Inspektionsklausel in Gebrauchtwagengarantieverträgen;
Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 307 I BGB
BGH, Urteil vom 17. Oktober
2007 - VIII ZR 251/06
Fundstelle:
NJW 2008, 214
s. dazu auch BGH NJW 2009, 3714
sowie die Anm. zu BGH
NJW 2011, 3510 und
BGH v. 25.9.2013 -
VIII ZR 206/12.
Amtl. Leitsatz:
Eine Klausel in einem
vom Garantiegeber formularmäßig verwendeten Gebrauchtwagengarantievertrag,
die für den Fall, dass der Garantienehmer die vom Fahrzeughersteller
vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und
Pflegearbeiten nicht durchführen lässt, die Leistungspflicht des
Garantiegebers unabhängig von der Ursächlichkeit für den eingetretenen
Schaden ausschließt, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden
unwirksam (im Anschluss an BGH, Urteil vom 24. April 1991 - VIII ZR 180/90,
NJW-RR 1991, 1013).
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt von der Beklagten auf der Grundlage eines
Garantievertrags die Übernahme von Reparaturkosten für ein von ihm am 27.
Juni 2003 von einem Autohändler erworbenes gebrauchtes Kraftfahrzeug. Der
gleichzeitig mit der Beklagten abgeschlossene Garantievertrag enthält
folgende Formularbedingungen:
"§ 1 Umfang der Garantie
Garantiert wird die Funktionsfähigkeit aller mechanischen und
elektrischen Teile mit nachstehenden allumfassenden Ausschlüssen wie
folgt:
- Bremsen und Kupplung: Kupplungsscheibe und Bremsbeläge, -scheiben und
-trommeln
§ 2 Ausschlüsse der Garantie
Keine Garantie besteht für Schäden:
- durch unsachgemäße, mut- oder böswillige Handlungen, ...
§ 3 Pflichten des Käufers/Garantienehmers
Der Käufer/Garantienehmer hat
- an dem Fahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen
Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim ausliefernden Händler,
einem Herstellerfachbetrieb oder in einer von einem Kfz-Meister/in
geleiteten und von der Handwerkskammer anerkannten Fachwerkstatt nach
Herstellerrichtlinien lückenlos durchzuführen und diese in der
Garantieurkunde bestätigen zu lassen
- den Schaden nach Möglichkeit zu mindern und dabei den Weisungen der S.
GmbH in Hinblick auf Art, Umfang und Ort der Reparatur zu befolgen
Die Nichteinhaltung der Pflichten gefährden die Garantieansprüche;
werden diese verletzt, so ist der Garantiegeber von seiner
Leistungspflicht befreit."
2 Anfang des Jahres 2004 wurde ein
erhöhtes Axialspiel an der Kurbelwelle des Fahrzeugs festgestellt. Zu diesem
Zeitpunkt war das nach den Herstellerrichtlinien vorgesehene
Wartungsintervall von 15.000 km um 827 km überschritten.
3 Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der
Beklagten zur Übernahme der Reparaturkosten. Das Amtsgericht hat die Klage
abgewiesen, das Landgericht hat entsprechend dem zuletzt gestellten Antrag
des Klägers festgestellt, dass die Beklagte zur Übernahme der
Reparaturkosten auf der Basis des vom gerichtlichen Sachverständigen
festgestellten Reparaturkostenbetrages verpflichtet ist. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der
Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
5 Der am Fahrzeug des Klägers eingetretene Schaden falle unter die von der
Beklagten übernommene Garantie. Nach § 1 des Garantievertrages sei nur die
Mangelhaftigkeit der Kupplungsscheibe von der Garantie ausgeschlossen. Der
an der Kurbelwelle eingetretene Schaden sei aber durch ein zu geringes
Lüftspiel im Bereich der Betätigungseinrichtung der Kupplung oder durch
Lufteintritt im Bereich des geschlossenen Flüssigkeitssystems der Kupplung
verursacht worden.
6 Auf die Nichteinhaltung der Wartungsintervalle gemäß § 3 des
Garantievertrages könne sich die Beklagte nicht berufen, denn diese
Vertragsbestimmung sei wegen unbilliger Benachteiligung des Kunden gemäß §
307 BGB unwirksam. Die Klausel unterliege der Inhaltskontrolle, weil sie
nicht die Beschreibung des unmittelbaren Leistungsgegenstandes betreffe,
sondern eine Einschränkung der übernommenen Hauptleistungspflicht, der
Kostentragung bei Reparatur, beinhalte. Der anlässlich eines
Gebrauchtwagenkaufs mit einem Dritten abgeschlossene Garantievertrag sei mit
der dreijährigen Neuwagengarantie eines Herstellers oder Vertragshändlers
nicht zu vergleichen. Die mit einem Dritten getroffene eigene
Garantievereinbarung über die Reparaturkosten-tragung müsse einen über die
Gewährleistungsansprüche hinausgehenden oder zumindest davon zu trennenden
Inhalt haben. Anders als bei einer Neuwagengarantie des Herstellers könne
die Beklagte auch nicht auf die Bindung des Klägers an das eigene
Kundendienst- und Reparatursystem abzielen und dem Garantienehmer insoweit
eine Pflicht auferlegen.
7 Die unbillige Benachteiligung des Kunden durch § 3 der Garantiebedingungen
liege darin, dass eine Leistungsbefreiung des Garantiegebers allein wegen
der Überschreitung der Wartungsintervalle eintrete, also auch dann, wenn der
Verstoß gegen die Obliegenheit nicht schadensursächlich geworden sei. Im
Verhältnis zur Laufleistung des Fahrzeugs des Klägers bei Schadenseintritt
(86.784 km) sei die Überschreitung des Wartungsintervalls um 827 km sehr
gering. Aufgrund der Angaben des Sachverständigen, dass sich der Mangel
schleichend im Betrieb oder auch durch das Eindringen von Luft in das
hydraulisch betätigte System der Kupplung habe einstellen können, sei davon
auszugehen, dass der Zeitpunkt des Schadenseintritts bei einem Pkw mit so
hoher Laufleistung eher zufällig gewesen sei und nicht auf der versäumten
Inspektion beruhe. Die Feststellung, ob der Schaden auch bei rechtzeitiger
Wartung eingetreten wäre, müsse aber letztlich nicht getroffen werden, denn
dies liefe auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf
das noch zulässige Maß hinaus.
II.
8 Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, so
dass die Revision zurückzuweisen ist.
9 1. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsgericht
davon ausgegangen, dass der am Fahrzeug des Klägers aufgetretene Schaden
unter den Garantieumfang nach § 1 des zwischen den Parteien abgeschlossenen
Vertrages fällt.
10 2. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass die Überschreitung des
Wartungsintervalls um 827 km der Verpflichtung der Beklagten zur Tragung der
Reparaturkosten dieses Schadens entgegenstehe.
11 a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die in § 3 des Formularvertrags
geregelten "Pflichten des Käufers/Garantienehmers" und die für den Fall der
"Nichteinhaltung der Pflichten" angeordnete Befreiung des Garantiegebers von
seiner Leistungspflicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB
unterzogen.
12 aa) Allerdings sind § 307 Abs. 1 und 2 sowie §§ 308, 309 BGB gemäß § 307
Abs. 3 Satz 1 BGB auf solche Abreden nicht anzuwenden, die Art und Umfang
der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar
regeln (BGHZ 100, 157, 173; 104, 82, 90; 106, 42, 46; BGH, Urteil vom 19.
November 1991 - X ZR 63/90, NJW 1992, 688, unter II 1, jeweils zu § 8 AGBG).
Diese Freistellung gilt jedoch nur für den unmittelbaren
Leistungsgegenstand, nicht aber für Regelungen, die die Leistungspflicht des
Verwenders einschränken. So sind Allgemeine Geschäftsbedingungen dann der
Inhaltskontrolle unterworfen, wenn sie anordnen, dass der Verwender unter
bestimmten Voraussetzungen die versprochene Leistung nur modifiziert oder
überhaupt nicht zu erbringen habe (Senatsurteil vom 24. April 1991 - VIII ZR
180/90, NJW-RR 1991, 1013, unter II). Für die der Überprüfung entzogene
Leistungsbeschreibung bleibt deshalb nur der enge Bereich der
Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder
Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhaltes ein wirksamer Vertrag nicht
mehr angenommen werden kann (BGHZ 123, 83, 84).
13 bb) Vorliegend handelt es sich, wie das Berufungsgericht richtig gesehen
hat, um eine der Inhaltskontrolle unterliegende Einschränkung des
Leistungsversprechens. Die Beklagte hat nach Maßgabe des § 1 des
Garantievertrags für die Laufzeit von zwölf Monaten die Funktionsfähigkeit
der mechanischen und elektrischen Teile des Fahrzeugs garantiert und sich
gemäß § 6 zur Tragung anfallender Reparaturkosten verpflichtet. Dass die
Beklagte von dieser Leistungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen -
nämlich unter anderem bei Verletzung der dem Kunden im Zusammenhang mit
vorzunehmenden Wartungsarbeiten auferlegten "Pflichten" - wiederum frei sein
soll, schränkt das gegebene Versprechen ein; insoweit liegt keine der
Inhaltskontrolle entzogene Leistungsabrede, sondern eine Nebenabrede dazu
vor (vgl. Senatsurteil vom 24. April 1991, aaO). Ob demgegenüber eine als
negative Anspruchsvoraussetzung formulierte Garantieklausel, die Leistungen
aus der Garantie von vornherein nur unter der Voraussetzung durchgeführter
Wartungsarbeiten verspricht (vgl. OLG Nürnberg, NJW 1997, 2186), als eine
der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibung zu qualifizieren ist,
bedarf hier keiner Entscheidung, denn eine solche Formulierung hat die
Beklagte nicht verwendet.
14 b) Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass der in § 3
der Garantiebedingungen als Folge der Nichtdurchführung der Wartungsarbeiten
vorgesehene Verlust der Garantieansprüche den Kunden unangemessen
benachteiligt.
15 Eine Formularklausel ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs unangemessen, wenn der Verwender missbräuchlich eigene
Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von
vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen
(BGHZ 90, 280, 284; 120, 108, 118; 143, 103, 113). Das trifft auf eine
Klausel zu, die den Verwender - wie hier § 3 der Garantiebedingungen - von
seiner Leistungsverpflichtung ohne Rücksicht darauf freistellt, ob der
Verstoß des Kunden gegen seine Obliegenheit zur Durchführung der
Wartungsarbeiten für den reparaturbedürftigen Schaden ursächlich geworden
ist (Senatsurteil vom 24. April 1991, aaO, unter III 1 und 2 c). Entgegen
der Auffassung der Revision gebietet der Umstand, dass umfangreiche, unter
Heranziehung von Sachverständigen zu führende Auseinandersetzungen über die
Kausalitätsfrage durch einen Leistungsausschluss im Falle versäumter
Inspektionen von vornherein verhindert werden können, keine andere
Bewertung. Der Beklagten ist es nicht verwehrt, den Beweis fehlender
Ursächlichkeit dem Kunden aufzuerlegen; dadurch wird der Gefahr
ungerechtfertigter Inanspruchnahme wirksam begegnet. Dass die Beklagte sich
mit ernsthaft streitigen Kausalitätsfällen befassen muss, hat sie
hinzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 24. April 1991, aaO).
16 3. Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Anspruch des Klägers
aus der Garantie auch kein auf Befreiung von diesem Anspruch gerichteter
Schadensersatzanspruch der Beklagten aus § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB
wegen Nichtdurchführung der Wartungsarbeiten entgegen. Denn bei den in § 3
des Garantievertrags geregelten "Pflichten des Käufers/Garantienehmers"
handelt es sich aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Kunden nicht
um Leistungspflichten des Käufers/Garantienehmers. Dafür könnte zwar der
Wortlaut der Vertragsklausel ("Pflichten") sprechen. Als Rechtsfolge der
"Pflichtverletzung" sieht der Garantievertrag jedoch keine
Schadensersatzansprüche des Garantiegebers, sondern nur den Verlust der
Garantieansprüche des Kunden vor. Bei den in § 3 des Vertrags genannten
"Pflichten" handelt es sich deshalb um Obliegenheiten, die dem Kunden
lediglich im eigenen Interesse auferlegt sind.
17 4. Zu Unrecht verweist die Revision im Hinblick darauf, dass der
Sachverständige ein "Schleifenlassen der Kupplung" als Schadensursache nicht
ausgeschlossen habe, auf einen Leistungsausschluss wegen unsachgemäßer
Behandlung nach § 2 Spiegelstrich 3 der Garantiebedingungen. Nach dem
Gutachten des Sachverständigen B. ist offen geblieben, ob der eingetretene
Schaden an der Kupplung durch einen Fahr- oder Bedienungsfehler des Klägers
verursacht worden ist. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Entgegen der
Auffassung der Revision besteht für eine Umkehr der Beweislast wegen
Beweisvereitelung kein Anlass. Eine solche Beweislastumkehr kommt nur in
Betracht, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung
schuldhaft erschwert oder unmöglich gemacht hat, etwa durch Zerstörung oder
Entziehung von Beweismitteln (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23. November
2005 - VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434, unter II 1 b bb). Nach dem von der
Revision als übergangen gerügten Vorbringen der Beklagten konnte zwar der
gerichtliche Sachverständige nähere Feststellungen zur Ursache des
Kupplungspedalspiels nicht treffen, weil die vom Kläger mit der Feststellung
der Schadensursache beauftragte Werkstatt das Übertragungssystem der
Kupplung teilweise zerlegt hatte und die Kupplung deshalb nur noch in diesem
Zustand zur weiteren Begutachtung zur Verfügung stand. Diese Vorgehensweise
kann dem Kläger aber nicht als fahrlässige Beweisvereitelung angelastet
werden.
18 5. Erfolglos bleibt auch die weitere Rüge der Revision, das
Berufungsgericht habe der Beklagten durch die ausgesprochene Verpflichtung
zur Übernahme der Reparaturkosten auf der Basis des gerichtlichen
Sachverständigengutachtens zu Unrecht - entgegen der Regelung in § 3 Satz 1
Spiegelstrich 4 der Garantiebedingungen - die Art und Weise der
Reparaturdurchführung, insbesondere den unnötigen Einbau eines neuen statt
eines gebrauchten Teilemotors vorgeschrieben. Diese Rüge geht schon deshalb
fehl, weil in der Kostenschätzung des gerichtlichen Sachverständigen der
Einbau eines neuen Teilemotors nicht vorgesehen ist.
19 6. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Kostenentscheidung
des Berufungsgerichts jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar
hatte der Kläger die begehrte Feststellung der Verpflichtung der Beklagten
zur Tragung der Reparaturkosten zunächst auf den Kostenvoranschlag der Firma
Autohaus P. vom 24. Februar 2004 bezogen, den Antrag aber später auf das
gerichtliche Sachverständigengutachten als Basis umgestellt. Es kann
dahinstehen, ob darin, wie die Revision meint, eine teilweise Rücknahme bzw.
ein Teilunterliegen liegt, weil der Kostenvoranschlag des Autohauses P. von
etwas höheren Kosten ausgeht. Auch in diesem Fall erweist sich die
Entscheidung des Berufungsgerichts, der Beklagten die gesamten Kosten
aufzuerlegen, gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als richtig, denn der Umfang der
Reparaturarbeiten hing von der Ermittlung durch einen Sachverständigen ab.
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