Voraussetzungen des Wegfalls der Leistungspflicht
nach § 281 Abs. 4 BGB und des Rückgewähranpruchs aus § 281 Abs. 5 BGB beim
Schadensersatz statt der ganzen Leistung: Berechtigung des
Schadensersatzverlangens; Fristsetzungserfordernis, Rechtsfolgen der Setzung
einer zu kurzen Frist; Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 Abs. 1
Nr. 1 BGB (ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung)
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - VIII ZR 318/19 - LG
Köln
Fundstelle:
JZ 2021, 103 m. Anm. Faust
Amtl. Leitsätze:
a) Die Rechtswirkungen eines
Schadensersatzverlangens nach § 281 Abs. 4 und 5 BGB treten nur ein, wenn
die Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 bis 3 BGB vorliegen. b) An dem auch
für ein Schadensersatzverlangen nach § 281 Abs. 4 und 5 BGB erforderlichen
fruchtlosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung fehlt es, wenn der
Gläubiger während des Laufs der von ihm gesetzten Frist seinerseits vom
Vertrag zurücktritt und damit zeigt, dass er an seiner Leistungsaufforderung
nicht mehr festhält und auch zur eigenen Mitwirkung nicht mehr bereit ist.
Zentrale Probleme:
Eigentlich geht es um eine Selbstverständlichkeit: Nach §
281 Abs. 4 BGB erlischt der Erfüllungsanspruch, wenn der Gläubiger
Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat. Vor diesem Zeitpunkt, d.h.
nach Ablauf der nach § 281 BGB und § 323 BGB zu setzenden Frist zur
Erfüllung (oder Nacherfüllung) hat der Gläubiger ein Wahlrecht zwischen
Erfüllungsanspruch und Rücktritt bzw. Schadensersatz statt der Leistung,
wobei die beiden letzteren nach § 325 BGB kombiniert werden können (s. zu
dieser sog. "elektiven Konkurrenz" die Anm. zu BGH
NJW 2006, 1198). Der Wegfall des Erfüllungsanspruchs setzt aber voraus,
dass das Schadensersatzverlangen berechtigt war, d.h. die Voraussetzungen
der §§ 280 I, III, 281 BGB zu diesem Zeitpunkt bereits vorlagen. Ein
ersatzfähiger Schaden ist dafür nicht erforderlich.
Der Sachverhalt
ist denkbar einfach: Der Kläger holt ein gekauftes Fahrzeug, für das er eine
Anzahlung geleistet hat, nicht zum vereinbarten Termin ab und bezahlt zu
diesem Zeitpunkt auch den Restkaufpreis nicht. Der beklagte Verkäufer setzt
eine zu kurze Frist und veräußert das Fahrzeug an einen Dritten weiter und
erstattet die Anzahlung nur abzüglich eines als Schadensersatz statt der
Leistung geltend gemachten Mindererlöses beim Zweitverkauf zurück. Der
Kläger verlangt die Auszahlung auch dieses Teils der Anzahlung. Dieser
Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 281 Abs. 5, 346 Abs. 1 BGB, weil diese
Regelung das Erlöschen des Erfüllungsanspruchs infolge Geltendmachung von
Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 4 BGB voraussetzt. Dazu
aber muss das Schadensersatzverlangen berechtigt sein, was hier wegen der zu
kurzen Frist gerade nicht der Fall war. Diese zu kurze Frist hatte zwar
automatisch eine objektiv angemessene Frist ausgelöst, allerdings war diese
schon überholt, weil der Kläger seinerseits zurückgetreten war - und deshalb
den Kaufpreis nach § 346 Abs. 1 BGB zurückfordern konnte. Eine Fristsetzung
seinerseits sei, so der Senat, wegen einer ernsthaften und endgültigen
Erfüllungsverweigerung des Beklagten gem. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich
gewesen.
Das kann man freilich auch anders lösen: Durch die
Weiterveräußerung des Kfz ist wohl auch (subjektive) Unmöglichkeit
eingetreten, zumindest wird diese vermutet (s. dazu
BGHZ 141, 179 und BGH NJW 2007, 2841). Dann
ist die Gegenleistungspflicht des Klägers ipso iure weggefallen, es bedarf
keiner (hier etwas mühsam konstruierten) Rücktrittserklärung und der
Rückzahlungsanspruch ergibt sich direkt aus §§ 326 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB.
©sl 2021
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um die Rückzahlung der
restlichen Anzahlung, die die Klägerin auf Grund eines Kaufvertrags über ein
Fahrzeug geleistet hat.
2 Die Parteien schlossen am 4. Juli
2016 einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw mit Erstzulassung am 14.
Juni 2016 zum Preis von 63.000 €. Ein Bevollmächtigter der Klägerin
leistete eine Baranzahlung von 11.970 €. Die Parteien vereinbarten als Datum
der Abholung und Restzahlung den 6. Juli 2016. Auf Wunsch der Klägerin wurde
dieser Termin auf Freitag, den 8. Juli 2016, verschoben. An diesem Tag bat
der Bevollmächtigte der Klägerin erneut um eine Verlegung des Abholtermins,
da er sich wegen eines Todesfalls in Marokko befinde und erst in der
kommenden Woche wieder in Deutschland sei. Der Geschäftsführer der
Beklagten setzte daraufhin eine Frist zur Abholung und Bezahlung bis Montag,
den 11. Juli 2016, 15 Uhr, und teilte mit, dass er andernfalls das Fahrzeug
weiterverkaufen müsse. Am 11. Juli 2016 fragte er bei der Klägerin nach, ob
der Termin eingehalten werde, erhielt aber keine Antwort. Am 13. Juli 2016
erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag und behielt sich
Schadensersatzansprüche vor. Eine von der Klägerin noch am selben
Tag für die Zeit ab dem 18. Juli 2016 angekündigte Abholung des Fahrzeugs
lehnte der Geschäftsführer der Beklagten ab, erklärte erneut den
Rücktritt vom Kaufvertrag und behielt sich wiederum Schadensersatzansprüche
vor.
3 Am 18. Juli 2016 verkaufte die Beklagte das
Fahrzeug anderweitig. Dies teilte sie der Klägerin unter Hinweis
darauf mit, dass die Anzahlung abzüglich des Schadens zurückgezahlt werde.
Mit Anwaltsschreiben vom 22. Juli 2016 forderte die Klägerin die Beklagte
zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung auf. Die Beklagte
bezifferte mit Anwaltsschreiben vom 26. Juli 2016 ihren Schaden auf 4.727,50
€ und erklärte, dass dieser Betrag von der Anzahlung abgezogen und diese
ansonsten zurückbezahlt werde.
4 Die auf Rückzahlung der
restlichen Anzahlung in Höhe von 4.727,50 € nebst Zinsen gerichtete Klage
hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
6 Das
Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das
Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7 Der
Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der restlichen geleisteten
Anzahlung nach § 346 Abs. 1, § 281 Abs. 4 und 5 BGB zu. Zwischen
den Parteien bestehe ein Rückabwicklungsverhältnis nach §§ 346 ff. BGB.
Dieses sei zwar nicht durch einen wirksamen Rücktritt der Beklagten
entstanden, denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB
hätten bis zu deren Rücktrittserklärungen vom 13. Juli 2016 nicht
vorgelegen. Die bis 11. Juli 2016 gesetzte Frist zur Abholung und Bezahlung
sei zu kurz gewesen. Sie habe zwar eine angemessene Nachfrist in
Lauf gesetzt, die aber jedenfalls bis zum 18. Juli 2016 gedauert habe
und damit zum Zeitpunkt der unbedingten Rücktrittserklärungen vom
13. Juli 2016 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Weder sei
die Fristsetzung entbehrlich gewesen noch sei zwischen den Parteien ein
vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart worden.
8 Die Anwendung der
Rücktrittsvorschriften ergebe sich allerdings aus § 281 Abs. 4 und 5 BGB.
Die Beklagte habe mit Anwaltsschreiben vom 26. Juli 2016 den Mindererlös aus
dem Weiterverkauf beziffert und geltend gemacht und damit Schadensersatz
statt der ganzen Leistung verlangt, was unabhängig von der Berechtigung des
Verlangens ausreiche, um die Folgen des § 281 Abs. 5 BGB auszulösen und den
Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Anzahlung zu begründen. Ein
Schadensersatzanspruch der Beklagten, mit dem sie gegen den Anspruch der
Klägerin auf Erstattung der restlichen Anzahlung aufgerechnet habe, bestehe
indes nicht. Zwar liege eine Pflichtverletzung der Klägerin vor, der
Anspruch der Beklagten scheitere aber an der fehlenden Vertragstreue der
Beklagten nach § 242 BGB, da diese es versäumt habe, der Klägerin die ihr
obliegende Gegenleistung bis zum Ablauf der angemessenen Nachfrist
anzubieten.
II.
9 Diese Beurteilung hält rechtlicher
Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
10 Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf
Rückzahlung der von ihr geleisteten, von der Beklagten noch nicht
zurückerstatteten restlichen Anzahlung in Höhe von 4.727,50 € zu.
Dieser Anspruch besteht zwar nicht auf Grund eines wirksamen Rücktritts der
Beklagten (siehe hierzu nachfolgend unter 1) oder deren
Schadensersatzverlangens (hierzu unter 2). Er ergibt sich aber wegen
eines wirksamen Rücktritts der Klägerin aus § 346 Abs. 1, § 323 Abs. 1, 2
BGB (hierzu unter 3).
11 1. Noch zutreffend hat das
Berufungsgericht angenommen, dass ein wirksamer Rücktritt seitens der
Beklagten jedenfalls deshalb nicht vorliegt, weil diese der Klägerin zuvor
keine angemessene Frist zur Abholung des Fahrzeugs und Restzahlung des
Kaufpreises gesetzt hatte (§ 323 Abs. 1 BGB) und eine Fristsetzung - wie
zwischen den Parteien außer Streit steht - auch nicht entbehrlich war (§ 323
Abs. 2 BGB).
12 a) Rechtsfehlerfrei ist das
Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten gesetzte
Frist zur Abholung und Bezahlung nicht angemessen war. Die
Beurteilung der Angemessenheit der Fristsetzung ist grundsätzlich
dem Tatrichter vorbehalten (vgl. BGH, Urteile vom 10. Februar 1982 - VIII ZR
27/81, NJW 1982, 1279 unter II 3, und vom 21. Juni 1985 - V ZR 134/84, NJW
1985, 2640 unter II 1) und unterliegt nur der eingeschränkten
revisionsrechtlichen Überprüfung dahingehend, ob das Berufungsgericht den
Begriff der Angemessenheit verkannt oder sonst unzutreffende rechtliche
Maßstäbe angelegt hat, ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze
hinreichend beachtet hat oder ob ihm von der Revision gerügte
Verfahrensverstöße unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche Tatumstände
übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat (vgl. Senatsurteile vom 27.
Mai 2020 - VIII ZR 401/18, WM 2020, 1387 Rn. 23 [zu § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG];
vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 144/19, NJW 2020, 1215 Rn. 23 [zu § 574 Abs.
1 Satz 1 BGB]; vom 9. Oktober 2019 - VIII ZR 21/19, NJW 2020, 835 Rn. 21 [zu
§ 559 Abs. 4 Satz 1 BGB]). Derartige Fehler sind dem Berufungsgericht nicht
unterlaufen und werden im Revisionsverfahren auch nicht geltend gemacht.
13 b) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die
unangemessen kurze Frist zwar eine angemessene Frist in Gang gesetzt hat
(vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2016 -
VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654 Rn. 31 mwN; BT-Drucks. 14/6040, S. 138).
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht weiter zu Grunde gelegt,
dass die Frist aber jedenfalls im Zeitpunkt der Rücktrittserklärungen der
Beklagten am 13. Juli 2016 noch nicht abgelaufen war und diese damit
unwirksam waren. Auch hiergegen wendet sich die Revision nicht.
14 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht indes
angenommen, dass sich ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der
geleisteten Anzahlung aus § 281 Abs. 5 BGB in Verbindung mit § 346 Abs. 1
BGB ergibt. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht hierbei davon ausgegangen,
dass ein auf Schadensersatz statt der Leistung gerichtetes Verlangen nach §
281 Abs. 4 und 5 BGB für sich genommen zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs
(§ 281 Abs. 4 BGB) sowie zum Entstehen eines Rückforderungsrechts des
Schuldners (§ 281 Abs. 5 BGB) führt. Diese Rechtswirkungen treten vielmehr
nur dann ein, wenn die Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 bis 3 BGB vorliegen
(vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2019, § 281 Rn. D 8;
Erman/Ulber, BGB, 16. Aufl., § 281 Rn. 57; MünchKommBGB/Ernst, 8. Aufl., §
281 Rn. 111; BeckOK-BGB/Lorenz, Stand: 1. Februar 2020, § 281 Rn. 54; hierzu
auch NK-BGB/Dauner-Lieb, 3. Aufl., § 281 Rn. 47; siehe auch BGH, Urteil vom
12. Februar 2014 - XII ZR 76/13, BGHZ 200, 133 Rn. 23; hierzu unter a). Dies
ist hier nicht der Fall (hierzu unter b).
15 a) Die
Bestimmungen des § 281 Abs. 4 und 5 BGB setzen - entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts - die Berechtigung des Schadensersatzverlangens gemäß §
281 Abs. 1 bis 3 BGB voraus, wobei es nicht darauf ankommt, ob darüber
hinaus weitere Anspruchsvoraussetzungen, wie das Vorliegen eines Schadens,
gegeben sind.
16 aa) Unzutreffend hat das Berufungsgericht
zunächst isoliert auf den Wortlaut der Bestimmungen des § 281 Abs. 4 und 5
BGB abgestellt und diesem entnommen, dass für das Erlöschen des
Erfüllungsanspruchs (§ 281 Abs. 4 BGB) und das Entstehen des
Rückgewähranspruchs (§ 281 Abs. 5 BGB) keine weiteren als die dort genannten
Voraussetzungen bestünden.
17 Gemäß § 281 Abs. 4 BGB ist der Anspruch
auf die Leistung ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung
Schadensersatz verlangt hat. Nach § 281 Abs. 5 BGB ist der Schuldner zur
Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 BGB berechtigt, wenn
der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangt.
Diese Regelungen können nur im Zusammenhang der gesamten Vorschrift zum
Schadensersatz statt der Leistung betrachtet werden. Nach der
Systematik des § 281 BGB enthalten die Absätze 1 bis 3 die Voraussetzungen,
unter denen Schadensersatz statt der Leistung verlangt werden kann, während
die Absätze 4 und 5 die Leistungsansprüche betreffenden Rechtsfolgen eines
auf dieser Grundlage gestellten Schadensersatzverlangens regeln.
Auf Grund dieser Systematik war es gesetzestechnisch nicht erforderlich,
explizit in den Wortlaut von § 281 Abs. 4 und 5 BGB aufzunehmen, dass die
dort ausgesprochenen Folgen nur bei Vorliegen der in § 281 Abs. 1 bis 3 BGB
genannten gesetzlichen Voraussetzungen des Schadensersatzverlangens
eintreten sollen.
18 bb) Sinn und Zweck der Vorschrift des §
281 BGB sprechen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - ebenfalls
dafür, dass die Rechtsfolgen von § 281 Abs. 4 und 5 BGB nur bei Vorliegen
der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 281 Abs. 1 bis 3
BGB eintreten.
19 Hintergrund der Regelung ist, dass allein das
Bestehen der Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zum Wegfall
des Erfüllungsanspruchs führt. Vielmehr kann der Gläubiger auch bei
Vorliegen der Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 bis 3 BGB - entsprechend der
Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 140) - weiterhin
Erfüllung geltend machen. Er erhält mit dem Eintritt der
Voraussetzungen lediglich die Befugnis, Schadensersatz statt der Leistung zu
verlangen (vgl. BGH, Urteile vom 9. November 2017 - IX ZR
305/16, NJW 2018, 786 Rn. 10, und vom 20. Januar
2006 - V ZR 124/05, NJW 2006, 1198 Rn. 17). Übt er diese
Befugnis indes aus, ist er hieran gebunden. Der Erfüllungsanspruch ist dann
nach § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen und dem Schuldner steht nach § 281 Abs.
5 BGB ein Anspruch auf Rückgewähr seiner bereits erbrachten Leistungen zu.
Hierdurch entsteht die durch diese Bestimmungen bezweckte
Rechtssicherheit auch für den Schuldner, dem es nicht zumutbar ist, trotz
berechtigter Ausübung des Wahlrechts durch den Gläubiger weiter damit
rechnen zu müssen, auf Erfüllung in Anspruch genommen zu werden.
20
Es entspricht dagegen nicht dem Sinn und Zweck der Regelung und ist entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht interessengerecht, einen
Untergang des Erfüllungsanspruchs des Gläubigers sowie ein
Rückforderungsrecht des Schuldners unabhängig von der Berechtigung des
Schadensersatzverlangens nach § 281 Abs. 1 bis 3 BGB zu bewirken. Ein
Schadensersatzanspruch stünde dem Gläubiger in diesem Fall nicht zu, da die
Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Den Interessen des Gläubigers
entspricht ein Übergang von der Erfüllungs- auf die Schadensersatzebene
demnach grundsätzlich nur dann, wenn auch die Voraussetzungen eines
Schadensersatzanspruchs nach § 281 BGB vorliegen. Es stellte dagegen eine
nicht gerechtfertigte Benachteiligung des Gläubigers dar, entfiele sein
Erfüllungsanspruch allein durch den bloßen Ausspruch eines
Schadensersatzverlangens.
21 Hieran besteht auch kein berechtigtes
Interesse des Schuldners. Dieser ist ausreichend dadurch geschützt, dass er
die Berechtigung des Schadensersatzverlangens prüfen, diesem gegebenenfalls
entgegentreten, vom Gläubiger die Erfüllung von dessen Leistung verlangen
und im Fall der Nichterfüllung seinerseits vom Vertrag zurücktreten oder
Schadensersatz statt der Leistung geltend machen kann. Dieses Vorgehen ist
ihm zumutbar. Ein darüber hinausgehendes schützenswertes Interesse des
Schuldners daran, den Vertrag ohne Weiteres nicht mehr erfüllen zu müssen,
wenn der Gläubiger unberechtigt Schadensersatz verlangt, besteht nicht,
selbst wenn der Gläubiger - wie hier - eine (unberechtigte) Abrechnung
seines Schadens vornimmt.
22 cc) Auch die Gesetzesbegründung spricht
nicht für, sondern gegen die Lösung des Berufungsgerichts. Das
Berufungsgericht interpretiert bereits die Ausführungen im Gesetzentwurf der
Regierungsfraktionen zur Modernisierung des Schuldrechts vom 14. Mai 2001
(BT-Drucks. 14/6040, S. 140) unzutreffend. Dort heißt es zu § 281 Abs. 3
BGB-E (jetzt § 281 Abs. 4 BGB):
"Nach dem bisherigen § 326 Abs. 1
Satz 2 kann der Gläubiger nach erfolglosem Ablauf der gesetzten Frist nicht
mehr Erfüllung, sondern nur noch Schadensersatz verlangen. Das ist
unzweckmäßig und benachteiligt auch den Gläubiger. Im Zeitpunkt der
Fristsetzung ist der Gläubiger nämlich noch an dem Erhalt der
Leistung interessiert. Das muss sich nach erfolglosem Ablauf dieser Frist
nicht ändern. Wenn nämlich der Schuldner insolvent ist, würde ihm ein
Schadensersatzanspruch wenig nützen. Es wäre zweckmäßiger, wenn er seinen
Leistungsanspruch durchsetzen würde. Genau daran hindert ihn aber die
geltende Regelung. Sie soll deshalb aufgegeben werden. [...]
Andererseits ist es auch dem Schuldner nicht zuzumuten, sich über einen
unter Umständen erheblichen Zeitraum sowohl auf Erfüllung als auch auf
Schadensersatzleistung einrichten zu müssen. Deshalb bestimmt Absatz 3
[jetzt § 281 Abs. 4 BGB], dass der Gläubiger den Erfüllungsanspruch nicht
mehr geltend machen kann, wenn er Schadensersatz verlangt. Es kommt
hierfür nicht darauf an, ob er tatsächlich Schadensersatz auch erhält.
Entscheidend ist nur, dass er sich mit der Beanspruchung von Schadensersatz
letztlich hierfür entschieden hat. Damit wird eine Parallele zum Rücktritt
nach § 323 Abs. 1 RE gezogen. Da der Rücktritt ein Gestaltungsrecht ist,
wird mit der Rücktrittserklärung gemäß § 349 das Schuldverhältnis in ein
Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet, was den Anspruch auf die Leistung
ausschließt. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, entsprechendes
für das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung vorzusehen."
23 Damit wird entsprechend den obigen Erwägungen ausgeführt, dass der
Gläubiger trotz Ablaufs der gesetzten Frist noch Erfüllung verlangen kann,
dieses Recht aber zum Schutz des Schuldners entfällt, wenn er Schadensersatz
verlangt. Diese Ausführungen beziehen sich nach dem Gesamtzusammenhang
nur auf ein berechtigtes Schadensersatzverlangen, also ein
solches bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 281 Abs. 1 bis 3
BGB).
24 Gleiches gilt, soweit in den Gesetzesmaterialien
(BT-Drucks., aaO) weiter davon die Rede ist, dass es für das Erlöschen des
Erfüllungsanspruchs nicht darauf ankomme, ob der Gläubiger tatsächlich
Schadensersatz erhalte, sondern nur darauf, dass er sich mit der
Beanspruchung von Schadensersatz letztlich hierfür entschieden habe. Damit
ist nur gemeint, dass die Wirkungen des Schadensersatzverlangens nicht davon
abhängen, ob im Ergebnis ein Schadensersatzanspruch besteht, insbesondere
ein Schaden überhaupt vorliegt. In diese Prüfung ist erst
einzutreten, wenn die Voraussetzungen eines Schadensersatzverlangens gegeben
sind und der Gläubiger sein dadurch entstandenes Wahlrecht zwischen
Erfüllung und Schadensersatz ausgeübt hat. Das Vorliegen eines Schadens ist
nach der Gesetzessystematik hingegen nicht Voraussetzung eines berechtigten
Schadensersatzverlangens, sondern nur weitere Voraussetzung des
Schadensersatzanspruchs.
25 Bestätigt wird dies durch den Verweis der
Gesetzesbegründung auf die Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 323 Abs. 1
BGB, die ebenfalls zu einem Ausschluss des Leistungsanspruchs führe
(BT-Drucks., aaO). Auch diese Wirkungen treten nur ein, wenn die
Voraussetzungen des Rücktrittsrechts zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung
(§ 349 BGB) vorlagen.
26 Dementsprechend heißt es auch in der
Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats zum
wortlautidentischen späteren Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Modernisierung des Schuldrechts (BT-Drucks. 14/6857, S. 50) ausdrücklich,
nur ein dem Grunde nach berechtigtes Verlangen von Schadensersatz könne zum
Wegfall des Erfüllungsanspruchs führen. Nichts anderes kann für das vom
Berufungsgericht herangezogene Rückforderungsrecht des Schuldners (§ 281
Abs. 5 BGB) gelten.
27 b) Die Voraussetzungen für ein
berechtigtes Schadensersatzverlangen lagen im Zeitpunkt der Erklärung der
Beklagten vom 26. Juli 2016, mit der sie ihren Schaden beziffert und
gegenüber der Klägerin geltend gemacht hat, nicht vor, weil es an dem
fruchtlosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung (§ 281 Abs. 1 Satz
1 BGB) fehlt.
28 Die der Klägerin am 8. Juli 2016 gesetzte
Frist zur Abholung und Bezahlung des Fahrzeugs bis 11. Juli 2016 war
unangemessen kurz und hat lediglich eine angemessene Frist in Lauf gesetzt,
die nach der rechtsfehlerfreien Beurteilung des Berufungsgerichts jedenfalls
am 18. Juli 2016, als die Beklagte das Fahrzeug anderweitig verkaufte, noch
nicht abgelaufen war. Den fruchtlosen Ablauf der Frist hat die
Beklagte nicht abgewartet, sondern ist bereits am 13. Juli 2016 vom
Kaufvertrag zurückgetreten und hat erklärt, sich auf die von der Klägerin
für die Zeit ab dem 18. Juli 2016 angekündigte Abholung des Fahrzeugs
nicht einlassen zu wollen. Dadurch hat sie gezeigt, dass sie an ihrer
Leistungsaufforderung zur Kaufpreiszahlung und Abholung nicht mehr festhält
und auch zu einer eigenen Mitwirkung in Form der Übergabe und Übereignung
des Pkw nicht mehr bereit ist. Somit fehlt es an dem aus den oben (unter a)
genannten Gründen auch für ein Schadensersatzverlangen nach § 281 Abs. 4 und
5 BGB erforderlichen fruchtlosen Ablauf einer angemessenen Frist zur
Leistung.
29 Eine Fristsetzung war nach den rechtlich nicht zu
beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht entbehrlich.
Damit war das Schadensersatzverlangen unwirksam und besteht ein
Anspruch der Klägerin auf Rückforderung der Anzahlung aus § 281 Abs. 5 BGB
in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB nicht. Hieraus folgt
zugleich, dass ein Schadensersatzanspruch der Beklagten aus § 281 Abs. 1 BGB
nicht gegeben ist (hierzu unter 3 c).
30 3. Die Entscheidung
des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar
(§ 561 ZPO). Ein Anspruch der Klägerin aus § 346 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung
des noch nicht erstatteten Teils der Anzahlung ergibt sich daraus,
dass sie selbst wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist.
31
a) Eine Rücktrittserklärung der Klägerin liegt spätestens konkludent
in der Erhebung der Klage auf Rückerstattung der restlichen Anzahlung.
32 aa) Ob ein schlüssiges Verhalten als eine - hier zur
Rückabwicklung des Vertrags führende - Willenserklärung zu werten ist,
bestimmt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden
Maßstäben. Hiernach kommt es entscheidend darauf an, wie das Verhalten
objektiv aus der Sicht des Erklärungsgegners zu verstehen ist
(Senatsurteil vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, NJW 2014, 1951 Rn. 14,
und Senatsbeschluss vom 30. Januar 2018 - VIII ZB 74/16, NJW-RR 2018, 524
Rn. 19). Maßgeblich ist danach, wie die Beklagte das Verhalten der Klägerin
objektiv deuten musste, ob die Beklagte dieses mithin nach den ihr bekannten
oder jedenfalls erkennbaren Umständen als Rücktrittserklärung aufzufassen
hatte (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, aaO). Diese
Beurteilung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist in
erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Der Senat kann die vom
Berufungsgericht unterlassene Auslegung jedoch hier selbst vornehmen, weil
die notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind und weitere
Aufklärung nicht zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteile vom 16. März 2016 - VIII
ZR 326/14, WuM 2016, 353 Rn. 33, und vom 9. Februar 2017 - III ZR 428/16,
juris Rn. 20).
33 bb) Nach diesen Maßstäben ist jedenfalls
die Klageerhebung als konkludente Rücktrittserklärung zu werten. Die
Klägerin hatte sich nicht gegen den anderweitigen Verkauf des Fahrzeugs
durch die Beklagte gewandt und Erfüllung verlangt. Vielmehr hatte sie als
Reaktion hierauf die vollständige Rückzahlung ihrer Anzahlung gefordert.
Dabei ist sie bereits in dem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom
22. Juli 2016 davon ausgegangen, dass keine "Kaufvertragsstörungen zu ihren
Lasten" vorlägen, insbesondere weder Zahlungs- noch Annahmeverzug, und dass
der Beklagten keine Schadensersatzansprüche zustünden. Dennoch hat sie nicht
die Erfüllung des Vertrags, sondern nur die Rückzahlung der geleisteten
Anzahlung gefordert.
34 Insbesondere vor diesem Hintergrund konnte
die Klageerhebung nach objektivem Empfängerhorizont von der Beklagten nur so
verstanden werden, dass die Klägerin zwar eine Berechtigung der Beklagten
zum Rücktritt und zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht für
gegeben hielt, sie ihrerseits aber an dem Vertrag nicht mehr
festhalten wollte und nur noch dessen Rückabwicklung durch Rückzahlung der
geleisteten Anzahlung begehrte. Dies entspricht rechtlich einem
Rücktritt seitens der Klägerin. In der Klageschrift hat die Klägerin
dementsprechend zwar ausgeführt, dass sie den Rücktritt und
das Schadensersatzverlangen der Beklagten für rechtswidrig hält. Dennoch hat
sie nicht etwa die Erfüllung des Vertrags, sondern vielmehr dessen
vollständige Rückabwicklung verlangt. Hieraus wird klar, dass sie an dem
Vertrag auch bei Unwirksamkeit des Rücktritts sowie des
Schadensersatzbegehrens seitens der Beklagten nicht festhalten, sondern
lediglich die Rückgewähr der erbrachten Leistung erreichen wollte. Dieses
Klageziel setzt den eigenen Rücktritt voraus.
35 cc) Für die
vorstehende Würdigung ist es unerheblich, dass die Klägerin sich für ihren
Rückzahlungsanspruch auf den - allerdings auch nach ihrer Auffassung -
unwirksamen Rücktritt der Beklagten berufen und ihr eigenes Verhalten in den
Vorinstanzen, anders als nunmehr in der Revisionserwiderung, rechtlich nicht
als konkludent erklärten Rücktritt eingeordnet hat. Es kommt für die
Auslegung des konkludenten Verhaltens nicht darauf an, ob die Klägerin
dieses selbst rechtlich zutreffend bewertet hat. Denn die rechtliche
Würdigung der vorgebrachten Tatsachen ist allein Sache des Gerichts. Ohne
Erfolg bleibt deshalb auch der Einwand der Revision, die Klägerin habe auf
die Frage des Amtsgerichts, ob es eine Handlung der Klägerin gebe, die den
Kaufvertrag habe ungültig werden lassen, erklärt, dass der Kaufvertrag
aufgrund der Rücktrittserklärung der Beklagten rückabzuwickeln sei. Entgegen
der Auffassung der Revision liegt insoweit schon keine (bindende)
Feststellung des Berufungsgerichts vor.
36 b) Die Klägerin war nach §
323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt berechtigt. Die Beklagte hat die ihr obliegende
Leistung - Übereignung und Übergabe des Pkw - trotz Fälligkeit nicht
erbracht. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung seitens der Klägerin
bedurfte es nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht. Hiernach ist eine
Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung endgültig und
ernsthaft verweigert. Dies setzt voraus, dass er unmissverständlich und
eindeutig zum Ausdruck bringt, dass er seinen Vertragspflichten unter keinen
Umständen nachkommen werde (vgl. Senatsurteile
vom 18. Januar 2017 - VIII ZR 234/15,
NJW 2017, 1666 Rn. 31, und vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14, NJW 2015,
3455 Rn. 33 mwN). Dies ist hier der Fall.
37 Die Beklagte ist
unberechtigt vom Vertrag zurückgetreten und hat das Fahrzeug, dessen
Übereignung und Übergabe sie der Klägerin schuldete, an einen Dritten
verkauft und dies der Klägerin mitgeteilt. Zugleich hat sie von der Klägerin
(unberechtigt) Schadensersatz statt der Leistung gefordert.
Hieraus ergab sich eindeutig, dass sie zur Übereignung und Übergabe des Pkw
an die Klägerin unter keinen Umständen mehr bereit war und sich endgültig
von ihren vertraglichen Pflichten lossagen wollte. Dieses Verhalten
der Beklagten berechtigte die Klägerin ihrerseits zum Rücktritt, der den
Kaufvertrag der Parteien in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat.
Die später (im Berufungsverfahren) erklärte Erfüllungsbereitschaft der
Beklagten vermag hieran nichts zu ändern.
38 c) Der Anspruch der
Klägerin auf Rückzahlung des noch nicht erstatteten Teils der Anzahlung ist
nicht nach § 389 BGB durch eine Aufrechnung der Beklagten mit
Schadensersatzansprüchen erloschen. Derartige Ansprüche hat
das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Wie ausgeführt (hierzu
oben unter II 2 b) liegen die Voraussetzungen des geltend gemachten
Schadensersatzanspruchs nicht vor.
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