Gutgläubiger Erwerb von beweglichen Sachen nach
§§ 929, 932 BGB; Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei abhandengekommenen
Sachen; Begriff des "Abhandenkommens"; Abgrenzung von Mitbesitz und
Besitzdienerschaft
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2013 - V
ZR 58/13 - OLG Stuttgart
Fundstelle:
NJW 2014, 1524
BGHZ 199, 227
Amtl. Leitsatz:
Eine bewegliche Sache kommt dem mitbesitzenden
Eigentümer nicht im Sinne von § 935 Abs. 1 BGB abhanden, wenn er selbst den
unmittelbaren Besitz ohne Willen des eigentumslosen Mitbesitzers freiwillig
aufgibt.
Zentrale Probleme:
Ein klassischer Klausursachverhalt mit Grundfragen des
Mobiliarsachenrechts, lehrbuchartig dargelegt und begründet: Pflichtlektüre!
Quintessenz: Abhandenkommen setzt unfreiwilligen Verlust des
unmittelbaren Besitzes des Eigentümers voraus. Das ist zwar auch
gegeben, wenn nur Mitbesitz verloren wird, jedoch muss der verlorene
Mitbesitz derjenige eines Eigentümers sein. Wenn ein Alleineigentümer die
Sache im Mitbesitz mit einer anderen Person hat, die nicht Eigentümer ist,
scheitert ein gutgläubiger Erwerb nicht daran, dass der Mitbesitzer, der
nicht zugleich Eigentümer ist, seinen unmittelbaren Besitz ohne seinen
Willen verliert. Darauf ist § 935 BGB weder direkt noch analog anwendbar.
Zum gutgl. Erwerb von Kfz s. auch
BGH NJW
1996, 314;
BGH NJW
1996, 2226;
BGH NJW 2005, 1365
sowie BGH v. 18.11.2020 - V ZR 8/19.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Der Kläger, ein Arzt, kaufte mit
Vertrag vom 25. November 2010 einen neuen PKW der Marke BMW (fortan: BMW)
für 46.490,80 €. Das Fahrzeug wurde ihm am 24. Januar 2011 übergeben. Zu
diesem Zeitpunkt befand er sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Einer
seiner Patienten, Herr G. , erklärte sich bereit, ihm gegen Stellung des BMW
als Sicherheit ein Darlehen zu verschaffen, mit dem die übrigen Gläubiger
ausgezahlt werden könnten. Der Kläger traf sich am 30. Januar 2011
mit Herrn G. in einem Hotel und unterzeichnete eine Vereinbarung mit einer
W. Treuhand AG, deren Verwaltungsratspräsident Herr G. war, der zufolge er
der AG seinen BMW übereignete. Tags darauf rief Herr G. den Kläger
an und teilte ihm mit, in etwa 15 Minuten werde ein Herr F. bei ihm in der
Praxis erscheinen und den BMW abholen. Als dieser erschien, übergab
der Kläger ihm den BMW nebst einem der Fahrzeugschlüssel und beiden Teilen
der Zulassungsbescheinigung (fortan Fahrzeugbrief bzw. Fahrzeugschein).
Er behielt einen weiteren Fahrzeugschlüssel, das Originalbordbuch
und das Servicescheckheft, fertigte eine Kopie des Personalausweises von
Herrn F. und ließ sich von diesem die Übergabe und den Kilometerstand
bestätigen. Am 22. Februar 2011 wurde der BMW in N. abgemeldet. Der Kläger
erhielt ihn nicht zurück.
2 Am 7. April 2011 kaufte die Beklagte das Fahrzeug, dessen
Laufleistung mit 1.960 km angegeben war, unter Inzahlunggabe ihres alten BMW
für 42.500 € von einem Autohändler. Sie bezahlte in bar und erhielt
einen Fahrzeugschlüssel und die Originalpapiere, in denen nicht der
Verkäufer, sondern der Kläger als Halter ausgewiesen war, sowie auf
Nachfrage den Hinweis, die Papiere zu dem BMW befänden sich im Handschuhfach.
Der BMW wurde am folgenden Tag auf die Beklagte zugelassen. Den zweiten
Schlüssel, das Bordbuch und das Scheckheft, die sich nicht im Fahrzeug
befanden, sandte der Verkäufer der Beklagten wenige Tage später zu.
3 Das Landgericht hat die auf Herausgabe des BMW und Zahlung einer
Nutzungsentschädigung gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihr
verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, das
Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung unter anderem in
WM 2013, 1481 veröffentlicht ist, scheitern die geltend gemachten Ansprüche
daran, dass die Beklagte gutgläubig Eigentum an dem BMW erworben
hat. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass die
Beklagte bei dem Erwerb des BMW gutgläubig gewesen sei. Sie habe weder auf
Grund der Antwort des Verkäufers auf ihre Frage nach dem Bordbuch und dem
Servicescheckheft noch auf Grund der Umstände des Verkaufs misstrauisch
werden müssen. Die Herabsetzung des Kaufpreises von rund 46.000 € auf 42.000
€ sei angesichts der Laufleistung des Fahrzeugs angemessen gewesen. Dass der
Verkäufer als Autohändler nicht als Halter eines Fahrzeugs in den
Zulassungspapieren aufgeführt sei, sei nicht ungewöhnlich, da die
Voreintragung aufwendig sei und die Eintragung zusätzlicher früherer Halter
zu Wertverlusten führe. Vor allem habe er die Originalzulassungspapiere
übergeben. Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an dem BMW durch die
Beklagte scheitere auch nicht daran, dass der BMW dem Kläger
abhandengekommen wäre. Ein Abhandenkommen infolge einer
Unterschlagung des Fahrzeugs durch Herrn F. setze voraus, dass dieser
Besitzdiener des Klägers gewesen sei. Das sei aber nicht der Fall.
Nach den eigenen Einlassungen des Klägers habe Herr F. nicht in einem
sozialen Abhängigkeitsverhältnis zu dem Kläger gestanden. Ein Abhandenkommen
des BMW folge auch nicht daraus, dass die Ehefrau des Klägers, die Zeugin M.
, Mitbesitz an dem BMW gehabt habe. Die freiwillige Weggabe einer
Sache durch deren Alleineigentümer schließe ein Abhandenkommen im Hinblick
auf einen weiteren Mitbesitzer aus.
II.
5 Diese Erwägungen treffen zu. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
6 1. Der Kläger kann von der Beklagten weder Herausgabe des BMW noch
Herausgabe der Nutzungen des Fahrzeugs verlangen. Als Grundlage
solcher Ansprüche kommen nur § 985 BGB (Herausgabe des BMW) und § 990 Abs. 1
Satz 1, § 987 Abs. 1 BGB (Herausgabe der Nutzungen) in Betracht.
Diese Ansprüche stehen dem Kläger nur zu, wenn er Eigentümer des BMW
geblieben ist. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht zutreffend
verneint. Die Beklagte hat gutgläubig Eigentum an dem BMW erworben.
7 2. Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an dem BMW durch die
Beklagte setzt nach § 932 Abs. 1 Satz 1, § 929 Satz 1 BGB voraus, dass diese
sich mit dem Verkäufer über den Übergang des Eigentums an dem Fahrzeug
geeinigt, der Verkäufer ihr den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug
verschafft hat und dass die Beklagte bei Vollendung des Eigentumserwerbs
gutgläubig war. Das war sie nach § 932 Abs. 2 BGB, wenn sie zu
diesem Zeitpunkt weder wusste noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht
wusste, dass der BMW nicht dem Verkäufer, sondern einem Dritten gehörte.
Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
gegeben. Die Beklagte hat sich danach mit dem Verkäufer darüber geeinigt,
dass sie (Zug um Zug gegen die geleistete Barzahlung des Kaufpreises und die
Inzahlunggabe ihres alten Fahrzeugs) das Eigentum an dem BMW erhielt. Der
Verkäufer hat ihr den BMW übergeben. Sie wusste nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der Verkäufer nicht
Eigentümer des BMW war und hatte auch keinen hinreichenden Anlass, an dessen
Eigentum zu zweifeln. Diese tatsächlichen Feststellungen sind
revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar und in diesem Rahmen nicht
zu beanstanden. Sie werden von dem Kläger mit der Revision auch nicht
angegriffen.
8 3. Entgegen der Ansicht des Klägers scheitert der gutgläubige
Erwerb des Eigentums an dem BMW durch die Beklagte auch nicht an der
Vorschrift des § 935 Abs. 1 BGB. Danach scheidet der gutgläubige
Erwerb des Eigentums an einer beweglichen Sache trotz der Gutgläubigkeit des
Erwerbers aus, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren
gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Eine bewegliche Sache
kommt ihrem Eigentümer abhanden, wenn dieser den Besitz an ihr unfreiwillig
verliert (BGH, Urteile vom 15. November 1951 - III ZR 21/51, BGHZ
4, 10, 33 und vom 16. April 1969 - VIII ZR 64/67, WM 1969, 656, 657; RGZ
101, 224, 225; MünchKomm-BGB/Oechsler, 6. Aufl., § 935 Rn. 2;
Staudinger/Wiegand, BGB [2011] § 935 Rn. 4). Der Kläger hat den
Besitz an dem BMW nicht in diesem Sinne unfreiwillig verloren
.
9 a) Ein unfreiwilliger Besitzverlust kann unter allerdings im
Einzelnen streitigen Bedingungen eintreten, wenn der Eigentümer den Besitz
an der Sache nach Maßgabe von § 855 BGB durch einen Besitzdiener ausübt und
dieser die Sache ohne den Willen des Eigentümers einem Dritten überlässt
(RGZ 71, 248, 253; OLG Köln, MDR 2006, 90; zu den Einzelheiten:
MünchKomm-BGB/Oechsler, BGB. 6. Aufl., § 935 Rn. 10; Staudinger/Gutzeit, BGB
[2012] § 855 Rn. 28). Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht des Klägers
hier dadurch eingetreten, dass er den BMW dem Zeugen F. zur Vorführung bei
der Bank überlassen und dieser das Fahrzeug dem Zeugen G. oder der von
diesem vertretenen Gesellschaft überlassen hat, von denen der Autohändler
das Fahrzeug erworben hat. Diese Annahme ist unzutreffend.
10 aa) Besitzdiener ist nach § 855 BGB, wer die tatsächliche Gewalt
über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft
oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf
die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat. Dazu muss
ein nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis begründet werden
(BGH, Urteil vom 24. April 1952 - IV ZR 107/51, LM Nr. 2 zu § 1006
BGB, Bl. 876 Rückseite; Senat, Urteil vom 30. Mai 1958 - V ZR 295/56, BGHZ
27, 360, 363; RGZ 77, 201, 209), das dem Besitzherrn zumindest
faktisch die Möglichkeit gibt, seinen Willen gegenüber dem Besitzdiener
durchzusetzen (OLG Bamberg, NJW 1949, 716, 717; OLG Schleswig,
SchlHA 1969, 43, 44; OLG Stuttgart, WM 2009, 1003; Soergel/Stadler, BGB, 13.
Aufl., § 855 Rn. 8; Staudinger/Gutzeit, BGB [2012] § 855 Rn. 16).
11 bb) Ein solches Rechtsverhältnis hat das Berufungsgericht mit Recht
verneint.
12 (1) Der Kläger hat bislang die Ansicht vertreten, ein solches
Rechtsverhältnis habe zwischen ihm und dem Zeugen F. bestanden. Dem kann
schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser Zeuge von dem Zeugen G.
beauftragt worden war, den BMW abzuholen, diesen Auftrag auch erledigt hat
und ihn der Kläger, wie das Berufungsgericht formuliert hat, „nicht einfach
,kraft Willensakts' zu seinem Besitzdiener machen" konnte. Das hat das
Berufungsgericht zutreffend gesehen. Dagegen wendet sich der Kläger nicht.
13 (2) Entgegen der Ansicht des Klägers waren auch weder der Zeuge G. selbst
noch die von diesem vertretene Gesellschaft seine Besitzdiener.
14 (a) Der Kläger stützt seine gegenteilige Ansicht darauf, dass der Zeuge
G. oder die von diesem vertretene Gesellschaft zu ihm in einem Auftrags-
oder Geschäftsbesorgungsverhältnis gestanden und auf Grund dieses
Rechtsverhältnisses seine Weisungen zu befolgen gehabt hätten. Das
allein macht aber weder den Zeugen noch die von ihm vertretene Gesellschaft
zu Besitzdienern des Klägers. Besitzdiener ist nicht jeder, der Weisungen
des Eigentümers der Sache zu befolgen hat, sondern nur derjenige,
demgegenüber der Eigentümer die Einhaltung seiner Weisungen im
Nichtbefolgungsfall auf Grund eines Direktionsrechts oder vergleichbarer
Befugnisse unmittelbar selbst durchsetzen kann. Solche Befugnisse sehen
weder das Auftrags- noch das Geschäftsbesorgungsrecht vor. Deshalb werden
der Beauftragte, der Geschäftsbesorger ebenso wie Werkunternehmer als
Besitzmittler angesehen (RGZ 100, 190, 193; 109, 167, 170 für
Auftrag; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 1010, 1011; OLG Brandenburg, OLGR 2006, 850
für Geschäftsbesorgungsvertrag; RGZ 98, 131, 134 für Geschäftsführung ohne
Auftrag; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1951 - IV ZR 90/50, Umdruck Seite 29,
insoweit weder in LM Nr. 2 zu Art. 3 AHKG 13 noch in LM Nr. 1 zu § 855 BGB
abgedruckt, und OGHZ 2, 157, 160 für Frachtvertrag; OLG Koblenz, NJW-RR
2003, 1563, 1564 aE für Werkvertrag), nicht als Besitzdiener.
15 (b) Nichts anderes ergibt sich aus dem von dem Kläger
angestellten Vergleich des vorliegenden Rechtsverhältnisses mit dem
Rechtsverhältnis des Verkäufers eines Fahrzeugs zu dem Kaufinteressenten,
dem er eine Probefahrt ermöglicht. Es ist zwar richtig, dass der
Kaufinteressent, der mit dem ihn interessierenden Fahrzeug eine Probefahrt
unternimmt, als Besitzdiener des Verkäufers angesehen wird (OLG
Köln, MDR 2006, 90; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 855 Rn. 14; vorsichtig
distanzierend: Staudinger/Gutzeit, BGB, [2012] § 855 Rn. 22). Ob dem
ohne weiteres gefolgt werden kann, kann dahinstehen. Anerkannt ist
jedenfalls, dass der Inhaber der Fahrzeugschlüssel jedenfalls dann nicht
mehr nur Besitzdiener des Eigentümers, sondern selbst unmittelbarer Besitzer
des Fahrzeugs ist, wenn sich der Eigentümer seiner Einflussmöglichkeiten
begibt (OLG Schleswig, SchlHA 1969, 43, 44; Soergel/Stadler, BGB,
13. Aufl., § 855 Rn. 10 aE; Staudinger/Gutzeit, BGB [2012] § 855 Rn. 16 Abs.
2). So liegt es hier. Der Kläger hat den BMW dem Zeugen F. übergeben, der
von dem Zeugen G. beauftragt war, auf den wiederum der Kläger nicht
unmittelbar einwirken konnte. Er hat dem Zeugen F. zudem nicht nur das
Fahrzeug mit dem Schlüssel und dem für die Fahrt zur Bank benötigten
Fahrzeugschein, sondern auch den Fahrzeugbrief übergeben. Welchen Zweck das
hatte, muss hier nicht geklärt werden. Der Kläger hatte mit der von dem
Zeugen G. vertretenen Gesellschaft am Tag zuvor vereinbart, dieser den BMW
zu übereignen. Vor diesem Hintergrund hat er jedenfalls durch die Übergabe
auch des Fahrzeugbriefs - im Unterschied zu dem Verkäufer bei der Übergabe
eines Fahrzeugs zur Probefahrt - dem Zeugen G. oder der von diesem
vertretenen Gesellschaft die Möglichkeit verschafft, als Eigentümer des
Fahrzeugs aufzutreten. Er hat seinen unmittelbaren Besitz freiwillig
aufgegeben und hatte auch keinen Besitzdiener, durch den er den Besitz noch
ausüben konnte.
16 b) Ein Abhandenkommen des BMW ergibt sich auch nicht
daraus, dass der Kläger ihn dem Zeugen F. nicht zur beliebigen Verwendung,
sondern nur dazu überlassen hat, das Fahrzeug der Bank vorzuführen und ihr
gegebenenfalls zur Sicherheit zu übereignen. Damit hat der Kläger zwar, wie
dargelegt, mit dem Zeugen G. , der den Zeugen F. zu ihm geschickt hatte,
oder mit der von dem Zeugen G. vertretenen Gesellschaft einen
Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen, auf Grund dessen er mittelbarer
Besitzer des BMW blieb. Eine eigenmächtige Weggabe der Sache durch den
Besitzmittler -hier des Zeugen G. oder der von diesem vertretenen
Gesellschaft - steht aber, anders als ein eigenmächtiges Verhalten eines
Besitzdieners, dem gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten nicht entgegen
(BGH, Urteile vom 16. April 1969 - VIII ZR 64/67, WM 1969, 656, 657
und vom 20. September 2004 - II ZR 318/02, NJW-RR 2005, 280, 281).
Sie führt zwar zur Beendigung des Besitzmittlungsverhältnisses und dazu,
dass der mittelbare Besitzer - hier der Kläger - den mittelbaren Besitz ohne
seinen Willen verliert. Der Verlust des mittelbaren Besitzes ist aber für
den Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nach § 935 Abs. 1 BGB nicht
entscheidend (BGH, Urteil vom 16. April 1969 - VIII ZR 64/67, WM
1969, 656, 657). Den unmittelbaren Besitz, auf dessen unfreiwilligen
Verlust es nach der Vorschrift ankommt, hat der mittelbare Besitzer mit der
Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses freiwillig aufgegeben (MünchKomm-BGB/Oechsler,
6. Aufl., § 935 Rn. 9).
17 c) Ein Abhandenkommen des BMW ergibt sich schließlich entgegen der
Ansicht des Klägers nicht daraus, dass seine Ehefrau Mitbesitz an dem BMW
hatte und diesen verlor, als er den BMW dem Zeugen F. übergab.
18 aa) Dem Kläger ist allerdings einzuräumen, dass der gutgläubige
Erwerb des Alleineigentums an einer in unmittelbarem Besitz mehrerer
Mitbesitzer stehenden Sache nach wohl unbestrittener Ansicht ausscheidet,
wenn der Erwerber den Besitz von einem Mitbesitzer ohne Wissen und Wollen
der anderen Mitbesitzer erlangt (BGH, Urteil vom 6. März 1995 - II
ZR 84/94, NJW 1995, 2097, 2099; OLG München, MDR 1993, 918; OLG
Braunschweig, OLGE 26, 58, 59; Bamberger/Roth/Kindl, BGB, 3. Aufl., § 935 Rn.
4; jurisPK-BGB/Beckmann, 6. Aufl., § 935 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Oechsler, 6.
Aufl., § 935 Rn. 3; NK-BGB/Meller-Hannich, 3. Aufl., § 935 Rn. 4; Palandt/Bassenge,
BGB, 73. Aufl., § 935 Rn. 9; Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 935 Rn. 9;
Staudinger/Wiegand, BGB [2011] § 935 Rn. 7). Diskutiert wird diese
Möglichkeit bislang aber nur für den Fall, dass die Mitbesitzer der Sache
auch Miteigentümer sind (BGH, Urteil vom 6. März 1995 - II ZR
84/94, NJW 1995, 2097, 2099; OLG Braunschweig, OLGE 26, 58, 59), und
für den Fall, dass der Mitbesitzer, der sich oder einem Dritten den
Alleinbesitz an der Sache verschafft, selbst nicht deren Eigentümer ist
(OLG München, MDR 1993, 918; Staudinger/ Wiegand, aaO Rn. 8).
Hier geht es aber weder um die eine noch um die andere
Fallgestaltung, sondern darum, dass der Dritte den Besitz von dem
Mitbesitzer erlangt, in dessen Alleineigentum die Sache steht.
19 bb) Auf diesen Fall ist § 935 Abs. 1 BGB seinem Wortlaut nach
nicht anwendbar. Die Vorschrift schließt den gutgläubigen Erwerb nur aus,
wenn entweder der Eigentümer selbst (Absatz 1 Satz 1) oder der unmittelbare
Besitzer, der ihm den Besitz vermittelt, den unmittelbaren Besitz
unfreiwillig verliert (Absatz 1 Satz 2). Der Verlust des
Mitbesitzes der Ehefrau des Klägers erfüllt weder den Tatbestand des Satzes
1 noch den des Satzes 2 der Vorschrift. Der Kläger hat seinen
unmittelbaren Mitbesitz nicht unfreiwillig verloren. Seine Ehefrau
vermittelte ihm den Besitz an dem BMW nicht, da er selbst neben ihr
unmittelbarer Mitbesitzer war.
20 cc) Die Vorschrift kann in beiden Alternativen auf diesen Fall auch nicht
entsprechend angewandt werden. Das setzte voraus, dass die Vorschrift in der
vorliegenden Fallkonstellation eine unbeabsichtigte Lücke aufwiese, die nach
dem Plan des Gesetzes durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf
diese Konstellation ausgefüllt werden müsste (vgl. Senat, Urteile vom 12.
Juli 2013, V ZR 85/12, ZfBR 2013, 766, 768 Rn. 26 und vom 19. März 2004 - V
ZR 214/03, VIZ 2004, 374, 375). Es fehlt schon an der planwidrigen Lücke.
21 (1) § 935 Abs. 1 BGB schützt den Eigentümer vor einem Eigentumsverlust
durch den gutgläubigen Erwerb eines Dritten, wenn er seinen Besitz
unfreiwillig verloren hat. Der unfreiwillige Besitzverlust entwertet
nämlich den unmittelbaren Besitz und die an ihn anknüpfende
Eigentumsvermutung (§ 1006 BGB) als Grundlage des gutgläubigen Erwerbs.
Das ist in den bisher diskutierten Fallgestaltungen nicht anders.
Erlangt der Erwerber ohne den Willen des Eigentümers den unmittelbaren
Besitz von einem Mitbesitzer, dem die Sache nicht gehört, verliert ihr
Eigentümer den Besitz jedenfalls unfreiwillig. Ist der Mitbesitzer zugleich
Miteigentümer, verlieren zwar nicht alle Miteigentümer den Besitz
unfreiwillig, wohl aber die Miteigentümer, die dem Dritten den Besitz nicht
(mit-)verschafft haben. In beiden Fallgestaltungen wäre die Anwendung der
Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb nicht zu rechtfertigen. Beide
Fälle werden nach Wortlaut und Zweck von § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst.
22 (2) Das Problem, das die Vorschrift des § 935 BGB bewältigen
soll, stellt sich dagegen nicht, wenn der Dritte den unmittelbaren Besitz
von einem Mitbesitzer erlangt, dem die Sache allein gehört. Der
Eigentümer gibt in diesem Fall seinen unmittelbaren Besitz an der Sache zu
Gunsten des Dritten freiwillig ganz auf und verschafft diesem damit den
unmittelbaren Besitz, an den wiederum nach § 1006 BGB die Vermutung für
dessen Eigentum knüpft. Es gibt deshalb keinen sachlichen Grund, ihn vor den
Folgen des gutgläubigen Erwerbs zu schützen. Dass die Regelung in § 935 BGB
auf diesen Fall keine Anwendung findet, entspricht dem Plan des Gesetzes und
dem Zweck der Vorschrift. Daran ändert es entgegen der von dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung
vertretenen Ansicht nichts, dass Mitbesitzerin des Fahrzeugs im vorliegenden
Fall die Ehefrau des Klägers war. Für die Geltung oder Nichtgeltung der
Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb kommt es nach § 935 Abs. 1 BGB
allein darauf an, ob der Eigentümer oder sein Besitzmittler den
unmittelbaren Besitz unfreiwillig verlieren. Auf welcher Grundlage die
maßgeblichen Besitzverhältnisse beruhen, spielt dagegen für die Geltung des
Verkehrsschutzes keine Rolle.
23 (3) § 935 BGB kann, anders als der Kläger meint, auch nicht deshalb als
lückenhaft angesehen werden, weil der Schutz des eigentumslosen Mitbesitzers
in dieser Fallkonstellation unzureichend sei.
24 (a) Zweifelhaft ist schon, ob der Schutz des Mitbesitzers unzureichend
ist. Dem eigentumslosen Mitbesitzer stehen gegen den Eigentümer die
materiell-rechtlichen Ansprüche auf Verschaffung oder Wiederverschaffung des
Mitbesitzes aus dem Rechtsverhältnis zu, auf Grund dessen er den Mitbesitz
erlangt hat. Außerdem stehen ihm die allgemeinen possessorischen Ansprüche
zu, die bei der vollständigen Entziehung des Mitbesitzes durch § 866 BGB
nicht ausgeschlossen sind (Senat, Urteil vom 6. April 1973 - V ZR 127/72, LM
Nr. 8 zu § 854 BGB; OLG Düsseldorf, OLGZ 1985, 233, 235).
25 (b) Auch wenn der Schutz des Mitbesitzers gegenüber dem mitbesitzenden
Eigentümer unzureichend sein sollte, bedeutet das nicht, dass gerade die
Vorschrift des § 935 BGB planwidrig lückenhaft ist. Lückenhaft ist in einer
solchen Situation vielmehr die Vorschrift, deren Zweck die Bewältigung des
unzureichend geregelten Problems ist (vgl. Senat, Urteil vom 19. März 2004
- V ZR 214/03, VIZ 2004, 374, 375). Das wäre hier § 866 BGB, nicht § 935
BGB. Nur die erstgenannte Vorschrift befasst sich mit dem Schutz des
Mitbesitzers. Die Vorschrift des § 935 BGB befasst sich dagegen mit dem
Schutz des Eigentümers vor den Folgen des gutgläubigen Erwerbs bei einem
unfreiwilligen Besitzverlust. Regelungsthema der Vorschrift ist damit der
Schutz des Eigentümers, nicht der Schutz des Besitzers. Dass diese
Vorschrift nicht lückenhaft sein kann, wenn der Schutz der Mitbesitzer
untereinander unzureichend sein sollte, zeigt sich auch an den Folgen einer
entsprechenden Anwendung auf die Entziehung des Mitbesitzes durch den
mitbesitzenden Eigentümer. Die Vorschrift schlösse zwar den gutgläubigen
Erwerb des Eigentums an der Sache durch einen Dritten aus und verhinderte,
dass der Besitz an der Sache endgültig verlorengeht. Davon profitierte aber
nur der Eigentümer. Für den eigentumslosen Mitbesitzer wäre nichts gewonnen.
Er bliebe für die Wiederverschaffung des Mitbesitzes auf die
materiell-rechtlichen und possessorischen Ansprüche verwiesen, die ohnehin
bestehen.
IV.
26 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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