Rechtsmißbräuchliche
Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts nach § 540 BGB
BGH, Urteil vom 11.
November 2009 - VIII ZR 294/08
Fundstelle:
NJW-RR 2010, 306
Amtl. Leitsatz:
Die Ausübung eines sich aus der
unberechtigten Verweigerung der Erlaubnis zur Untervermietung ergebenden
außerordentlichen Kündigungsrechts nach § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB ist
rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), wenn dem kündigenden Hauptmieter bekannt
ist, dass ein Mietinteresse der benannten Untermieter nicht besteht.
Zentrale Probleme:
Ein schöner Fall aus dem Mietrecht: Nach § 540 BGB darf
ein Mieter nicht ohne Erlaubnis des Vermieters den Gebrauch der Mietsache an
Dritte überlassen, insbesondere Untervermieten. Allerdings muss der Vermieter
unter bestimmten Voraussetzungen zustimmen (s. § 553 BGB bei Wohnraum, s.
dazu BGH v. 11.6.2014
- VIII ZR 349/13).
Verweigert der Vermieter unberechtigterweise die Zustimmung, kann der Mieter
nach § 540 I S. 2 BGB außerordentlich (d.h. auch bei einem sonst an
sich nicht kündigungsfähigen befristeten Mietverhältnis, s. § 542 II Nr. 1
BGB) in der gesetzlichen Frist kündigen. Hier verstieß das gegen § 242 BGB,
weil der Dritte gar nicht mehr mietbereit war: Das ganze war offenbar
konstruiert, um aus dem Mietvertrag durch eine Kündigung "herauszukommen".
Zu recht sieht der Senat hier einen Verstoß gegen § 242 BGB und verweigert
das Recht zur außerordentlichen Kündigung. Zum umgekehrten Fall (Kündigung
des Vermieters bei Gebrauchsüberlassung an Dritte) s.
BGH v. 2.2.2011 - VIII ZR 74/10
und BGH v. 13.9.2023 - VIII ZR 109/22.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Die Beklagten waren seit 1. November 2004 Mieter eines
Einfamilienhauses der Kläger in K. . Gemäß § 2 des Mietvertrages vom 16.
Oktober 2004 verzichteten die Parteien wechselseitig auf die Dauer von drei
Jahren auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses. Am
21. Juni 2006 baten die Beklagten um vorzeitige Vertragsauflösung zum 31.
Oktober 2006, weil sie den Kauf eines Hauses beabsichtigten und dort
einziehen wollten. Die zunächst von den Klägern übernommene Suche nach
Nachmietern blieb bis Anfang September 2006 erfolglos. Deshalb baten die
Beklagten um die Erlaubnis der Kläger, das Einfamilienhaus in der Zeit vom
1. Januar 2007 bis 31. Oktober 2007 an die Eheleute D. untervermieten zu
dürfen. Bei den Eheleuten D. handelt es sich um die Eltern der Beklagten zu
1; dies war den Klägern nicht bekannt und wurde von den Beklagten nicht
erwähnt.
2 Mit Schreiben vom 13. September, 29. September, 1. Oktober, 8. Oktober und
9. Oktober 2006 lehnten die Kläger eine Untervermietung mit der Begründung
ab, sie seien rechtlich nicht zu einer Gestattung verpflichtet, da die
Beklagten ihren Lebensmittelpunkt in einen anderen Stadtteil verlegen und
selbst nicht mehr in dem angemieteten Haus der Kläger leben wollten.
3 Mit Schreiben vom 27. September 2006 und 31. Oktober 2006 kündigten die
Beklagten das Mietverhältnis zum 31. Dezember 2006 wegen unberechtigter
Ablehnung der Untervermietung und gaben das Haus am 28. Dezember 2006 an die
Kläger zurück. Die Miete der Kläger für die Monate November und Dezember
2006 verrechneten sie mit der zu Mietbeginn von ihnen gestellten Kaution.
Die Miete für Januar 2007 zahlten die Beklagten nicht.
4 Gegenstand der Klage ist die nach Auffassung der Kläger noch offene
Mietforderung für die Monate November/Dezember 2006 und Januar 2007 in einer
Gesamthöhe von 4.900 €. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die
hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr
Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Mietverhältnis sei aufgrund der
Kündigung der Beklagten vom 27. September 2006 zum 31. Dezember 2006 beendet
worden. Die generelle Versagung der Untervermietung seitens der Kläger habe
die Beklagten berechtigt, das Mietverhältnis gemäß § 540 Abs.1 Satz 2 BGB
mit der gesetzlichen Frist außerordentlich zu kündigen. Mit dem Einwand, das
Untermietinteresse der Eheleute D. sei von den Beklagten nur vorgeschoben
worden, um sich einen Kündigungsgrund zu verschaffen, könnten die Kläger
nicht gehört werden, da sie eine Untervermietung ohne Rücksicht auf die
Person der benannten Untermieter generell aus nicht durchgreifenden
Rechtsgründen abgelehnt hätten. Miete für den Monat Januar 2007 schuldeten
die Beklagten daher nicht. Die noch offenen Mietforderungen der Kläger für
die Monate November und Dezember 2006 seien durch die Aufrechnung mit dem
den Beklagten zustehenden Kautionsrückzahlungsanspruch erloschen.
II.
7 Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht
in allen Punkten stand.
8 1. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht in § 540 Abs. 1 Satz 2
BGB die gesetzliche Grundlage für ein außerordentliches Kündigungsrecht der
Beklagten gesehen.
9 Entgegen der Auffassung der Revision setzt § 540 Abs. 1 BGB nicht voraus,
dass dem Hauptmieter der Gebrauch der Mietsache nach Überlassung an den
Untermieter jedenfalls noch teilweise verbleibt. Die Vorschrift ist vielmehr
auch dann anzuwenden, wenn dem Untermieter die Mietsache zu seinem
alleinigen Gebrauch überlassen werden soll. Dies ergibt sich bereits
eindeutig aus dem Wortlaut der Norm, der keine Differenzierung danach
trifft, ob die Mietsache ganz oder teilweise an einen Dritten überlassen
werden soll. Aus dem von der Revision zitierten Senatsurteil vom 23.
November 2005 (VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200) ergibt sich nichts anderes.
Dieses Urteil ist zu § 553 Abs. 1 BGB ergangen, der - anders als § 540 Abs.
1 BGB - die lediglich teilweise Gebrauchsüberlassung zum Tatbestandsmerkmal
erhebt.
10 Auch sind die Eltern der Beklagten zu 1 (Eheleute D. ) als "Dritte" im
Sinne des § 540 Abs. 1 BGB anzusehen. Dritter ist nach allgemeinen
Auslegungsgrundsätzen jeder, der nicht Vertragspartner des
Hauptmietverhältnisses ist. Auf die von der Revision problematisierte Frage,
ob die Gebrauchsüberlassung an Eltern der Hauptmieter auch dann
erlaubnispflichtig sei, wenn es lediglich um die Aufnahme der Eltern in den
gemeinsamen Haushalt der Hauptmieter gehe, kommt es schon deshalb nicht an,
weil dies nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht beabsichtigt war.
11 2. Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass das Berufungsgericht den
Einwand der Kläger, ein Untermietinteresse der Eheleute D. habe in Wahrheit
nicht bestanden, unberücksichtigt gelassen hat.
12 Zwar haben die Kläger die von den Beklagten erbetene Erlaubnis zur
Untervermietung an die Eheleute D. deshalb zu Unrecht verweigert, weil sich
die Kläger entgegen § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht auf Gründe stützten, die
in der Person der benannten Untermieter liegen. Wie dargelegt, verlangt §
540 BGB gerade nicht, dass der Hauptmieter die Mietsache neben dem
Untermieter weiter selbst in Person nutzt, so dass der beabsichtigte Auszug
der Beklagten aus dem vermieteten Haus eine Verweigerung der Erlaubnis nicht
rechtfertigen konnte. Die Kläger haben jedoch unter Beweisantritt
vorgetragen, die Eheleute D. hätten zu keiner Zeit ein tatsächliches
Nutzungsinteresse gehabt. Das Berufungsgericht ist dieser
entscheidungserheblichen Frage - aus seiner Sicht konsequent - nicht
nachgegangen. Bei Berücksichtigung dieses in der Revisionsinstanz daher zu
unterstellenden Sachvortrags der Kläger stellte sich das nach dem Wortlaut
des § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB (zunächst) begründete Kündigungsverlangen der
Beklagten aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als
rechtsmissbräuchlich dar. Das Kündigungsrecht des § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB
will den Hauptmieter, dem die Erlaubnis zur Untervermietung vom Vermieter
aus nicht in der Person der Untermieter liegenden Gründen verweigert wird,
aus der Zwangslage befreien, die sich aus dem weiteren Festhalten an dem
Hauptmietvertrag ergeben würde. Diese Zwangslage besteht indes nicht, wenn
es an einem Nutzungsinteresse der benannten Untermieter fehlt. Das
Berufungsgericht wird daher den von den Klägern insoweit angebotenen Beweis
zu erheben haben.
III.
13 Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), und die
Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). |