Strohmanngeschäft und Scheingeschäft (§ 117 BGB)
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 -
VIII ZR 89/12 - LG Itzehoe
Fundstelle:
NJW-RR 2013, 687
Amtl. Leitsatz:
Schiebt beim Verkauf einer
beweglichen Sache an einen Verbraucher der Verkäufer, der Unternehmer ist,
einen Verbraucher als Strohmann vor, um die Sache unter Ausschluss der
Haftung für Mängel zu verkaufen, so ist der Kaufvertrag zwischen den
Verbrauchern wirksam, sofern nicht die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts
(§ 117 BGB) vorliegen (im Anschluss an Senatsurteil vom
22. November 2006 - VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67).
Zentrale Probleme:
Das Urteil ist vollkommen zutreffend: Wenn die
Parteien übereinstimmend wollten, dass Vertragspartner ein Strohmann
Vertragspartner sein soll, liegen die Voraussetzungen des § 117 I BGB nicht
vor. Nicht missverstanden werden sollte insbesondere der Satz bei Tz. 16:
"Etwas anderes käme nach § 117 Abs. 1 BGB nur dann in Betracht, wenn der
Kläger Kenntnis davon gehabt hätte und damit einverstanden gewesen wäre,
dass die Beklagte lediglich als "Strohmann" für ihren Ehemann aufgetreten
ist." Auch bei Kenntnis des Klägers liegt kein Scheingeschäft vor, wenn
beide Parteien tatsächlich wollten, dass der Strohmann Vertragspartei
wird (s. auch BGH NJW-RR 2007, 1209). Der
Senat sagt demgemäß nur, dass etwas anderes bei Kenntnis "in Betracht" käme,
nicht dass es zwingend vorliegt (für einen solchen Ausnahmefall s.
BGH NJW-RR 2007, 1209). Auch
Strohmanngeschäfte kann man also offenlegen. Es handelt sich dabei um sog. "mittelbare
Stellvertretung": Der Strohmann wird selbst berechtigt und verpflichtet, hat
aber das Erlangte nach § 667 BGB an den Hintermann abzuführen, im Gegenzug
kann er aber auch Aufwendungsersatz verlangen.
Ein bisschen in's Schleudern gerät der Senat wegen seiner - sehr
problematischen - Rechtsprechung zu den Folgen von Umgehungsgeschäften bei
Verbrauchsgüterkauf. Wenn die Strohmannkonstruktion nämlich dazu dient, dem
Hintermann wirtschaftlich entgegen § 475 I BGB einen
Gewährleistungsausschluss zu ermöglichen, obwohl er in wirtschaftlicher
Hinsicht der Vertragspartner ist, gewährt der BGH direkte
Gewährleistungsansprüche gegen den Hintermann. Das hat er allerdings nie
überzeugend zu begründen vermocht (s. die Anm. zu
BGHZ 170, 67). Das holt ihn jetzt ein - er
kann es aber auch hier offen lassen, weil es nur um die Wirksamkeit des
Vertrags ging. Wenn man Probleme offen lässt, kommen sie eben wieder ....
©sl 2013
Tatbestand:
1 Der Kläger kaufte von der Beklagten
mit Vertrag vom 4. Dezember 2007 einen zehn Jahre alten Fiat 146L zum Preis
von 1.700 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Beide Parteien sind
Verbraucher. Der Ehemann der Beklagten, der einen Kraftfahrzeughandel
betreibt, hatte die Beklagte zur Unterzeichnung des Kaufvertrages
veranlasst, um Sachmängelansprüche ausschließen zu können. Der Kaufvertrag
enthält unter anderem die Eintragung, dass das Fahrzeug zwei Vorbesitzer
gehabt habe und die nächste Hauptuntersuchung im November 2009 anstehe.
2 Kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs stellte sich heraus, dass die
übergebenen Bescheinigungen vom 22. November 2007 über die durchgeführte
Hauptuntersuchung und die Abgasuntersuchung gefälscht waren. Der Kläger
erklärte aus diesem Grund mit Anwaltsschreiben vom 10. Dezember 2008 die
Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und mit Schreiben vom
7. April 2010 den Rücktritt vom Vertrag.
3 Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises nebst
Zinsen und außergerichtlichen Anwaltskosten. Das Amtsgericht hat der Klage
stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage
abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der
Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
6 Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises.
Der Rücktritt vom Kaufvertrag sei nicht wirksam, weil Sachmängelansprüche
des Klägers wegen der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede nicht
durchsetzbar seien. Der Kläger könne von der Beklagten auch nicht
nach § 812 Abs. 1 BGB Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Denn
der Vertrag sei wirksam und auch nicht später wieder entfallen.
7 Der Umstand, dass die Beklagte mit dem von ihr an den Kläger verkauften
Pkw nichts zu tun gehabt habe, sondern lediglich als Verkäuferin
vorgeschoben worden sei, habe nicht zur Folge, dass der Kaufvertrag als
unwirksam anzusehen sei. Im Fall eines Umgehungsgeschäfts durch Einsetzen
eines Strohmanns auf Verkäuferseite sei der zwischen dem Strohmann und dem
Verbraucher abgeschlossene Kaufvertrag als wirksam anzusehen. Ein
Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB liege nicht vor, da die mit dem
Kaufvertrag verbundenen Rechtsfolgen von beiden Kaufvertragsparteien,
insbesondere auch von dem Käufer, gewollt seien.
8 Der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag sei auch nicht
nachträglich durch die vom Kläger erklärte Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung entfallen. Dem Kläger stehe kein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB
zu. Er könne sich nicht darauf berufen, von der Beklagten durch ein
arglistiges Verhalten zum Kaufvertragsabschluss veranlasst worden zu sein.
Denn er habe nicht den ihm obliegenden Nachweis führen können, dass die
Beklagte Kenntnis davon gehabt habe, dass die Fahrzeugpapiere gefälscht
gewesen seien. In Bezug auf die Anzahl der Voreigentümer und den Umstand,
dass ein Voreigentümer nicht in den Fahrzeugpapieren eingetragen gewesen
sei, sei eine etwaige hiermit verbundene Täuschung seitens der Beklagten
beziehungsweise der hinter ihr stehenden Betreiber der Kfz-Werkstatt
jedenfalls nicht ursächlich für die Kaufentscheidung des Klägers gewesen.
II.
9 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist
daher zurückzuweisen. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein
Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu.
10 1. Das Berufungsgericht hat einen vertraglichen Rückabwicklungsanspruch
rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, dass der vom Kläger erklärte
Rücktritt vom Vertrag unwirksam ist, weil etwaige
Sachmängelansprüche des Klägers gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjährt sind
und die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Verjährungsfrist
gemäß § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vorliegen.
11 Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Tatsachenfeststellung des
Berufungsgerichts, dass der Kläger nicht durch ein arglistiges Verhalten der
Beklagten oder der hinter ihr stehenden Betreiber der Kraftfahrzeugwerkstatt
zum Abschluss des Kaufvertrags veranlasst worden ist. Die tatrichterliche
Würdigung des Berufungsgerichts, dass eine etwaige Täuschung über die Anzahl
der Vorbesitzer für den Kaufentschluss des Klägers jedenfalls nicht
ursächlich war, weil es dem Kläger unter Berücksichtigung des Alters und des
geringen Preises des Fahrzeugs nicht darauf angekommen sei, ob dieses einen
Voreigentümer mehr hatte als im Kaufvertrag angegeben und aus den
Fahrzeugpapieren ersichtlich war, ist aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. Die Rüge der Revision, die tatrichterliche Würdigung des
Berufungsgerichts sei nicht überprüfbar, weil die Aussagen der Zeugen H. und
R. nicht protokolliert worden seien, greift nicht durch. Denn das
Berufungsgericht hat die Aussagen dieser Zeugen nicht verwertet, sondern
stützt seine Sachverhaltswürdigung auf die eigenen Angaben des Klägers in
der mündlichen Verhandlung, die im Berufungsurteil wiedergegeben sind.
12 2. Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2,
3, § 241 Abs. 2 BGB wegen vorsätzlich unterlassener Aufklärung über die
Anzahl der Vorbesitzer (vgl. dazu
Senatsurteil vom 16. Dezember 2009
- VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858) besteht ebenfalls nicht.
Das Berufungsgericht hat auch insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt, dass
die Anzahl der Vorbesitzer im vorliegenden Fall keine maßgebliche Bedeutung
für die Kaufentscheidung des Klägers hatte und deshalb ein etwaiges
bewusstes Verschweigen des Umstandes, dass ein Voreigentümer nicht in den
Fahrzeugpapieren eingetragen war, jedenfalls nicht ursächlich für den
Kaufvertragsabschluss war.
13 3. Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Kläger auch kein
bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Denn der zwischen den Parteien
geschlossene Kaufvertrag ist wirksam zustande gekommen. Der Rechtsgrund für
die Zahlung des Kaufpreises ist auch nicht nachträglich entfallen (§ 812
Abs. 1 Satz 2 BGB).
14 a) Der zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommene
Kaufvertrag ist kein Scheingeschäft im Sinne des § 117 Abs. 1 BGB.
Nach dieser Bestimmung ist eine Willenserklärung, die einem anderen
gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum
Schein abgegeben wird. Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht nicht
festgestellt. Es hat vielmehr rechtsfehlerfrei die Feststellung getroffen,
dass die mit dem Kaufvertrag verbundenen Rechtsfolgen von beiden
Parteien, insbesondere auch vom Kläger, gewollt waren. Damit scheidet ein
Scheingeschäft aus.
15 Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte von ihrem Ehemann
dazu veranlasst worden war, den Kaufvertrag abzuschließen, damit kein
Verbrauchsgüterkauf vorliegt und die Sachmängelhaftung ausgeschlossen werden
konnte. Das Vorschieben eines Strohmanns erfolgt im rechtsgeschäftlichen
Verkehr nicht zum Schein. Vielmehr ist das Strohmann-Geschäft ernstlich
gewollt, weil sonst der damit erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder
nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde. Daher ist ein solches
Geschäft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den
Strohmann rechtlich bindend (Senatsurteil vom 13. März 2002 - VIII
ZR 292/00, NJW 2002, 2030 unter II 1 mwN).
16 Etwas anderes käme nach § 117 Abs. 1 BGB nur dann in Betracht,
wenn der Kläger Kenntnis davon gehabt hätte und damit einverstanden gewesen
wäre, dass die Beklagte lediglich als "Strohmann" für ihren Ehemann
aufgetreten ist. Dafür fehlt es jedoch, wie ausgeführt, an
Feststellungen des Berufungsgerichts. Übergangenen Sachvortrag hierzu zeigt
die Revision nicht auf.
17 Aus dem Senatsurteil vom 22. November 2006
(VIII ZR 72/06, BGHZ 170,
67) ergibt sich nichts anderes.
In dieser Entscheidung (aaO Rn. 16) hat der Senat die Frage, wie die
ausschließliche Haftung des Händlers für Sachmängelansprüche bei einem
Umgehungsgeschäft dogmatisch zu begründen ist, offen gelassen, weil es
darauf nicht ankam. Dort hat der Senat lediglich Literaturmeinungen
zur Begründung der ausschließlichen Haftung des Händlers wiedergegeben,
unter anderem die Auffassung von Müller (NJW 2003, 1975, 1980), wonach der
vorgeschobene Kaufvertrag zwischen den Verbrauchern als Scheingeschäft
unwirksam sein soll. Diese Auffassung entspricht aber nicht der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ist vom Senat auch nicht
gebilligt worden. Da es auch im vorliegenden Fall nicht um
die Haftung des Händlers geht, bedarf auch hier keiner Entscheidung, wie
dessen ausschließliche Haftung bei einem Umgehungsgeschäft zu begründen ist.
18 b) Der Rechtsgrund für die Zahlung des Kaufpreises ist entgegen der
Auffassung der Revision auch nicht durch die vom Kläger erklärte Anfechtung
des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung entfallen. Das
Berufungsgericht hat, wie ausgeführt, rechtsfehlerfrei festgestellt, dass
eine etwaige Täuschung über die Anzahl der Vorbesitzer für den
Kaufentschluss des Klägers jedenfalls nicht ursächlich war.
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