Unerlaubte Untervermietung als
Pflichtverletzung aus dem Mietverhältnis; treuwidrige Kündigung bei Anspruch
auf Zustimmung zur Untervermietung (§§ 540, 553 BGB);
Begründungsobliegenheit der Kündigung, Möglichkeit der Bezugnahme auf
frühere Kündigung (§ 573 Abs. 3 BGB)
BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII
ZR 74/10
Fundstelle:
NJW 2011, 1065
Leitsätze:
1. Nimmt der Mieter eine Untervermietung vor, ohne
die erforderliche Erlaubnis seines Vermieters einzuholen, verletzt er seine
vertraglichen Pflichten auch dann, wenn er einen Anspruch auf Erteilung der
Erlaubnis hat.
2. Ob ein derartiger Vertragsverstoß des Mieters ein die ordentliche
Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigendes Gewicht hat, ist unter
Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
3. Hat der Mieter eine Erlaubnis zur Untervermietung vom Vermieter
rechtzeitig erbeten, so ist eine auf die fehlende Erlaubnis gestützte
Kündigung rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter seinerseits zur Erteilung
der Erlaubnis verpflichtet war und ihm somit selbst eine Vertragsverletzung
zur Last fällt.
4. Der Vermieter kann zur Begründung einer Kündigung auf die in einem
früheren, dem Mieter zugegangenen Schreiben dargelegten Kündigungsgründe
Bezug nehmen.
Zentrale Probleme:
Eine "klausurtaugliche"
Fallkonstellation aus dem Mietrecht. Zur Frage des Begründungserfordernisses
nach § 573 III BGB (Obliegenheit oder Rechtspflicht) s. auch
BGH v. 15.12.2010 - VIII ZR 9/10
. Zum Themenkomplex des § 540 BGB s. auch BGH NJW-RR
2010, 306 (Kündigung durch den Mieter bei verweigerter Zustimmung).
S. auch BGH v.
8.1.2014 - VIII ZR 210/13 sowie
BGH v. 2.2.2011 - VIII ZR 74/10.
©sl 2011
Tatbestand:
1 Die Klägerin hat 1998 von den
Beklagten zu 1 bis 3 eine Wohnung in F. am Main gemietet.
2 In § 11 Abs. 2 des Mietvertrags ist bestimmt:
"Der Mieter ist ohne ausdrückliche Einwilligung des Vermieters weder zu
einer Untervermietung noch zu einer sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte
berechtigt, ausgenommen an besuchsweise sich aufhaltende Personen. Die
Einwilligung gilt nur für den Einzelfall, sie kann aus wichtigem Grund
widerrufen werden. Die Rechte des Mieters aus § 549 Abs. 2 BGB bleiben
unberührt."
3 In § 27 des Mietvertrags ("Sonstige Vereinbarungen") ist unter anderem
vorgesehen:
"Die Einwilligung zur Untervermietung wird erteilt. Bei einem Wechsel der
Untermieter ist die schriftliche Einwilligung der Vermieter erforderlich.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass folgende Personen in die Wohnung
einziehen werden: Frau G. , Frau S. M. ."
4 Zwischen den Parteien kam es in der Folgezeit wiederholt zu
Meinungsverschiedenheiten anlässlich eines Wechsels in der Person des
Untermieters, insbesondere weil die Beklagten die Erlaubnis von der
Darlegung eines berechtigten Interesses in Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB
abhängig machten.
5 Mit Schreiben vom 18. November 2007 bat die Klägerin vergeblich um
Erlaubnis zur Untervermietung eines Zimmers an Frau A. ab 1. Dezember 2007.
Sie erhob anschließend Klage auf Zustimmung und nahm die Untermieterin A. ab
1. Februar 2008 in der Wohnung auf. Jener Rechtsstreit wurde ebenso wie ein
im Jahr 2004 von der Klägerin geführter Zustimmungsprozess wegen eines
anderen Untermieters zugunsten der Klägerin entschieden.
6 Mit Schreiben vom 25. November 2008 bat die Klägerin um Erlaubnis zur
Untervermietung eines Zimmers an Frau P. . Nachdem die Beklagten die
Erteilung der Erlaubnis erneut von der Darlegung eines berechtigten
Interesses an der Untervermietung abhängig gemacht hatten, hat die Klägerin
im vorliegenden Prozess Klage auf Erteilung der Zustimmung zur
Untervermietung an Frau P. erhoben.
7 Die Klägerin hat zunächst alle drei Beklagten auf Zustimmung in Anspruch
genommen, die Klage bezüglich der schon vor Rechtshängigkeit verstorbenen
Beklagten zu 1 jedoch wieder zurückgenommen. Die Beklagten zu 2 und 3, die
nach dem Tod der Beklagten zu 1 als alleinige Eigentümer des Grundstücks
eingetragen worden waren und das Mietverhältnis bereits während des
Vorprozesses über die Zustimmung zur Untervermietung an Frau A. mit
Schreiben vom 19. Februar 2008 und 7. März 2008 wegen unberechtigter
Untervermietung fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt hatten, haben
im Wege der Widerklage Räumung und Herausgabe der Wohnung begehrt. Das
Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. In der
Berufungsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der Klage in
der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die
Untermieterin P. gekündigt hatte. Das Landgericht hat die Berufung der
Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt
die Klägerin die Abweisung der Widerklage.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision hat Erfolg.
I.
9 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
10 Das Amtsgericht habe die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zu 2
und 3 zu Recht zur Räumung und Herausgabe der Mietwohnung verurteilt, denn
die ordentliche Kündigung vom 7. März 2008 habe das Mietverhältnis mit der
Klägerin beendet. Diese Kündigung sei formell wirksam, auch wenn das
Kündigungsschreiben wegen der Gründe auf die vorangegangene, von der
Klägerin nach § 174 BGB zurückgewiesene und deshalb unwirksame Kündigung
Bezug genommen habe.
11 Die Kündigung sei auch gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet, weil die
Klägerin ihre Pflichten aus dem Mietvertrag mit der ohne die erforderliche
Einwilligung der Beklagten erfolgten Untervermietung an Frau A. schuldhaft
in nicht unerheblicher Weise verletzt habe. Dabei sei auch zu
berücksichtigen, dass es schon in den Jahren 2005 und 2006 ähnliche Vorfälle
gegeben habe und die Klägerin deshalb mit Schreiben vom 12. Dezember 2007
abgemahnt worden sei.
12 Der Umstand, dass § 27 des Mietvertrags bereits eine grundsätzliche
Erlaubnis zur Untervermietung enthalte, lasse den Tatbestand der
schuldhaften Pflichtverletzung nicht entfallen. Die Klägerin könne sich auch
nicht darauf berufen, dass ihr die mit Schreiben vom 18. November 2007
erbetene Erlaubnis der Untervermietung an Frau A. nicht alsbald erteilt
worden sei. Denn die Klägerin habe die Untervermietung trotz einer
vorangegangenen Abmahnung vorgenommen und damit den ausdrücklich geäußerten
Vermieterwillen missachtet; hierin liege eine nicht unerhebliche
Pflichtverletzung. Hinsichtlich der Teilerledigung sei zu berücksichtigen,
dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Erteilung der
Untermieterlaubnis bereits während der ersten Instanz infolge der Beendigung
des Mietverhältnisses durch die Kündigung der Beklagten vom 7. März 2008
entfallen sei. Da die Erledigung gleichwohl nicht in der ersten Instanz
erklärt worden sei, sei es angemessen, der Klägerin auch insoweit die Kosten
aufzuerlegen.
II.
13 Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die
Räumungswiderklage ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass
einer Kündigung der Beklagten wegen unerlaubter Untervermietung an Frau A.
jedenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht, weil die
Beklagten der Klägerin die ihr nach dem Mietvertrag zustehende und
rechtzeitig erbetene Erlaubnis bezüglich der neuen Untermieterin nicht
erteilt haben und ihnen daher selbst eine erhebliche Vertragsverletzung zur
Last fällt.
14 1. Entgegen der Auffassung der Revision geht das Berufungsgericht
allerdings zutreffend davon aus, dass die Gründe für das berechtigte
Interesse der Beklagten an der Vertragsbeendigung in dem Kündigungsschreiben
vom 7. März 2008 ausreichend konkretisiert sind (§ 573 Abs. 3 BGB). Denn
die Beklagten haben dort wegen der Kündigungsgründe auf das vorangegangene
und der neuen Kündigung nochmals beigelegte Kündigungsschreiben vom 19.
Februar 2008 Bezug genommen, in dem die Kündigungsgründe im Einzelnen
ausgeführt waren. Die Bezugnahme auf ein früheres, dem Mieter zugegangenes
Schreiben genügt. Es wäre eine leere Förmelei, von einem Vermieter in
derartigen Fällen zu verlangen, die in der vorangegangenen Kündigung
dargelegten Kündigungsgründe nochmals in der neuen Kündigung zu wiederholen
(BVerfG, NJW 1992, 1877, 1878); erst recht gilt dies, wenn das
vorangegangene Kündigungsschreiben - wie hier - der neuen Kündigung nochmals
beigefügt ist.
15 2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist hingegen die Würdigung des
Berufungsgerichts, die ohne Erlaubnis der Beklagten vorgenommene
Untervermietung an Frau A. berechtige die Beklagten ungeachtet des Umstands,
dass die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung dieser - rechtzeitig
erbetenen - Erlaubnis gehabt habe, zur ordentlichen Kündigung des
Mietvertrags nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
16 a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der
Klägerin ein Anspruch auf Erlaubnis der Untervermietung an Frau A. zustand.
Das Berufungsgericht hat die Regelung in § 27 des Mietvertrags dahin
ausgelegt, dass der Klägerin das Recht zur Untervermietung grundsätzlich
bereits eingeräumt ist, so dass die Klägerin bei einem Untermieterwechsel
ein berechtigtes Interesse (§ 553 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht mehr darlegen
muss und die Beklagten die nach dem Mietvertrag auch für den Fall eines
Untermieterwechsels vorgesehene schriftliche Einwilligung nur bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes in der Person des Untermieters versagen dürfen.
17 Gegen diese Auslegung wendet sich die Revisionserwiderung vergeblich. Die
Auslegung einer Individualerklärung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin
überprüft werden, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff umfassend und
widerspruchsfrei auseinander gesetzt hat und ob dabei gesetzliche oder
allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, allgemeine
Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (st. Rspr.;
vgl. nur Senatsurteile vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439 Rn.
19; vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 285/06, NZM 2007, 727 Rn. 10). Derartige
Fehler zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. Insbesondere steht § 11 des
Mietvertrags, der die Untervermietung von einer Erlaubnis des Vermieters
abhängig macht, der Auslegung des Berufungsgerichts, § 27 des Mietvertrags
enthalte bereits eine generelle Untermieterlaubnis, nicht entgegen. Die
Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und daher für das
Revisionsgericht bindend.
18 Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt es auch nicht
darauf an, ob Anlass für die Erteilung der (generellen) Untermieterlaubnis
in § 27 des Mietvertrags die bei Abschluss des Mietvertrags ungünstige
wirtschaftliche Situation der Klägerin als Studentin war; dieser Umstand
steht der Auslegung des Berufungsgerichts nicht entgegen und gibt den
Beklagten auch nicht das Recht, im Hinblick auf eine verbesserte
wirtschaftliche Lage der Klägerin vom Vertrag abzurücken und die
Untermieterlaubnis nunmehr von den Voraussetzungen des § 553 BGB abhängig zu
machen.
19 Bei pflichtgemäßem Verhalten hätten die Beklagten daher die von der
Klägerin mit Schreiben vom 8. November 2007 erbetene Erlaubnis zur
Untervermietung an Frau A. erteilen müssen, denn ein wichtiger Grund in der
Person der Untermieterin ist nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht
ersichtlich.
20 b) Zutreffend geht das Berufungsgericht ferner davon aus, dass ein
Mieter, der eine Untervermietung vornimmt, ohne die erforderliche Erlaubnis
seines Vermieters einzuholen, damit seine vertraglichen Pflichten auch dann
verletzt, wenn er letztlich einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat
(BayObLG, NJW-RR 1991, 461, 462 sowie NJW-RR 1995, 969, 970; OLG Hamm,
NJW-RR 1997, 1370; MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 573 Rn. 52; Blank/Börstinghaus,
Miete, 3. Aufl., § 543 Rn. 79). Dem Berufungsgericht ist schließlich auch
noch darin beizupflichten, dass die Frage, ob in einem derartigen Fall der
Vertragsverletzung ein die ordentliche Kündigung rechtfertigendes Gewicht
zukommt, anhand einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen
ist. Hierbei kommt es auch auf die Gründe an, die den Mieter dazu bestimmen,
einem Dritten ohne die Genehmigung des Vermieters den Gebrauch der Mietsache
zu überlassen; insbesondere eine bewusste Missachtung der Belange oder der
Person des Vermieters kann der Vertragsverletzung Gewicht verleihen (vgl.
BayObLG, NJW-RR 1995, 969, 971; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 10.
Aufl., § 573 BGB Rn. 24).
21 (1) Die Einholung der Genehmigung hat den Zweck, dem Vermieter
Gelegenheit zu geben, seine Einwände gegen die Untervermietung - hier gegen
die Person der neuen Untermieterin - geltend zu machen, bevor dem
Untermieter die Räume überlassen werden (BayObLG, NJW-RR 1995, 969,
970). Dieser Pflicht ist die Klägerin jedoch insoweit nachgekommen, als
sie die Erlaubnis zur Untervermietung an Frau A. rechtzeitig erbeten hat, so
dass die Beklagten etwaige Bedenken gegen die Person der neuen Untermieterin
vorbringen konnten. Da es solche Bedenken indes nicht gab, waren die
Beklagten - wie oben dargelegt - zur alsbaldigen Zustimmung zur
Untervermietung an Frau A. verpflichtet und durften sie nicht von der
Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig machen.
22 (2) Dem somit den Beklagten zur Last fallenden Vertragsverstoß hat das
Berufungsgericht rechtsfehlerhaft keine Bedeutung beigemessen. Zum einen hat
es verkannt, dass sich die Klägerin angesichts des vertragswidrigen
Verhaltens der Beklagten in einer gewissen "Zwangslage" befand. Bei einem
Abwarten bis zum Erlass eines die vertragswidrig nicht erteilte
Untermieterlaubnis ersetzenden rechtskräftigen Urteils wären der Klägerin in
der Zwischenzeit die Einnahmen aus der Untermiete entgangen und hätte die
Untermieterin möglicherweise das Interesse an der Anmietung verloren.
Inwieweit unter Berücksichtigung dieser Umstände überhaupt noch von einem
vertragswidrigen Verhalten der Klägerin von einem gewissen Gewicht
gesprochen werden kann, bedarf keiner Entscheidung, denn jedenfalls ist
es den Beklagten wegen des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242
BGB) verwehrt, sich bei ihrer Kündigung auf das Fehlen einer Erlaubnis zu
berufen, die sie der Klägerin hätten erteilen müssen, wenn sie sich selbst
vertragsgemäß verhalten hätten.
III.
23 Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben;
es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der
Sache selbst, weil der Rechtsstreit auch unter Berücksichtigung der von den
Beklagten erhobenen Gegenrüge zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3
ZPO). Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin den Beklagten den
Auszug der früheren Untermieterin K. verspätet mitgeteilt hat und ob die
Darstellung der Beklagten zu weiteren Vorkommnissen, insbesondere im
Zusammenhang mit (früheren) Untervermietungen, zutrifft. Soweit sich aus
diesem Vorbringen überhaupt ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin
ergibt, hat es jedenfalls angesichts der wiederholten Vertragsverstöße der
Beklagten, der Klägerin die erbetene Erlaubnis zur Untervermietung zu
versagen, kein die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses
rechtfertigendes Gewicht. Das amtsgerichtliche Urteil ist daher abzuändern
und die Widerklage abzuweisen. |