Maximaldauer der
Testamentsvollstreckung; "Amtstheorie"
BGH, Urteil vom 5. Dezember
2007 - IV ZR 275/06
Fundstelle:
JuS 2008, 281 (Wellenhofer)
BGHZ 174, 346
NJW 2008, 1157
Amtl. Leitsatz:
a) Die Fortdauer der
Testamentsvollstreckung über 30 Jahre hinaus unterliegt gemäß § 2210 BGB
einer zeitlichen Begrenzung.
b) Sind seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen und soll die Verwaltung des
Nachlasses nach dem Willen des Erblassers über 30 Jahre hinaus bis zum Tode
des Testamentsvollstreckers fortdauern, verliert die Anordnung der
Dauertestamentsvollstreckung ihre Wirksamkeit mit dem Tode des letzten
Testamentsvollstreckers, der innerhalb von 30 Jahren seit dem Erbfall zum
Testamentsvollstrecker ernannt wurde.
Zentrale Probleme:
Es geht wieder einmal um den Fall "Hohenzollern" (s.
bereits
BGHZ
140, 118 ff; BGH
NJW 2006, 2856
sowie
BVerfG NJW 2004, 2008 ff.). Diesmal steht die
Frage der Testamentsvollstreckung im Mittelpunkt. Diese kann nach § 2210 S.
1 BGB maximal für 30 Jahre angeordnet werden, § 2210 S. 2 läßt es aber zu,
die Vollstreckung bis zum Tode des Testamentsvollstreckers zu verlängern.
Damit könnte der Erblasser durch die gestaffelte Einsetzung von
Vollstreckern die Vollstreckung doch unendlich gestalten. Daß dies nicht
sein darf, ist in der Lit. unstreitig, im Einzelnen gehen die Ansichten aber
auseinander. Der BGH schließt sich hier gegen die h.M., welche der
"Generationentheorie" folgt, der "Amtstheorie" an: Maßgeblich ist
allein derjenige Testamentsvollstrecker, der z.Zt. des Ablaufs der
30-Jahres-Frist im Amt ist (nach der "Generationentheorie" müßte er z.Zt.
des Erbfalls gelebt haben). Nach seinem Tod ist die Vollstreckung zwingend
beendet.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Das Verfahren betrifft die Testamentsvollstreckung über den Nachlass des
am 20. Juli 1951 verstorbenen ehemaligen Kronprinzen Wilhelm Prinz von
Preußen (Erblasser), dem ältesten Sohn des 1941 verstorbenen ehemaligen
Deutschen Kaisers Wilhelm II.. Der Beklagte ist der älteste Sohn des am 25.
September 1994 verstorbenen Louis Ferdinand Prinz von Preußen, der wiederum
zweitältester Sohn des Erblassers war. Die Kläger begehren unter Berufung
auf ihr Amt als Testamentsvollstrecker des Erblassers mit ihrer Klage die
Herausgabe von Inventar einer vom Beklagten bewohnten Villa, das nach ihrer
Behauptung zum Nachlass gehört. Der Beklagte tritt der Klage entgegen und
beantragt widerklagend festzustellen, dass die Anordnung der
Dauertestamentsvollstreckung des Erblassers über seinen Nachlass mit dem
Tode seines zweiten Sohnes unwirksam geworden sei.
2 Dem Streit der Parteien um die Dauer der Testamentsvollstreckung liegen
zwei letztwillige Verfügungen des Erblassers aus den Jahren 1938 und 1950
zugrunde. 1938 schloss dieser mit seinem zweiten Sohn unter Beteiligung von
Wilhelm II. einen Erbvertrag. Darin wurde Louis Ferdinand Prinz von Preußen
zum alleinigen Erben eingesetzt (§ 1 Abs. 1 Satz 1) mit verschiedenen Vor-
und Nacherbschaftsregelungen unter Einbeziehung der Grundsätze der "alten
Hausverfassung des Brandenburg-Preußischen Hauses"; die Erbfolge nach dem
Erblasser ist nach wie vor umstritten. Darüber hinaus ordnete der Erblasser
zur Ausführung seines letzten Willens Testamentsvollstreckung an (§ 4). Er
legte fest, wer als Testamentsvollstrecker zur Verwaltung des Nachlasses
berufen sein sollte (§§ 5, 8 Abs. 1 Nr. 3), und traf diesbezüglich in § 8
Abs. 2 folgende Bestimmung:
"Die Verwaltung der Testamentsvollstrecker soll solange bestehen, als es das
Gesetz zuläßt (BGB § 2210), also mindestens dreißig Jahre nach dem Tode des
Kronprinzen, mindestens bis zum Tode des Erben (Nacherben) und mindestens
bis zum Tode der Testamentsvollstrecker oder ihrer Nachfolger."
3 In dem 1950 errichteten Testament hielt der Erblasser den Erbvertrag von
1938 aufrecht. Unter Ziffer 6 des Testaments bestimmte er jedoch Folgendes:
"In Abänderung des Paragraphen 5 des Erbvertrages von 1938 werden als
Testamentsvollstrecker für die Ausführung des Erbvertrages von 1938 und
dieser letztwilligen Verfügung ernannt:
1).C. H. Graf von H. ,
2).Dr. H. J.
3).Rechtsanwalt F. von S. .
Zu Ersatztestamentsvollstreckern ernenne ich:
für den Testamentsvollstrecker zu 1.): K. von S. ,
für den Testamentsvollstrecker zu 2.): Herrn O. M.
, für den Testamentsvollstrecker zu 3.): Rechtsanwalt R. Graf von G. .
Sind ein oder mehrere Testamentsvollstrecker oder
Ersatztestamentsvollstrecker fortgefallen oder erfolgt dies während der
Dauer der Testamentsvollstreckerschaft, so soll der Präsident des Deutschen
Bundesgerichts auf Vorschlag der noch vorhandenen Testamentsvollstrecker
Ersatztestamentsvollstrecker ernennen."
4 Die vom Erblasser persönlich ernannten Testaments- und
Ersatztestamentsvollstrecker sind inzwischen alle weggefallen. Die derzeit
amtierenden Testamentsvollstrecker - der Kläger zu 1 (Jahrgang 1940) seit
2004, der Kläger zu 2 (Jahrgang 1948) seit 1975 - wurden vom Präsidenten des
Bundesgerichtshofes in ihr Amt berufen.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage
stattgegeben. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil nur über die
Widerklage entschieden und diese abgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten
Revision erstrebt der Beklagte insoweit die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
6 Die zulässige Revision ist nicht begründet.
7 I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZEV 2007, 335 ff. abgedruckt
ist, hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die
Dauertestamentsvollstreckung nach dem am 20. Mai 1951 (gemeint: 20. Juli
1951) verstorbenen Erblasser nicht beendet. Der Erblasser habe wirksam die
Fortdauer der Testamentsvollstreckung kumulativ bis zum Tode des
Testamentsvollstreckers oder des Erben angeordnet, und zwar je nachdem,
welches dieser Ereignisse zuletzt eintrete. Die Testamentsvollstreckung
solle so lange andauern, wie irgend möglich. Jedenfalls der Beendigungsgrund
"Tod des Testamentsvollstreckers" sei bisher nicht eingetreten. Bei ihm
komme es auf das Ableben des letzten bei Ablauf der 30-Jahres-Frist des §
2210 Satz 1 BGB amtierenden Testamentsvollstreckers an. Da der Kläger zu 2
bereits im Jahre 1975 - und damit vor Ablauf der 30-jährigen Frist am 20.
Juli 1981 - durch Erklärung des Präsidenten des Bundesgerichtshofes zum
Testamentsvollstrecker bestimmt worden sei, bestehe die
Dauertestamentsvollstreckung fort.
8 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
9 1. Das Berufungsgericht geht stillschweigend davon aus, dass einen Streit
darüber, ob eine Testamentsvollstreckung beendet ist, das Prozessgericht und
nicht das Nachlassgericht zu entscheiden hat. Damit befindet es sich in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 41, 23,
28).
10 2. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die im Erbvertrag angeordnete
Testamentsvollstreckung nach dem Willen des Erblassers so lange wie irgend
möglich andauern solle, und die vom Berufungsgericht in Bezug genommene
Würdigung des Landgerichts, § 8 Abs. 2 des Erbvertrages lasse keinen Zweifel
daran, dass die Vertragschließenden und insbesondere der Erblasser
angestrebt hätten, das "Hausvermögen" so lange wie irgend möglich als
abgegrenzte Vermögensmasse rechtlich verselbständigt zu halten, stehen im
Einklang mit der Auslegung des Erbvertrages durch den Senat (vgl. BGHZ 140,
118, 129).
11 3. Das weitere Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, nach dem der
Erblasser in § 8 Abs. 2 des Erbvertrages die Fortdauer der
Dauertestamentsvollstreckung bis zum Tod des Erben oder der
Testamentsvollstrecker angeordnet habe, und zwar je nachdem, welches dieser
Ereignisse zuletzt eintrete, ist - entgegen der von der Revision vertretenen
Ansicht - ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar kann ein Erblasser
letztwillig verfügen, dass die Testamentsvollstreckung endet, wenn -
alternativ - entweder der "Tod des Erben" oder der "Tod des
Testamentsvollstreckers" eingetreten ist (vgl. Crome, System des Deutschen
Bürgerlichen Rechts Bd. V Erbrecht [1912] S. 29 Fn. 61 i.V. mit S. 27 Fn.
41). Zwingend ist dies jedoch nicht. Der Erblasser kann vielmehr das Ende
der Testamentsvollstreckung nach § 2210 Satz 2 BGB ebenso gut von einer
Kombination der genannten Ereignisse abhängig machen, so dass ein Ende der
Testamentsvollstreckung erst anzunehmen ist, wenn beide Bedingungen erfüllt
sind (vgl. Crome aaO). Wie vom Berufungsgericht und von der
Revisionserwiderung zutreffend gesehen, verlangt § 2210 Satz 2 BGB einem
Erblasser, der seinen Nachlass einer möglichst lange dauernden
Testamentsvollstreckung unterwerfen will, zum Zeitpunkt der Errichtung
seiner letztwilligen Verfügung nicht die Prognose ab, ob der vorgesehene
Erbe den vorgesehenen Testamentsvollstrecker überlebt oder (eher) dem
Testamentsvollstrecker das längere Leben beschieden sein wird.
12 4. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, dass das Ereignis "Tod
des Testamentsvollstreckers" im Sinne des § 2210 Satz 2 BGB und somit das
Ende der Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 Satz 1 BGB so lange nicht
eingetreten sind, wie der Kläger zu 2 noch lebt, der vom Präsidenten des
Bundesgerichtshofes im Jahre 1975 und damit vor Ablauf der in § 2210 Satz 1
BGB normierten Frist von 30 Jahren seit dem Erbfall am 20. Juli 1951 zum
Testamentsvollstrecker ernannt worden ist.
13 a) Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Fortdauer der
Testamentsvollstreckung über 30 Jahre hinaus gemäß § 2210 BGB einer
zeitlichen Begrenzung unterliegt. Das ist auch einhellige Ansicht in der
Literatur. Zwar könnte man bei isolierter Betrachtung des Wortlauts des §
2210 Satz 2 BGB, wonach der Erblasser anordnen kann, dass die Verwaltung des
Nachlasses bis zum Tode des Testamentsvollstreckers fortdauern soll, in
Verbindung mit den §§ 2198 Abs. 1 Satz 1, 2199 Abs. 2, 2200 Abs. 1 BGB, die
dem Erblasser die Möglichkeit geben, durch einen Dritten, den jeweils
amtierenden Testamentsvollstrecker oder das Nachlassgericht
Testamentsvollstrecker-Nachfolger ernennen zu lassen (vgl. Zimmermann in
MünchKomm-BGB, 4. Aufl. § 2199 Rdn. 1), zu der Ansicht gelangen, dass das
Bürgerliche Gesetzbuch einem Erblasser erlaube, die Testamentsvollstreckung
über seinen Nachlass gleichsam zu verewigen. Das würde jedoch dem Zweck und
der Entstehungsgeschichte des § 2210 BGB nicht gerecht, wie den Protokollen
der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zu entnehmen ist. Denn dort ist festgehalten:
"Was dann die Frage angehe, ob eine Testamentsvollstreckung, bei der die
Verwaltung Selbstzweck sei, zeitlich beschränkt werden müsse, so würde die
zeitliche Unbeschränktheit einer solchen Testamentsvollstreckung im grellen
Widerspruche zu den Gründen stehen, aus welchen man bei der Nacherbschaft
und dem Nachvermächt-niß eine zeitliche Schranke für nothwendig erachtet
habe, da alle diese Gründe auch hier zuträfen … Der Erblasser würde … ohne
zeitliche Schranke in der Lage sein, ohne landesgesetzliche Genehmigung eine
Stiftung oder, ohne den landesgesetzlichen Erfordernissen zu genügen, ein
deutschrechtliches Familienfideikommiß ins Leben zu rufen" (vgl. Spahn in
Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des
Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. V [1899] S. 308).
14 Zweck und Entstehungsgeschichte des § 2210 BGB gehen somit eindeutig
dahin, die Wirksamkeit der Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung
zeitlich zu begrenzen. Bei Festlegung dieser Grenzen darf zwar der einem
Erblasser gesetzlich an die Hand gegebene, von ihm grundsätzlich voll
ausschöpfbare Gestaltungsrahmen bei der Ernennung von
Testamentsvollstrecker-Nachfolgern nicht außer Acht gelassen werden. Es
findet sich aber kein Hinweis, dass ihm ausnahmsweise auch die Möglichkeit
eröffnet werden soll, eine auf unbegrenzte Dauer angestrebte
Testamentsvollstreckung umzusetzen.
15 b) Wie diese Grenzziehung gemäß § 2210 BGB bei vom Erblasser gewünschten
zeitlichen Ausdehnungen einer Testamentsvollstreckung unter Beachtung seiner
ihm gesetzlich eingeräumten Gestaltungsfreiheit vorzunehmen ist, wird in der
Literatur uneinheitlich beurteilt.
16 aa) Die h.M. stellt bei der Frage, wie lange eine
Testamentsvollstreckung im Sinne des § 2209 Satz 1 BGB dauern könne, wenn
sie nach dem Willen des Erblassers über 30 Jahre hinaus bis zum Tode des (Er-satz-)Testamentsvollstreckers
dauern solle, in Anlehnung an § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB (Nacherbschaft)
und § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB (Vermächtnis) darauf ab, ob der
(Ersatz-)Testamentsvollstrecker zur Zeit des Erbfalls bereits gelebt habe.
Wenn dies der Fall sei, könne sich seine Verwaltung über den in § 2210 Satz
1 BGB genannten Zeitraum von 30 Jahren hinaus bis zu seinem Tode erstrecken
(§ 2210 Satz 2 BGB); wenn nicht, ende die Testamentsvollstreckung
spätestens mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall oder mit dem Tode
des Erben oder des Nacherben (sog. Generationentheorie, vgl. Kipp
in Enneccerus/Kipp/ Wolff, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 2. Band 3.
Abteilung: Das Erbrecht 1. und 2. Aufl. [1911] S. 320; Kipp/Coing, Erbrecht
14. Bearb. [1990] S. 396 f.; Frommhold, Das Erbrecht des Bürgerlichen
Gesetzbuchs [1900] Anm. zu § 2210; Ritgen in Planck, BGB 1. und 2. Aufl.
[1902] § 2210 Anm. 2; Herzfelder in Staudinger, BGB [1902] §§ 2209, 2210
Anm. 2; Dittmann in Staudinger, BGB 10./11. Aufl. [1960] § 2210 Rdn. 3;
Reimann in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2003 § 2210 Rdn. 11; Holtz, Die
verwaltende Testamentsvollstreckung der §§ 2209 und 2210 BGB [1907] S. 10
f.; von Maercken, Der Testamentsvollstrecker mit selbständigem
Verwaltungsrecht (§ 2209 BGB) [1920] S. 32 f.; Hense in Erman, BGB 3. Aufl.
[1962] Anm. zu § 2210; M. Schmidt in Er-man, BGB 11. Aufl. [2004] § 2210
Rdn. 3; Bund, JuS 1966, 60, 63 f.; Lange, JuS 1970, 101, 102, 105; Müller in
Soergel/Siebert, BGB 10. Aufl. [1974] § 2210 Rdn. 2; Damrau in Soergel, BGB
13. Aufl. [2002/2003] § 2210 Rdn. 2; Brandner in MünchKomm-BGB 1. Aufl.
[1982] § 2210 Rdn. 6; Zimmermann in MünchKomm-BGB 4. Aufl. [2004] § 2210
Rdn. 6; Offergeld, Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers [1995] S.
171; Mayer in Bamberger/Roth, BGB [2003] § 2210 Rdn. 4; Lenzen in Deutscher
Erbrechtskommentar [2003] § 2210 Rdn. 1; Edenfeld DNotZ 2003, 4, 8, 11;
Edenhofer in Palandt, BGB 66. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 3; Schiemann in
Prütting/Wegen/Weinreich, BGB 2. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 1; Heilmann in
jurisPK-BGB 3. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 3; Hoeren in Schulze, BGB 5. Aufl.
[2007] § 2210 Rdn. 4; Weidlich in AnwK-BGB 2. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 6;
Lorz in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht 2. Aufl. [2007] § 19
Rdn. 212).
17 bb) Nach einer anderen in der Literatur vertretenen Auffassung muss
der (Ersatz-)Testamentsvollstrecker, wenn die Verwaltung des Nachlasses bis
zu seinem Tode dauern und eine Umgehung des Gesetzes verhütet werden sollen,
vor Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall ernannt sein (sog.
Amtstheorie, vgl. Hoffmann in RGRK-BGB 1. Aufl. [1910] § 2210 Anm. 1;
Seyffarth in RGRK-BGB 3. Aufl. [1921] § 2210 Anm. 1; Buchwald in RGRK-BGB 9.
Aufl. [1940] § 2210 Anm. 1; Kregel in RGRK-BGB 12. Aufl. [1975] § 2210 Rdn.
2).
18 cc) Nach einer weiteren im Schrifttum verbreiteten Ansicht müsse zur
Verhinderung einer zeitlich unbegrenzten Testamentsvollstreckung verlangt
werden, dass der (Ersatz-)Testamentsvollstrecker beim Erbfall bereits gelebt
habe oder zumindest binnen 30 Jahren nach dem Erbfall zum
Testamentsvollstrecker ernannt worden sei (sog. Kombinationstheorie, vgl.
Rechenmacher in Palandt, BGB 17. Aufl. [1958] § 2210 Anm. 1; Keidel in
Palandt, BGB 20. Aufl. [1961] § 2210 Anm. 1; Edenhofer in Pa-landt, BGB 42.
Aufl. [1983] § 2210 Anm. 1; Finger in AK-BGB [1990] § 2210 Rdn. 4; Ebenroth,
Erbrecht [1992] S. 430; Lauer, Der Testamentsvollstrecker in der Grauzone
rechtlicher Befugnisse [1999] S. 143 f.; Reimann in Bengel/Reimann, Handbuch
der Testamentsvollstreckung 3. Aufl. [2001] S. 374; Mayer in
Mayer/Bonefeld/Wälzholz/ Weidlich, Testamentsvollstreckung 2. Aufl. [2005]
S. 158; Stürner in Jau-ernig, BGB 12. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 1; Winkler,
Der Testamentsvollstrecker 18. Aufl. [2007] S. 84 f.).
19 dd) Schließlich wird in der Literatur angenommen, dass zum Zweck der
zeitlichen Begrenzung der Testamentsvollstreckung die in § 2210 Satz 2 BGB
zugelassene Verlängerung der Frist "bis zum Tode … des
Testamentsvollstreckers" nur für den ersten Testamentsvollstrecker gelten
könne (sog. Primattheorie, vgl. Peiser, Handbuch des Testamentsrechts [1902]
S. 226 f. und 2. Aufl. [1907] S. 257 Fn. 91; Unzner in Planck, BGB 3. Aufl.
[1908] § 2210 Anm. 3; Flad in Planck, BGB 4. Aufl. [1930] § 2210 Anm. 3;
Kretzschmar, Das Erbrecht des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs [1910] S.
194; Sasse, Grenzen der Vermögens-perpetuierung bei Verfügungen durch den
Erblasser [1997] S. 57 f.; O. Schmidt ZEV 2000, 438, 439; Zimmermann, Die
Testamentsvollstreckung 2. Aufl. [2003] S. 69 f.; Semmler, Die Rechtsmacht
des Testamentsvollstreckers [2006] S. 141 ff.). Vereinzelt wird darüber
hinaus lediglich der vom Erblasser selbst namentlich bestimmte
Ersatztestamentsvollstrecker (§ 2197 Abs. 2 BGB) noch in den
Anwendungsbereich des § 2210 Satz 2 BGB mit einbezogen (sog.
Primatersatztheorie, vgl. Zimmermann ZEV 2006, 508, 509; Reimann NJW 2007,
3034, 3037).
20 c) Nach § 2224 Abs. 1 Satz 3 BGB kann ein Erblasser anordnen, dass bei
Wegfall eines von mehreren Testamentsvollstreckern eine andere Person nach §
2198 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 2199 Abs. 2 BGB oder § 2200 Abs. 1 BGB zum
(Ersatz-)Testamentsvollstrecker ernannt werden soll (Edenhofer in Palandt,
BGB 66. Aufl. [2007] § 2224 Rdn. 5; Reimann in Staudinger, BGB
Neubearbeitung 2003 § 2224 Rdn. 38; Zimmermann in MünchKomm-BGB 4. Aufl.
[2004] § 2224 Rdn. 21). Indem das Berufungsgericht die Verewigung der
Testamentsvollstreckung dadurch verhindert, dass es die Anwendung eines
Testamentsvollstreckerergänzungsverfahrens nach den genannten Vorschriften
nur bis zum Tode des letzten Testamentsvollstreckers für möglich hält, der
bei Ablauf der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB im Amt war, schließt es
sich der Amtstheorie an.
21 aa) Das überzeugt schon deshalb, weil die Amtstheorie nicht nur dem
Zweck des § 2210 BGB, die Wirksamkeit der Anordnung einer
Dauertestamentsvollstreckung zeitlich zu begrenzen, gerecht wird, sondern
darüber hinaus die einzige Theorie ist, die sich zwanglos mit dem Wortlaut
des § 2210 Satz 2 BGB vereinbaren lässt. Soll danach bei entsprechender
Anordnung des Erblassers die Verwaltung des Nachlasses "fortdauern", kann es
nur um die Weiterführung der vom (letzten) Testamentsvollstrecker noch
innerhalb der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB begonnenen
Verwaltungstätigkeit gehen, welche dann mit dessen Tod (ebenfalls) ihr Ende
findet. Infolgedessen kommt es entscheidend auf den (oder die) bei Ablauf
der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB amtierenden Testamentsvollstrecker
an.
22 bb) Die von der h.M. vertretene Generationentheorie, die für die
Anwendbarkeit des § 2210 Satz 2 BGB maßgeblich darauf abstellt, ob der
(Ersatz-)Testamentsvollstrecker beim Tode des Erblassers schon gelebt hat,
und sich dabei an den zur Nacherbschaft in § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB
und zum Vermächtnis in § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB getroffenen Regelungen ("wenn
… ein bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das
Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt") orientiert, kann
demgegenüber zwar die Gesetzesmaterialien insoweit für sich in Anspruch
nehmen, als dort zum Ausdruck gebracht ist, dass die zeitliche
Unbeschränktheit einer Dauertestamentsvollstreckung "im grellen Widerspruche
zu den Gründen stehen [würde], aus welchen man bei der Nacherbschaft und dem
Nachvermächtniß eine zeitliche Schranke für nothwendig erachtet habe" und
man einig sei, dass “die zeitliche Schranke in gleicher Weise zu bestimmen
sei wie bei der Nach-erbschaft“ (vgl. Spahn aaO). Auch kann sie sich
möglicherweise darauf stützen, dass die Gesetzgebungskommission bei der
Aufstellung der Normen - gemeint sind jedenfalls die später als §§ 2109 Abs.
1, 2163 Abs. 1 BGB Gesetz gewordenen Vorschriften - "ein einheitliches
Prinzip" im Auge gehabt habe, nach welchem nach Ablauf von 30 Jahren seit
dem Erbfall nur Ereignisse berücksichtigt werden, "welche in der zur Zeit
des Erbfalls lebenden Generation der Betheiligten eintreten" (vgl. Spahn aaO
S. 237 ff., bes. S. 240).
23 Allerdings darf - mit dem Berufungsgericht - nicht übersehen werden, dass
§ 2210 BGB in Wortlaut, Aufbau und Struktur deutlich von den §§ 2109, 2163
BGB abweicht. So kann dem Wortlaut des § 2210 Satz 2 BGB nicht entnommen
werden, dass die Verwaltung des Nachlasses nur dann über die 30-Jahres-Frist
des § 2210 Satz 1 BGB hinaus bis zum Tode des Testamentsvollstreckers
fortdauern kann, wenn dieser zur Zeit des Erbfalls bereits gelebt hat.
Systematisch kommt hinzu, dass § 2210 Satz 3 BGB - ausdrücklich nur - die
Vorschrift des § 2163 Abs. 2 BGB für entsprechend anwendbar erklärt; allein
dieser Umstand schließt es aus, bei § 2210 BGB darüber hinaus zu einer
entsprechenden Anwendbarkeit auch der §§ 2163 Abs. 1 Nr. 1, 2109 Abs. 1 Satz
2 Nr. 1 BGB zu gelangen.
24 Schließlich wurde der ursprüngliche Ansatz der Gesetzgebungskommission,
die zeitliche Schranke bei der Dauertestamentsvollstreckung in gleicher
Weise zu bestimmen wie bei der Nacherbschaft, im weiteren Verlauf der
Beratungen nur zum Teil verwirklicht. Denn bei der später nochmals im
Zusammenhang erfolgten Erörterung der §§ 2109 (damals § 1813), 2163 (damals
§ 1847h) und 2210 (damals § 1910c) BGB wurde lediglich bestimmt, dass es -
wie dann in den §§ 2109 Abs. 2, 2163 Abs. 2 und 2210 Satz 3 BGB auch Gesetz
geworden - bei juristischen Personen jeweils bei der 30-jährigen Frist sein
Bewenden habe (vgl. Gebhard in Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle der
Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Bd. VI [1899] S. 91 f.). Damit hat die von der h.M. in der Literatur bei
natürlichen Personen geforderte zeitliche Koexistenz von
Testamentsvollstrecker(n) und Erblasser keinen Eingang in die Vorschrift des
§ 2210 BGB gefunden.
25 cc) Dasselbe gilt für die von der Primattheorie aufgestellte
Voraussetzung, eine Verlängerung der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB
könne es nur für den ersten Testamentsvollstrecker geben. Auch für sie gibt
es weder im Wortlaut noch in der Systematik des § 2210 BGB einen Anhalt. Die
gegenteilige Argumentation, nach welcher sich aus den in § 2210 BGB
enthaltenen Worten "des Testamentsvollstreckers" und der fehlenden
Verweisung auf § 2199 Abs. 2 BGB ergebe, dass nur der erste
Testamentsvollstrecker und nicht ein Nachfolger gemeint sein könne
(Zimmermann ZEV 2006, 508, 509), vermag nicht zu überzeugen. Denn in den §§
2201-2209, 2211-2223, 2225-2227 BGB ist ebenfalls nur vom
"Testamentsvollstrecker" die Rede und eine Verweisung auf § 2199 Abs. 2 BGB
nicht vorhanden; eine Verweisung auf die §§ 2197 Abs. 2, 2198 Abs. 1 Satz 1
und/oder 2200 Abs. 1 BGB existiert ebenfalls nicht. Jeder Nachfolger eines
Testamentsvollstreckers hätte also, folgte man dieser Argumentation,
keinerlei Aufgaben und Befugnisse (vgl. §§ 2203-2209, 2212 BGB), keinerlei
Pflichten (vgl. §§ 2215-2218, 2220 BGB), haftete nicht (vgl. §§ 2219, 2220
BGB), könnte nicht kündigen (vgl. § 2226 BGB) und auch nicht entlassen
werden (vgl. § 2227 BGB). Bereits das zeigt, dass trotz fehlender Verweisung
auf die Vorschriften zur Ersatztestamentsvollstreckerbestimmung mit dem Wort
"Testamentsvollstrecker" nicht nur der erste Testamentsvollstrecker gemeint
sein kann.
26 Die Primattheorie beachtet darüber hinaus nicht hinreichend, dass mit den
Nachfolgeregelungen der §§ 2198 ff. BGB eine "Endpersonalisierung"
stattgefunden hat, indem die Möglichkeit der Nachfolgebestimmung durch
außenstehende Dritte geschaffen und diese insoweit von der Person des
Erblassers gerade abgekoppelt wurde - ein Umstand, der bei der Auslegung des
§ 2210 Satz 2 BGB nicht unberücksichtigt bleiben kann.
27 Der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches lässt sich ein
Beleg für die Richtigkeit der Primattheorie gleichfalls nicht entnehmen. In
den Gesetzesmaterialien wird, soweit ersichtlich, nirgends ausschließlich
nur auf den ersten Testamentsvollstrecker abgestellt. Schließlich ist auch
nach dem Zweck des § 2210 BGB keine derart radikale, über den
Gesetzeswortlaut hinausgehende Beschränkung der Reichweite der mit ihm
konfligierenden Normen der §§ 2198 Abs. 1 Satz 1, 2199 Abs. 2, 2200 Abs. 1
BGB geboten.
28 dd) Aus denselben Gründen verdient auch die Primatersatztheorie keine
Zustimmung. Hinzu kommt, dass eine unterschiedliche Behandlung von
Ersatztestamentsvollstreckern - je nach dem, ob sie nach § 2197 Abs. 2 BGB,
§ 2198 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 2199 Abs. 2 BGB oder § 2200 Abs. 1 BGB in ihr
Amt gelangt sind - im Bürgerlichen Gesetzbuch ersichtlich nicht vorgesehen
ist. Der Erblasser kann daher beispielsweise einer ihm namentlich bekannten
Person besonderes Vertrauen schenken und sie in einer letztwilligen
Verfügung zum (Ersatz-)Testamentsvollstrecker ernennen, er kann aber auch
einem ihm bekannten Dritten besonderes Vertrauen entgegenbringen und ihn
durch letztwillige Verfügung zur Bestimmung der Person des
(Ersatz-)Testamentsvollstreckers ermächtigen. Beides ist in gleicher Weise
schutzwürdig (a.A. Zimmermann aaO).
29 d) Die Wirksamkeit der Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung nach
§ 2209 Satz 1 BGB ist mithin, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen
sind und die Verwaltung des Nachlasses nach dem Willen des Erblassers gemäß
§ 2210 Satz 2 BGB bis zum Tode des Testamentsvollstreckers fortdauern soll,
nach der Amtstheorie zu beurteilen. Da der Kläger zu 2 noch innerhalb von 30
Jahren nach dem Erbfall zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde, war somit
auf Fortdauer der Testamentsvollstreckung zu erkennen.
30 5. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot ist darin entgegen der Ansicht der
Revision auch mit Blick auf den von ihr geltend gemachten Grundrechtsschutz
aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu erkennen. Zwar entspricht dem Recht des
Erblassers zu vererben das Recht des Erben, kraft Erbfolge zu erwerben, so
dass der begünstigte Erbe jedenfalls vom Eintritt des Erbfalls an den Schutz
des Grundrechts genießt (BVerfG NJW 2000, 2495 f. m.N.). Durch die Anordnung
einer erbrechtlich gestatteten zeitlichen Ausdehnung der
Testamentsvollstreckung wird ihm jedoch keine von Art. 14 Abs. 1 GG
geschützte Eigentumsposition entzogen. Eine Anwartschaft darauf, ohne eine
solche Beschränkung Erbe zu werden, besteht nicht. Die Sicherung einer
Mindestteilhabe am Nachlass sieht das Gesetz allein für
Pflichtteilsberechtigte durch das Ausschlagungsrecht gemäß § 2306 BGB vor.
Für eine Absicherung anderer, nicht pflichtteilsberechtigter Erbbegünstigter
gibt es - auch aus verfassungsrechtlicher Sicht - keine Grundlage.
31 6. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision schließlich
keinen wesentlichen Prozessstoff außer Acht gelassen. Insbesondere hat es,
wie seine Ausführungen auf Seite 18 des Berufungsurteils und die dort in
Bezug genommenen Ausführungen auf den Seiten 30 ff. des landgerichtlichen
Urteils zeigen, berücksichtigt, dass die Testamentsvollstrecker von 1981 bis
zum Ableben des Vaters des Beklagten im Jahre 1994 ihr Amt (faktisch) nicht
ausgeübt haben. Es hat diesen Umstand jedoch zu Recht als unerheblich
bezeichnet, weil eine vom Erblasser angeordnete
(Dauer-)Testamentsvollstreckung nicht dadurch beseitigt oder "verwirkt"
werden kann, dass eingesetzte Testamentsvollstrecker eine Zeit lang untätig
bleiben.
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