Keine analoge Anwendung von § 4 HaftPflG/§ 9 StVG
im Rahmen von § 831 BGB; Anrechnung der Betriebsgefahr aus § 7 StVG/§ 1
HaftpflG analog § 254 BGB
BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - VI ZR
150/12 - LG Görlitz
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Bei Ansprüchen aus § 831 Abs. 1 BGB ist § 4
Halbsatz 2 HPflG nicht entsprechend anwendbar.
b) Im Rahmen der Betriebsgefahr, die sich der Halter eines Kraftfahrzeugs
entgegenhalten lassen muss, wenn er Ersatz seines Unfallschadens nach § 823
Abs. 1 BGB verlangt, ist als ein die allgemeine Betriebsgefahr erhöhender
Umstand auch das für den Unfall mitursächliche haftungsrelevante Verhalten
des Fahrers zu berücksichtigen.
Zentrale Probleme:
Ein sch öner und interessanter Fall aus
dem Haftungsrecht: Eine Straßenbahn verursacht einen Unfall mit einem
Kraftfahrzeug. Dabei ist von einem Mitverschulden des Fahrers des
Kraftfahrzeugs auszugehen. Der Eigentümer des Kraftfahrzeugs klagt nun gegen
das Straßenbahnunternehmen auf Schadensersatz. Hier besteht ein
verschuldensunabhängiger Anspruch aus § 1 HPflG (Gefährdungshaftung). Nach §
4 HPflG muss sich jedoch der Geschädigte sein Mitverschulden nach § 254 BGB
anrechnen lassen. Wird eine Sache beschädigt,
so steht nach § 4 HPflG ein Verschulden desjenigen, der die tatsächliche
Gewalt über die Sache ausübt (also hier des Fahrers), dem Verschulden des
Geschädigten gleich. Es kommt also hier zu einer Anrechnung der Haftung von
Hilfspersonen, auch wenn diese nach § 254 Abs. 2 S. 2 BGB deshalb nicht
eingreifen würde, weil sich die dortige Verweisung zwar auch auf das
haftungsbegründende Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB bezieht, jedoch
eine Rechtsgrundverweisung auf § 278 BGB darstellt. Das bedeutet, dass
bereits vor dem schädigenden Ereignis ein Schuldverhältnis zwischen dem
Schädiger und dem Geschädigten bestehen müsste (s. dazu die Anm. zu
BGH v. 15.5.2013 - VII ZR
257/11). Das
war hier gerade nicht der Fall.
Da im konkreten Fall aber auch ein Verschulden des Straßenbahnführers
vorlag, haftet das Straßenbahnunternehmen auch nach § 831 BGB, da der
Straßenbahnführer Verrichtungsgehilfe ist. Das setzt freilich voraus, dass
die in § 831 BGB ermöglichte Exkulpation nicht gelingt. Nun stellt sich die
Frage, ob die Anrechnung von Mitverschulden des Fahrers des Kraftfahrzeugs,
die § 254 Abs. 2 S. 2 BGB hier nicht hergeben würde, in analoger Anwendung
von § 4 HPflG erfolgen kann. Der Senat verneint das zu Recht. Dabei erfolgen
grundsätzliche Ausführungen zu den Voraussetzungen einer Analogie. Zu Recht
betont der Senat, dass es sich bei den Gefährdungshaftungstatbeständen und
ihrer einzelnen Ausgestaltung um Ausnahmevorschriften handelt, die
grundsätzlich nicht analogiefähig sind.
Im Ergebnis weicht er aber von dem Berufungsgericht deshalb nicht ab, weil
sich der klagende Eigentümer des Kraftfahrzeugs seine eigene Betriebsgefahr
nach § 7 StVG im Rahmen einer analogen Anwendung von § 254 Abs. 1 BGB
ohnehin zurechnen lassen muss (s. dazu die Anm. zu
BGHZ 173, 182 sowie
BGH v. 20.3.2012 - VI ZR 114/11).
Es bedarf also gar nicht der Zurechnung eines Verschuldens des Fahrers.
Die gleiche Problematik würde
sich stellen, wenn es sich um einen durch ein Kraftfahrzeug verursacht des
Schaden handeln würde. § 9 StVG sieht nämlich die gleiche Regelung vor wie §
4 HPflG.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Der Kläger verlangt von den
Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 11. Januar 2007. Eine
Straßenbahn der Beklagten zu 1), die vom Beklagten zu 2) gefahren wurde,
stieß gegen einen zum Betriebsvermögen des Klägers gehörenden und von der
Drittwiderbeklagten gefahrenen Pkw. Dieser hatte sich im Bereich der auf der
Straße verlegten Schienen zum Linksabbiegen eingeordnet und war dort
verkehrsbedingt zum Stehen gekommen.
2 Das Amtsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den
Kläger 2.889,64 € (zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens) nebst
Verzugszinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen. Die Beklagte zu
1) hat es darüber hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 1.444,82 € nebst
Verzugszinsen und weitere Anwaltskosten zu zahlen. Einer von der Beklagten
zu 1) wegen ihres eigenen Schadens gegen den Kläger und die
Drittwiderbeklagte erhobenen Widerklage hat das Amtsgericht teilweise
stattgegeben. Im Übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen.
3 Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Sie haben
beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern, soweit sie über den Betrag in
Höhe von 1.444,82 € hinaus nebst Verzugszinsen und einem Teil der
Anwaltskosten verurteilt worden sind. Das Landgericht hat das
amtsgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen
abgeändert, soweit die Beklagte zu 1) verurteilt worden ist, dem Kläger mehr
als zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens zu ersetzen, und soweit beide
Beklagte hinsichtlich des zweiten Drittels der Hauptforderung
gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Zinsen für den Zeitraum vor Eintritt der
Rechtshängigkeit verurteilt worden sind und die Beklagten eine Abänderung
wegen der vorgerichtlichen Anwaltskosten beantragt haben; im Umfang der
Abänderung hat es die Klage abgewiesen. Nach Rücknahme der Revision durch
die Drittwiderbeklagte und der Revision des Klägers gegen die Beklagte zu 2)
ist Gegenstand der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision des Klägers
nur noch die vollständige Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 1).
Entscheidungsgründe:
I.
4 Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist (LG
Görlitz, Urteil vom 19. März 2012 - 2 S 76/11), hat ausgeführt, dem Kläger
stehe dem Grunde nach gegen die Beklagte zu 1) aus § 1 Abs. 1 HPflG und
gegen den Beklagten zu 2) aus § 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf
Schadensersatz zu, der - wie vom Amtsgericht angenommen - wegen des dem
Kläger zuzurechnenden Mitverschuldens der Drittwiderbeklagten nach §§ 9
StVG, 254 BGB mit zwei Dritteln des Gesamtschadens zu bemessen sei. Die vom
Amtsgericht vorgenommene Haftungsverteilung sei nicht zu beanstanden.
5 Ein darüber hinausgehender Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 831
Abs. 1 Satz 1 BGB auf Zahlung weiterer 1.444,82 € bestehe nicht, weil auch
dieser Anspruch um den Haftungsanteil des Klägers von einem Drittel zu
kürzen sei. Zwar treffe den Kläger selbst kein Mitverschulden. Jedoch sei
dem Kläger das Mitverschulden der Drittwiderbeklagten in analoger Anwendung
des § 4 HPflG zuzurechnen. Die Vorschrift des § 9 StVG, welche eine dem § 4
HPflG vergleichbare Regelung enthalte, gelte zwar nach vorherrschender
Auffassung ausschließlich für die Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz;
eine analoge Anwendung auf das Deliktsrecht werde abgelehnt. Dem könne aber
jedenfalls in Bezug auf Ansprüche aus § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gefolgt
werden. Die vorherrschende Auffassung stütze sich auf das Urteil des Bundes-gerichtgshofs
vom 30. März 1965 - VI ZR 257/63, VersR 1965, 523 f., wonach in der
Verschuldenszurechnung nach § 9 StVG ein gewollter Ausgleich dafür liege,
dass die Haftung des Kraftfahrzeugführers nach dem Straßenverkehrsgesetz
anders als die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB schon bei vermutetem
Verschulden eingreife. Diese Begründung lasse sich nicht auf Ansprüche aus §
831 Abs. 1 Satz 1 BGB übertragen, weil diese Vorschrift - wie § 18 StVG,
aber anders als § 823 Abs. 1 BGB - eine Haftung für vermutetes Verschulden
normiere. Zudem führe die Ablehnung der entsprechenden Anwendung von § 4
HPflG zu einem unbilligen Ergebnis, weil die Beklagte zu 1) dann auch in
vollem Umfang haften müsste, wenn der Unfall alleine von der
Drittwiderbeklagten zu vertreten wäre.
6 Die Revision werde zugelassen, weil die analoge Anwendung des § 4 HPflG
auf § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB klärungsbedürftig sei.
II.
7 1. Die Revision ist teilweise als unzulässig zu verwerfen (§ 552 Abs. 1
ZPO).
8 Sie ist unzulässig, soweit das Berufungsgericht dem Kläger hinsichtlich
des zweiten Drittels der geltend gemachten Hauptforderung gegen die Beklagte
zu 1) Zinsen nur für die Zeit ab Eintritt der Rechtshängigkeit und geringere
vorgerichtliche Anwaltskosten zugesprochen hat. Diese Abänderungen werden
zwar von dem auf Zurückweisung der Berufung gerichteten Revisionsantrag des
Klägers umfasst. Seine Revision ist aber insoweit mangels Angabe von
Revisionsgründen unzulässig (§ 551 Abs. 3). Bezieht sich die Revision auf
mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, muss zu jedem Anspruch eine
ausreichende Revisionsbegründung gegeben werden (BAG, Urteil vom 17. Juli
2007 - 9 AZR 819/06, NJW 2007, 3739 Rn. 31 f.). Die Revisionsbegründung des
Klägers wendet sich ausschließlich dagegen, dass das Berufungsgericht eine
Haftung der Beklagten zu 1) im Umfang von mehr als zwei Dritteln der geltend
gemachten Hauptforderung verneint hat. Diese Rüge erfasst die in Rede
stehenden Teile der Ansprüche auf Ersatz von Zinsen und Anwaltskosten nicht.
9 2. Soweit das Berufungsgericht dem Kläger den vom Amtsgericht zuerkannten
weitergehenden Ersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) im Umfang von mehr
als zwei Dritteln des ihm unstreitig entstandenen Schadens aberkannt hat,
hält dies einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
10 a) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts,
der als solcher außer Streit stehende Anspruch des Klägers aus § 1 Abs. 1
HPflG sei um einen Mithaftungsanteil des Klägers von einem Drittel zu
kürzen. Die zum Unfallhergang getroffenen Feststellungen und die
auf dieser Grundlage vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Verursachungs-
und Verantwortungsbeiträge greift die Revision nicht an. Rechtliche
Grundlage für die Haftungsverteilung bei der Anrechnung einer Mithaftung als
Halter eines Kraftfahrzeugs oder als Betriebsunternehmer einer Bahn sind die
Sonderregelungen der §§ 17 StVG, 13 HPflG (vgl. Senat, Urteil vom
8. März 1960 - VI ZR 113/58, VersR 1960, 632; Filthaut, Haftpflichtgesetz,
8. Aufl., § 4 Rn. 2). Bei Anwendung dieser Vorschriften ist die erfolgte
Abwägung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den vom
Berufungsgericht gebilligten Ausführungen des Amtsgerichts zur
Haftungsverteilung war der Kläger auch Halter des zu seinem Betriebsvermögen
gehörenden Pkw. Dies stellt die Revision auch nicht in Frage. Der
Umfang der Ersatzpflicht des Klägers und der Beklagten zu 1) hängt mithin
nach § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1, 2, 4 StVG, § 1 Abs. 1, § 13 Abs. 1, 2, 4 HPflG
ebenfalls von einer Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ab.
Dabei ist auch nach diesen Vorschriften in erster Linie das Maß der
Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung
beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor
der Abwägung (vgl. Senat, Urteile vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02,
VersR 2003, 783, 785 f.; vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04, VersR 2006,
369 Rn. 16; vom 16. Oktober 2007 - VI ZR 173/06, VersR 2008, 126 Rn. 16).
11 b) Mit Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die
Annahme des Berufungsgerichts, eine über den Anspruch aus § 1 Abs. 1 HPflG
hinausgehende Haftung der Beklagten zu 1) gemäß § 831 Abs. 1 BGB scheide
deshalb aus, weil der Kläger sich in entsprechender Anwendung von § 4
Halbsatz 2 HPflG ein Mitverschulden der Drittwiderbeklagten anrechnen lassen
müsse, die als Fahrerin die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug ausübte
.
12 aa) § 4 HPflG gilt auf Grund seiner systematischen Stellung im
Haftpflichtgesetz ausschließlich für die in diesem Spezialgesetz geregelten
Haftpflichttatbestände (Filthaut, aaO Rn. 16). Wie das
Berufungsgericht richtig gesehen hat, ist die dem § 4 Halbsatz 2 HPflG
entsprechende Regelung in § 9 StVG nach gefestigter Rechtsprechung des
erkennenden Senats auf Ansprüche aus § 823 BGB nicht entsprechend
anzuwenden, weil dies die vom Gesetzgeber gewollten Unterschiede beider
Haftungssysteme verwischen würde (Senat, Urteile vom 30. März 1965
- VI ZR 257/63, VersR 1965, 523 f.; vom 25. März 1980 - VI ZR 61/79, VersR
1980, 740, 741, insoweit in BGHZ 76, 397 ff. nicht abgedruckt; vom 10. Juli
2007 - VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 Rn. 10 ff.; so auch OLG Hamm VersR 1996,
347 f.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., §
9 StVG Rn. 1; aA Klimke VersR 1988, 329, 330). Für § 4 Halbsatz 2 HPflG und
für weitere inhaltsgleiche Vorschriften in anderen Sondergesetzen, wie §§ 34
LuftVG, 27 AtomG, 118 BBergG, 11 UmweltHG, § 6 Abs. 1 ProdHaftG, § 32 Abs. 3
Satz 1 GenTG, kann nichts anderes gelten (vgl. Filthaut, aaO; Geigel/Knerr,
Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 2. Kap. Rn. 21; Palandt/Grüneberg, BGB,
72. Aufl., § 254 Rn. 52; So-ergel/Mertens, BGB, Stand: Juli 1990, § 254 Rn.
106; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rn. 108;
Wussow/Kürschner, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 55 Rn. 20).
13 bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der
Revisionserwiderung kommt auch eine analoge Anwendung der genannten
Vorschriften im Rahmen von Ansprüchen aus § 831 Abs. 1 BGB nicht in
Betracht. Zwar kann allein die Erwägung, in den Einschränkungen der
Haftung nach den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes, u.a. nach § 9
StVG, liege ein gewollter Ausgleich dafür, dass die Haftung des
Kraftfahrzeugführers anders als nach § 823 BGB schon bei vermutetem
Verschulden eintrete (Senat, Urteil vom 30. März 1965 - VI ZR 257/63, aaO),
die Ablehnung einer Analogie in Bezug auf Ansprüche aus § 831 Abs. 1 BGB
nicht tragen, weil auch eine Haftung nach dieser Vorschrift schon bei einem
nur vermuteten Verschulden des Geschäftsherrn eingreift. Eine analoge
Anwendung der in den oben aufgeführten Sondergesetzen geregelten
Haftungseinschränkung im Rahmen der allgemeinen deliktischen Ansprüche aus
den §§ 823 ff. BGB ist jedoch auch dann abzulehnen, wenn diese Ansprüche
schon bei einem vermuteten Verschulden eingreifen (vgl. Senat, Urteil vom 7.
Januar 1992 - VI ZR 17/91, VersR 1992, 455, 456 zu § 832 BGB).
14 Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke
enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit
mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass
angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung,
bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem
Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen
Abwägungsergebnis gekommen. Die Unvollständigkeit des Gesetzes muss
"planwidrig" sein (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - IX ZR
92/05, BGHZ 170, 187 Rn. 15 mwN). Eine solche "planwidrige"
Regelungslücke liegt bezüglich der Haftung aus § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht
vor.
15 Der Rechtssatz, dass bei einer Sachbeschädigung ein Verschulden des
Inhabers der tatsächlichen Gewalt über die Sache einem Mitverschulden des
geschädigten Eigentümers gleichsteht, geht zurück auf landesrechtliche
Vorschriften über die Haftpflicht der Eisenbahnen aus dem 19. Jahrhundert
(Verhandlungen des Reichstages 1909, Bd. 248, 5593, 5599). Der Rechtssatz
wurde im Zuge einer reichseinheitlichen Regelung in § 3 des Gesetzes über
die Haftpflicht der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschaden vom 29.
April 1940 übernommen (RGBl. I S. 691) und sodann durch Art. 1 Nr. 3 des
Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 16. August 1977 (BGBl.
I S. 1577, 1578) ohne inhaltliche Änderungen in das Haftpflichtgesetz
überführt. Nach dem Vorbild der Eisenbahnhaftung wurde der Rechtssatz in § 9
des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 (RGBl. I
S. 437, 439), dem heutigen Straßenverkehrsgesetz, aufgenommen. Dabei hat der
Gesetzgeber ausweislich der Amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs bewusst
eine auf den Bereich dieses Gesetzes beschränkte Sonderregelung geschaffen,
weil gegenüber der verschärften Haftpflicht des Automobilhalters das
Verschulden des Inhabers der Sache billiger Weise nicht unberücksichtigt
bleiben könne (Verhandlungen des Reichstages 1909, aaO).
16 Die Regelungen betreffend die Haftung für Eisenbahnen beziehungsweise
Kraftfahrzeuge sowie die entsprechende Regelung in § 20 des
Luftverkehrsgesetzes vom 1. August 1922 (RGBl. I S. 681, 684), dem heutigen
§ 34 LuftVG, hat der Gesetzgeber bei der Schaffung weiterer
spezialgesetzlicher Haftpflichttatbestände inhaltsgleich in § 27 des
Atomgesetzes vom 23. Dezember 1959 (BGBl. I S. 814, 821), § 118 des
Bundesberggesetzes vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310, 1343), § 6 Abs. 1
des Produkthaftungsgesetzes vom 15. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2198, 2199), §
32 Abs. 3 Satz 1 des Gentechnikgesetzes vom 20. Juni 1990 (BGBl. I S. 1080,
1092) und § 11 des Umwelthaftungsgesetzes vom 10. Dezember 1990 (BGBl. I S.
2634, 2636) übernommen. Auch aus den Begründungen zu den diesen Bestimmungen
zugrunde liegenden Gesetzentwürfen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür,
dass der Gesetzgeber einen Regelungsplan verfolgt hätte, der über den
Bereich der jeweils spezialgesetzlich geregelten Haftpflichttatbestände
hinausgegangen wäre (BT-Drucks. 3/759 S. 37, 8/1315 S. 144, 11/2447 S. 21,
11/5622 S. 34, 11/7104 S. 20).
17 Dies ist auch nachvollziehbar, weil es sich - abgesehen von der
Fahrerhaftung nach § 18 StVG - bei allen in Rede stehenden Haftungsnormen
(§ 1 Abs. 1 HPflG, § 7 Abs. 1 StVG, § 33 Abs. 1 Satz 1 LuftVG, § 25 Abs. 1,
§ 26 Abs. 1 Satz 1 AtomG, § 114 Abs. 1 BBergG, § 1 Abs. 1 ProdHaftG, § 32
Abs. 1 GenTG, § 1 UmweltHG) anders als bei § 823 BGB und § 831 BGB
um Tatbestände der Gefährdungshaftung handelt, die unabhängig von einem
rechtswidrigen und schuldhaften Handeln des Haftpflichtigen eingreifen. Im
Übrigen hat der Gesetzgeber etwaige Billigkeitserwägungen, die für eine
Übertragung der in den Spezialgesetzen bestehenden Regelungen auf den
Bereich der Verschuldenshaftung sprechen könnten, im Rahmen der Änderungen
des Schadensrechts durch das 2. Gesetz zur Änderung
schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 nicht zum Anlass
genommen, an dieser Rechtslage etwas zu ändern (Senat, Urteil vom
10. Juli 2007 - VI ZR 199/06, aaO Rn. 13; Geyer, NZV 2005, 565, 567).
18 Soweit § 9 StVG auf Grund der Verweisung in § 18 Abs. 1 Satz 1
StVG auch im Rahmen der Fahrerhaftung anwendbar ist, die nur bei
nachweislich fehlendem Verschulden ausgeschlossen ist (§ 18 Abs. 1 Satz 2
StVG), handelt es sich um einen speziellen Einzelfall. Die
Verweisung ist Ausfluss der Grundentscheidung des Gesetzgebers, die Haftung
des Fahrers in das spezialgesetzlich geregelte Haftungssystem des
Straßenverkehrsgesetzes einzubeziehen und sie - abgesehen von der
Exkulpationsmöglichkeit - durch den umfassenden Verweis auf die §§ 8 bis 17
StVG der Halterhaftung gleichzustellen (vgl. die Amtliche Begründung des
Gesetzentwurfs, Verhandlungen des Reichstages 1909, Bd. 248, 5593, 5601).
Daraus lassen sich hinsichtlich der Anwendbarkeit dieser Bestimmungen keine
Schlüsse ziehen, die über den Kontext dieses umfassend geregelten speziellen
Haftungssystems hinausgehen.
19 c) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass dem Kläger gegen die Beklagte
zu 1) aus § 831 Abs. 1 BGB kein Anspruch auf Zahlung weiterer 1.444,82 €
zusteht, erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
20 Zwar trifft zu, dass der Kläger selbst keinen Fehler bei der
Bedienung seines Kraftfahrzeugs gemacht hat, den er sich nach § 254 Abs. 1
BGB anrechnen lassen müsste. Die Revisionserwiderung weist aber mit Recht
darauf hin, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats
die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs in erweiternder Auslegung des § 254
BGB anspruchsmindernd auswirken kann, wenn sich der Geschädigte die
Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs dem Schädiger gegenüber zurechnen
lassen muss (vgl. Senat, Urteile vom 20. Januar 1954 - VI ZR
118/52, BGHZ 12, 124, 128; vom 13. April 1956 - VI ZR 347/54, BGHZ 20, 259,
260 ff.; vom 5. April 1960 - VI ZR 49/59, VersR 1960, 636, 637; vom 30. Mai
1972 - VI ZR 38/71, VersR 1972, 959, 960;
vom 10. Juli 2007 - VI ZR 199/06,
BGHZ 173, 182 Rn. 16; siehe auch BGH, Urteil vom 23. Juni
1952 - III ZR 297/51, BGHZ 6, 319, 320 ff.). Das ist der Fall, wenn
der Geschädigte - wie im Streitfall der Kläger - zugleich als Halter des
beschädigten Kraftfahrzeugs dem Schädiger gegenüber aus § 7 Abs. 1 StVG
haftet. In einem solchen Fall ist im Rahmen der Betriebsgefahr, die sich der
Halter entgegenhalten lassen muss, wenn er Ersatz seines Unfallschadens nach
§ 823 Abs. 1 BGB verlangt, als ein die allgemeine Betriebsgefahr erhöhender
Umstand auch das für den Unfall mitursächliche haftungsrelevante Verhalten
des Fahrers selbst dann zu berücksichtigen, wenn der Fahrzeughalter für
dessen Verhalten nicht nach § 831 BGB einzutreten braucht (vgl.
Senat, Urteil vom 20. Januar 1954 - VI ZR 118/52, aaO, 128 f.; MünchKommBGB/Oetker,
6. Aufl., § 254 Rn. 114; Staudinger/Schiemann, aaO, § 254 Rn. 108, 117).
Darin zeigt sich, dass bei der hier vorliegenden Konstellation, bei der der
geschädigte Eigentümer zugleich Halter des Kfz ist, bereits keine
Regelungslücke vorliegt.
21 Die danach auch im Rahmen eines möglichen Anspruchs aus § 831 Abs. 1 BGB
gebotene Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge haben die
Vorinstanzen - wie ausgeführt - bereits vorgenommen. Diese von der Revision
nicht angegriffene Abwägung muss hinsichtlich aller konkurrierenden
Ansprüche gleich ausfallen, weil bei der erweiternden Auslegung des § 254
BGB für die Schadensverteilung dieselben Maßstäbe maßgebend sind, wie bei
den ihm nachgebildeten Vorschriften des § 17 Abs. 1 StVG und des § 13 Abs. 1
HPflG (vgl. Senatsurteile vom 20. Januar 1954 - VI ZR 118/52, aaO, 129; vom
13. April 1956 - VI ZR 347/54, aaO, 263). Dies führt dazu, dass auch der
Anspruch des Klägers aus § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB um dessen Mithaftungsanteil
von einem Drittel zu kürzen ist.
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