Gutgläubiger Erwerb an beweglichen Sachen;
Begriff der abhandengekommenen Sache i.S.v. § 935 BGB; Besitzlockerung,
Besitzdienerschaft und Besitzübertragung
BGH, Urteil vom 18. September 2020 -
V ZR 8/19 - OLG Frankfurt am Main
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt
mit einem Kraftfahrzeug unternimmt, ist nicht Besitzdiener des Verkäufers.
b) Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs durch den Verkäufer zu einer
unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines
Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine gewisse Dauer (hier eine
Stunde) ist keine Besitzlockerung, sondern führt zu einem freiwilligen
Besitzverlust. c) Wird das Fahrzeug in einem solchen Fall nicht
zurückgegeben, liegt daher kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB vor.
Zentrale Probleme:
Ein typischer Klausursachverhalt und damit eine
lehrreiche Lektüre: Ein (scheinbarer) Kaufinteressent eines Pkw kommt von
einer mit dem Eigentümer vereinbarten Probefahrt nicht zurück und veräußert
das Farhrzeug mit gut gefälschten Papieren an einen gutgläubigen Dritten.
Fraglich ist, ob hier ein gutgl. Erwerb des Dritten nach § 932 BGB (dessen
Voraussetzungen der Senat im Einzelnen darlegt) an § 935 I BGB scheitert.
Dazu müsste die Sache abhandengekommen sein, was verbotene Eigenmacht i.S.v.
§ 858 BGB voraussetzt. Der Eigentümer müsste also den unmittelbaren Besitz
ohne oder gegen seinen Willen verloren haben (s. dazu
BGHZ 199, 227 Rn. 21). Der Senat legt dar, dass hier keine bloße
Besitzlockerung des Verkäufers eingetreten war (s. dazu
Senat, Urteil vom 17. März 2017 - V ZR 70/16) und
der Kaufinteressent hier auch nicht lediglich Besitzdiener war (§ 855 BGB).
Wenn das so wäre, würde in dessen Aufschwingen zum Besitzer verbotene
Eigenmacht vorliegen. Dass er sich den Besitz durch Täuschung erschlichen
hat, ändert nichts an dem freiwilligen Abhandenkommen des Besitzes. Gleiches
gilt beim Verlust des bloß mittelbaren Besitzes, also im Falle der
Unterschlagung (s. dazu BGH v. 1.3.2013 - V ZR 92/12).
So konnte der Dritte nach § 932 BGB gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug
erwerben. In seiner Widerklage macht er gegen den früheren Eigentümer
einen Anspruch auf Herausgabe der (echten) Papiere sowie des zweitem
Fahrzeugsschlüsssels geltend. Der Anspruch auf Herausgabe der
Originalpapiere ergibt sich aus § 985 BGB infolge einer analogen Anwendung
von § 952 BGB ("Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier"). Einen
Anspruch auf Herausgabe des zweiten Originalschlüssels gibt es nicht: Dieser
ist lediglich "Zubehör" der beweglichen Sache und als solche
Sonderrechtsfähig, d.h. das Eigentum an Ihnen folgt nicht dem Eigentum an
der Hauptsache. Natürlich darf der Eigentümer des Schlüssels diesen nicht
für das Fahrzeug verwenden: Das wäre wiederum eine Besitzstörung oder
Besitzentziehung i.S.v. § 858 BGB, d.h. verbotene Eigenmacht.
©sl 2020
Tatbestand:
1 Bei der Klägerin, die ein Autohaus betreibt,
erschien Ende August 2017 ein Mann, der sich für ein als
Vorführwagen genutztes Kraftfahrzeug, dessen Wert 52.900 € betrug,
interessierte und mit diesem eine Probefahrt unternehmen wollte. Er
legte einen italienischen Personalausweis, eine Meldebestätigung einer
deutschen Stadt und einen italienischen Führerschein vor. Die Unterlagen,
die sich später als hochwertige Fälschungen herausstellten, wurden durch
einen Mitarbeiter der Klägerin kopiert. In einem als
„Fahrzeug-Benutzungsvertrag“ bezeichneten Formular wurden die Durchführung
einer Probefahrt in dem Zeitraum von 11.30 Uhr bis 12.30 Uhr, eine
Haftungsreduzierung auf 1.000 € sowie eine vorgebliche Mobilfunknummer des
Interessenten eingefügt. Ihm wurde für eine unbegleitete
Probefahrt ein Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene
Fahrzeug, das diesbezügliche Fahrtenbuch und Fahrzeugscheinheft sowie eine
Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt. Die Person kehrte mit
dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück.
2 Im
September 2017 wurde die Beklagte in einem Internetverkaufsportal auf das
dort von einem Privaten angebotene Fahrzeug aufmerksam. Bei
dem telefonisch vereinbarten Treffen am Hauptbahnhof in H. legte der
Verkäufer die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II vor, die auf seine
angeblichen Personalien ausgestellt waren und die die
Fahrzeugidentifikationsnummer des Fahrzeuges auswiesen. Die Bescheinigungen
waren auf Originalvordrucken, die aus einer Zulassungsstelle gestohlen
worden waren, angefertigt. Die Beklagte, die die Fälschungen nicht
erkannte, schloss mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Auf
seinen Wunsch hin vermerkten sie in dem Vertragsformular anstelle des
tatsächlich bar geleisteten Betrages von 46.500 € einen Kaufpreis von nur
43.500 €, weil der Verkäufer angab, dass dies „besser für seine Arbeit“ sei.
Der Beklagten wurden nach Zahlung das Fahrzeug,
die Zulassungspapiere, ein passender sowie ein weiterer - nicht dem Fahrzeug
zuzuordnender - Schlüssel übergeben. Die zuständige Behörde lehnte eine
Zulassung ab, da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war.
3
Die Klage auf Herausgabe des Fahrzeugs hat das Landgericht
abgewiesen und der Widerklage, mit der die Beklagte die
Feststellung ihres Eigentums sowie Herausgabe der Original-Zulassungspapiere
und des Zweitschlüssels verlangt, stattgegeben. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Die
Widerklage hat es bezüglich des Feststellungsantrages als unzulässig, im
Übrigen als unbegründet abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht
zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will die
Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.
Entscheidungsgründe:
A.
4 Nach Ansicht des
Berufungsgerichts ist die Klägerin Eigentümerin des Fahrzeuges geblieben und
kann deshalb dessen Herausgabe von der Beklagten verlangen. Die Beklagte
habe das Eigentum nicht kraft guten Glaubens erworben. Zwar sei die
Würdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden, wonach die Beklagte bei
Abschluss des Kaufvertrages in gutem Glauben an das Eigentum des Verkäufers
gewesen sei. Ein gutgläubiger Erwerb scheitere aber daran, dass der Klägerin
das Fahrzeug im Sinne des § 935 BGB abhandengekommen sei. Weil eine
einstündige unbegleitete Probefahrt keine bloße Lockerung des unmittelbaren
Besitzes der Klägerin sei, komme es entscheidend darauf an, ob der als
Kaufinteressent auftretende Unbekannte als Besitzdiener der Klägerin
anzusehen sei, dessen Besitzkehr zu einem unfreiwilligen Besitzverlust der
Klägerin geführt habe. Dies sei zu bejahen. Für die Annahme
einer Besitzdienerschaft nach § 855 BGB im Anwendungsbereich des § 935 BGB
sei zu fordern, dass der Besitzherr sein Verlustrisiko und das Vertrauen in
den Besitzerwerber durch nach außen sichtbare Weisungen und
Einflussmöglichkeiten abgesichert habe. Ein soziales Abhängigkeitsverhältnis
im engeren Sinne sei mit Blick auf den Schutzzweck des § 935 BGB nicht
erforderlich. Hier habe die Klägerin durch die Prüfung und Ablichtung der
vorgelegten Dokumente (Ausweis, Führerschein, Meldebestätigung), die
Vereinbarung der ständigen telefonischen Erreichbarkeit, die Zurückhaltung
der Original-Zulassungspapiere und das Anbringen von roten Kennzeichen
dokumentiert, dass die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über das
Fahrzeug jederzeit und ausschließlich von ihrem Willen abhängig gewesen sei.
Sie habe über die angegebene Mobilfunknummer jederzeit den Abbruch der
Probefahrt anordnen können. Das verwendete Formular
(„Fahrzeug-Benutzungsvertrag“), in dem die Kennzeichnung als Probefahrt
anstelle eines Mietvertrages vorgenommen worden sei, habe erkennbar nur der
Dokumentation der Personalien des Kaufinteressenten und der Vereinbarung
einer Selbstbeteiligung gedient. Gegen einen Rechtsbindungswillen und die
Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses sprächen auch die sehr kurze
Nutzungsdauer und der allgemeine Umstand, dass die Benutzungsberechtigung im
Rahmen einer Probefahrt ganz überwiegend als Teil der Vertragsanbahnung
eines Kaufs angesehen werde.
5 Die Widerklage sei hinsichtlich der
beantragten Feststellung des Eigentums bereits mangels
Feststellungsinteresses unzulässig, weil der Leistungsantrag der Klägerin
weiter reiche. Im Übrigen sei die Widerklage mangels Eigentumserwerbs der
Beklagten an dem Fahrzeug unbegründet.
B.
6 Dies hält
rechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
I. Klage
7 Das Berufungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch nach § 985 BGB auf
Herausgabe des Fahrzeugs zu, weil die Beklagte das Eigentum an diesem
gutgläubig erworben hat.
8 1. Entgegen der Ansicht
des Berufungsgerichts besteht das Eigentum der Klägerin nicht deshalb fort,
weil ihr das Fahrzeug abhandengekommen und daher ein gutgläubiger Erwerb
durch die Beklagte ausgeschlossen ist.
9 a) Nach § 935 Abs.
1 Satz 1 BGB tritt ein gutgläubiger Erwerb auf Grund der §§ 932 bis 934 BGB
nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden,
verlorengegangen oder sonst abhandengekommen war. Der unfreiwillige
Besitzverlust entwertet nämlich den unmittelbaren Besitz und die an
ihn anknüpfende Eigentumsvermutung (§ 1006 BGB) als
Grundlage des gutgläubigen Erwerbs (Senat,
Urteil vom 13. Dezember 2013 - V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 21).
Eine bewegliche Sache kommt ihrem Eigentümer abhanden, wenn dieser
den Besitz an ihr unfreiwillig verliert (vgl.
Senat, Urteil vom 13. Dezember 2013 - V ZR 58/13,
aaO Rn. 8 mwN). Die Klägerin hat ihren unmittelbaren Besitz nicht
deshalb unfreiwillig verloren, weil der vermeintliche Kaufinteressent über
seine wahren Absichten getäuscht hat. Eine Besitzaufgabe ist nicht
unfreiwillig, wenn sie durch Täuschung bestimmt worden ist (vgl.
BGH, Urteil vom 11. Juni 1953 - IV ZR 181/52, juris Rn. 22, insoweit nicht
abgedruckt in BGHZ 10, 81; MüKoBGB/Oechsler, 8. Aufl., § 935 Rn. 7;
Staudinger/Wiegand, BGB [2017], § 935 Rn. 11; Palandt/Herrler, BGB, 79.
Aufl., § 935 Rn. 5).
10 b) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht
allerdings davon aus, dass die Klägerin die tatsächliche Gewalt über das
Fahrzeug bei dessen Überlassung zum Zwecke der Probefahrt nicht nur
gelockert, sondern auf den (vermeintlichen) Kaufinteressenten übertragen
hat. Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs durch den Verkäufer zu
einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines
Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine gewisse Dauer (hier eine
Stunde) ist keine Besitzlockerung, sondern führt - weil auch keine
Besitzdienerschaft vorliegt (dazu unter I.1.c)cc)) - zu
einem freiwilligen Besitzverlust.
11 aa) Der
unmittelbare Besitz an einer Sache wird gemäß § 854 Abs. 1 BGB durch die
tatsächliche Gewalt über die Sache erworben. In wessen tatsächlicher
Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der
Verkehrsanschauung ab, also von der zusammenfassenden Wertung aller Umstände
des jeweiligen Falles entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens
(vgl. Senat, Urteil vom 17. März 2017 - V ZR
70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 10; Urteil vom 30. Januar 2015 - V ZR 63/13,
WM 2015, 1434 Rn. 24 jeweils mwN).
12 Für die
Besitzverhältnisse an einem Kraftfahrzeug kommt es in der Regel
darauf an, wer die tatsächliche Sachherrschaft über die
Fahrzeugschlüssel ausübt. Die Übergabe eines Schlüssels
bewirkt allerdings nur dann einen Besitzübergang, wenn der Übergeber die
tatsächliche Gewalt an der Sache willentlich und erkennbar aufgegeben und
der Empfänger des Schlüssels sie in gleicher Weise erlangt hat
(vgl. Senat, Urteil vom 17. März 2017 - V ZR 70/16, NJW-RR
2017, 818 Rn. 18; Urteil vom 13. Dezember 2013 - V ZR
58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 15). Hieran fehlt es etwa, wenn der
Schlüssel zwecks bloßer Besichtigung des Fahrzeugs übergeben wird.
13 Wird der Schlüssel für eine kurze Probefahrt ausgehändigt,
kann dies gegen eine Übertragung des unmittelbaren Besitzes und für eine
bloße Besitzlockerung sprechen, weil nur die auf eine gewisse Dauer
angelegte Sachherrschaft als Besitz angesehen wird (vgl.
Senat, Urteil vom 17. März 2017 - V ZR 70/16,
NJW-RR 2017, 818 Rn. 20; generell für eine Besitzlockerung bei
einer Probefahrt: MüKoBGB/Oechsler, 8. Aufl., § 935 Rn. 11;
Staudinger/Gutzeit, BGB [2018], § 854 Rn. 44). Für eine unbegleitete
und auch nicht durch technische Vorrichtungen, die einer Begleitung
vergleichbar sind, gesicherte Probefahrt von einer Stunde kann das indessen
nicht gelten. Denn in diesem Fall bleibt der Verkäufer
weder in einer engen räumlichen Beziehung zu dem Fahrzeug noch ist die
Sachherrschaft des Probefahrers so flüchtig, dass ihm
die Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache nach der Verkehrsanschauung
abzusprechen wäre. Vielmehr kann dieser während der Probefahrt
beliebig auf das Fahrzeug einwirken; während dem Verkäufer schon
wegen der Distanz, die in einer Stunde zurückgelegt werden kann, jede
Kontrolle über das Fahrzeug fehlt. Die Überlassung des Fahrzeugs
kann daher nicht mit einer nur kurzfristigen Aushändigung eines
Gegenstands zur Ansicht innerhalb der Sphäre des bisherigen Besitzers
oder ähnlichen lediglich flüchtigen Sachbeziehungen, die
den unmittelbaren Besitz nicht aufheben (vgl. dazu MüKoBGB/Schäfer, 8.
Aufl., § 854 Rn. 30 f.; Soergel/Stadler, BGB, 13. Aufl., § 854 Rn. 8),
gleichgesetzt werden.
14 bb) Die konkreten Umstände des Einzelfalls
rechtfertigen hier keine andere Beurteilung. Die tatrichterliche Würdigung
des Berufungsgerichts, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt dahingehend
überprüft werden kann, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und
ohne Verstoß gegen Denk- oder Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (vgl.
Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 255/17, WM 2019, 2214 Rn. 26 mwN),
ist auch insoweit aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass das Fahrzeug
mit roten Kennzeichen versehen übergeben worden ist, hat das
Berufungsgericht in diesem Zusammenhang, wie die Klägerin in ihrer
Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, zwar nicht erörtert. Indessen
ergibt sich aus der Verwendung dieser Kennzeichen nicht zwingend eine andere
Beurteilung. Zwar ist richtig, dass Fahrzeuge mit roten Kennzeichen zu
Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrten in Betrieb gesetzt werden. Auch
können solche Kennzeichen nach § 16 Abs. 2 und 3 FZV nur bestimmte
Berechtigte und nur zu bestimmten Zwecken, insbesondere für Probe-und
Überführungsfahrten, verwenden. Gleichwohl kann allein aus deren
Verwendung nicht darauf geschlossen werden, dass der jeweilige
Fahrzeugführer nicht die unmittelbare Sachherrschaft über das Fahrzeug
innehat, sondern entweder nur eine Besitzlockerung oder eine
Besitzdienerschaft vorliegt. Gerade bei einer Überführungsfahrt wird häufig
eine größere Entfernung überbrückt, wobei durchaus naheliegt, dass mit der
Überführung auch externe Personen beauftragt werden, denen der unmittelbare
Besitz eingeräumt worden ist. Auch entziehen die erstellten Kopien
der Ausweisdokumente des vermeintlichen Kaufinteressenten und die von ihm
hinterlegte Mobilfunknummer entgegen der Revisionserwiderung der
tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht ihre Grundlage.
Eine faktische Zugriffsmöglichkeit auf das Fahrzeug während der
Probefahrt ergibt sich aus diesen Umständen nicht.
15 c)
Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht dagegen an, dass die Klägerin
trotz Übertragung der unmittelbaren Gewalt über das Fahrzeug an
den Kaufinteressenten nach § 855 BGB unmittelbare Besitzerin geblieben ist,
weil dieser ihr Besitzdiener sei.
16 aa) Im
Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht in Einklang mit der Rechtsprechung
des Senats allerdings zutreffend davon aus, dass ein unfreiwilliger
Besitzverlust im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB - unter im Einzelnen streitigen
Bedingungen - auch durch das eigenmächtige Handeln eines
Besitzdieners eintreten kann (vgl. Senat, Urteil vom 13. Dezember
2013 - V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 9 mwN).
17 bb) Ob ein
Kaufinteressent, der eine Probefahrt mit einem Kraftfahrzeug unternimmt,
ggf. in entsprechender Anwendung des § 855 BGB als Besitzdiener des
Verkäufers einzuordnen ist, ist streitig.
18 (1) Eine
Ansicht verneint dies, weil es an dem nach § 855 BGB vorausgesetzten
sozialen Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem potentiellen Käufer und dem
Verkäufer fehle. Dieser habe - jedenfalls wenn die
Probefahrt ohne seine Begleitung durchgeführt werde - keine Möglichkeit, auf
das Fahrzeug bzw. den Kaufinteressenten einzuwirken (vgl. OLG
Düsseldorf, OLGR 1992, 180; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8.
Aufl., § 9 Rn. 4 und 14; MüKoBGB/Oechsler, 8. Aufl., § 935 Rn. 11).
19 (2) Andere Stimmen differenzieren nach den Umständen des
Einzelfalls und nehmen insbesondere bei einer nur kurzzeitigen Probefahrt
(20 Minuten) mit roten Kennzeichen und ohne Übergabe von Fahrzeugpapieren
eine Besitzdienerschaft an (so KG, BeckRS 2018, 28236 Rn. 3 ff.;
ähnlich BeckOGK/Götz, BGB [1.7.2020], § 854 Rn. 138.4; BeckOK BGB/Fritzsche
[1.8.2020], § 855 Rn. 9; Erman/Elzer, BGB, 16. Aufl., § 855 Rn. 3 und 5;
PWW/Prütting, BGB, 15. Aufl., § 855 Rn. 2; vgl. auch Eggert in
Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Teil 2 Rn. 4740).
20 (3)
Wiederum andere nehmen generell eine Besitzdienerschaft an
(OLG Köln, MDR 2006, 90; jurisPK-BGB/Gies, 9. Aufl., § 855 Rn. 14;
jurisPK-BGB/Beckmann, 9. Aufl., § 935 Rn. 22; MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl., §
855 Rn. 14; Palandt/Herrler, BGB, 79. Aufl., § 855 Rn. 7). Verwiesen
wird dabei darauf, dass § 855 BGB nicht notwendig das Vorliegen eines
Abhängigkeits- oder sozialen Über-/Unterordnungsverhältnisses voraussetze,
sondern lediglich eine Beziehung, welche den Besitzherrn zur jederzeitigen
Weisung bzw. zum Eingreifen, etwa zum Abbruch der Fahrt berechtige
(OLG Köln, MDR 2006, 90). Jedenfalls liege in solchen Fällen eine
strukturell vergleichbare Situation vor, die eine analoge Anwendung des §
855 BGB rechtfertige (so noch Erman/Lorenz, BGB, 15. Aufl., § 855 Rn. 13;
zur Möglichkeit einer Analogie bei Gefälligkeitsverhältnissen allgemein auch
Staudinger/Gutzeit, BGB [2018], § 855 Rn. 30; Westermann/Gursky/Eickmann,
Sachenrecht, 8. Aufl., § 9 Rn. 13). Mit der Gebrauchsüberlassung
erhalte der Probefahrer keine eigenen Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich
des Besitzes. Ein Leihvertrag werde regelmäßig nicht geschlossen und ein
Besitzrecht zugunsten des Interessenten nicht begründet, weil die
kurzfristige Überlassung des Fahrzeugs lediglich der Kaufanbahnung diene
(OLG Köln, MDR 2006, 90 f.).
cc) Der Senat hat die
Frage bisher offengelassen (zuletzt: Senat,
Urteil vom 17. März 2017 - V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 11 f.).
Er entscheidet sie dahin, dass in Fällen wie dem vorliegenden weder
eine unmittelbare noch eine entsprechende Anwendung des § 855 BGB in
Betracht kommt. Ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt mit einem
Kraftfahrzeug unternimmt, ist nicht Besitzdiener des Verkäufers. Ist - wie
hier - mit der Überlassung des Fahrzeuges keine bloße Besitzlockerung
verbunden, liegt daher kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB vor, wenn
das Fahrzeug nicht zurückgegeben wurde.
22 (1)
Besitzdiener ist nach § 855 BGB, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache
für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem
ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die
Sache beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu leisten hat.
Auch für das hier nur in Betracht kommende „ähnliche Verhältnis“
muss ein nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis begründet
werden, das dem Besitzherrn zumindest faktisch die Möglichkeit gibt, seinen
Willen gegenüber dem Besitzdiener durchzusetzen. Besitzdiener ist nicht
jeder, der Weisungen des Eigentümers der Sache zu befolgen hat, sondern nur
derjenige, demgegenüber der Eigentümer die Einhaltung seiner Weisungen im
Nichtbefolgungsfall auf Grund eines Direktionsrechts oder vergleichbarer
Befugnisse unmittelbar selbst durchsetzen kann (vgl.
Senat, Urteil vom 17. März 2017 - V ZR 70/16,
NJW-RR 2017, 818 Rn. 13; Urteil vom 13. Dezember 2013
- V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 10 jeweils mwN; aA Wieling, Sachenrecht
I, 2. Aufl., § 4 IV 1 a, S. 167, 170; vgl. auch Enders, Der Besitzdiener,
ein Typusbegriff, 1991, S. 65 f.; krit. zum sozialen Abhängigkeitsverhältnis
auch Hartung, Besitz und Sachherrschaft, 2001, S. 211 ff.). Dies
geht nicht nur in eindeutiger Weise aus dem Wortlaut der Vorschrift hervor,
sondern auch aus der Gesetzgebungsgeschichte. Die von dem Gesetz
genannten Fälle - Ausübung der unmittelbaren Gewalt über die Sache im
Haushalt des Besitzherrn oder in dessen Erwerbsgeschäft - machen deutlich,
dass das Weisungsrecht seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis
finden und diesem Rechtsverhältnis das Gepräge geben muss (vgl.
Krüger, Erwerbs zurechnung kraft Status, 1979, S. 128 ff.). Die sich
aus dem Gesetz ergebenden Erfordernisse der Fremdnützigkeit und der
Weisungsgebundenheit stehen dabei in einer inneren Abhängigkeit und stellen
die Abgrenzungskriterien zu einem Besitzmittlungsverhältnis dar
(vgl. BeckOGK/Götz, BGB [1.7.2020], § 855 Rn. 24). Dies kommt auch in den
Protokollen zur zweiten Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Ausdruck, in
denen ausgeführt ist, dass es immer eines besonderen rechtlichen Umstandes
bedürfe, kraft dessen der Besitz des Einen auf einen Anderen bezogen werde.
Dieses Rechtsverhältnis sei in § 797a BGB - dem heutigen § 855 BGB -
bezeichnet (Mugdan III, S. 505). Das Rechtsverhältnis, das eine
Besitzdienerschaft begründet, braucht allgemeiner Meinung nach nicht wirksam
sein. Entscheidend ist, dass die Parteien dieses als gültig ansehen
(Krüger, Erwerbszurechnung kraft Status, 1979, S. 131; jurisPK-BGB/Gies, 9.
Aufl., § 855 Rn. 4; BeckOK BGB/Fritzsche [1.8.2020], § 855 Rn. 16;
MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl., § 855 Rn. 7; NK-BGB/Hoeren, 4. Aufl., § 855 Rn.
5). An einem solchen sozialen Abhängigkeitsverhältnis fehlt es
zwischen einem Kaufinteressenten und dem Verkäufer (vgl. Senat,
Urteil vom 17. März 2017 - V ZR 70/16, NJW-RR
2017, 818 Rn. 14 zu einer Probefahrt des Bestellers einer
Fahrzeugreparatur).
23 (2) Auch kommt eine analoge Anwendung des §
855 BGB nicht in Betracht.
24 a) Dabei kann offenbleiben, ob § 855
BGB, der in seinem Tatbestand mit dem „ähnlichen Verhältnis“ bereits eine
Erweiterung gegenüber den anderen beiden genannten Fällen enthält, überhaupt
analogiefähig ist. Die Vorschrift begründet eine Ausnahme von dem
Grundsatz, dass derjenige, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache
ausübt, als deren unmittelbarer Besitzer anzusehen ist
(NK-BGB/Hoeren, 4. Aufl., § 855 Rn. 1). Sie stellt eine besondere
Zurechnungsnorm für den Fall dar, dass sich der Besitzer bei der Ausübung
der tatsächlichen Gewalt Hilfspersonen bedient (vgl. BeckOK
BGB/Fritzsche [1.8.2020], § 855 Rn. 1; NK-BGB/Hoeren, 4. Aufl., § 855 Rn.
15). Als Ausnahmevorschrift erfordert sie grundsätzlich ein enges
Verständnis. Die Frage bedarf hier aber keiner Entscheidung, da
eine entsprechende Heranziehung der Vorschrift allenfalls in den Fällen in
Betracht kommt, in denen sich eine Person aus Gefälligkeit - mithin nicht
aufgrund eines Rechtsverhältnisses (vgl.
BGH, Urteil vom 4. August 2010 - XII ZR 118/08, WM 2010, 2093 Rn. 14)
- den Weisungen des Besitzers unterwirft (vgl. dazu
Staudinger/Gutzeit, BGB [2018], § 855 Rn. 30; so auch noch Erman/Lorenz,
BGB, 15. Aufl., § 855 Rn. 13). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
25 (b) Die Überlassung eines Kraftfahrzeuges an einen
Kaufinteressenten zum Zweck einer Probefahrt stellt kein derartiges
Gefälligkeitsverhältnis dar. Zwar wird die Annahme eines rechtlich
selbständigen Nutzungsvertrages über das Fahrzeug, das für die Probefahrt
zur Verfügung gestellt wird, dem Willen der Beteiligten regelmäßig nicht
gerecht. Ein bindendes Vertragsverhältnis mit Leistungspflichten
wird in aller Regel nicht gewollt sein (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1968 -
VI ZR 131/67, NJW 1968, 1472, 1473).
26 Daraus kann aber
nicht der Schluss gezogen werden, dass insoweit überhaupt kein
Schuldverhältnis begründet wird. Vielmehr wird dem Kaufinteressenten das
Fahrzeug im Rahmen der Vertragsanbahnung anvertraut (vgl. § 311
Abs. 2 Nr. 2 BGB). Es liegt somit ein gesetzliches Schuldverhältnis
vor (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1968 - VI ZR 131/67, aaO;
Urteil vom 2. Juni 2008 - II ZR 210/06, ZIP
2008, 1526 Rn. 12), aus dem sich nach § 241 Abs. 2 BGB zwischen den
Beteiligten Rechte und Pflichten ergeben. Dieses gesetzliche
Schuldverhältnis begründet kein Direktionsrecht des Verkäufers gegenüber dem
Kaufinteressenten. Dass Letzterer in Bezug auf das Fahrzeug
Weisungen bzw. Vorgaben zum Umgang mit der Sache unterworfen ist, ändert
hieran nichts. Denn sie entspringen - nicht anders als bei einem
Mieter, Entleiher oder Verwahrer - einem allein auf die Sache bezogenen
Rechtsverhältnis, welches zugleich ein - von der Besitzdienerschaft
abzugrenzendes - Besitzmittlungsverhältnis (§ 868 BGB) begründet.
Das Vertragsanbahnungsverhältnis stellt sich, wenn dem Kaufinteressenten die
Sache zur Ansicht oder Probe außerhalb der Sphäre des Verkäufers anvertraut
wurde, als ein dem in § 868 BGB angeführten Beispielen der Miete und
Verwahrung ähnliches Verhältnis dar. Demgegenüber folgt die
Weisungsunterworfenheit eines Besitzdieners aus einem über den rechtlichen
Bezug zur Sache hinausgehenden Verhältnis zum Besitzherrn
(so zutreffend NK-BGB/Hoeren, 4. Aufl., § 855 Rn. 13). Anders als für ein
Gefälligkeitsverhältnis typisch, ist die Probefahrt eines Kaufinteressenten
auch nicht für einen der Beteiligten in erster Linie fremdnützig. Sowohl der
Probefahrer als auch der Verkäufer verfolgen allein eigene Interessen; der
Probefahrer will das Fahrzeug im Straßenverkehr auf dessen Fahreigenschaften
und Funktionalität prüfen; der Verkäufer möchte mit dem Fahrer über kurz
oder lang einen Vertrag abschließen.
27 2. Das Urteil stellt sich
auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Rechtsfehlerfrei
nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beklagte bei dem Erwerb des
Fahrzeugs gutgläubig war.
28 a) Bei einer - wie hier - nach
§ 929 Satz 1 BGB erfolgten Übereignung wird der Erwerber auch dann
Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn,
dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum
erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist (§ 932 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben,
wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die
Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter der hier nur in Betracht
kommenden Alternative der groben Fahrlässigkeit wird im allgemeinen ein
Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten
Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem
dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte
einleuchten müssen (Senat, Urteil vom 1.
März 2013 - V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11 mwN). Die darauf bezogene
tatrichterliche Würdigung kann durch das Revisionsgericht nur darauf
überprüft werden, ob der maßgebliche Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit
verkannt worden ist oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze vorliegen (vgl. Senat, Urteil vom 1.
März 2013 - V ZR 92/12, aaO Rn. 15 mwN). Einen solchen Rechtsfehler
vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
29 b) Das Berufungsgericht
legt hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen, die der Erwerber eines
gebrauchten Fahrzeugs zu beachten hat, die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zugrunde. Danach begründet der Besitz
des Fahrzeugs allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB
erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den
Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten
Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief (§ 25
Abs. 4 Satz 2 StVZO aF) bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II
(§ 12 Abs. 6 FZV) vorlegen lässt, um die Berechtigung des
Veräußerers zu prüfen. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und
des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn
besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet
lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen
nicht (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 -
V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 13 mwN).
30 c) Hier hat sich die
Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen
die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lassen. Dass diese
gefälscht war, konnte sie nach der tatrichterlichen Würdigung des
Berufungsgerichts nicht erkennen. Soweit die Klägerin in der
Revisionserwiderung geltend macht, dass das Gericht lediglich die
Einschätzung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der hochwertigen Qualität
der gefälschten Unterlagen übernommen und insoweit weitere, eigene
Feststellungen des Berufungsgerichts erforderlich gewesen wären, hat der
Senat diese Verfahrensrüge geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§
564 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht
verneint auch ohne Rechtsfehler das Vorliegen besonderer Umstände, die eine
weitergehende Nachforschungspflicht der Beklagten hätten begründen können.
Zwar gebietet der Straßenverkauf im Gebrauchtwagenhandel besondere Vorsicht,
weil er erfahrungsgemäß das Risiko der Entdeckung eines gestohlenen
Fahrzeugs mindert. Ein Straßenverkauf führt aber als solcher noch nicht zu
weitergehenden Nachforschungspflichten, wenn er sich für den Erwerber als
nicht weiter auffällig darstellt (Senat,
Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 15 mwN).
Letzteres nimmt das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht
zu beanstandender Weise an. Dem stellt die Klägerin lediglich ihre eigene,
hiervon abweichende und keineswegs zwingende Würdigung entgegen.
II.
Widerklage
31 Bezogen auf die Widerklage hat die Revision nur
teilweise Erfolg.
32 1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den
Widerklageantrag auf Herausgabe der Original-Zulassungspapiere abgewiesen.
Da die Beklagte das Fahrzeug gutgläubig erworben hat, steht ihr als
Fahrzeugeigentümerin ein Anspruch auf Herausgabe der
Original-Zulassungsbescheinigungen gegenüber der Klägerin nach § 985 Abs. 1
BGB zu. In (entsprechender) Anwendung des § 952 BGB folgt das Eigentum an
den Fahrzeugpapieren dem Eigentum an dem Fahrzeug (vgl. BFH, WM
2020, 180 Rn. 34; KG, OLGZ 1994, 113, 114; BeckOGK/Schermaier, BGB
[1.9.2020], § 952 Rn. 15; BeckOK BGB/Kindl [1.8.2020], § 952 Rn. 5).
Ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) steht der Klägerin nach dem Verlust des
Eigentums an diesen Papieren nicht mehr zu.
33 2.
Den Widerklageantrag auf Herausgabe des Zweitschlüssels hat das
Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Die Beklagte kann dessen
Herausgabe weder nach § 985 BGB noch aus sonstigem Rechtsgrund von der
Klägerin verlangen. Das Eigentum an einem Fahrzeugschlüssel folgt nicht dem
Eigentum an dem Fahrzeug selbst. Der Schlüssel ist nur Zubehör (§ 97 BGB) -
nicht aber Bestandteil (§ 93 BGB) - des Fahrzeugs und kann daher Gegenstand
von Sonderrechten sein (vgl. OLG Köln, MDR 2018, 144, 145).
Mangels Übergabe des Zweitschlüssels konnte die Beklagte das Eigentum an
diesem auch nicht gutgläubig nach § 929, § 932 BGB erwerben.
34 3. Soweit sich die Beklagte gegen die Abweisung ihres
Widerklageantrages auf Feststellung ihres Eigentums an dem Fahrzeug wendet,
ist die Revision mangels einer hierauf bezogenen Begründung unzulässig (§
551 Abs. 3 Nr. 2 a, § 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Betrifft die angefochtene
Entscheidung - wie hier - mehrere prozessuale Ansprüche, ist grundsätzlich
für jeden Anspruch eine den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 a
ZPO genügende Begründung der Revision erforderlich (vgl. Senat, Urteil vom
10. Juli 2020 - V ZR 178/19, juris Rn. 5; Urteil vom 23. Februar 2018 - V ZR
101/16, NJW 2018, 2550 Rn. 56 mwN). Angriffe gegen die erfolgte Abweisung
des Feststellungsantrages als unzulässig enthält die Revisionsbegründung
nicht.
III. 35 Das Berufungsurteil kann somit in dem dargelegten
Umfang keinen Bestand haben und ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, kann
der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, §
97 Abs. 1 ZPO.
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