Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschluss
durch AGB beim Gebrauchtwagenkauf nach §§ 309 Nr. 7 a, b BGB; Verbot
geltungserhaltender Reduktion; Unwirksamkeit salvatorischer Klauseln in AGB
BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 -
VIII ZR 26/14 - OLG Jena
Fundstelle:
NJW-RR 2015, 738
JuS 2015, 1036 (Riehm)
Amtl. Leitsatz:
Eine umfassende Freizeichnung
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier: eines
Gebrauchtwagenkaufvertrags), nach der die Haftung des Klauselverwenders auch
für Körper- und Gesundheitsschäden sowie für sonstige Schäden auch bei
grobem Verschulden ausgeschlossen ist, hält einer Inhaltskontrolle am
Maßstab des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB nicht stand (im Anschluss an die
Senatsurteile vom 22. November 2006 - VIII ZR
72/06, BGHZ 170, 67; vom 19. September 2007 -
VIII ZR 141/06, BGHZ 174, 1).
Zentrale Probleme:
Es geht - einmal mehr und erstaunlicherweise schon
wieder - um die Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses in AGB, der
sämtliche Gewährleistungsansprüche pauschal und damit auch denkbare
Ansprüche wegen der Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und aus grober
Fahrlässigkeit ausschließt. Das verstößt gegen § 309 Nr. 7a und b BGB und
führt zur Gesamtunwirksamkeit der AGB (BGHZ
170, 67). Das gilt über §§ 310 I 2, 307 I BGB auch unter
Kaufleuten (BGHZ 174,
1). Damit ist die Klausel insgesamt unwirksam (Verbot
geltungserhaltender Reduktion). Da hilft natürlich auch die hier verwendete
salvatorische Klausel ("soweit das gesetzlich zulässig ist")
nichts. Sie dazu die Anm. zu den genannten Entscheidungen sowie zuletzt
BGH v. 29.4.2015 - VIII
ZR 104/14.
Die Entscheidung enthält also nichts neues, offenbar hatte das
Berufungsgericht die Rspr. des BGH verkannt. Dennoch hat es die Entscheidung
in den
SPIEGEL gebracht ...
©sl 2015
Tatbestand:
1 Mit Kaufvertrag vom 4. Oktober 2007 erwarb der Kläger von dem Beklagten
einen gebrauchten Mercedes Benz ML 55 AMG zum Preis von 33.000 €. Der
Verkauf erfolgte über den Streithelfer, einen Gebrauchtwagenhändler, der das
Fahrzeug im Auftrag des Beklagten veräußerte. Der Kaufvertrag enthält einen
formularmäßigen Gewährleistungsausschluss, wonach das Fahrzeug
"[...] gebraucht, wie ausgiebig besichtigt, unter Ausschluss jeglicher
Gewährleistung im Hinblick auf sichtbare und unsichtbare Mängel,
insbesondere bezüglich des Kilometerstandes, früherer Unfälle und etwa
auftretender Schäden infolge früherer Unfälle [...]."
2 veräußert wird. Auf der Rückseite des Kaufvertragsformulars ist unter der
Überschrift "Gewährleistung" zusätzlich bestimmt:
"Das Fahrzeug ist verkauft unter Ausschluss jeder Gewährleistung. Ansprüche
auf Wandlung, Minderung oder Schadensersatz sind, soweit das gesetzlich
zulässig ist, ausgeschlossen, und zwar sowohl wegen erkennbarer als auch
wegen verborgener Mängel [...]."
3 Das Fahrzeug, welches einen Kilometerstand von 59.000 km aufwies, wurde
dem Kläger am 12. Oktober 2007 übergeben. Am 13. Oktober 2007 bemerkte er
ein "Klackern" des Motors.
4 Mit der Behauptung, das Fahrzeug habe bei Übergabe an ihn einen
Motorschaden aufgewiesen, verlangt der Kläger die Rückabwicklung des
Kaufvertrages. Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises und
Ersatz von Aufwendungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs
samt vom Kläger angeschaffter Sommerreifen sowie auf Feststellung des
Annahmeverzugs gerichtete Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Der
Gewährleistungsausschluss sei wirksam, weil der Kläger nicht bewiesen habe,
dass der Streithelfer den Sachmangel arglistig verschwiegen habe. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
5 Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
8 Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und
Ersatz vergeblicher Aufwendungen zu. Der Beklagte habe die Gewährleistung im
Kaufvertrag wirksam ausgeschlossen. § 444 BGB stehe dem nicht entgegen, denn
der Kläger habe nicht bewiesen, dass der Streithelfer, dessen Wissen der
Beklagte sich gemäß § 166 BGB zurechnen lassen müsse, den Sachmangel
arglistig verschwiegen habe.
9 Zwar habe der Kläger den Sachmangel bewiesen. Nach dem Gutachten des
Sachverständigen weise das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 59.000
einen schwerwiegenden Mangel auf, der nur durch Einbau eines Austauschmotors
behoben werden könne. Der Motor habe keine ausreichende Kompression mehr.
Das "Klappern" komme von nicht mehr festsitzenden Kolben. Ein Totalausfall
des Motors sei nur eine Frage der Zeit.
10 Der Senat entnehme jedoch der Aussage des Zeugen B. , den der
Streithelfer vor dem Verkauf an den Kläger wegen eines "Klackerns" des
Motors gebeten habe, das Fahrzeug zu untersuchen, dass dem Streithelfer kein
konkreter Befund mitgeteilt worden sei, der ihn dazu hätte veranlassen
müssen, weitere Untersuchungen in Auftrag zu geben. Den Aussagen der übrigen
Zeugen lasse sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Der Umstand, dass der
Streithelfer das Fahrzeug in eine Werkstatt gebracht habe, begründe noch
keine Bösgläubigkeit, weil die Werkstatt ihn nicht ausreichend über einen
Verdacht auf einen Motorschaden in Kenntnis gesetzt habe.
11 Da der Kläger eine Arglist des Streithelfers nicht bewiesen habe, könne
dahinstehen, ob er das Vorliegen eines Mangels bei Übergabe bewiesen habe.
II.
12 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil keinen
Bestand haben.
13 Die im Revisionsverfahren nur noch geltend gemachten Ansprüche
des Klägers auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 346 Abs. 1 in
Verbindung mit § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 323 Abs. 1 BGB sowie Ersatz
vergeblicher Aufwendungen gemäß § 437 Nr. 3 Alt. 2, § 284 BGB scheitern
nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, an dem im Kaufvertrag
vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung. Nach den insoweit
nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger zwar
nicht bewiesen, dass der Streithelfer des Beklagten den Sachmangel des
Fahrzeugs arglistig verschwiegen hat (§ 444 Alt. 1 BGB). Das
Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass der formularmäßige Ausschluss der
Sachmängelhaftung der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen am
Maßstab des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB nicht standhält und deshalb
unwirksam ist.
14 1. Bei dem in den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsurteils in
Bezug genommenen Ausschluss der Sachmängelhaftung handelt es sich, was die
Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht, sowohl nach der Erscheinungsform
des Textes als auch nach dessen Inhalt um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§
305 Abs. 1 BGB). Diese sind vom Beklagten verwendet worden. Zwar
stammt das Vertragsformular nicht von diesem, sondern von dem in seinem
Auftrag tätig gewordenen Streithelfer. Die vorformulierten
Vertragsbedingungen sind jedoch gleichwohl vom Beklagten "gestellt"
(§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil der Streithelfer kein Dritter,
sondern Abschlussgehilfe des Beklagten war (§ 278 BGB; vgl.
Senatsurteil vom 14. Dezember 2010 - VIII ZR 143/10, WuM 2011, 96 Rn. 7).
15 a) Die vom Beklagten gestellten Vertragsbedingungen sind für eine
Vielzahl von Verträgen vorformuliert (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Dies gilt selbst dann, wenn er den Streithelfer nur für ein
einzelnes Geschäft eingeschaltet haben sollte. Denn Allgemeine
Geschäftsbedingungen liegen auch dann vor, wenn sie - wie hier - für eine
Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei,
die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will
(Senatsurteil vom
17. Februar 2010 - VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 Rn. 10
mwN).
16 b) Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, ist eine
umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der die
Haftung des Klauselverwenders - wie im vorliegenden
Gebrauchtwagenkaufvertrag - auch für Körper- und Gesundheitsschäden (§ 309
Nr. 7 Buchst. a BGB) sowie für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden
(§ 309 Nr. 7 Buchst. b BGB) ausgeschlossen ist, wegen unangemessener
Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam
(Senatsurteile vom 22.
November 2006 - VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67 Rn. 10;
vom 19. September 2007 -
VIII ZR 141/06, BGHZ 174, 1 Rn. 10 ff.; siehe auch
Senatsurteile vom 29. Mai
2013 - VIII ZR 174/12, NJW 2013, 2584 Rn. 15; vom
19. Juni 2013 - VIII ZR 183/12,
NJW 2014, 211 Rn. 30; jeweils mwN). Dies gilt
gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB selbst dann, wenn der Kläger das
Fahrzeug nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmer erworben haben
sollte (vgl. Senatsurteil vom
19. September 2007 - VIII ZR
141/06, aaO Rn. 13 ff.).
17 c) Der Zusatz "soweit das gesetzlich zulässig ist" beseitigt die
Unwirksamkeitsfolge der gegen die gesetzlichen Regelungen über Allgemeine
Geschäftsbedingungen verstoßenden Klauseln nicht (vgl.
Senatsurteile vom 26. November 1984 - VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29, 48; vom
26. Juni 1991 - VIII ZR 231/90, NJW 1991, 2630 unter II 5; jeweils mwN).
Derartige salvatorische Klauseln sind ihrerseits unwirksam, weil sie
gegen das Verständlichkeitsgebot verstoßen (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 20. November 2012 - VIII ZR 137/12, juris Rn. 3 [Hinweisbeschluss]; vom
5. März 2013 - VIII ZR 137/12, NJW 2013, 1668 Rn. 3
[Zurückweisungsbeschluss]).
18 2. Das Berufungsurteil stellt sich auf der Grundlage der bisherigen
Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen
als richtig dar (§ 561 ZPO). Soweit die Revisionserwiderung geltend macht,
dass es an einem gemäß § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen
Nacherfüllungsverlangen des Klägers fehle und der Beklagte die Nacherfüllung
auch nicht ernsthaft und endgültig verweigert habe (§ 437 Nr. 2, § 323 Abs.
2 Nr. 1 BGB), hat das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund seiner
Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.
III.
19 Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist
daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur
Endentscheidung reif, da es weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
Daher ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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