Kunstfreiheit und
allgemeines Persönlichkeitsrecht bei real existierender Person als
Romanfigur (Maxim Biller "Esra")
BGH, Urteil vom 21. Juni
2005 - VI ZR 122/04
Fundstelle:
NJW 2005, 2844
s. auch BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1783/05
sowie BGH NJW 2008, 2587.
Amtl. Leitsätz:
a) Zur Frage der
Erkennbarkeit einer realen Person in einer Romanfigur.
b) Zur Abwägung zwischen Kunstfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht,
wenn eine Romanfigur keine verselbständigte Kunstfigur, sondern eine real
existierende Person darstellt und diese durch Hinzufügung von Details in
negativer Weise entstellt wird.
Tatbestand:
Die Klägerinnen wenden sich gegen die Veröffentlichung des von der Beklagten
verlegten Romans "Esra" von Maxim Biller (im folgenden: Autor). Das Buch
schildert die Liebesbeziehung zwischen der Titelfigur Esra und dem
Ich-Erzähler, dem Schriftsteller Adam. Die Klägerin zu 1, die etwa
eineinhalb Jahre lang eine intime Beziehung zum Autor unterhielt, und ihre
Mutter, die Klägerin zu 2, sind der Auffassung, der Inhalt des Romans
verletze ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, weil sich die Schilderung der
Romanfiguren Esra und Lale eng an ihrem Leben orientiere.
Auf Antrag der Klägerinnen wurde der Beklagten im Wege der einstweiligen
Verfügung untersagt, das Buch "Esra" in der Ursprungsfassung zu verbreiten.
Die Beklagte gab danach mehrere Unterlassungsverpflichtungserklärungen
unterschiedlichen Inhalts ab. Das Landgericht, dessen Entscheidung in ZUM
2004, Seite 234 veröffentlicht ist, hat der Unterlassungsklage in der nach
der vierten Verpflichtungserklärung vom 18. August 2003 verbliebenen Fassung
stattgegeben und im übrigen die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die
Revision zugelassen, mit der diese unter Hinnahme des
Feststellungsausspruchs ihr Klageabweisungsbegehren im übrigen
weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hält die
Unterlassungsklage ungeachtet der Verpflichtungserklärungen der Beklagten
für zulässig. Die Klage sei auch begründet, denn die Veröffentlichung des
Buches "Esra" verletze die Klägerinnen in ihrem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht. Diese seien in den Romanfiguren Esra und Lale und dem
Handlungs- und Beziehungsgeflecht des Buches für einen nicht unbedeutenden
Leserkreis erkennbar. Dies beruhe zum einen darauf, daß der Klägerin zu 1
der Bundesfilmpreis und der Klägerin zu 2 der alternative Nobelpreis
verliehen worden sei. Die in der streitgegenständlichen Buchfassung erfolgte
Umbenennung der Preise in "Fritz-Lang-Preis" und "Karl-Gustav-Preis" vermöge
wegen der geschilderten Begleitumstände die Erkennbarkeit nicht zu
beseitigen. Darüber hinaus stimmten das Erscheinungsbild und der Lebens- und
Berufsweg der Klägerinnen im wesentlichen mit denen der Romanfiguren
überein.
Selbst bei Einbeziehung der aufgrund der
Unterlassungsverpflichtungserklärungen vom 18. August 2003 und vom 9.
Februar 2004 vorgenommenen Änderungen fehle eine genügende Verfremdung des
Abbildes vom Urbild. Es lägen so markante Übereinstimmungen vor, daß der
Leser nicht zwischen Wahrheit und Erdichtetem unterscheiden könne. Auch
unter Berücksichtigung des Charakters des Buches als Belletristik sei wegen
der Kumulation von Identifizierungsmerkmalen nicht erkennbar, daß keine
realen Personen dargestellt würden. Daß der Roman Fiktion sei, werde weder
durch das Nachwort, noch durch das aufgrund der ersten
Verpflichtungserklärung eingefügte Vorwort ausreichend klar. Die Klägerin zu
1 werde durch die Schilderung der Einzelheiten des Sexuallebens von Esra
sowie eines Abtreibungsversuchs in ihrer Intimsphäre verletzt, weil der
Inhalt des Romans mit realen Einzelheiten ihres Sexuallebens gleichgesetzt
werde. Durch die Darstellung der schweren Krankheit von Esras Tochter werde
die Klägerin zu 1, deren Tochter lebensbedrohlich erkrankt sei, ebenfalls in
ihrer Privatsphäre verletzt. Auch wenn sich die Beklagte grundsätzlich auf
Kunstfreiheit berufen könne und auch wenn berücksichtigt werde, daß der
Autor mit dem Roman die aus seiner Sicht tief erlebte Liebesbeziehung mit
der Klägerin zu 1 habe verarbeiten und bewältigen wollen, müsse diese die
mit der Veröffentlichung des Buches verbundenen Eingriffe in ihr
Persönlichkeitsrecht nicht hinnehmen. Die gegebene Möglichkeit einer
ausreichenden Verfremdung habe der Autor nicht genutzt. Das Buch greife auch
in schwerwiegendem Maße in die Privatsphäre der Klägerin zu 2 ein. Es
zeichne nämlich ein negatives Charakterbild der Romanfigur Lale. Leser, die
die Klägerin zu 2 identifiziert hätten, würden die Charakterzüge von Lale
mit denen der Klägerin zu 2 gleichsetzen. Dadurch werde sie in ihrem Recht
am eigenen Lebensbild verletzt. Derart schwerwiegende Entstellungen seien
durch die Kunstfreiheit nicht gedeckt.
II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß dem
Unterlassungsbegehren nicht schon die vierte Unterlassungserklärung der
Beklagten vom 18. August 2003 entgegensteht. Zwar läßt auch im Falle der
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine ordnungsgemäße
Unterlassungsverpflichtungserklärung selbst ohne deren Annahme durch den
Gläubiger die Wiederholungsgefahr grundsätzlich entfallen (Senatsurteile
BGHZ 78, 9, 17; vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93 - VersR 1994, 570, 572;
vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 206/95 - NJW 1997, 1152, 1154 und vom 19.
Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 85; Prinz/Peters, Medienrecht,
1999, Rdn. 337 f.). Um diese Wirkung zu entfalten, muß die Erklärung den
Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang aber voll abdecken (BGH, Urteil
vom 31. Mai 2001 - I ZR 82/99 - NJW-RR 2002, 608, 609 m.w.N.). Dies ist hier
nicht der Fall, da die Klägerinnen geltend machen, auch in der nach der
vierten Unterlassungserklärung der Beklagten vom 18. August 2003
verbliebenen Fassung ("Münchner Fassung") verletze der Roman ihr allgemeines
Persönlichkeitsrecht. Ob es sich bei dieser vierten Erklärung um eine
Teilunterwerfungserklärung handelt, die für den Fall einer sachlich
teilbaren Wiederholungsgefahr allgemein als zulässig erachtet wird, kann
dahinstehen. Denn eine solche ließe den weiterreichenden
Unterlassungsanspruch der Klägerinnen jedenfalls unberührt (vgl. BGH,
Urteile vom 19. Oktober 2000 - I ZR 89/98 - NJW-RR 2001, 978, 980 und vom
25. April 2002 - I ZR 296/99 - NJW-RR 2002, 1613, 1614; Wenzel/Burkhardt,
Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12, Rdn. 20 f.
m.w.N.; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Vor § 13 Rdn. 7). Hiervon abgesehen
konnte die vierte Unterlassungserklärung für sich allein auch deswegen keine
Wirkung entfalten, weil sie ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Annahme
durch die Klägerinnen stand.
2. Auch die Annahmeerklärung der Klägerinnen vom 19. August 2003 steht dem
geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Ohne Erfolg beruft
sich die Revision darauf, daß es in der Unterlassungserklärung heißt: "Meine
Mandantin (scil. die Beklagte) behält sich vor, das dieser
Unterlassungsverpflichtungserklärung entsprechend geänderte Buch mit dem
Untertitel "Münchner Fassung" zu veröffentlichen, zu verbreiten etc.". Ob
darin, wie die Revision meint, ein auf einvernehmliche Veröffentlichung der
"Münchner Fassung" gerichtetes Angebot der Beklagten lag, kann dahinstehen.
Eine entsprechende Vereinbarung ist, wovon auch das Berufungsgericht
ausgeht, jedenfalls nicht zustande gekommen. Die Klägerinnen haben der
Veröffentlichung der geänderten Fassung nämlich nicht zugestimmt. Ihr
Antwortschreiben beginnt zwar mit den Worten: "Mit dieser Annahme ist die
Verpflichtungserklärung ihrer Mandantin rechtsverbindlich." Jedoch heißt es
am Ende: "Unsere Mandantinnen sind gezwungen, dieses Angebot anzunehmen. Die
dadurch zu erwartende Persönlichkeitsverletzung ist zwar geringfügig
geringer als die ursprüngliche Fassung des Buches "Esra" von M. Biller,
dadurch aber keineswegs beseitigt. Unsere Mandantinnen werden auch die
Veröffentlichung dieser so veränderten Fassung in dem anhängigen Verfahren
bekämpfen, weil ausreichend Erkennungsmerkmale verbleiben." Nimmt der
Gläubiger die unzureichende Erklärung zwar an, erklärt er aber zugleich, daß
er seinen weiterreichenden Anspruch nicht als befriedigt ansieht, dann
besteht der gesetzliche Unterlassungsanspruch fort, der Unterlassungsvertrag
ist nicht zustande gekommen (Köhler/ Piper, aaO, vor § 13 Rdn. 207, 210).
Offenbleiben kann, ob in der einschränkenden Annahme vorliegend ein neuer
Antrag der Klägerinnen lag (§ 150 Abs. 2 BGB) und die Beklagte diesen
ihrerseits (stillschweigend) angenommen hat. Die Parteien haben jedenfalls
kein Einvernehmen erzielt, welches über die Verpflichtung der Beklagten
hinausgeht, das Buch nicht ohne die von ihr in der vierten Erklärung
angebotenen Änderungen zu veröffentlichen. Auf die rechtliche Einordnung der
zwischen ihnen erzielten Übereinkunft kommt es insoweit nicht an (vgl.
Köhler/Piper, aaO, 217; OLG Stuttgart, WRP 1997, 350, 354).
3. Der Unterlassungsanspruch ist auch in der Sache begründet. Die
Klägerinnen müssen die Veröffentlichung des Romans "Esra" nicht hinnehmen.
Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundrechtlich garantierte
Kunstfreiheit hat unter den Umständen des Streitfalls hinter dem gemäß Art.
2 Abs. 1 GG ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen
Persönlichkeitsrecht der Klägerinnen zurückzutreten. Die Klägerinnen werden
durch den Roman auch unter Berücksichtigung der in den
Unterlassungserklärungen vom 18. August 2003 und vom 9. Februar 2004
vorgenommenen Textänderungen individuell betroffen und in ihrem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt.
a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die
Klägerinnen in den Romanfiguren Esra und Lale erkennbar sind.
aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, eine Erkennbarkeit der
Klägerinnen setze voraus, daß diese "von einem nicht unbedeutenden
Leserkreis unschwer" in den Romanfiguren wiedererkannt würden. Bei dieser
Formulierung (vgl. BVerfGE 30, 173, 198 -
"Mephisto") handelt es sich um den von den Zivilgerichten seinerzeit
zugrunde gelegten Maßstab hinsichtlich der Erkennbarkeit. Dieser Maßstab
ist indes zu eng, weil grundsätzlich die Erkennbarkeit in einem mehr oder
minder großen Bekanntenkreis bzw. in der näheren persönlichen Umgebung
genügt (Senatsurteile vom 26. Juni 1979 - VI ZR 108/78 -NJW 1979, 2205
[zu § 22 KUG] und vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87 -unter I., juris,
insoweit nicht abgedruckt in VersR 1988, 405; LG Berlin, AfP 2004, 287, 289
f.; vgl. Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rdn. 13.37; Prinz/Peters, aaO
m.w.N.; Wegner/Wallenfels/Kaboth, Recht im Verlag, 2004, Kap. 3, Rdn. 111).
Ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts steht demjenigen zu, der durch die Veröffentlichung
individuell betroffen ist. Dies setzt voraus, daß er erkennbar zum
Gegenstand einer medialen Darstellung wurde. Die Erkennbarkeit ist bereits
dann gegeben, wenn die Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen
Teil des Leser- oder Adressatenkreises aufgrund der mitgeteilten Umstände
hinreichend erkennbar wird. Es kann die Wiedergabe von Teilinformationen
genügen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte
Leserschaft ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln läßt
(Senatsurteile vom 9. April 1963 - VI ZR 54/62 - NJW 1963, 1155; vom 21.
Juni 1966 - VI ZR 266/64 -NJW 1966, 2010, 2011; vom 20. Januar 1981 - VI ZR
163/79 - VersR 1981, 384, 385 und vom 10. Dezember 1991 - VI ZR 53/91 -
VersR 1992, 363, 364; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 3619, 3620; für die
Aufgabe des Begriffs im Zusammenhang mit künstlerischen Figurationen v.
Becker, KUR 2003, 81, 87 f.). Dafür kann unter Umständen die Schilderung
von Einzelheiten aus dem Lebenslauf des Betroffenen oder die Nennung seines
Wohnorts und seiner Berufstätigkeit ausreichen (vgl. Prinz/Peters, aaO,
Rdn. 143 m.w.N.; Wenzel/ Burkhardt, aaO, Kap. 12, Rdn. 43).
bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die Auffassung des Berufungsgerichts,
die Klägerinnen seien in den Romanfiguren Esra und Lale zu erkennen, nicht
zu beanstanden.
(1) Das Berufungsgericht sieht zunächst wesentliche Übereinstimmungen
zwischen dem äußeren Erscheinungsbild und dem Lebens- und Berufsweg der
Klägerinnen und denen der Romanfiguren Esra und Lale. Es stützt sich dabei
auf eine Vielzahl von Einzelheiten, deren Feststellung von der Revision
nicht angegriffen wird. Darüber hinaus stellt das Berufungsgericht darauf
ab, daß sich die Verleihung des Bundesfilmpreises an die Klägerin zu 1 und
des alternativen Nobelpreises an deren Mutter, die Klägerin zu 2, im Roman
erkennbar widerspiegeln. Die Identifizierungskraft dieser Merkmale wird
entgegen der Auffassung der Revision durch die Änderungen gemäß der vierten
und fünften Unterlassungserklärung nicht beseitigt. Zwar lauten die
Bezeichnungen der beiden Preise nunmehr "Fritz-Lang-Preis" und
"Karl-Gustav-Preis". Der Grund der Preisverleihung an Esra wird indes
unverändert beschrieben. Der "Fritz-Lang-Preis" wird ihr nämlich für einen
Film verliehen, in dem sie ein Mädchen aus einfachen türkischen
Verhältnissen darstellt, das sich in einen deutschen Jungen verliebt. Der
"Karl-Gustav-Preis" wird in dem Roman nach den insoweit unangegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts weiterhin in Bezug zum Nobelpreis
gesetzt.
(2) Diese Feststellungen rechtfertigen im Streitfall die Annahme, daß Leser
mit Einblick in das berufliche oder persönliche Umfeld der Klägerinnen diese
anhand der im Buch dargestellten Umstände erkennen können. Dies gilt, wie
das Berufungsgericht zu Recht annimmt, auch unter Berücksichtigung der
übrigen Änderungen aufgrund der vierten und fünften Unterlassungserklärung.
Gegen diese Bewertung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg, denn
ihre Angriffe orientieren sich an dem zu strengen Maßstab, den das
Berufungsgericht für die Frage der Erkennbarkeit angelegt hat (vgl. oben aa)).
Aufgrund der Vielzahl der vom Berufungsgericht festgestellten
Übereinstimmungen im Erscheinungsbild und im Lebens- und Berufsweg der
Klägerinnen sowie in den aus diesem Lebens- und Berufsweg herrührenden
Kontakten liegt die Erkennbarkeit für den maßgeblichen Personenkreis
vorliegend auf der Hand. Jeder, der die Klägerinnen mehr als nur
oberflächlich kennt und einigermaßen mit ihren Lebensumständen vertraut ist,
muß aus den Darstellungen im Roman auf die Klägerinnen schließen. Soweit die
Revision rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, daß es auf die unschwere
Identifizierbarkeit für einen nicht unbedeutenden Leserkreis ankomme und daß
Kenntnisse, die der Roman nicht selbst vermittle und die bei einer
objektiven Leserschaft auch nicht vorausgesetzt werden könnten, außer
Betracht bleiben müßten, überspannt sie die Anforderungen an die
Erkennbarkeit. Ihre Ausführungen orientieren sich insoweit an einem
unzutreffenden Maßstab und gehen deshalb an der Sache vorbei. Die von der
Revision aufgezeigten Textänderungen, wie etwa die Umbenennung eines real
existierenden Platzes und einer real existierenden Straße, vermögen die
Erkennbarkeit der Klägerinnen angesichts der verbleibenden ihnen
zuzuordnenden Details nicht zu beseitigen.
Die Erkennbarkeit der Klägerinnen ist in gleicher Weise im Hinblick auf die
ihnen verliehenen Preise zu bejahen. Die Klägerin zu 1 ist die einzige
Türkin, die als Siebzehnjährige für die Darstellung eines türkischen
Mädchens, das sich in einen deutschen Jungen verliebt, den Bundesfilmpreis
erhalten hat. Die Klägerin zu 2 ist die einzige Türkin, der für ihren
Einsatz in der Türkei gegen den Goldabbau mittels Zyanid der alternative
Nobelpreis verliehen wurde. Die Änderung des Verleihungsgrundes durch die
fünfte Unterwerfungserklärung in "Kampf gegen den Abbau von Bauxit" nimmt
diesem Erkennungsmerkmal nicht seine Aussagekraft. Das Berufungsgericht
weist mit Recht auf die große Bedeutung dieser beiden Preise hin. Über ihre
jährliche Verleihung wird in den Medien berichtet. Hinzu kommt, daß eine
Preisverleihung an eine in Deutschland lebende Türkin ein außergewöhnliches
Ereignis darstellt und auch dadurch zur Identifizierbarkeit der
Preisträgerin beiträgt. Darüber hinaus fällt ins Gewicht, daß die Verleihung
des alternativen Nobelpreises erst fünf Jahre zurückliegt und daß die
Preisträgerinnen Mutter und Tochter sind. Daß die Klägerin zu 1 als
ehemalige Schauspielerin und die Klägerin zu 2 als engagierte
Umweltaktivistin im persönlichen und beruflichen Umfeld aufgrund der im
Roman geschilderten Umstände und der Bedeutung der Preise erkennbar sind,
kann bei dieser Sachlage nicht zweifelhaft sein.
Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Erkennbarkeit der
Klägerinnen weder durch das Nachwort des Romans ("Sämtliche Figuren und
Handlungen dieses Romans sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit Lebenden
und Verstorbenen sind deshalb rein zufällig und nicht beabsichtigt.") noch
durch das dem Buch nach der ersten Unterlassungserklärung vom 1. April 2003
voranzustellende Vorwort beseitigt wird ("Die fiktiven Figuren dieses Romans
sind angeregt durch reale Personen, aber nicht mit ihnen identisch. Die
Handlung dieses Romans ist nicht die dokumentarische Darstellung
tatsächlicher Vorgänge. Darum erhebt dieser Roman auch keinesfalls den
Anspruch, die geschilderten Vorgänge könnten wahr sein und sich so
zugetragen haben."). Derjenige, der die Klägerinnen aufgrund der
dargestellten Umstände erkannt hat, wird aufgrund dieser Hinweise nicht
anderen Sinnes werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1968 - I ZR 44/66 - NJW
1968, 1773, 1777 f. insoweit nicht abgedruckt in
BGHZ 50, 133; Meyer-Cording, JZ 1976, 737, 738).
b) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerinnen
ist rechtswidrig. Ob eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts vorliegt, ist aufgrund einer Güter- und
Interessenabwägung anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen.
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung hält den Angriffen der
Revision stand.
aa) Das Berufungsgericht unterstellt das Werk zu Recht der
Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der beanstandete Roman
fällt in den Schutzbereich dieses Grundrechts, denn er ist das Ergebnis
freier schöpferischer Gestaltung, in dem Eindrücke, Erfahrungen und
Phantasien des Autors in literarischer Form zum Ausdruck kommen (BVerfGE
30, 173, 188 f.; 67, 213, 226; 75, 369, 377; 83, 130, 138; Isensee, AfP
1993, 619, 623; Meyer-Cording, aaO, S. 740). Auf dieses Grundrecht kann
sich die Beklagte als Verlegerin berufen. Da ein Werk der erzählenden Kunst
ohne die Vervielfältigung, Verbreitung und Veröffentlichung durch den
Verleger keine Wirkung in der Öffentlichkeit entfalten könnte, der Verleger
daher eine unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum
ausübt, erstreckt sich die Freiheitsgarantie auch auf seine Tätigkeit (BVerfGE
30, 173, 191 m.w.N.)
bb) Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, daß die
Erkennbarkeit der Klägerinnen allein nicht ausreicht, um deren
Unterlassungsanspruch zu begründen. Bei einem erzählenden Kunstwerk umfaßt
die Verfassungsgarantie auch die freie Themenwahl und die freie
Themengestaltung. Denn die Kunstfreiheitsgarantie enthält das Verbot, auf
Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken,
insbesondere den künstlerischen Gestaltungsraum einzuengen, oder allgemein
verbindliche Regeln für diesen Schaffensprozeß vorzuschreiben (BVerfGE
30, 173, 190). Romanfiguren haben häufig Entsprechungen für Teile
ihres Charakters und Handelns in der Realität (vgl. die Nachweise bei
Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., § 80 V 2 b; Moosmann,
Exklusivstories, 2002, S. 22; Ladeur/Gostomzyk, ZUM 2004, 426, 427), da
der Künstler Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium einer
bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung bringt (BVerfGE
30, 173, 188 f.; 67, 213, 226; 75, 369, 377; 83, 130, 138).
Erzählende Kunst, die an Vorgängen der - historischen - Wirklichkeit
anknüpft, würde erheblich beeinträchtigt, wenn der Schriftsteller die
Realität stets so verfremden müßte, daß die real existierenden Personen
nicht mehr erkannt werden (vgl. die Beispiele bei Stein, abweichende
Meinung zu BVerfGE 30, 173; aaO, 200, 208). Zu der mehr oder weniger
gegebenen Übereinstimmung von Handelnden in Romanen mit real existierenden
Personen muß also stets eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung
hinzukommen, die durch Art. 5 Abs. 3 GG nicht mehr gerechtfertigt ist (BVerfGE
30, 173, 195; 67, 213, 228; 75, 369, 380). Eine solche hat das
Berufungsgericht indes zu Recht bejaht.
cc) Die Freiheit der Kunst ist nicht schrankenlos gewährt. Anders als die
Meinungsfreiheit (vgl. Art. 5 Abs. 1 und 2 GG) steht das Grundrecht der
Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) zwar nicht unter einem
Gesetzesvorbehalt. Jedoch darf sich auch der Künstler, wenn er sich in
seiner Arbeit mit Personen seiner Umwelt auseinandersetzt, nicht über deren
verfassungsrechtlich ebenfalls geschütztes Persönlichkeitsrecht
hinwegsetzen; er muß sich innerhalb des Spannungsverhältnisses halten, in
dem die kollidierenden Grundwerte als Teile eines einheitlichen Wertesystems
neben- und miteinander bestehen können. Deshalb ist im Konfliktfall auf die
nachteiligen Auswirkungen der Veröffentlichung für die Persönlichkeit des
Dargestellten zu sehen und auf die durch ein Veröffentlichungsverbot
betroffenen Belange freier Kunst. Beide Interessenbereiche sind
gegeneinander abzuwägen, wobei insbesondere auch zu beachten ist, daß
Charakter und Stellenwert des beanstandeten Textes als Aussage der Kunst das
Verständnis von ihm im sozialen Wirkungsbereich zu beeinflussen vermögen
(Senatsurteile BGHZ 84, 237, 238 f. und vom 3. Juni 1975 - VI ZR 123/74 -
NJW 1975, 1882, 1884; BVerfGE 30, 173, 193 f., 196 ff.; 67, 213, 228; 83,
130, 143). Keinem der Rechtsgüter kommt von vornherein Vorrang gegenüber
dem anderen zu. Zwar könnten zweifelsfrei feststellbare schwerwiegende
Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch die Kunstfreiheit nicht
gerechtfertigt werden. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Prüfung, ob eine
solch schwerwiegende Beeinträchtigung festzustellen ist, isoliert, das heißt
ohne Berücksichtigung des Charakters des Werks, vorgenommen werden dürfte.
Die in ihrem Durchsetzungsanspruch betroffenen und bedrohten Rechtsgüter
würden zu Lasten der Kunstfreiheit nicht optimiert, wenn allein der
widerstreitende Belang betrachtet und die Lösung des Konflikts
ausschließlich von der Schwere abhängig gemacht würde, mit der dieser durch
das Kunstwerk beeinträchtigt werden könnte (BVerfGE 67, 213, 228; 83,
130, 146 f.; vgl. dazu auch BVerfGE 75, 369, 378 ff.).
Die erforderliche Abwägung kann nach allem nicht allein auf die Wirkungen
eines Kunstwerks im außerkünstlerischen Sozialbereich abheben, sondern muß
auch kunstspezifischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Die Entscheidung
darüber, ob durch die Anlehnung der künstlerischen Darstellung an
Persönlichkeitsdaten der realen Wirklichkeit ein der Veröffentlichung des
Kunstwerks entgegenstehender schwerer Eingriff in den schutzwürdigen
Persönlichkeitsbereich des Dargestellten zu befürchten ist, kann nur unter
Abwägung aller Umstände des Einzelfalles getroffen werden. Dabei ist zu
beachten, ob und inwieweit das "Abbild" gegenüber dem "Urbild" durch die
künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den
Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbständigt erscheint, daß das
Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der
"Figur" objektiviert ist. Wenn eine solche, das Kunstspezifische
berücksichtigende Betrachtung jedoch ergibt, daß der Künstler ein "Porträt"
des "Urbildes" gezeichnet hat oder gar zeichnen wollte, kommt es auf das
Ausmaß der künstlerischen Verfremdung oder den Umfang und die Bedeutung der
"Verfälschung" für den Ruf des Betroffenen an (BVerfGE
30, 173, 195, 198). Die Kunstfreiheit wird um so eher Vorrang
beanspruchen können, je mehr die Darstellungen des Urbildes künstlerisch
gestaltet und in die Gesamtkonzeption des Kunstwerks eingebettet sind.
dd) Der Autor hat mit den Figuren Esra und Lale keine gegenüber dem Urbild
der Klägerinnen verselbständigten Kunstfiguren geschaffen. Das
Berufungsgericht verneint zu Recht eine genügende Verfremdung und hebt -
insoweit unangegriffen durch die Revision - eine Vielzahl im Roman
geschilderter Umstände hervor, die eine ausgeprägte Übereinstimmung des
Erscheinungsbildes und des Lebens- und Berufsweges der Klägerinnen mit denen
der Romanfiguren ergeben. Dem Leser steht danach kein verselbständigtes
Abbild der Klägerinnen vor Augen. Auch bei Berücksichtigung des Umstands,
daß es sich um einen Roman, also um erzählende Prosa handelt, ergibt sich
kein anderes Textverständnis. Zwar weisen Stimmen in der Literatur darauf
hin, daß Romane häufig in einer eigenständigen Welt spielen, also erkennbar
Fiktionscharakter haben. Da sie keine Wirklichkeitstreue beanspruchten,
könnten Persönlichkeitsrechte nicht betroffen sein (vgl. Larenz/Canaris,
aaO, § 80 V 2 c; Staudinger/Hager, BGB, 1999, § 823, Rdn. C 130 m.w.N.; v.
Becker, KUR 2003, 81, 89; Busch, AfP 2004, 203, 209; Ladeur/Gostomzyk, ZUM
2004, 426, 431 m.w.N.). Das Kunstwerk wirkt jedoch nicht nur als
ästhetische Realität, sondern hat daneben ein Dasein in den Realien, die
zwar in der Darstellung künstlerisch überhöht werden, damit aber ihre
sozialbezogenen Wirkungen nicht verlieren. Diese Wirkungen auf der sozialen
Ebene entfalten sich "neben" dem eigenständigen Bereich der Kunst;
gleichwohl müssen sie auch im Blick auf den Gewährleistungsbereich des Art.
5 Abs. 3 Satz 1 GG gewürdigt werden, da die "reale" und die "ästhetische"
Welt im Kunstwerk eine Einheit bilden (BVerfGE
30, 173, 193 f.). Lehnt sich eine Romanfigur an eine reale Person an,
wird diese daher nicht bereits aufgrund der Einbettung in die Erzählung zum
verselbständigten Abbild. Ob dies der Fall ist, muß in jedem Einzelfall
geprüft werden. Im Streitfall ist dies unter den festgestellten Umständen zu
verneinen. Die tatsächlich nachprüfbaren Merkmale der Romanfiguren Esra und
Lale, die sich mit Merkmalen der Klägerinnen decken, sind zahlreich und so
charakteristisch, daß daneben die vorhandenen Unterschiede zurücktreten.
Mittel künstlerischer Verfremdung fehlen. Für den Leser, der die
dargestellte Person erkannt hat, werden mit den beiden Romanfiguren keine
Typen, sondern die Klägerinnen in ihrem realen Bezug dargestellt. Diese
Wirkung wird noch dadurch verstärkt, daß Daten auf dem Klappentext zur
Person des Autors mit Daten des Ich-Erzählers übereinstimmen. Wer wie im
Streitfall als Schriftsteller Personen in einer Weise erkennbar macht, daß
sich Romanfiguren einer real existierenden Person eindeutig zuordnen lassen,
kündigt die Übereinstimmung zwischen Autor und Leser auf, daß es sich beim
literarischen Werk um Fiktion handelt (so zutreffend Ladeur/Gostomzyk,
ZUM 2004, 426, 435).
ee) Die Klägerinnen müssen ein solches "Porträt" in Buchform nicht dulden.
Ihre Beeinträchtigung wiegt so schwer, daß dem Schutz ihres allgemeinen
Persönlichkeitsrechts der Vorrang vor der zugunsten der Beklagten
streitenden Kunstfreiheit einzuräumen ist.
(1) Die Klägerinnen haben deutlich erkennbar als Vorbilder für die
Romanfiguren gedient. Soweit die Darstellung des Lebens der Klägerinnen
der Wahrheit entspricht, ist es nicht gerechtfertigt, daß ihre persönlichen
Belange der Öffentlichkeit präsentiert werden. Soweit der Autor Details
hinzugefügt hat, handelt es sich um überwiegend negative oder bloßstellende
Schilderungen, welche die Intim- oder Privatsphäre der Klägerinnen und ihre
Lebensweise in einer Weise entstellen, die diese nicht mehr hinnehmen
müssen. Da der Autor durch die zahlreichen Details aus dem Leben der
Klägerinnen beim Leser den Eindruck erweckt, er liefere ein Porträt, wirkt
sich die Hinzufügung unwahrer negativer oder bloßstellender Tatsachen
besonders nachteilig aus. Der Leser wird die Schilderungen wegen der sonst
verfolgten Tatsachengenauigkeit mit realen Einzelheiten aus dem Leben der
Klägerinnen gleichsetzen. Hierauf stellt das Berufungsgericht ohne
Rechtsfehler ab. Selbst wenn der Leser aufgrund eigener Kenntnis einzelne
Umstände in den Bereich der Fiktion einordnen würde, ginge er doch von einer
im wesentlichen realistischen Beschreibung der Klägerinnen aus. Dieser
Eindruck wird auch nicht durch den Hinweis auf einen fiktiven Charakter in
Vor- und Nachwort abgeschwächt.
(2) Das Buch greift daher unabhängig davon, ob die vom Autor geschilderten
zahlreichen Einzelheiten des Sexuallebens und des Abtreibungsversuchs der
Romanfigur Esra eine Entsprechung im Leben der Klägerin zu 1 haben, in
unzulässiger Weise in deren Intim- bzw. Privatsphäre ein (vgl. auch Wegner/Wallenfels/Kaboth,
aaO, Kap. 3, Rdn. 107; KG, NJW-RR 2004, 1415, 1416; LG Berlin, AfP 2004,
287, 291 f.). Der Eingriff wird nicht dadurch gerechtfertigt, daß die
Darstellungen Teil erzählender Kunst sind. Zwar durfte der Autor seine
Liebesbeziehung mit der Klägerin zu 1 verarbeiten. Dies garantiert die von
der Kunstfreiheit umfaßte Freiheit der Themenwahl und der Themengestaltung.
Der Künstler darf nicht nur an reale Geschehnisse und persönliche
Erfahrungen anknüpfen. Ihm bleibt bei der Verarbeitung dieser Anregungen
auch ein weiter Schaffensspielraum. Bei einem Konflikt zwischen
Kunstfreiheit und geschützter Persönlichkeitssphäre kann die Güterabwägung
auch dazu führen, daß der Künstler in einer romanhaften Darstellung, die
erkennbar nicht den Anspruch erhebt, die realen Begebenheiten
wirklichkeitstreu widerzuspiegeln, eine dargestellte Person durch erfundene
Begebenheiten ergänzend charakterisieren darf (BGHZ
50, 133, 146). Dies gilt jedoch nur im Falle ausreichender Verfremdung,
die hier nicht gegeben ist.
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob auch durch die Schilderung der
schweren, zahlreiche Operationen erfordernden Krankheit von Esras Tochter
und der Art, wie diese als Mutter damit umgeht, in die Privatsphäre der
Klägerin zu 1 eingegriffen wird. Insoweit enthält auch die Fassung der
fünften Verpflichtungserklärung vom 9. Februar 2004 keine relevanten
Änderungen.
(3) Auch gegenüber der Klägerin zu 2 überschreitet der Roman den durch die
Kunstfreiheit eröffneten Spielraum. Wird das Lebensbild einer bestimmten
Person, die wie im Streitfall deutlich erkennbar als reale Person und nicht
als Typus dargestellt wird, durch frei erfundene Zutaten grundlegend und in
schwerwiegender Weise negativ entstellt, ist die durch das allgemeine
Persönlichkeitsrecht gesetzte Grenze überschritten (BGHZ 50, 133, 146 f.;
bestätigend BVerfGE 30, 173, 198 f.; kritisch Larenz/Canaris, aaO, § 80 V 2
c). Die Klägerin zu 2 wird in der Figur der Lale als eine depressive,
psychisch kranke Alkoholikerin geschildert, als eine Frau, die ihre Tochter
und ihre Familie tyrannisiert, herrisch und streitsüchtig ist, ihre Kinder
vernachlässigt hat, das Preisgeld in ihr bankrottes Hotel gesteckt hat,
ihren Eltern Land gestohlen und die Mafia auf sie gehetzt hat, gegen den
Goldabbau nur gekämpft hat, weil auf ihrem eigenen ergaunerten Grundstück
kein Gold zu finden war, eine hohe Brandschutzversicherung abgeschlossen
hat, bevor ihr Hotel in Flammen aufging, ihre Tochter zur Abtreibung
gedrängt hat, von ihrem ersten Mann betrogen und von ihrem ebenfalls
alkoholsüchtigen zweiten Mann geschlagen worden ist. Derart schwerwiegende
Entstellungen sind durch die Kunstfreiheit nicht gedeckt. Ob dieser Eingriff
in die Persönlichkeitssphäre der Klägerin zu 2 gerechtfertigt wäre, wenn das
sich aus dem Roman ergebende Charakter- und Lebensbild der Romanfigur Lale
mit den grundlegenden Wesenszügen und dem Persönlichkeitsbild der Klägerin
zu 2 übereinstimmen würde, kann dahinstehen (vgl.
BGHZ 50, 133, 146 f. für eine absolute Person der Zeitgeschichte). Denn
die Beklagte hat nach den unangegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts nicht dargelegt, daß dieses negative Bild tatsächlich
zutrifft.
5. Die Untersagung der Verbreitung des gesamten Romans ist entgegen der
Auffassung der Revision nicht unverhältnismäßig. Sie ist dann begründet,
wenn die beanstandeten Textteile für die Gesamtkonzeption des Werks bzw. für
das Verständnis des mit ihm verfolgten Anliegens von Bedeutung sind. Das
Berufungsgericht stellt zu Recht darauf ab, daß hier in die gesamte Struktur
und Darstellung eingegriffen werden müßte, da das gesamte Buch von
zahlreichen Anspielungen und Beschreibungen, die auf die Klägerinnen
hindeuten, durchzogen ist. Es ist nicht Aufgabe des Senats, hier bestimmte
Streichungen vorzunehmen, um die Persönlichkeitsrechtsverletzung auf das
gerade noch zulässige Maß zu reduzieren, da es eine Vielzahl möglicher
Varianten gäbe, wie diese Änderungen vorgenommen werden müßten und der
Charakter des Romans durch solche Eingriffe eine erhebliche Änderung
erfahren würde (vgl. Senatsurteilurteil vom 3. Juni 1975 - VI ZR 123/74 -
NJW 1975, 1882, 1885; BGH, Urteil vom 20. März 1968 - I ZR 44/66 - aaO, 1778
insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 50, 133; vgl. auch BVerfGE 30, 173, 199
f.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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