(Keine) Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts Hinterbliebener bei Verwendung eines Portraitfotos
eines nichtprominenten Verstorbenen in der Presseberichterstattung;
Voraussetzungen der Eingriffskondiktion bei der Verwendung eines Fotos
Verstorbener (Vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts)
BGH, Urteil vom 20. März 2012 - VI ZR
123/11
Fundstelle:
NJW 2012, 1728
Amtl. Leitsatz:
a) Zur Frage, ob den Eltern einer bei einem
Verkehrsunfall Getöteten eine Geldentschädigung zusteht, wenn die Presse
über das Unfallgeschehen berichtet und dabei ein ihr von dritter Seite
übergebenes neutrales Porträtfoto des Unfallopfers verbreitet hat, obwohl
die Eltern die Veröffentlichung eines Bildes ihrer Tochter abgelehnt hatten.
b) Berichtet die Presse über einen die Öffentlichkeit interessierenden
schweren Verkehrsunfall mit Todesopfer, stellt die Veröffentlichung eines
kontextneutralen Porträtfotos des Unfallopfers im Rahmen der
Berichterstattung in der Regel keine "kommerzielle Verwertung" im Sinne
einer Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten dar. Auf
eine Lizenzgebühr gerichtete Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche des
Abgebildeten bzw. seiner Erben bestehen in einem solchen Fall nicht.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche
Entscheidung zur Frage des immateriellen Schadensersatzes bei der Verletzung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Senat lässt letztlich offen, ob
eine APR-Verletzung der Hinterbliebenen vorliegt, da diese jedenfalls nicht
keine Geldentschädigung für immateriellen Schaden begründet. Die
Ausführungen zum bereicherungsrechtlichen Ausgleich in Bezug auf einen
Eingriff in die (auf die Erben übergehenden) vermögenswerten Bestandteile
des APR sind vor allem vor dem Hintergrund - un zugleich zur Abgrenzung -
der "Marlene-Dietrich"-Entscheidung (BGHZ 143, 214)
zu sehen. S. im Übrigen die im Urteil zitierten Entscheidungen, insbesondere
die Anm. zur "Oskar Lafontaine"-Entscheidung BGHZ 169, 340
sowie BGH
v. 31.5.2012 - I ZR
234/10.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Kläger machen als Erben ihrer am
27. Oktober 2005 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Tochter
gegen das beklagte Presseunternehmen Ansprüche auf Lizenzzahlung,
Geldentschädigung und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten wegen der
mehrfachen Veröffentlichung einer Fotografie ihrer Tochter in der von der
Beklagten herausgegebenen Bild-Zeitung, der Bild am Sonntag und auf einer
Webseite geltend.
2 Die damals 32-jährige kinderlose und nicht verheiratete Tochter der Kläger
wurde am genannten Tag schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem
ihr Fahrzeug von einem entgegenkommenden schleudernden Fahrzeug erfasst und
von der Straße eine Böschung hinuntergestoßen wurde. Sie erlag noch an der
UnfallsteIle ihren schweren Verletzungen. In dem Fahrzeug des
Unfallverursachers hatte sich als Beifahrer der damals insbesondere wegen
seiner Teilnahme am "Eurovision Song Contest 2004" bekannt gewordene Musiker
Max Mutzke befunden. Fahrer und Beifahrer dieses Fahrzeugs überlebten den
Unfall.
3 Zwei Tage nach dem Unfall wurde ein Mitarbeiter der im Verlag der
Beklagten erscheinenden Bild-Zeitung bei den Klägern vorstellig und bat an
der Haustür um Informationen über die Getötete und ein Foto von ihr. Die
Kläger verweigerten jegliche Angaben und erklärten ausdrücklich, dass sie
kein Foto zur Verfügung stellen wollten und mit einer Veröffentlichung eines
Fotos ihrer Tochter in der Bild-Zeitung nicht einverstanden seien. In der
Folge beschaffte sich die Beklagte von unbekannter dritter Seite eine
Porträtaufnahme der Getöteten. Dieses Foto veröffentlichte die Beklagte
jeweils in Verbindung mit ausführlichen Berichten über die an dem Unfall
beteiligten Personen und den Unfallhergang in den genannten Zeitungen. In
dem Beitrag in der Bild-Zeitung wurde auch über diverse Einzelheiten aus dem
Privatleben der Getöteten berichtet, u.a. von einer zum Unfallzeitpunkt
bestehenden Schwangerschaft.
4 Auf Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Kläger gab die Beklagte
hinsichtlich der erneuten Verbreitung des beanstandeten Fotos eine
Unterlassungsverpflichtungserklärung ab. Den daneben geltend gemachten
Zahlungsanspruch wies die Beklagte zurück. Erstinstanzlich haben die Kläger
die Zahlung von 15.000 € und Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten
verlangt.
5 Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Kläger 3.000 € und
650,53 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen; die weitergehende Klage
hat es abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten
unter Zurückweisung der auf Zahlung von 10.000 € und anteiliger
Anwaltskosten gerichteten Anschlussberufung die Klage insgesamt abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr
Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
6 Das Berufungsgericht führt u.a. aus:
7 Ein Anspruch auf Geldentschädigung zum Ausgleich immaterieller Schäden
wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der verstorbenen Tochter der
Kläger bestehe nicht. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG könne nur einer
lebenden Person zukommen. Demgegenüber wirke der Schutz durch das Gebot der
Unverletzlichkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) über den Tod hinaus.
Im Streitfall scheide die geltend gemachte Geldentschädigung schon deshalb
aus, weil ein Anspruch auf Ausgleich erlittener immaterieller Schäden nur
dem noch lebenden Träger des Persönlichkeitsrechts zustehen könne. Denn bei
der Zubilligung einer Geldentschädigung wegen schwerer
Persönlichkeitsrechtsverletzung stehe regelmäßig der Gesichtspunkt der
Genugtuung für das Opfer im Vordergrund, die einem Verstorbenen nicht mehr
verschafft werden könne. Der Gedanke der Prävention allein vermöge die
Gewährung einer Geldentschädigung nach dem Tod einer Person nicht zu tragen.
Im Übrigen würde der Anspruch vorliegend auch deshalb scheitern, weil in der
Veröffentlichung des Porträtfotos kein die Menschenwürde der Tochter der
Kläger verletzender Eingriff gesehen werden könne. Das Bildnis zeige eine
sympathische, hübsche junge Frau, die im Kontext der Berichterstattung als
unschuldiges Opfer eines Verkehrsunfalles dargestellt werde.
8 Der Klageanspruch sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer
schwerwiegenden Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts der Kläger als
Eltern der Abgebildeten begründet. Gegen Eingriffe in das
Persönlichkeitsrecht könne nur der unmittelbar Verletzte, nicht auch
derjenige vorgehen, der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das
Persönlichkeitsrecht eines anderen nur mittelbar belastet werde, solange
diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen
Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren seien. Im Streitfall sei die den
Persönlichkeitsschutz der verstorbenen Tochter berührende Veröffentlichung
von deren Bild nicht mit einer unmittelbaren Verletzung des
Persönlichkeitsrechts der Kläger als Eltern verbunden. Selbst wenn man
annehmen wolle, dass ein Teil der Leser aus der Abbildung den Schluss ziehen
könnte, dass die Kläger der Veröffentlichung des Fotos ihrer Tochter
zugestimmt hätten, und dies missbilligen könnte, läge darin jedenfalls keine
Beeinträchtigung des Geltungsanspruchs der Kläger von nennenswertem Gewicht.
9 Den Klägern stehe ebenfalls kein Anspruch auf eine fiktive Lizenzgebühr
unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder der Eingriffskondiktion
zu. Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses greife in den
vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild wie auch
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein und begründe grundsätzlich neben
dem Verschulden voraussetzenden Schadensersatzanspruch einen Anspruch aus
Eingriffskondiktion auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr. Der
Bereicherungsanspruch bestehe unabhängig davon, ob der Abgebildete bereit
oder in der Lage ist, gegen Entgelt Lizenzen für die Verbreitung und
öffentliche Wiedergabe seiner Abbildung zu gewähren. Unstreitig hätten
kommerzielle Interessen in der Person der Verstorbenen zu deren Lebzeiten
nicht bestanden. Sie sei der Öffentlichkeit nicht bekannt gewesen und ihrer
Abbildung sei weder vor noch nach ihrem Tod ein wirtschaftlicher Wert im
Sinne etwa eines Werbewerts zugekommen. Allein die Umstände ihres Todes bei
einem schweren Verkehrsunfall, an dem ein bekannter Musiker beteiligt
gewesen sei, hätten im Rahmen der Berichterstattung über dieses tragische
Ereignis zu einem publizistischen Interesse an ihrer Person geführt. Nur in
dieser Weise habe auch die Beklagte das Porträtfoto der Tochter der Kläger
verwendet. Bei dieser Fallgestaltung könne nicht von einer kommerziellen
Nutzung des Bildnisses der Verstorbenen und einem daraus resultierenden
Bereicherungsanspruch ausgegangen werden. Bei der rein publizistischen
Verwendung einer ansonsten kommerziell nicht verwertbaren Abbildung zur
Erläuterung eines redaktionellen Beitrags über ein zeitgeschichtliches
Ereignis wie hier verkörpere das veröffentlichte Bild für den Abgebildeten
keinen wirtschaftlichen Wert, der bei unbefugter Benutzung auszugleichen
wäre.
10 Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 22
KUG komme nicht in Betracht. Zwar wirke das Recht am eigenen Bild nach § 22
Satz 3 KUG über den Tod hinaus fort. Jedoch seien dem
Wahrnehmungsberechtigten aus diesem Recht lediglich Abwehransprüche
zuzuerkennen. Im Übrigen setze ein deliktischer Schadensersatzanspruch
ebenfalls den Eingriff in ein Ausschließlichkeitsrecht voraus, der
üblicherweise nur gegen Entgelt gestattet zu werden pflege, woran es hier
fehle. Dies gelte auch für den von den Klägern weiter geltend gemachten
Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
II.
11 Die Revision hat keinen Erfolg.
12 1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht einen Anspruch der
Kläger auf Zahlung des begehrten Geldbetrags verneint.
13 a) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass den Klägern
als Erben ihrer getöteten Tochter kein Anspruch auf
Geldentschädigung wegen der Verletzung deren Persönlichkeitsrechts zustehe,
wendet sich die Revision nicht.
14 b) Entgegen der Ansicht der Revision ist auch die Auffassung des
Berufungsgerichts, dass den Klägern kein Anspruch auf Geldersatz wegen der
Verletzung ihres eigenen Persönlichkeitsrechts zustehe, aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
15 aa) Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
begründet einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen
schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer
Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob eine so
schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die
Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der
gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind
insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und
Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu
berücksichtigen (st. Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurteile vom
15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 12; vom 30. Januar 1996 - VI
ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27; vom 5. Oktober 2004 -
VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04,
BGHZ 165, 203, 210; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn.
11). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter
Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit
zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch
beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl.
Senatsurteil vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO). Die Gewährung einer
Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab,
es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach
denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für
die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. Senatsurteile vom
15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO S. 12 f.; vom 24. November 2009 - VI ZR
219/08, aaO).
16 bb) Ein Anspruch der Kläger bestünde nur, wenn sie selbst durch
die Berichterstattung mit dem Porträtfoto ihrer tödlich verletzten Tochter
in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden wären.
Denn gegen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht kann nur der unmittelbar
Verletzte, nicht auch derjenige vorgehen, der von den Fernwirkungen
eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen nur mittelbar
belastet wird, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des
eigenen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren sind. Eine
Verletzung des postmortalen Schutzbereichs Verstorbener verletzt für sich
genommen noch nicht die Würde der Angehörigen, so dass allein die Abbildung
der Tochter der Kläger in für Dritte identifizierbarer Weise nicht in das
Persönlichkeitsrecht der Kläger eingreift. Selbst aus einer
spezifischen Kränkung der Familie würde noch kein eigener Anspruch auf eine
Geldentschädigung erwachsen. Erforderlich ist vielmehr, dass mit der
Verletzung des Persönlichkeitsschutzes des Verstorbenen zugleich das
Persönlichkeitsrecht des Angehörigen unmittelbar tangiert wird
(vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, aaO S. 211; BVerfG,
Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 1 BvR 402/06, ZUM 2007, 380, 382).
17 cc) Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht unter den
Umständen des Streitfalls rechtsfehlerfrei verneint.
18 Zutreffend ist die Erwägung, dass selbst dann keine
Beeinträchtigung des Geltungsanspruchs der Kläger von nennenswertem Gewicht
vorläge, wenn ein Teil der Leser aus der Abbildung den Schluss zöge, die
Kläger hätten der Veröffentlichung des Fotos ihrer Tochter zugestimmt, und
dies missbilligte.
19 Dem hält die Revision ohne Erfolg entgegen, die schwere
Persönlichkeitsrechtsverletzung der Kläger selbst liege im Streitfall
deshalb vor, weil sich die Mitarbeiter der Beklagten das später
veröffentlichte Foto beschafft hätten, obwohl die Kläger jegliche Angaben
verweigert und ausdrücklich erklärt hätten, dass sie kein Foto zur Verfügung
stellen wollten und mit einer Veröffentlichung eines Fotos ihrer Tochter in
der Bild-Zeitung nicht einverstanden seien; damit habe sich die
Beklagte über den von den Klägern geäußerten Willen mit besonderer
Rücksichts- und Skrupellosigkeit hinweggesetzt.
20 Daraus ergibt sich keine eine Geldentschädigung erfordernde
Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kläger. Wie das
Berufungsgericht in anderem Zusammenhang feststellt, führten allein die
Umstände des Todes ihrer Tochter bei einem schweren Verkehrsunfall, an dem
ein bekannter Musiker beteiligt war, im Rahmen der Berichterstattung über
dieses tragische Ereignis zu einem publizistischen Interesse an der
Person der Tochter und wurde ihr Porträtfoto nur in diesem Zusammenhang
verwendet. Auch die von den Klägern missbilligte
Wortberichterstattung über die Tochter ist in diesem Zusammenhang zu sehen.
Dabei ist nichts ersichtlich, was im Rahmen der Berichterstattung
den Geltungsanspruch der Tochter oder der in den Artikeln in keiner Weise
erwähnten Kläger in irgendeiner Weise in Frage stellen könnte.
21 Der Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Kläger als Eltern
hilft nicht weiter. Die von der Revision zitierte Rechtsprechung
zur Ausstrahlungswirkung des Art. 6 GG (BVerfGE 101, 361, 385 f.) ist auf
die Berichterstattung über den Aufsehen erregenden schweren Verkehrsunfall
der 32 Jahre alten Tochter der Kläger ersichtlich nicht zugeschnitten. Auch
der Hinweis darauf, die Beklagte habe sich das Bild durch eine strafbare
Handlung verschafft, rechtfertigt nicht die Annahme, den Klägern stehe eine
Geldentschädigung zu. Selbst wenn die Vermutung der Revision
zuträfe, die Mitarbeiter der Beklagten hätten gegenüber dem ursprünglichen
Besitzer des Fotos verschwiegen, dass die Veröffentlichung ohne die
Zustimmung der Kläger erfolgen werde, und wenn man ihrer rechtlichen Wertung
folgte, dass darin eine strafbare Handlung zu sehen sei, könnte eine schwere
Verletzung des Persönlichkeitsrechts, die eine Geldentschädigung erfordert,
nicht bejaht werden.
22 c) Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Zahlung einer
angemessenen Lizenzgebühr zu.
23 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schützen das
allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Ausprägungen über die
ideellen Interessen hinaus auch vermögenswerte Interessen der Person. Werden
diese vermögenswerten Bestandteile des Rechts durch eine unbefugte
Verwendung des Bildnisses, des Namens oder anderer kennzeichnender
Persönlichkeitsmerkmale schuldhaft verletzt, steht dem Träger des
Persönlichkeitsrechts unabhängig von der Schwere des Eingriffs ein
Ersatzanspruch zu. Die vermögenswerten Bestandteile bestehen nach
dem Tode des Trägers des Persönlichkeitsrechts jedenfalls fort, solange die
ideellen Interessen noch geschützt sind. Die entsprechenden
Befugnisse gehen auf den Erben des Trägers des Persönlichkeitsrechts über
und können von diesem entsprechend dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen
Willen des Verstorbenen ausgeübt werden. (BGH,
Urteile vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 220 ff. -
Marlene Dietrich - und - I ZR 226/97, VersR 2000,
1160, 1161 - Der Blaue Engel; vgl. auch BVerfG,
Beschluss vom 22. August 2006 - 1 BvR 1168/04, NJW 2006, 3409, 3410).
24 Insoweit kann ein Bereicherungsanspruch unabhängig davon
bestehen, ob der Abgebildete bereit oder in der Lage ist, gegen Entgelt
Lizenzen für die Verbreitung und öffentliche Wiedergabe seiner Abbildung zu
gewähren. Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses
stellt einen Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des
Rechts am eigenen Bild wie auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar
und begründet grundsätzlich - neben dem Verschulden voraussetzenden
Schadensersatzanspruch - einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auf Zahlung
der üblichen Lizenzgebühr. Bereicherungsgegenstand ist die
Nutzung des Bildnisses. Da diese nicht herausgegeben werden kann, ist nach §
818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Wer das Bildnis eines Dritten
unberechtigt für kommerzielle Zwecke ausnutzt, zeigt damit, dass er ihm
einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An der damit geschaffenen
vermögensrechtlichen Zuordnung muss sich der Verletzer festhalten lassen und
einen der Nutzung entsprechenden Wertersatz leisten. Dies gilt unabhängig
davon, ob der Abgebildete bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung
gegen Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr zu gestatten; denn der
Zahlungsanspruch fingiert nicht eine Zustimmung des Betroffenen, er stellt
vielmehr den Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in eine dem
Betroffenen ausschließlich zugewiesene Dispositionsbefugnis dar (BGH,
Urteil vom 26. Oktober 2006 - I ZR 182/04, BGHZ 169, 340 Rn. 12 - Rücktritt
des Finanzministers).
25 bb) Die Revision meint, mit dieser Rechtsprechung stehe die
Rechtsprechung des erkennenden Senats in Widerspruch. Das Berufungsgericht,
das letztlich der Senatsrechtsprechung folgt, sieht, wie seine Ausführungen
zeigen, zumindest Abgrenzungsschwierigkeiten. Ein Widerspruch
zwischen der Rechtsprechung des erkennenden Senats und der des I.
Zivilsenats besteht indes nicht.
26 (1) Der erkennende Senat hat entschieden, dass die zum Ersatz bei
Verletzung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts auch nach
dem Tod entwickelten Grundsätze sich nicht auf Fallgestaltungen übertragen
lassen, bei denen es - wie im Streitfall - um die Presseberichterstattung
über die Öffentlichkeit interessierende Ereignisse geht und bei denen
kommerzielle Interessen einer (verstorbenen) Person, die Gegenstand der
Berichterstattung war, nicht bestanden (Senatsurteil vom 6.
Dezember 2005 - VI ZR 265/04, aaO S. 209 f.). Der Grund liegt darin,
dass bei beiden Fallgestaltungen Schutzgut und Interessenlage
unterschiedlich sind.
27 (2) Die Ersatzpflicht bei der Verletzung vermögenswerter Bestandteile des
Persönlichkeitsrechts beruht auf folgender Überlegung: Der
Abbildung, dem Namen sowie sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit wie etwa
der Stimme kann ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen, der im
Allgemeinen auf der Bekanntheit und dem Ansehen der Person in der
Öffentlichkeit - meist durch besondere Leistungen etwa auf sportlichem oder
künstlerischem Gebiet erworben - beruht. Die bekannte Persönlichkeit kann
diese Popularität und ein damit verbundenes Image dadurch wirtschaftlich
verwerten, dass sie Dritten gegen Entgelt gestattet, ihr Bildnis oder ihren
Namen, aber auch andere Merkmale der Persönlichkeit, die ein Wiedererkennen
ermöglichen, in der Werbung für Waren oder Dienstleistungen einzusetzen.
Durch eine unerlaubte Verwertung ihrer Persönlichkeitsmerkmale etwa
für Werbezwecke werden daher häufig weniger ideelle als kommerzielle
Interessen der Betroffenen beeinträchtigt, weil diese sich weniger in ihrer
Ehre und ihrem Ansehen verletzt fühlen, als vielmehr finanziell
benachteiligt sehen (BGH, Urteil vom 1.
Dezember 1999 - I ZR 49/97, aaO S. 219 - Marlene Dietrich).
28 (3) Diese Erwägungen spielen dann keine maßgebliche Rolle, wenn die
Presse über die Öffentlichkeit interessierende Ereignisse berichtet und
nicht ersichtlich ist, dass kommerzielle Interessen einer - der
Öffentlichkeit bislang unbekannten - (verstorbenen) Person, die Gegenstand
der Berichterstattung war, bestanden haben könnten. In solchen
Fällen geht es der Presse nicht darum, sich die kommerzielle
Verwertungsbefugnis der Person, über die berichtet wird, anzumaßen. Vielmehr
steht das Berichterstattungsinteresse im Vordergrund. Die möglicherweise
bestehende Absicht, durch die Gestaltung der Nachricht mit einem Bild des
Betroffenen zusätzlichen Gewinn durch eine Steigerung der Auflage zu
erzielen, ist nur ein mitwirkendes Element. Die Veröffentlichung des Bildes
stellt in solchen Fällen keine "kommerzielle Verwertung" im Sinne einer
Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten dar.
29 Auch der I. Zivilsenat geht davon aus, dass eine Verletzung der
vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts nur nach
sorgfältiger Abwägung angenommen werden kann, was insbesondere gilt,
wenn sich der in Anspruch Genommene für seine Handlungen auf Grundrechte wie
die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und die Freiheit der
Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) berufen kann, wobei die mitwirkende Absicht der
Gewinnerzielung die Unbedenklichkeit des Vorgehens nicht ohne weiteres
ausschließt (BGH, Urteil vom 5. Oktober
2006 - I ZR 277/03, BGHZ 169, 193 Rn. 14 - kinski-klaus.de - unter
Berufung auch auf das Senatsurteil vom 14. November 1995 - VI ZR 410/94,
VersR 1996, 204 - Willy Brandt-Medaille). Auch nimmt der I.
Zivilsenat zutreffend an, dass den nur einfachrechtlich geschützten
vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts gegenüber der
verfassungsrechtlich geschützten Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich
kein Vorrang zukommt (BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - I ZR 96/07,
VersR 2009, 1543 Rn. 14 - Zerknitterte Zigarettenschachtel).
30 Dem von der Revision herausgestellten Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 2006 (I ZR 182/04, aaO) ist nichts
Abweichendes zu entnehmen. Dort ging es darum, dass ein Leasingunternehmen
ein Foto von Oskar Lafontaine unter Bezugnahme auf dessen Rücktritt als
Finanzminister für eine Werbeanzeige verwendet hatte. Der Bundesgerichtshof
hat die auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr gerichtete Klage Oskar
Lafontaines zwar deshalb abgewiesen, weil die Verbreitung der Fotografie in
der Werbeanzeige gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KUG erlaubt gewesen sei. Es
ist aber nicht ersichtlich, dass die allgemeinen, für die Entscheidung des
Rechtsstreits letztlich unerheblichen Erwägungen (Rn. 12) als Abweichung von
den oben erläuterten Grundsätzen auch des I. Zivilsenats zur Geltendmachung
von Ansprüchen bei der Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des
postmortalen Persönlichkeitsrechts verstanden werden sollen.
31 cc) Danach ist der von den Klägern im Streitfall geltend gemachte
Anspruch auf Zahlung einer Lizenzgebühr zu verneinen. Das Berufungsgericht
stellt fest, kommerzielle Interessen in der Person der verstorbenen Tochter
der Kläger an einer Vermarktung ihrer Person hätten zu deren Lebzeiten nicht
bestanden. Sie sei der Öffentlichkeit nicht bekannt gewesen, ihrer Abbildung
sei weder vor noch nach ihrem Tod ein wirtschaftlicher Wert im Sinne etwa
eines Werbewerts zugekommen. Diese Feststellungen stellt die
Revision nicht in Frage.
32 Unter diesen Umständen nimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei an,
dass bei der rein publizistischen Verwendung einer ansonsten kommerziell
nicht verwertbaren Abbildung zur Erläuterung eines redaktionellen Beitrags
über ein zeitgeschichtliches Ereignis das veröffentlichte Bild für den
Abgebildeten keinen wirtschaftlichen Wert verkörpert, der bei unbefugter
Benutzung auszugleichen wäre.
33 dd) Der Anspruch auf eine Lizenzentschädigung scheidet danach auch dann
aus, wenn als Anspruchsgrundlage nicht die Vorschriften über die
ungerechtfertigte Bereicherung, sondern deliktsrechtliche Vorschriften in
Betracht gezogen werden.
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