € habe. Ein derart niedriger Startpreis stehe der
konkludenten Vereinbarung einer Beschaffenheit als Original jedenfalls dann
entgegen, wenn ein solches Original einen den festgesetzten Startpreis ganz
erheblich übersteigenden Wert habe, der Käufer Kenntnis von dem Wert habe
und der Verkäufer die Kaufsache nicht ausdrücklich als Original bezeichne.
14 Aber selbst bei Annahme eines Sachmangels scheide ein
Schadensersatzanspruch des Klägers aus, weil ihm der Mangel infolge grober
Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es sei
erfahrungswidrig, dass ein Mobiltelefon mit einem - wie vom Kläger behauptet
- derart hohen Wert zu einem Startpreis von 1 € angeboten werde. Bei einem
solchen Angebot habe für den Kläger der Verdacht naheliegen müssen, dass es
sich bei dem angebotenen Mobiltelefon nicht um ein Original handele.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen
habe, habe der Kläger nicht dargetan.
II.
15 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf
Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verneint
werden.
16 1. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts scheitert der vom
Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht bereits daran, dass
unter Zugrundelegung seines eigenen Vorbringens der mit der Beklagten
geschlossene Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen
Sittenwidrigkeit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB).
17 a) Das Berufungsgericht stützt sich für seine Annahme der
Sittenwidrigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages auf
die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach welcher
Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen der
versprochenen Vergütung und dem Wert der dafür zu erbringenden Leistung
besteht, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, wenn weitere Umstände
hinzutreten wie etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der
schwierigen Lage oder Unerfahrenheit des Partners für das eigene
unangemessene Gewinnstreben. Besteht ein grobes, besonders krasses
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, so rechtfertigt dieser
Umstand regelmäßig den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des
begünstigten Vertragsteils und damit auf einen sittenwidrigen Charakter des
Rechtsgeschäfts. Ein solches auffälliges, grobes Missverhältnis wird bei
Grundstückskaufverträgen sowie Kaufverträgen über vergleichbar wertvolle
bewegliche Sachen regelmäßig angenommen, wenn der Wert der Leistung
annähernd doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung (vgl. BGH,
Urteile vom 8. November 1991 - V ZR 260/90, WM 1992, 441 unter II 2 a; vom
4. Februar 2000 - V ZR 146/98, NJW 2000, 1487 unter II 3; vom 8. Dezember
2000 - V ZR 270/99, juris Rn. 11; Senatsurteile vom 9. Oktober 1996 - VIII
ZR 233/95, WM 1997, 230 unter III 1 und 1a, und vom 26. November 1997 - VIII
ZR 322/96, WM 1998, 932 unter IV 2 a und c; jeweils mwN). Das
Berufungsgericht ist der Ansicht, diese Rechtsprechung sei auch auf
Internetauktionen, bei denen das vom Käufer abgegebene Maximalgebot in einem
auffälligen Missverhältnis zum Wert des Gegenstandes stehe, zu übertragen.
18 Demgegenüber wird in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum die
Auffassung vertreten, aufgrund der Besonderheiten einer Internetauktion
könne nicht bereits aus einem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung
auf das für § 138 BGB erforderliche subjektive Tatbestandsmoment einer
verwerflichen Gesinnung geschlossen werden (OLG Oldenburg, NJW 2004, 168,
169; OLG Köln, CR 2007, 598, 600 f.; LG Bonn, Urteil vom 12. November 2004 -
1 O 307/04, juris Rn. 33 ff.; LG München I, Urteil vom 7. August 2008 - 34 S
20431/04, juris Rn. 19; Heckmann in: jurisPK-Internetrecht, 3. Aufl., Kap.
4.3 Rn. 97 ff.; Spindler/Schuster/Müller, Recht der elektronischen Medien,
2. Aufl., § 138 BGB Rn. 20a; Ernst, CR 2000, 304, 310; Eickelmann, JURA
2011, 451, 454 f.). Diese Ansicht trifft zu.
19 b) Der Schluss von dem besonders groben Äquivalenzmissverhältnis
auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten leitet sich aus dem
Erfahrungssatz her, dass außergewöhnliche Leistungen in der Regel nicht ohne
Not oder einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand zugestanden
werden und der Begünstigte diese Erfahrung teilt (BGH,
Urteile vom 19. Januar 2001 - V ZR
437/99, BGHZ 146, 298, 302 f.; vom 5. Oktober 2001 - V ZR
237/00, NJW 2002, 429 unter II 2 d bb (3); jew. mwN). Von einem
solchen Beweisanzeichen kann indes bei einer Onlineauktion nicht ohne
weiteres ausgegangen werden. Denn die Situation einer Internetversteigerung
unterscheidet sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen
sich in den Vertragsverhandlungen, die zu den Zugeständnissen der objektiv
benachteiligten Seite führten, nur die Vertragspartner gegenüberstanden.
20 Hier kann aus einem deutlich unter dem Wert des angebotenen Gegenstandes
liegenden Gebot des Bieters nicht auf dessen verwerfliche Gesinnung
geschlossen werden. Zwar ist der Kaufpreis für den Bieter durch den
von ihm eingegebenen Höchstpreis zunächst nach oben begrenzt. Es macht
jedoch gerade den Reiz einer (Internet-)Auktion aus, mit der Abgabe eines
zunächst niedrigen Gebots die Chance wahrzunehmen, den Auktionsgegenstand
zum "Schnäppchenpreis" zu erwerben, während umgekehrt der Anbieter die
Chance wahrnimmt, durch den Mechanismus des Überbietens am Ende einen für
ihn vorteilhaften Kaufpreis zu erzielen. Für den Bieter kann es daher
durchaus taktische Gründe geben, zunächst nicht sein äußerstes Höchstgebot
anzugeben, sondern - etwa kurz vor Ablauf der Auktion - noch ein höheres
Gebot zu platzieren, zu dem er indes keine Veranlassung hat, wenn er sich zu
diesem Zeitpunkt aufgrund des Auktionsverlaufes bereits Chancen ausrechnen
kann, den Gegenstand zu dem von ihm zunächst gebotenen Höchstpreis zu
erwerben. Bereits aus diesem Grund ist der vom Berufungsgericht angenommene
Schluss einer verwerflichen Gesinnung alleine aus dem Verhältnis des
abgegebenen Höchstgebots zum Wert nicht gerechtfertigt.
21 Es bedürfte vielmehr zusätzlicher - zu einem etwaigen Missverhältnis von
Leistung und Gegenleistung hinzutretender - Umstände, aus denen bei einem
Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion geschlossen werden kann, der
Bieter habe trotz der hier bestehenden besonderen Preisbildungssituation die
Not oder einen anderen den Anbieter hemmenden Umstand in verwerflicher Weise
zu seinem Vorteil ausgenutzt. Derartige Umstände hat das Berufungsgericht
nicht festgestellt.
22 Davon abgesehen hat das Berufungsgericht zum Wert des von der Beklagten
angebotenen Mobiltelefons keine Feststellungen getroffen, sondern seiner
Beurteilung den vom Kläger behaupteten Ladenpreis eines neuen
VertuMobiltelefons des Modells "Signature weiß-gold" zugrunde gelegt. Das
ist offensichtlich unzutreffend. Das angebotene Mobiltelefon war nicht neu,
sondern gebraucht. Die Beklagte hatte zudem angegeben, es selbst ersteigert
und damit nicht im autorisierten Fachhandel erworben zu haben, zudem fehle
die Gebrauchsanleitung. Ein derartiger Gegenstand hat ersichtlich nicht
ansatzweise den Marktwert eines vom Fachhandel angebotenen neuen
Originalgeräts.
23 2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch
eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, dass es sich bei dem
angebotenen Mobiltelefon um ein Originalexemplar der Marke Vertu handelt,
nicht verneint werden. Das Berufungsgericht meint, gegen die Annahme einer
entsprechen den Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB)
spreche "vor allem" der von der Beklagten gewählte Startpreis der Auktion
von 1 €. Diese Begründung trägt nicht.
24 Das Berufungsgericht verkennt, dass dem Startpreis angesichts der
Besonderheiten einer Internetauktion im Hinblick auf den Wert des
angebotenen Gegenstandes grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen ist.
Denn der bei Internetauktionen erzielbare Preis ist von dem Startpreis
völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet
wird, so dass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen
Endpreis erzielen können, wenn mehrere Bieter bereit sind, entsprechende
Beträge für den Artikel zu zahlen. Dieses System kann den Anbieter
veranlassen, auch hochwertige Artikel zu einem niedrigen Einstiegspreis
anzubieten. Der Anbieter kann mit einem solchen Startpreis beispielsweise
versuchen, das Interesse einer Vielzahl von Interessenten zu wecken, und
sich dabei von der Hoffnung leiten lassen, durch eine Vielzahl von Geboten
einen hohen Preis zu erzielen, oder durch einen niedrigen Startpreis die
Angebotsgebühr zu minimieren (vgl. OLG Oldenburg, aaO S. 168 f.; OLG Köln,
aaO S. 599 f.; vgl. LG Frankfurt am Main, MMR 2007, 677). Ein
Rückschluss darauf, ob die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung über
wertbildende Eigenschaften getroffen haben, kann daher entgegen der Ansicht
des Berufungsgerichts aus dem Startpreis einer Internetauktion nicht
erfolgen (LG Frankfurt am Main, aaO).
25 Ob durch die Angebotsbeschreibung eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434
Abs. 1 Satz 1 BGB) des Inhalts, dass es sich bei dem angebotenen
Mobiltelefon um ein Originalexemplar der Marke Vertu handelt, getroffen
wurde, erfordert vielmehr eine umfassende Würdigung der abgegebenen
Willenserklärungen unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden
Falls, die das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt folgerichtig -
bislang nicht vorgenommen hat.
26 3. Aus den unter II 2 dargelegten Gründen kann dem Berufungsgericht
schließlich auch insoweit nicht gefolgt werden, als es den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch mit der Hilfsbegründung verneint hat, dem Kläger sei
der unterstellte Mangel der Unechtheit des von der Beklagten angebotenen
Mobiltelefons infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben (§ 442 Abs.
1 Satz 2 BGB), weil es erfahrungswidrig sei, dass ein Mobiltelefon mit dem
von dem Kläger behaupteten Wert zu einem Startpreis von 1 € auf einer
Internetplattform angeboten werde.
III.
27 Nach alledem kann das angefochtene Urteil, soweit es mit der Revision
angegriffen worden ist, keinen Bestand haben; es ist daher insoweit
aufzuheben (§ 557 Abs. 1, § 562 Abs. 1 ZPO).
28 Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, im
Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die
erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO), auf deren Grundlage das Berufungsgericht in umfassender Würdigung der
gesamten Umstände zu beurteilen haben wird, ob das Angebot der
Beklagten aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Originalgerät der
Marke Vertu zum Gegenstand hatte.
29 Ausgangspunkt dieser Beurteilung ist das Angebot der Beklagten, welches
in der Überschrift ein Mobiltelefon mit der Bezeichnung "Vertu" anbietet und
sich ausdrücklich "an alle Liebhaber von Vertu" richtete. Dies sind
Umstände, die für eine Beschaffenheitsvereinbarung sprechen können.
Hinzu kommt, dass eBay den Verkauf von Repliken und Fälschungen ausdrücklich
verbietet (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, CR 2011, 259 Rn.
3 - Kinderhochstühle im Internet). Dieses Verbot ist auch bei der
Auslegung der Willenserklärung des Anbieters zu berücksichtigen. Denn wie
der Senat bereits entschieden hat, richtet sich der Erklärungsinhalt der
Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) bei Abschluss des Kaufvertrages im
Rahmen der bei eBay durchgeführten Internetauktion auch nach den
Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die
Parteien vor der Teilnahme an der Internetauktion zugestimmt haben
(Senatsurteile vom 3. November
2004 - VIII ZR 375/03, NJW 2005, 53 unter II 2 a aa;
vom 8. Juni 2011 - VIII ZR
305/10, NJW 2011, 2643 Rn. 15). Bezieht sich das
Angebot ausdrücklich auf einen Markennamen, kann und darf der Kunde, soweit
sich nicht aus dem Angebot eine Einschränkung ergibt, daher im allgemeinen
die berechtigte Erwartung haben, dass das angebotene Produkt diesen Vorgaben
entspricht und kein Plagiat ist.
30 Andere Umstände erscheinen dagegen geeignet, Zweifel am Bestehen einer
Beschaffenheitsvereinbarung zu wecken. So gab die Beklagte an, das
streitgegenständliche Telefon und ein weiteres Vertu-Mobiltelefon selbst
ersteigert und damit nicht im autorisierten Fachhandel erworben zu haben;
auch fehle die Gebrauchsanleitung. Zudem enthält der Angebotstext - für
Luxusobjekte ungewöhnlich - keine Modellbezeichnung. Ob sich hinsichtlich
des angebotenen Modells aus dem Foto, das dem Angebot beigefügt war, Näheres
ergibt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
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