Mangelbegriff im Mietrecht: Objektiver und
subjektiver Fehlerbegriff (Kinderlärm)
BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII
ZR 197/14 - LG Hamburg
Fundstelle:
NJW 2015, 2177
JuS 2015, 1040 (Emmerich)
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Die bei einer Mietsache für eine konkludent
getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Einigung kommt nicht
schon dadurch zustande, dass dem Vermieter eine bestimmte
Beschaffenheitsvorstellung des Mieters bekannt ist. Erforderlich ist
vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert
(Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom
19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680
Rn. 10; vom 23. September 2009 - VIII ZR
300/08, WuM 2009, 659 Rn. 14).
b) Die in § 22 Abs. 1a BImSchG vorgesehene Privilegierung von Kinderlärm ist
auch bei einer Bewertung von Lärmeinwirkungen als Mangel einer gemieteten
Wohnung zu berücksichtigen.
c) Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück
ausgehen, begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen
grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung
berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die
Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906
BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.
Zentrale Probleme:
Es geht um den Fehlerbegriff im Mietrecht (§ 535 I S.
2 BGB). Kernaussage: Aus der bloßen Tatsache, dass der Mieter bestimmte
günstige Eigenschaften der Mietsache bei Vertragsschluss zur Kenntnis nimmt
(hier: ruhige Verkehrslage), ergibt sich nicht ohne weiteres eine
entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung, s. dazu bereits
BGH NJW 2010, 1133 sowie
BGH NJW 2013, 680. Liegt
keine Beschaffenheitsvereinbarung vor, begründen Lärmemissionen, die auch
der Eigentümer/Vermieter nach § 906 BGB als ortsüblich zu dulden hat, auch
nach dem objektiven Fehlerbegriff keinen Mangel der Mietsache i.S.v. § 535
Abs. 1 BGB.
©sl 2015
Tatbestand:
1 Die Beklagten sind auf Grund
Mietvertrags vom 22. Februar 1993 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus in
Hamburg gelegenen Erdgeschosswohnung der Kläger nebst Terrasse. Unmittelbar
an das Wohngrundstück grenzte damals schon ein Schulgelände der
Streithelferin an. Auf diesem Schulgelände errichtete die Streithelferin im
Jahre 2010 in 20 m Entfernung zur Terrasse der Beklagten einen mit einem
Metallzaun versehenen Bolzplatz, der nach einem dort angebrachten
Hinweisschild Kindern im Alter bis zu 12 Jahren jeweils von Montags bis
Freitags bis 18 Uhr zur Benutzung offenstehen soll.
2 Ab Sommer 2010 beanstandeten die Beklagten gegenüber den Klägern
fortdauernde Lärmstörungen durch außerhalb der genannten Zeiten auf dem
Bolzplatz spielende Jugendliche. Von der vereinbarten Gesamtmiete in Höhe
von 586 € behielten sie schließlich im Zeitraum von Oktober 2012 bis März
2013 durchschnittlich 117,20 € je Monat ein, was einer Mietminderung von 20
% entspricht.
3 Unter Verrechnung mit einem Betriebskostenguthaben der Beklagten aus dem
Jahr 2011 von 359,06 € begehren die Kläger, die die Mietminderung für
unberechtigt halten, von den Beklagten die Zahlung restlicher Miete in Höhe
von 344,14 € nebst Zinsen; ferner beantragen sie die Feststellung, dass die
Beklagten nicht berechtigt sind, wegen Lärms, der von dem angrenzenden
Schulgelände ausgeht, die Miete zu mindern. Das Amtsgericht hat nach
Erhebung von Zeugenbeweis eine Mietminderung um 20 % für gerechtfertigt
gehalten und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der
Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht
zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger und ihre Streithelferin das
Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht (LG Hamburg, Urteil vom 26. Juni 2014 - 307 S 11/14,
juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6 Das Amtsgericht habe den geltend gemachten Anspruch auf Miete zu Recht
wegen Bestehens eines Minderungsrechts der Beklagten (§ 536 Abs. 1 Satz 2
BGB) verneint und die Klage aus diesem Grunde abgewiesen. Denn die Beklagten
hätten den von dem Schulgelände ausgehenden Lärm entgegen der Auffassung der
Kläger und ihrer Streithelferin auch nicht mit Rücksicht auf § 22 Abs. 1a
BImSchG und den von ihnen geltend gemachten Umstand hinnehmen müssen, dass
die Errichtung des Bolzplatzes bereits bei Mietvertragsabschluss für die
Beklagten vorhersehbar gewesen sei. Die Frage, ob ein "Umweltfehler" einen
mietrechtlichen Mangel darstelle, beurteile sich grundsätzlich nach der bei
Vertragsschluss konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung der
Mietvertragsparteien.
7 Hiervon ausgehend stelle die gegenüber dem Zustand bei Vertragsschluss in
der Wohnung vernehmbare erhöhte Lärmbelastung, die seit der Einrichtung des
Bolzplatzes eingetreten sei, jedenfalls einen zur Minderung berechtigenden
Mangel der Mietsache dar. Ohne Erfolg machten die Beklagten insoweit
allerdings auch Lärmstörungen während des Schulbetriebs geltend. Denn zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei die angrenzende Schule bereits in
Betrieb gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass auf dem
Schulgelände keine Veränderungen stattfinden würden und die Nutzung des
Schulhofgeländes in der bei Vertragsschluss bestehenden Weise unverändert
fortdauern würde.
8 Anders zu beurteilen sei jedoch der Umstand, dass die Streithelferin das
Schulgelände über den Schulbetrieb hinaus der Öffentlichkeit in der Weise
zugänglich gemacht habe, dass die dortigen Spielplätze nach Schulschluss
noch Kindern bis zu zwölf Jahren von Montags bis Freitags bis 18 Uhr sowie
an Wochenenden zur Verfügung gestellt worden seien. Nach dem Ergebnis des
erhobenen Zeugenbeweises stellten die vom Schulgelände ausgehenden
Lärmstörungen außerhalb des Schulbetriebs eine erhebliche Lärmbelästigung
dar. Danach stehe fest, dass auch an Wochenenden und nach 18 Uhr
Spielbetrieb auf dem Schulgelände und namentlich auf dem Bolzplatz
stattfinde, der etwa durch Schüsse mit dem Ball gegen den Metallzaun
erhebliche Lärmbelästigungen zur Folge habe. Jedenfalls die über den
Schulbetrieb hinausgehende weitergehende Nutzung ab 18 Uhr und an
Wochenenden sei bei Abschluss des Mietvertrages von keiner Seite
vorhersehbar gewesen. Insbesondere hätten die Parteien nicht damit rechnen
können, dass eine derartig widmungswidrige weitergehende Nutzung an
Wochenenden und ab 18 Uhr von der Streithelferin nicht unterbunden werde und
nicht sichergestellt sei, dass über die der Öffentlichkeit gewidmeten Zeiten
hinaus keine derartige Nutzung stattfinde.
9 Die Kläger und die Streithelferin könnten sich insoweit auch nicht mit
Erfolg auf § 22 Abs. 1a BImSchG berufen, selbst wenn diese Vorschrift den
Zeitraum ab 18 Uhr und an Wochenenden erfassen sollte. Diese im Jahr 2011 in
Kraft getretene Norm könne, da andernfalls ein unzulässiger Eingriff in die
durch Art. 2 GG garantierte Vertragsfreiheit vorläge, nicht die bei
Mietvertragsschluss im Jahr 1993 konkludent getroffene
Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien verändern. Zwar entfalte diese Norm
öffentlichen Rechts durchaus Rechtswirkungen in zivilrechtlichen
Beziehungen, die - wie etwa § 906 BGB - nicht auf vertraglichen
Vereinbarungen beruhten. Selbst wenn es dadurch den Klägern verwehrt wäre,
die Streithelferin nach § 906 BGB in Anspruch zu nehmen, wirke sich dies
nicht auf das Mietverhältnis der Parteien und die sich daraus ergebenden
mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche aus. Denn die Voraussetzungen und
der Umfang dieser Gewährleistung seien nicht davon abhängig, ob der
Vermieter gegen einen Dritten, der den Mangel der Mietsache verursacht habe,
einen Ausgleichs- oder Schadensersatzanspruch erlangt habe oder ihn
verwirklichen könne. Dies liege vielmehr allein im Risikobereich des
Vermieters. Insoweit könne auch nicht angenommen werden, dass in der Folge
der Einführung des § 22 Abs. 1a BImSchG Mietverträge am gesellschaftlichen
Wandel teilnehmen würden und angepasst werden könnten. Die genannte
Bestimmung stelle vielmehr lediglich einen rechtlichen Umstand dar, der
nicht unmittelbar und tatsächlich den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache
selbst berühre und in diesen auch nicht eingreife.
10 Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei für die
streitgegenständliche Zeit zwar nur eine Minderungsquote von 10 %
angemessen. Gleichwohl wirke sich dies nicht entscheidungserheblich aus, da
der sich danach ergebende Zahlungsrest das von den Klägern selbst in Abzug
gebrachte Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für 2011 nicht
übersteige. Ebenso wenig wirke sich dies auf das Feststellungsbegehren aus.
Insoweit sei darauf zu verweisen, dass es sich hinsichtlich der
Minderungsquote nicht um eine starre und feste durchgängige Größe handle;
sie sei vielmehr abhängig von der tatsächlichen Nutzung und den konkreten
vom Schulgelände ausgehenden Störungen, die jahreszeitbedingt
unterschiedlich ausfallen dürften.
II.
11 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine Minderung der Miete nicht
bejaht werden.
A
12 Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
13 Zwar hat das Berufungsgericht nach den die Urteilsformel insoweit
einschränkenden Gründen seiner Entscheidung die Revision ausdrücklich nur
beschränkt auf die von ihm ersichtlich für grundsätzlich bedeutsam gehaltene
Rechtsfrage zugelassen, ob § 22 Abs. 1a BImSchG auch auf mietrechtliche
Beschaffenheitsvereinbarungen Rechtswirkungen entfalten kann, die vor
Inkrafttreten dieser Norm getroffen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.
November 2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324 unter I). Diese Beschränkung
der Zulassung des Rechtsmittels ist indessen unzulässig. Denn die Zulassung
der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur
auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des
Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein
oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte;
unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren
Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGH,
Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 17.
November 2009 - XI ZR 36/09, BGHZ 183, 169 Rn. 6; vom 14. Juli 2004 - VIII
ZR 367/03, WM 2005, 996 unter II 1; jeweils mwN).
14 Letzteres ist hier der Fall. Denn die vom Berufungsgericht für
klärungsbedürftig erachtete Frage betrifft lediglich eine von ihm für
entscheidungserheblich erachtete rechtliche Vorfrage des von den Beklagten
beanspruchten Miet-minderungsrechts und damit nur ein unselbständiges
Element des zur Beurteilung anstehenden Streitstoffs. Fehlt es danach an
einer wirksamen Beschränkung der Zulassung, ist allein die Beschränkung,
nicht aber die Zulassung unwirksam; die Revision ist vielmehr unbeschränkt
zugelassen (BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, aaO Rn. 12; vom
17. November 2009 - XI ZR 36/09, aaO; vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03,
aaO; jeweils mwN).
B
15 Die danach ohne Einschränkung eröffnete Revision ist auch begründet.
16 Die vom Berufungsgericht als in erster Linie entscheidungserheblich
behandelte Frage, ob § 22 Abs. 1a BImSchG auch auf eine vor seinem
Inkrafttreten bereits konkludent getroffene mietrechtliche
Beschaffenheitsvereinbarung Rechtswirkungen entfalten kann, geht an den
tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des Falles vorbei. Abgesehen
davon, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die von ihm
angenommene Beschaffenheitsvereinbarung tragen, hat es verkannt, dass die
Beklagten - wie sich aus den von ihm in Bezug genommenen Feststellungen des
Amtsgerichts und einer im dortigen Rechtszug vorgenommenen Klarstellung der
Beklagten ergibt - sich nicht gegen einen von ihnen als sozialadäquat
hinnehmbar angesehenen Lärm spielender Kinder wenden, sondern gegen
unzumutbare Lärmbelästigungen, welche insbesondere von Jugendlichen und
jungen Erwachsenen aufgrund der Benutzung des Bolzplatzes außerhalb der
durch die Beschilderung der Streithelferin zugelassenen Zeiten ausgehen.
Ob derartige Geräuschimmissionen einen zur Mietminderung
berechtigenden Mangel der Mietwohnung darstellen, kann deshalb nach den
bislang getroffenen Feststellungen nicht an § 22 Abs. 1a BImSchG gemessen
werden. Solche Lärmbelästigungen beurteilen sich vielmehr anhand anderer
rechtlicher Maßstäbe, zu deren Einhaltung das Berufungsgericht -
folgerichtig - keine zureichenden Feststellungen getroffen hat.
17 1. Das Berufungsgericht ist unzutreffend vom Vorliegen einer
konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung zur (höchst-)zulässigen
Lärmbelastung des Mietgrundstücks und einem hiernach zur Minderung
berechtigenden Mangel ausgegangen.
18 a) Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft
Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den
Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen
Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während
der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der
tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand
abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie
nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch
durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand
einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von
außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa
Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit allerdings
Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des
vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242
BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (zum Ganzen: Senatsurteil
vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, NJW 2013,
680 Rn. 8 mwN).
19 b) Mit Erfolg wenden sich die Revisionen gegen die vom Berufungsgericht
nicht näher begründete Annahme, die Parteien hätten bei Abschluss des
Mietvertrages im Wege einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung
festgelegt, dass während der unbestimmten Dauer des Mietverhältnisses von
dem benachbarten Schulgelände keine höheren Lärmeinwirkungen ausgehen dürfen
als bei Vertragsbeginn.
20 Auch eine konkludente Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende
Willenserklärungen voraus. Für die Annahme einer solchen
Willensübereinstimmung bezüglich eines sogenannten Umweltfehlers reicht es
jedoch nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf
die Mietsache einwirkenden Umstand - hier die von einem "normalen"
Schulbetrieb ausgehenden Geräuschimmissionen - als für ihn hinnehmbar
wahrnimmt und er sich ungeachtet dieser von ihm als (noch) erträglich
empfundenen Vorbelastung dafür entscheidet, die Wohnung anzumieten.
Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung wird dieser Umstand
vielmehr nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach
dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen
musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden
Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als
maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht,
und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene
Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen
Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt
ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter darauf in irgendeiner
Form zustimmend reagiert (Senatsurteile vom 19.
Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, aaO Rn. 10; vom
23. September 2009 - VIII ZR 300/08, WuM
2009, 659 Rn. 14).
21 Soweit es um Lärmimmissionen geht, die von öffentlichen Straßen
oder - wie hier - von einem Nachbargrundstück auf die Mietsache einwirken,
ist im Übrigen der offensichtliche und beiden Parteien bekannte Umstand zu
berücksichtigen, wonach der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf hat,
dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer
des Mietvertrages unverändert fortbestehen. Der Mieter kann daher im
Allgemeinen nicht erwarten, dass der Vermieter die vertragliche Haftung für
den Fortbestand derartiger "Umweltbedingungen" übernehmen will. Die
Annahme einer dahingehenden konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung wird
deshalb allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen und
jedenfalls konkrete Anhaltspunkte für die Übernahme einer so weit gehenden
und vom Vermieter nicht beherrschbaren Haftung voraussetzen.
22 Derartige Umstände sind entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung
vom Berufungsgericht indes weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
Insbesondere lassen sich auch der Mietvertragsurkunde keine Umstände
entnehmen, die den sicheren Schluss auf die verbindliche Festlegung eines
bestimmten Immissionsstandards über die Dauer der Mietzeit hinweg zuließen
(vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. Oktober 2008 - XII ZR 1/07, NJW 2009, 664 Rn.
26).
23 2. Soweit danach konkrete Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache
fehlen, beantwortet sich die Frage, was im Einzelnen zu dem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden Wohnung
gehört, den der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB während der Mietzeit
zu erhalten hat, nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den
daraus in - gegebenenfalls ergänzender - Auslegung abzuleitenden Standards,
insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der
Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes
von Treu und Glauben (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 2006 - XII ZR 34/04, NZM
2006, 626 Rn. 13; vom 16. Mai 2007 - VIII ZR 207/04, WuM 2007, 381 Rn. 8;
vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO Rn. 11; vom 19. Dezember 2012 -
VIII ZR 152/12, aaO Rn. 8; jeweils mwN).
24 Aber auch nach den sich daraus ergebenden Maßstäben erweist sich das
Berufungsurteil, das den Klägern einseitig das Risiko einer lärmintensiven
Nutzungsänderung auf dem Nachbargrundstück zuweist, nicht als richtig. Es
kommt vielmehr darauf an, welche Regelung die Parteien bei sachgerechter
Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte als redliche Vertragspartner getroffen
hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die von ihnen nicht bedachte
Entwicklung, also die künftige Errichtung eines Bolzplatzes auf dem
benachbarten Schulgelände und dessen unbeschränkte Zugänglichkeit und
Benutzung durch die Öffentlichkeit über den "normalen" Schulbetrieb hinaus
sowie die dadurch verursachte erhöhte Lärmbelastung, bewusst gewesen wäre
(vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 370/13, WM 2015, 306 Rn.
26 mwN). Das hätte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht
notwendig zu einer unbedingten Einstandspflicht der Kläger für diese
nachteilige Entwicklung und damit zu einem Mangel der Mietsache geführt, der
die Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum ohne Weiteres zur
Minderung der Miete berechtigt hätte.
25 a) Soweit das Berufungsgericht die Frage, ob die von ihm festgestellte
erhöhte Lärmbelastung einen Mangel der Mietwohnung der Beklagten darstellt,
im Wesentlichen nur an dem von ihm für erörterungswürdig erachteten § 22
Abs. 1a BImSchG und einem danach zu tolerierenden Kinderlärm gemessen hat,
hat es nicht nur die hier heranzuziehenden Beurteilungsmaßstäbe unzulässig
auf diesen Maßstab verengt. Es hat auch übersehen, dass nach den von ihm in
Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts der als Mangel bewertete
Lärm möglicherweise gar nicht oder nur unwesentlich von Kindern, sondern von
Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen ausgeht und auf einem Bolzplatz
entsteht, so dass ein Sachverhalt vorliegt, auf den § 22 Abs. 1a BImSchG
nach seinem Anwendungsbereich nicht zugeschnitten ist.
26 aa) Der durch Art. 1 des Zehnten Gesetzes zur Änderung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Privilegierung des von
Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen ausgehenden Kinderlärms vom
20. Juli 2011 (BGBl. I S. 1474) in § 22 BImSchG eingefügte Absatz 1a
bestimmt, dass Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen,
Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise
Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine
schädliche Umwelteinwirkung sind, und dass bei der Beurteilung der
Geräuscheinwirkungen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen
werden dürfen. Für den Begriff der Kinder, deren Lärm als Ausdruck eines
besonderen Toleranzgebots der Gesellschaft durch die Vorschrift privilegiert
werden soll, hat der Gesetzgeber die Definition in § 7 Abs. 1 SGB VIII
heranziehen wollen, wonach Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, und
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (BT-Drucks. 17/4836,
S. 4, 6). Hinsichtlich der gegenständlich in die Privilegierung einbezogenen
Kinder- und Ballspielplätze hat der Gesetzgeber mit Blick auf den
Nutzerkreis zugleich klargestellt, dass davon zu unterscheiden sind Spiel-
und Bolzplätze sowie Skateranlagen und Streetballfelder für Jugendliche, die
großräumiger angelegt seien und ein anderes Lärmprofil hätten als
Kinderspielplätze (BT-Drucks. 17/4836, S. 6). Dass die danach erforderlichen
Privilegierungsvoraussetzungen des vom Berufungsgericht für einschlägig
erachteten § 22 Abs. 1a BImSchG im vorliegenden Fall überhaupt gegeben sind,
kann den getroffenen Feststellungen indes nicht entnommen werden.
27 bb) Wenn - was die Feststellungen des Berufungsgerichts bislang nicht
tragen - von Kindern ausgehender Lärm eine wesentliche Ursache für die als
Mangel beanstandeten Geräuschimmissionen gewesen sein sollte, wäre entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings § 22 Abs. 1a BImSchG zur
Bewertung der Lärmeinwirkungen als Mangel der gemieteten Wohnung mit
heranzuziehen. Denn diese Privilegierungsregelung ist nach dem Willen des
Gesetzgebers darauf angelegt, über seinen eigentlichen Anwendungsbereich und
das damit vielfach verklammerte zivilrechtliche Nachbarrecht hinaus auch auf
das sonstige Zivilrecht, insbesondere das Mietrecht und das
Wohnungseigentumsrecht, auszustrahlen, sofern dieses jeweils für die
Bewertung von Kinderlärm relevant ist (BT-Drucks. 17/4836, S. 7; vgl. auch
BGH, Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR 204/11, WuM 2012, 515 Rn. 11).
28 Diese Ausstrahlungswirkungen, die zugleich die Verkehrsanschauung zu Art
und Maß der als sozialadäquat hinzunehmenden Geräuschimmissionen prägen,
würden sich insbesondere dahin äußern, dass bei einer - hier mangels
abweichend vereinbarter Standards erforderlichen - Auslegung der
beiderseitigen mietvertraglichen Rechte und Pflichten Kinderlärm der in § 22
Abs. 1a BImSchG beschriebenen Art jedenfalls bei Beachtung des Gebots
zumutbarer gegenseitiger Rücksichtnahme (vgl. dazu OVG Koblenz, NVwZ 2012,
1347, 1349) in der Regel als den Mietgebrauch nicht oder nur unerheblich
beeinträchtigend einzustufen wäre. Dass das hierin zum Ausdruck kommende
Toleranzgebot erst im Jahr 2011 und damit lange nach Abschluss des
Mietvertrages seinen gesetzlichen Niederschlag in § 22 Abs. 1a BImSchG
gefunden hat, stünde - anders als das Berufungsgericht meint - seiner
Berücksichtigungsfähigkeit nicht entgegen. Denn abgesehen davon, dass dieses
Gebot ohnehin nur die Konkretisierung einer bereits bei Mietvertragsschluss
zumindest angelegten Verkehrsanschauung enthält (vgl. BVerwG, NJW 1992,
1779, 1780), könnte eine Weiterentwicklung der Verkehrsanschauungen
jedenfalls im Hinblick auf hinzunehmende Umwelteinwirkungen bei Fehlen
konkreter vertraglicher Regelungen zum "Soll-Zustand" auch zu gewissen
Anpassungen des vertraglich geschuldeten Standards einer Gebrauchsgewährung
führen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 2006 - XII ZR 34/04, aaO; vom 10. Mai
2006 - XII ZR 23/04, NZM 2006, 582 Rn. 10).
29 b) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig (§ 561 ZPO). Denn auf der Grundlage der vom Berufungsgericht
gebilligten Feststellungen des Amtsgerichts, wonach die vom Schulgelände
ausgehenden Lärmstörungen außerhalb des Schulbetriebs nach Schulschluss eine
erhebliche Lärmbelastung darstellten, weil namentlich an Wochenenden und
nach 18 Uhr ein Spielbetrieb auf dem Schulgelände und insbesondere auf dem
Bolzplatz stattfinde, der etwa durch Schüsse mit dem Ball gegen den
Metallzaun erhebliche Lärmbelästigungen zur Folge habe, lässt sich auch
dann, wenn § 22 Abs. 1a BImSchG als heranzuziehender Beurteilungsmaßstab
ausscheiden sollte, die Frage nicht abschließend beantworten, ob diese
Geräuschimmissionen einen zur Minderung der Miete berechtigenden Mangel der
Wohnung der Beklagten darstellen.
30 aa) Allerdings sind die Maßstäbe, die bei Fehlen konkreter Parteiabreden
an eine Hinnahme von nachträglich entstehenden oder sich vergrößernden
Geräuschimmissionen auf die Mietsache durch Dritte und die damit
zusammenhängende Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters (§ 535 Abs. 1
Satz 2 BGB) anzulegen sind, umstritten.
31 (1) In Teilen der Instanzrechtsprechung (BayObLG, NJW 1987, 1950, 1951;
OLG München, NJW-RR 1994, 654 f.; LG Itzehoe, Urteil vom 11. Oktober 2010 -
3 O 509/09, juris Rn. 24; LG Berlin, Urteil vom 13. März 2013 - 65 S 321/11,
juris Rn. 20) sowie im mietrechtlichen Schrifttum (Staudinger/ Emmerich,
BGB, Neubearb. 2014, § 536 Rn. 29a f. mwN; Erman/ Lützenkirchen, BGB, 14.
Aufl., § 536 Rn. 18; Lehmann-Richter, NZM 2012, 849, 852; ähnlich auch
Kraemer, WuM 2000, 515, 519) wird maßgeblich darauf abgestellt, ob der
Mieter bei Abschluss des Vertrages insbesondere aufgrund der Lage des
Mietgrundstücks und der das Grundstück umgebenden Nachbarschaft bereits
konkrete Anhaltspunkte für einen Eintritt oder eine Zunahme bestimmter
Geräuschimmissionen hatte, aus diesem Grunde mit dem Entstehen einer später
als Mangel gerügten Geräuschkulisse ohne Weiteres rechnen musste und dies
deshalb bei Bemessung der Miethöhe (ermäßigend) berücksichtigen konnte (nur
eine positive Kenntnis des Mieters für maßgeblich haltend: Blank, WuM 2012,
175, 178). Dabei wird zugleich ganz überwiegend angenommen, dass die im
Nachbarschaftsrecht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB bedeutsame Ortsüblichkeit
keinen Maßstab für die mietrechtliche Gebrauchserhaltungspflicht des
Vermieters nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB bilden könne (BayObLG, aaO S. 1952;
OLG München, aaO S. 654; LG Itzehoe, aaO; Lehmann-Richter, aaO S. 850;
Blank, aaO S. 176; Börstinghaus, NZM 2004, 48, 49; aA LG Berlin, Urteil vom
27. September 2011 - 63 S 641/10, juris Rn. 27).
32 (2) Demgegenüber wird von einem anderen Teil der Instanzrechtsprechung
eine abweichende Auffassung dahin vertreten, dass bei Fehlen konkreter
Beschaffenheitsabreden nach der Verkehrsanschauung nicht schon jede
nachteilige Veränderung des Wohnumfelds und der Geräuschsituation als Mangel
der Mietsache angesehen werden könne. Vielmehr müsse ein Mieter
grundsätzlich in Rechnung stellen, dass es im weiteren oder näheren Umfeld
seiner Wohnung zu Veränderungen kommen könne, die sich auf die Mietsache
nachteilig auswirken könnten. Es sei deshalb zu fragen, ob der Mieter
bestimmte Eigenschaften seines Wohnumfeldes als unveränderlich habe
voraussetzen dürfen oder ob er mit bestimmten nachteiligen Änderungen etwa
wegen bestehender Gemengelagen grundsätzlich habe rechnen müssen (KG, NZM
2003, 718; LG Berlin, Urteil vom 27. September 2011 - 63 S 641/10, aaO Rn.
25 f.; LG Heidelberg, NJOZ 2010, 2557 f.; LG Hamburg, WuM 1998, 19).
33 bb) Der Senat hat zu dieser Frage noch nicht abschließend Stellung
genommen. Er hat allerdings in einer Fallgestaltung, in der es darum ging,
ob in der durch die zeitweilige straßenbaubedingte Umleitung des Verkehrs
verursachten erhöhten Lärmbelastung ein zur Mietminderung berechtigender
Mangel zu sehen ist, ausgesprochen, dass bei einer vermieteten Wohnung, die
sich in einer bestimmten Innenstadtlage und damit in einer Lage befunden
hat, bei der jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer
Dauer zu rechnen ist, die Mieter die mit den Arbeiten verbundene (erhöhte)
Lärmbelastung redlicherweise hinzunehmen haben. Eine solche vorübergehende
erhöhte Lärmbelastung stellt deshalb unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer
jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in solchen Innenstadtlagen
üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel dar
(Senatsurteil vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, aaO Rn. 12).
34 In einem weiteren Fall hat der Senat angenommen, dass die in einem
Lichthof von den Zu- und Abluftleitungen ausgehenden Geräuschimmissionen
auch bei ihrer nachträglichen Zunahme dann nicht zu einem Mangel der
Mietsache führen, wenn bei Fehlen einer Abrede der Mietvertragsparteien zum
Maß einer Immissionsbelastung der zum Lichthof hin gelegenen Räumlichkeiten
die hierfür maßgeblichen technischen Normen eingehalten sind. Denn ein
Mieter kann bei Fehlen gegenteiliger Abreden nicht ohne Weiteres erwarten,
dass der Vermieter Veränderungen, die durch die Nutzungsbedürfnisse anderer
Mieter erforderlich werden, unterlässt, wenn dadurch die Geräuschimmissionen
zwar steigen, die Belastung aber auch nach der Veränderung noch den
technischen Normen genügt, deren Einhaltung vom Vermieter geschuldet ist.
Weist das Gebäude im Zeitpunkt der Begründung des Mietverhältnisses
tatsächlich einen Immissionsstandard auf, der besser ist als der, den der
Mieter nach den maßgeblichen technischen Normen vom Vermieter verlangen
kann, kann er gleichwohl im Allgemeinen nicht davon ausgehen, dass der
Vermieter ihm gegenüber dafür einstehen will, dass dieser Zustand während
der gesamten Dauer des Mietverhältnisses erhalten bleibt (Senatsurteil vom
23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO Rn. 15, 17).
35 cc) Der Senat führt diese Rechtsprechung nunmehr dahin fort, dass
nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte jedenfalls dann
grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung
führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie ohne
eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder
ortsüblich hinnehmen muss.
36 (1) Die nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Mietvertrag
entstehende Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der
Mietsache während der Mietzeit zu gewähren, gestaltet § 535 Abs. 1 Satz 2
BGB zum einen dahin aus, dass der Vermieter die Mietsache dem Mieter in
einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen hat
(Überlassungspflicht). Zum anderen trifft den Vermieter danach auf Dauer die
Verpflichtung, die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu
erhalten (Erhaltungspflicht), was zugleich die Pflicht beinhaltet, eine nach
Überlassung eingetretene Verschlechterung der Mietsache zu beseitigen und
den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand wiederherzustellen
(BGH, Urteile vom 19. November 2014 -
VIII ZR 191/13, NJW 2015, 699 Rn. 25 mwN, vom 3. April 2003 - IX ZR
163/02, NZM 2003, 472 unter II 2).
37 (2) Das dem Vermieter durch diese Regelungen auferlegte
Besitzverschaffungsrisiko (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) hat jedoch
nicht notwendig zur Folge, dass die Überlassungspflicht und die
Erhaltungspflicht in jeder Hinsicht deckungsgleich sind. Während die
Überlassungspflicht an einen gegenwärtigen Zustand der Mietsache anknüpft,
über den der Vermieter sich ohne Weiteres vergewissern und dessen
Beherrschung ihm deshalb auch ohne Weiteres zugemutet werden kann, bedarf es
zur Erhaltungspflicht und der Beherrschbarkeit der dabei jedenfalls durch
äußere Einflüsse auf die Mietsache einwirkenden Risiken eines prognostischen
Blicks in die Zukunft, deren Entwicklung nicht in jeder Hinsicht
überschaubar ist.
38 Dementsprechend bedarf es für den Umfang der Erhaltungspflicht einer
differenzierteren Betrachtung. Denn auch für die Beurteilung eines
übernommenen Beschaffungsrisikos ist es anerkannt, dass dieses sich bei
Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte nicht darauf erstreckt, schlechthin für
jedes Unvermögen zur Erfüllung der übernommenen Pflichten einstehen zu
wollen, sondern nur auf die Fähigkeit zur Überwindung der typischen
Beschaffungshindernisse bei Geschäften der fraglichen Art (BT-Drucks.
14/6040, S. 132; BeckOK-BGB/Lorenz, Stand: 1. März 2011, § 276 Rn. 42;
Erman/Westermann, aaO, § 276 Rn. 19 mwN). Die Übernahme eines
Beschaffungsrisikos schließt deshalb insbesondere die Berücksichtigung des
unvorhergesehenen Eintritts höherer Gewalt oder ähnlicher Umstände nicht
aus, welche nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) das Verlangen des Gläubigers
nach uneingeschränkter Leistung als unbillig und ungerechtfertigt erscheinen
lassen (RGZ 99, 1, 2; vgl. auch Senatsurteile vom 12. Juli 1972 -
VIII ZR 200/71, WM 1972, 1251 unter III 1 b; vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR
259/92, WM 1994, 301 unter II 2 b). Es ist in diesen Fällen vielmehr bereits
durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln, wie weit eine im Vertrag
übernommene Beschaffungspflicht nach diesen Maßstäben reicht (MünchKommBGB/Grundmann,
6. Aufl., § 276 Rn. 179 mwN).
39 (3) Dieser Gesichtspunkt ist auch bei der hier vorzunehmenden -
ergänzenden - Auslegung des Mietvertrages der Parteien zur Beantwortung der
Frage zu berücksichtigen, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen
Gebrauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden Mietwohnung gehört, den
die Kläger insbesondere nach deren Lage und deren beabsichtigter Nutzung
sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten
Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB während der
Mietzeit in Bezug auf Geräuschimmissionen zu erhalten haben. Dabei ist
namentlich zu fragen, ob die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss die
spätere Entwicklung der Verhältnisse auf dem benachbarten Schulgrundstück in
Betracht gezogen hätten, diese als den geschuldeten Mietgebrauch nunmehr
prägend hingenommen hätten, oder ob die Parteien die Kläger als verpflichtet
angesehen hätten, den Mietgebrauch jedenfalls im Wesentlichen nach dem bei
Vertragsschluss bestehenden Immissionsstandard aufrechtzuerhalten.
40 Insoweit ergibt eine Auslegung des Mietvertrags der Parteien, die der
Senat selbst vornehmen kann, da das Berufungsgericht sie unterlassen hat und
weitere Feststellungen nicht erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 4. Mai
2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004 unter II 4), dass Letzteres zu
verneinen ist.
41 (a) Hätten die Parteien bei Vertragsschluss die eingetretene Entwicklung
mit den daraus resultierenden erhöhten Geräuschimmissionen bedacht, hätte
sich ihnen die Frage aufdrängen müssen, ob und mit welchem Ergebnis die
Kläger überhaupt in der Lage sein würden, dem erhöhten Immissionsanfall zu
begegnen. Zwar trifft einen Vermieter - und zwar unabhängig von etwaigen
eigenen Abwehrmöglichkeiten des Mieters - im Rahmen seiner Verpflichtung zur
Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die
Pflicht, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu
diesem Zweck gegen den Störer jedenfalls im Rahmen des rechtlich und
tatsächlich Möglichen vorzugehen (vgl. Senatsurteile vom 23. Februar 1966
- VIII ZR 63/64, WM 1966, 763 unter II 1; vom 10. Dezember 1986 - VIII ZR
349/85, BGHZ 99, 182, 191). Hierbei wären aber zugleich die Gegebenheiten
des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses und die in § 906 BGB
konkretisierten Duldungspflichten sowie die daraus abgeleiteten Abwehr- und
Ausgleichsmöglichkeiten zu bedenken gewesen, die auch bei Immissionen einer
- wie hier - hoheitlich betriebenen Anlage den Maßstab bilden (vgl. nur OVG
Berlin-Brandenburg, BImSchG-Rspr. § 22 Nr. 187; VGH Mannheim, BImSchG-Rspr.
§ 22 Nr. 216; jeweils mwN).
42 Dass die Parteien vor diesem Hintergrund davon ausgegangen wären,
die Kläger hätten den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard ungeachtet
etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten
sollen, kann redlicherweise nicht angenommen werden. Denn damit hätten die
Beklagten ihnen eine Erhaltungspflicht abverlangt, deren Erfüllung gemäß §
275 Abs. 1, 2 BGB tatsächlich oder jedenfalls wirtschaftlich unmöglich
gewesen wäre. Dass sich die Kläger hierauf eingelassen hätten oder
billigerweise hätten einlassen müssen, liegt fern. Vielmehr hätten
sich die Parteien nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) darauf verständigt, die
Störung durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel der
Mietwohnung anzusehen, wenn die Kläger selbst diese Immissionen gemäß § 906
BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden müssten. Im Falle
einer Duldungspflicht gegen Entschädigung wäre diese Verständigung dahin
gegangen, dass sich ein dann gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehender
Ausgleichsanspruch in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete hätte
niederschlagen müssen.
43 (b) Entgegen einer verbreitet vertretenen Auffassung (BayObLG, aaO S.
1951 f.; OLG München, aaO; LG Itzehoe, aaO; Lehmann-Richter, aaO; Blank,
aaO; Börstinghaus, aaO), die allerdings die vorstehend dargestellte
Risikoverteilung außer Acht lässt, spricht gegen das dargestellte
Auslegungsergebnis auch nicht, dass § 906 BGB im Verhältnis der
Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet (BGH, Urteil vom
12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 192 f.). Denn das
schließt eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser
Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der
Parteien nicht aus. Vielmehr nimmt der einem Mieter zukommende Mietgebrauch
bei Fehlen entgegenstehender Abreden an der jeweiligen
Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks und der aus der Nachbarschaft
entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen
Veränderungsrisiken jedenfalls in einem Umfang teil, den der an § 906 BGB
gebundene Vermieter angesichts des ihm danach billigerweise zuzumutenden
Gebrauchsüberlassungsrisikos nicht beeinflussen kann.
III.
44 Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif
ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
45 Das Berufungsgericht wird dabei insbesondere zu prüfen haben, ob es sich
bei dem Bolzplatz nach seiner Größe und Gestaltung überhaupt um einen
Kinder- oder Ballspielplatz im Sinne des § 22 Abs. 1a BImSchG handelt, ob
und in welchem Ausmaß die von ihm ausgehenden Geräuschimmissionen von
Kindern oder von anderen Personen verursacht werden und nach welchen (Lärm-schutz-)Standards
sich danach eine Wesentlichkeit der behaupteten Immissionen im Einzelnen
bestimmt. Ferner wird es - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der
Parteien - zu prüfen haben, ob die Kläger nach den immissionsschutz- und
bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten oder etwaigen sonstigen
Emissionsumständen die Geräuschimmissionen zu dulden haben und ob ihnen
bejahendenfalls zumindest ein Ausgleichsanspruch - etwa gegen die
Streithelferin - zusteht. Denn danach beurteilt sich, ob ein Mangel
vorliegt, der zur Minderung berechtigt.
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