IZPR: Internationale Zuständigkeit bei
Pressedelikten nach Art. 5 LugÜ ("Streudelikt"); Staatenimmunität bei
Berichterstattung ausländischer öffentlich-rechtlicher Fernsehsender (Fall
Schumacher)
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2016 - VI
ZR 678/15 - OLG Köln
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Die Berichterstattung einer mit einem
öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag ihres Staates beliehenen
ausländischen Rundfunkanstalt erfolgt im Verhältnis zu dem von dieser
Berichterstattung in seinem Persönlichkeitsrecht betroffenen Bürger nicht
iure imperii im Sinne von Art. 27 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens
über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972.
b) Die deutschen Gerichte sind nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano
Übereinkommen, LugÜ II) international zuständig für eine auf das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkte Unterlassungsklage
wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten gegen die Berichterstattung auf
der Internetseite einer ausländischen Rundfunkanstalt (Anschluss Senat,
Urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, AfP 2012, 372 Rn. 17).
Zentrale Probleme:
Es geht um die internationale Zuständigkeit bei sog.
"Streudelikten", diesmal im Rahmen des LugÜ, das aber gleichen Prinzipien
folgt wie die EuGVVO. Der Geschädigte kann bei solchen, meist
presserechtlichen Delikten, wie folgt vorgehen: Er kann entweder bei den
Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber dieser Inhalte
niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich
der Mittelpunkt seiner Interessen befindet, eine Haftungs- oder
Unterlassungsklage auf Ersatz des gesamten, wo auch immer entstandenen
Schadens bzw. weltweite Unterlassung erheben. Er kann aber auch vor den
Gerichten jedes Mitgliedstaats klagen, in dessen Hoheitsgebiet ein im
Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese sind nur für
die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des
Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts verursacht worden ist. Hier geht es
um ein Pressedelikt durch eine schweizerische Rundfunkanstalt. Die
Geschädigte hat ihren Wohnsitz in der Schweiz. In Deutschland kann sie damit
(nur) auf Unterlassung in Deutschland (etwa durch Geoblocking der
Internetseite) klagen. Daneben stellte sich hier das Problem der
Staatenimmunität, da es um ein Pressedelikt einer schweizerischen
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ging.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt die Beklagte für
das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung einer
Internet-Bildberichterstattung in Anspruch.
2 Die Klägerin ist die Ehefrau des ehemaligen Rennfahrers Michael
Schumacher. Sie ist deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz.
Die Beklagte ist eine schweizerische Rundfunkanstalt. Die
von der Beklagten auf ihrer Internetseite
www.srf.ch
zum Abruf bereitgehaltenen, von der Klägerin unter Berufung auf ihr Recht am
eigenen Bild angegriffenen Bildnisse und das Video zeigen - im Rahmen der
Berichterstattung der Beklagten über die Folgen des Skiunfalles von Michael
Schumacher und den Umgang der Medien mit diesem Thema - die Klägerin beim
Besuch ihres Ehemannes im Krankenhaus.
3 Das Landgericht Köln hat seine internationale Zuständigkeit angenommen und
die Klage mit Zwischenurteil für zulässig erklärt. Die Berufung der
Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der
Klagabweisung wegen Unzulässigkeit weiter.
Entscheidungsgründe
I.
4 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt, dass sich die internationale Zuständigkeit
deutscher Gerichte aus dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen,
im Folgenden: LugÜ II) ergebe. Es bestehe der besondere
Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 iVm Art. 3 Abs. 1
LugÜ II. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
(Urteile vom 7. März 1995 - C-68/93, Slg. 1995, I-415 = NJW 1995, 1881 -
Shevill; und vom
25. Oktober 2011 - C-509/09 u.a., Slg. 2011, I-10269 = GRUR 2012, 300 -
eDate Advertising) habe der Geschädigte eines
sog. "Streudelikts", wie es eine unerlaubte Veröffentlichung im Internet
sei, die Möglichkeit einer national begrenzten Teilschadensklage. Der
Geschädigte könne anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des Gesamtschadens
am Niederlassungsort des Urhebers oder am Ort des Mittelpunkts seiner
Interessen auch Klage vor den Gerichten eines jeden Mitgliedstaates erheben,
in dessen Hoheitsgebiet der im Internet veröffentlichte Inhalt zugänglich
gewesen oder noch zugänglich sei. Die Gerichte der Mitgliedstaaten
seien dann nur zur Entscheidung über denjenigen Schaden befugt, der im
Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaates entstanden sei ("Teilerfolgsortzuständigkeit").
Da die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren ausdrücklich auf das Hoheitsgebiet
der Bundesrepublik Deutschland begrenzt habe, fänden diese Grundsätze
Anwendung. Die Beklagte könne den Zugriff auf bereitgehaltene Inhalte durch
den Einsatz von sog. Geoblockern in ihr zumutbarer Weise auf bestimmte
nationale Bereiche beschränken.
5 Des Weiteren könne sich die Beklagte auch als schweizerische
Rundfunkanstalt und unter Berücksichtigung des von ihr in Anspruch
genommenen staatlichen Rundfunkauftrags nicht auf den Grundsatz der
Staatenimmunität berufen. Die von der Klägerin angegriffene
Bildberichterstattung betreffe kein hoheitliches Handeln (acta iure imperii).
Nach zugrunde zu legendem deutschem Recht handele es sich bei Klagen von
Bürgern gegen Medienanstalten, die die Zulässigkeit einer Rundfunk- oder
Fernsehsendung unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsrechts, also den
Widerstreit von Persönlichkeitsrecht und Rundfunk-/Informationsfreiheit zum
Gegenstand haben, um privatrechtliche Auseinandersetzungen.
II.
6 Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
Zutreffend hat das Berufungsgericht das Bestehen deutscher Gerichtsbarkeit
und die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den von der
Klägerin nur betreffend das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland
geltend gemachten Unterlassungsanspruch bejaht. Die Beklagte kann
sich nicht mit Erfolg auf das Verfahrenshindernis der Staatenimmunität
berufen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte
folgt aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ II.
7 1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist eröffnet. Der Klage steht der
von Amts wegen zu prüfende (BVerfGE 46, 342, 359) Grundsatz der
Staatenimmunität nicht entgegen (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG).
8 a) Die Frage der Staatenimmunität bestimmt sich vorliegend nach dem
Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 (im
Folgenden: Übereinkommen), das seit dem 7. Oktober 1982 in der Schweiz und
seit dem 16. August 1990 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft ist (BGBl.
1990 II S. 1400 und 1402). Nach Art. 27 Abs. 1 dieses
Europarats-Übereinkommens ist die Beklagte als vom Vertragsstaat Schweiz zu
unterscheidender Rechtsträger, der die Fähigkeit hat, vor Gericht
aufzutreten, für die Zwecke des Übereinkommens grundsätzlich nicht mit dem
Vertragsstaat in eins zu setzen, selbst wenn sie mit öffentlichen Aufgaben
betraut ist. Nach Art. 27 Abs. 2 des Übereinkommens kann die
Beklagte vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates wie eine
Privatperson in Anspruch genommen werden, soweit nicht über in Ausübung der
Hoheitsgewalt vorgenommene Handlungen (acta iure imperii) des Rechtsträgers
zu entscheiden ist.
9 b) Die Voraussetzungen für eine solche funktionale, sachbezogene
TeilImmunität (ratione materiae) der Beklagten liegen nicht vor.
10 aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlichem und nicht-hoheitlichem
Handeln richtet sich bei der von der Immunität seines Staates abgeleiteten
TeilImmunität eines nichtstaatlichen Rechtsträgers gemäß Art. 27 Abs. 2, 2.
Halbsatz des Übereinkommens nicht anders als bei der originären
Staatenimmunität nicht nach Motiv oder Zweck der Tätigkeit. Sie
kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem
Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus,
dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, so doch zum
weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen
in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung
ist die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen
Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat - oder
der von diesem beauftragte Rechtsträger - in Ausübung der ihm zustehenden
Hoheitsgewalt und damit öffentlichrechtlich oder wie eine Privatperson und
damit privatrechtlich tätig geworden ist (BVerfGE 16, 27, 61 f.;
Senatsurteile vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, NJW 1979, 1101; vom 8.
März 2016 - VI ZR 516/14, NJW 2016, 1659 Rn. 14; BAGE 144, 244 Rn. 14 f.),
ob also ein für die öffentliche Gewalt kennzeichnender Akt vorliegt oder ein
Rechtsverhältnis, wie es in gleicher oder ähnlicher Form auch zwischen
Privaten eingegangen werden könnte (BGE 104 Ia 367, 374).
11 bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die
Abgrenzung grundsätzlich nach der nationalen Rechtsordnung des
Gerichtsstaates (lex fori) vorzunehmen (BVerfGE 16, 27, 62; BVerfG,
NJW 2014, 1723 Rn. 21; Senatsurteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, NJW
2016, 1659 Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 150/15, MDR 2016,
903 Rn. 19; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im
Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, S. 319 ff.).
Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung
hoheitlichen Handelns von nicht-hoheitlichem Handeln findet erst dort ihre
Grenze, wo der unter den Staaten allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher
Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und
militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und
die Rechtspflege. Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, nach
nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeiten eines
ausländischen Staates gleichwohl als der Staatenimmunität unterfallende acta
iure imperii zu qualifizieren, wenn diese zum Kernbereich völkerrechtlich
anerkannter Staatsgewalt zu rechnen sind (vgl. BVerfGE 16, 27, 63 f.;
BVerfGE 46, 342, 394; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21).
12 Die allgemein für den Grundsatz der Staatenimmunität geltende Regel,
hoheitliches und nicht hoheitliches Handeln nach der Rechtsordnung des
Gerichtsstaates abzugrenzen, wird auch durch das Übereinkommen selbst nicht
in Frage gestellt (Denkschrift zu dem Übereinkommen, BT-Drs. 11/4307, S. 30;
Kronke, IPRax 1991, 141, 142, 147). Art. 27 Abs. 2 des Übereinkommens bietet
keine Grundlage für eine autonome Auslegung, sondern weist die Entscheidung
über die Eröffnung der Gerichtsbarkeit des Gerichtsstaates originär dem
angerufenen nationalen Gericht des Gerichtsstaates zu (Art. 20 des
Übereinkommens, vgl. hierzu Denkschrift, aaO, S. 35). Eine Vorlage an den
Internationalen Gerichtshof durch einen der Vertragsstaaten ist bis zum
rechtskräftigen Ab-schluss des nationalen gerichtlichen Verfahrens (Art. 34
Abs. 2 Buchst. a) des Übereinkommens) ausgeschlossen. Eine prozedurale
Sicherung der Hoheitsrechte des beklagten Vertragsstaates vor einer zu
weitgehenden Anwendung der lex fori durch die nationalen Gerichte des
Gerichtsstaates liegt - neben der nachträglichen Anrufung des
Internationalen Gerichtshofs - in der Eröffnung eines nachgeordneten
Feststellungsverfahrens vor dem hierfür zuständigen nationalen Gericht des
verurteilten Staates (Art. 21 des Übereinkommens) oder - nach dem von der
Schweiz, nicht aber von Deutschland ratifizierten Zusatzprotokoll zum
Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität - wahlweise (Art. 1 Abs. 1
Zusatzprotokoll) in der Möglichkeit, das beim Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte eingerichtete Europäische Gericht für Staatenimmunität
anzurufen. Materiell sind die Vertragsstaaten durch den - der Be urteilung
nach dem Recht des Gerichtsstaates entzogenen - Kernbereich völkerrechtlich
anerkannter Staatsgewalt geschützt (BVerfG, aaO).
13 cc) Nach diesen Grundsätzen steht der Klage der Grundsatz der
Staatenimmunität nicht entgegen. Der völkerrechtlich anerkannte Kernbereich
der hoheitlichen Tätigkeit eines Staates ist ersichtlich nicht berührt.
Das Unterlassungsbegehren der Klägerin als einer durch eine
Bildberichterstattung in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffenen Bürgerin
richtet sich gegen eine Handlung der Beklagten, die nach
maßgeblichem deutschen Recht im Rahmen des Verhältnisses von Bürger und
Rundfunkanstalt als privatrechtlich zu qualifizieren ist (vgl.
Senatsurteil vom 6. April 1976 - VI ZR 246/74, BGHZ 66, 182, 185 f. mwN; so
auch BVerwG, NJW 1994, 2500). Dies gilt unabhängig davon, ob die
beklagte Sendeanstalt als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet und zu
hoheitlichen Akten ermächtigt ist, sie bei ihrer Nachrichtengebung im
weitesten Sinne also öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Zumindest jene
der Sache nach ausgrenzbaren Beziehungen, bei denen es um die Abwägung der
Interessen der Sendeanstalten an freier Programmgestaltung gegenüber dem
Schutz der Individu-alsphäre geht, sind auf der (horizontalen) Ebene
privatrechtlichen Miteinanders geordnet (Senat, aaO; vgl. BVerfGE 7, 99,
104; 12, 205, 244). Nach diesen Grundsätzen wird eine Rundfunkanstalt
insoweit nicht in Ausübung der Hoheitsgewalt des sie beauftragenden Staates
tätig (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 626b).
Nichts anderes gilt für die Beklagte, die nach dem mangels abweichender
Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zu
unterstellenden Vortrag der Revision von der Schweiz mit einem
öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag beliehen ist und die die angegriffene
Berichterstattung zum Abruf durch den Nutzer auf ihrer Internetseite
vorhält.
14 Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass die Inanspruchnahme der
Beklagten durch Privatpersonen wegen behaupteter Verletzung privater
Interessen durch die Ausstrahlung einer Rundfunksendung auch nach
innerstaatlichem schweizerischem Recht dem Zivilrecht und damit der
nichthoheitlichen Ebene zugewiesen wird (BGE 109 II 353; 117 II 1; 119 Ib
166, 169).
15 2. Zutreffend geht das Berufungsgericht zudem davon aus, dass
eine - auch nach § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfende -
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ
II besteht.
16 a) Für die Auslegung der Vorschriften des LugÜ II gelten im
Wesentlichen dieselben Grundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler
Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September
1968 (EuGVÜ) und der dieses in Gemeinschaftsrecht überführenden Verordnung
(EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO aF) und des Übereinkommens
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (LugÜ I),
da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung
der Bestimmungen verpflichtet haben (vgl. Art. 1 Protokoll 2 nach
Art. 75 LugÜ II; vgl. zum LugÜ I: Senatsurteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR
155/09, BGHZ 187, 156 Rn. 10; zum LugÜ II: Senatsurteil vom 20. Dezember
2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rn. 17). Dabei ist zu beachten,
dass die in den Übereinkommen verwendeten Begriffe grundsätzlich autonom,
d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae (Recht des in Anspruch
genommenen Staates) auszulegen sind. In erster Linie sind Systematik und
Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen, um die einheitliche
Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten
(Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rn.
11; vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rn. 17; vom 8. Mai
2012 - VI ZR 217/08, AfP 2012, 372 Rn. 13; zum EuGVÜ: EUGH, Urteile vom 11.
Juli 2002 - C-96/00, Slg. 2002, I-6367 = NJW 2002, 2697 Rn. 37; vom 20.
Januar 2005 - C-27/02, Slg. 2005, I-481 = NJW 2005, 811 Rn. 33; zur EuGVVO
aF: EuGH, Urteile vom 7. Dezember 2010 - C-585/08 u.a., Slg. 2010, I-12527 =
NJW 2011, 505 Rn. 55; vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 u.a., Slg. 2011,
I-10269 = GRUR 2012, 300 Rn. 38 f.).
17 b) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (künftig: Gerichtshof) sind die Begriffe "unerlaubte
Handlung" und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist"
in Art. 5 Nr. 3
LugÜ II / Art. 5 Nr. 3 EuGVVO aF / Art. 7 Nr. 2 EuGVVO dahin auszulegen,
dass in diesem Gerichtsstand alle Klagen zulässig sind, mit denen eine
Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag anknüpft
(vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 -
C-167/00, Slg. 2002 I-8111 = NJW 2002, 3617 Rn. 36). Unter den
Begriff der unerlaubten Handlung fallen auch Persönlichkeits- oder
Ehrverletzungen (EuGH,
Urteile vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 u.a., Slg. 2011, I-10269 = GRUR
2012, 300 Rn. 42 ff. - eDate Advertising; vom 7. März
1995 - C-68/93, Slg. 1995, I-415 = NJW 1995, 1881 Rn. 23 ff. - Shevill).
Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch
Unterlassungsansprüche. Auf den Eintritt eines Schadens kommt es nicht an.
Ausweislich des Wortlauts des Art. 5 Nr. 3 LugÜ II fallen selbst vorbeugende
(Unterlassungs-)Klagen in den Anwendungsbereich der Bestimmung.
18 c) Die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal "Ort, an dem das schädigende
Ereignis einzutreten droht" bei (drohenden)
Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Inhalte auf einer Internetseite
auszulegen ist, hat der Senat für die Parallelvorschrift Art. 5 Nr. 3 EuGVVO
aF dem Gerichtshof bereits zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV
vorgelegt (Senatsbeschluss
vom 10. November 2009 - VI ZR 217/08, AfP 2010, 150). Der
Gerichtshof hat die Vorlagefrage
mit Urteil vom 25.Oktober
2011 (C-509/09 u.a., Slg. 2011, I-10269 = GRUR 2012, 300 Rn. 52 - eDate-Advertising)
so beantwortet, dass "... Art.5 Nr.3 der Verordnung dahin auszulegen
ist, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von
Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht
worden sind, die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, die
Möglichkeit hat, entweder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der
Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des
Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, eine
Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben.
Anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens
kann diese Person ihre Klage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats
erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt
zugänglich ist oder war. Diese sind nur für die Entscheidung über den
Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen
Gerichts verursacht worden ist."
19 Diese nach der ausgeführten Regel der einheitlichen Auslegung
auch auf Art. 5 Nr. 3 LugÜ II anzuwendenden Grundsätze gelten auch für
Unterlassungsklagen (EuGH, aaO, Rn. 35; Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR
217/08, AfP 2012, 372 Rn. 17; BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR
131/12, NJW 2014, 2504 Rn. 21; Härting, Internetrecht, 5. Aufl., Rn. 2397,
2413; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 1515c ff.;
Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., Art. 7 EuGVVO nF Rn. 20; Hüßtege,
in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., Art. 7 EuGVVO Rn. 30; Zöller/Geimer, ZPO,
31. Aufl., Art. 7 EuGVVO Rn. 93a; vgl. zuvor bereits EuGH, Urteil vom 1.
Oktober 2002 - C-167/00, Slg. 2002, I-8111 Rn. 48 f. = NJW 2002, 3617 Rn. 48
f.).
20 Da die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch ausdrücklich auf das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt hat und ihrem
Klagantrag keine weitergehende Kognitionsbefugnis der deutschen Gerichte
unterlegt, ist nach der dritten Variante der oben wiedergegebenen
Entscheidung des Gerichtshofs die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte gegeben.
21 d) Keiner abschließenden Entscheidung bedarf im Rahmen des
vorliegenden Zulässigkeitsstreits die Frage, ob die begehrte Unterlassung
tatsächlich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt
werden kann (zweifelnd etwa Rauscher/Leible, Europäisches
Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 2011, Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 92 aE;
Rechberger, MR 2013, 116, 118). Das Berufungsgericht hat dies unter
Bezugnahme auf den Klagvortrag über die technische Möglichkeit des sog.
"Geo-Blocking" angenommen. Bei diesem Verfahren kann der Zugriff auf einen
im Internet zum Abruf bereitgestellten Inhalt anhand bestimmter technischer
Merkmale der Geo-Lokalisation, u.a. der IP-Adresse des Endnutzers, der
Datenübertragungswege und der Datenübertragungsgeschwindigkeiten, verweigert
werden (vgl. OVG NordrheinWestfalen, Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A
351/12, juris Rn. 106; Hoeren, ZfWG 2008, 229 ff., 311 ff.; Federrath, ZUM
2015, 929).
22 Ob dies tatsächlich so ist oder ob gegebenenfalls ein beim Geo-Blocking
nicht zu vermeidender "Streuverlust" (vgl. hierzu BGH, Urteil vom
28. April 2016 - I ZR 23/15, MDR 2016, 1100 Rn. 32 zum umgekehrten Fall des
"Geo-Targeting" aus lauterkeitsrechtlicher Sicht) der Beklagten die
Befolgung der von der Klägerin begehrten, auf das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland beschränkten Teilunterlassung unmöglich machte,
ohne die Beklagte unter Überschreitung der beschränkten Kognitionsbefugnis
der deutschen Gerichtsbarkeit faktisch auf eine Löschung der angegriffenen
Berichterstattung auf ihrer Internetseite insgesamt zu verpflichten, ist
abschließend erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu klären.
Der dahingehende Vortrag der Revision entspricht dem materiell-rechtlichen
Einwand der Unmöglichkeit der begehrten Unterlassung aus tatsächlichen
Gründen (s. hierzu nur Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 1004 Rn. 43). Bei
der Frage der tatsächlichen Begrenzbarkeit der begehrten
Unterlassungsverpflichtung auf deutsches Hoheitsgebiet handelt es sich damit
um eine solche nach einer Tatsache, die gleichzeitig
zuständigkeitsbegründend nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ II als auch notwendiges
Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten materiellen Unterlassungsanspruchs
ist, weil die Bejahung des materiellen Anspruchs begrifflich diejenige der
Zuständigkeit in sich schlösse (doppelrelevante Tatsache). Die
zuständigkeitsbegründenden Tatsachen bedürfen insoweit im Rahmen des
Zuständigkeitsstreits keines Beweises, für die Zuständigkeitsfrage ist
vielmehr die Richtigkeit des - schlüssigen - Klagvortrags zu unterstellen
(BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 2015 - VII ZB 8/15, NJW 2016, 316 Rn. 25;
vom 27. Oktober 2009 - VIII ZB 42/08, BGHZ 183, 49 Rn. 14 mwN).
23 Das Landgericht wird jedoch im Rahmen der Sachprüfung - das Vorliegen der
Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen unterstellt - auf den Einwand der
Beklagten zu klären haben, ob dieser die Umsetzung einer auf deutsches
Hoheitsgebiet beschränkten Unterlassungsverpflichtung tatsächlich möglich
ist. Etwaigen tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer
allgemeinen Unterlassungsverpflichtung wird unter Umständen mit einer
Konkretisierung des Unterlassungsbegehrens Rechnung getragen werden können
(vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037).
24 e) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Senat keine
Veranlassung, den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 1
bis 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Die im Streitfall
maßgebliche unionsrechtliche Frage war wie ausgeführt bereits Gegenstand der
Entscheidung des Gerichtshofs vom 25.
Oktober 2011 (C-509/09 u.a. - eDate Advertising) und ist damit
acte éclairé (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg.
1982, 3415 Rn. 13 - CILFIT).
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