Rückforderungsanspruch
des verarmten Schenkers bei unteilbaren Leistungen (§ 528 BGB):
Zahlungsanspruch, Abwendungsmöglichkeit für den Schuldner
BGH, Urteil vom 17.
Dezember 2009 - Xa ZR 6/09
Fundstelle:
NJW 2010, 2655
Amtl. Leitsatz:
Macht der verarmte Schenker den
Rückforderungsanspruch bezüglich eines Rechts an einem Grundstück geltend,
kann der Beschenkte seiner auf Zahlung entsprechend der Bedürftigkeit des
Schenkers gerichteten Zahlungspflicht dadurch entgehen, dass er die
Rückübertragung des Geschenks anbietet.
Zentrale Probleme:
Nach § 528 BGB hat der Beschenkte ein Geschenk
herauszugeben, "soweit" der Schenker seinen angemessenen Unterhalt nicht
mehr bestreiten kann. Häufig wird - wie hier - der Anspruch nicht vom
Schenker selbst, sondern von einem Sozialhilfeträger geltend gemacht, der
den Anspruch nach § 93 I SGB VIII auf sich überleitet.
Ist der Unterhaltsanspruch geringer als der Wert des Geschenkes, ist das
Geschenk nur teilweise herauszugeben ("soweit"). Wenn dies - wie etwa bei
einer Grundstücksschenkung - wegen der Unteilbarkeit des Gegenstandes nicht
möglich ist, hat der Beschenkte Ausgleichszahlungen zu leisten (§ 818 II
über § 528 I S. 1 BGB). Hier geht es nun darum, ob der Beschenkte
stattdessen auch einfach den gesamten Gegenstand herausgeben darf. Der Senat
bejaht das mit zutreffenden Gründen.
Zu § 528 BGB s. auch BGH NJW
2004, 1341 und
BGH NJW 2007, 60.
Zur Verjährung s. BGH v.
22.4.2010 - Xa ZR 73/07; zur Frist nach § 529 s.
BGH v. 19.7.2011 - X ZR 140/10
©sl 2010
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt die Beklagte aus übergeleitetem Recht
gemäß § 93 Abs. 1 SGB VIII auf Erstattung von Sozialhilfe in Anspruch, die
er der Mutter der Beklagten in der Zeit vom 6. Mai 2002 bis zu deren Tod am
25. März 2003 gezahlt hat.
2 Mit notariellem Vertrag vom 11. Oktober 1995 schenkte die Mutter der
Beklagten dieser ihren ideellen Anteil von 1/3 an einem
Grünland/Ackergrundstück mit Hütte. Mit Überleitungsbescheid vom 20. Juni
2005 leitete der Kläger den Anspruch der Verstorbenen auf Rückforderung der
Schenkung bis zur Höhe von 7.389,46 € wegen geleisteter Sozialhilfe auf sich
über. Die Beklagte hat dem Kläger die Übertragung des Grundstücksanteils
angeboten, was der Kläger jedoch abgelehnt hat.
3 Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.389,46 €
nebst Zinsen zu zahlen.
4 Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos
geblieben.
6 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
sein Klageziel weiter.
7 Die Beklagte tritt dem entgegen.
Entscheidungsgründe:
8 Die zulässige Revision ist nicht begründet.
9 I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
10 Der vom Kläger auf sich übergeleitete Rückforderungsanspruch sei auf
Herausgabe des Anteils an dem Geschenk gerichtet, "soweit" die Verstorbene
als Schenkerin außerstande gewesen sei, ihren angemessenen Unterhalt zu
bestreiten. Bei einem real unteilbaren Geschenk entstehe von Anfang an ein (Teil-)Wertersatzanspruch
in Geld, wenn der Unterhaltsbedarf geringer sei als der Wert des
geschuldeten Gegenstands. Das der Beklagten zugewandte Geschenk sei indessen
von Anfang an nur ideelles Bruchteilseigentum gewesen. Die Beklagte könne
dem Kläger den von diesem zur Deckung der Sozialhilfe benötigten Bruchteil
herausgeben, indem sie ihm einen Bruchteil von 54/100 des von ihr gehaltenen
Drittels übertrage. Als hierauf gerichtet hat das Berufungsgericht die Klage
jedoch nicht angesehen.
11 II. Das angefochtene Urteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher
Überprüfung stand.
12 1. Der Anspruch des Klägers ist der auf diesen übergeleitete Anspruch der
Mutter der Beklagten aus §§ 528 Abs. 1 Satz 1, 812 ff. BGB. § 528 Abs. 1
Satz 1 BGB bestimmt, dass der Schenker die Herausgabe des Geschenks fordern
kann, soweit er nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen
angemessenen Unterhalt zu bestreiten.
13 Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Anspruch auf
Herausgabe des Geschenks gemäß §§ 528 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB in dem Umfang
besteht, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen
Unterhalts des Schenkers erforderlich ist, so dass er bei einem nicht
teilbaren Geschenk - wie einem Grundstück - von vornherein auf die
wiederkehrende Zahlung eines der jeweiligen Bedürftigkeit des Schenkers
entsprechenden Wertanteils gerichtet ist, bis der Wert des Geschenks
erschöpft ist (BGHZ 94, 141, 144; BGHZ 96, 380, 382; BGHZ 125, 283, 284;
BGHZ 155, 57; BGH, Urt. v. 19.10.2004 - X ZR 2/03, NJW 2005, 670, 671).
14 Der Bundesgerichtshof hat zudem mehrfach klargestellt, dass der Anspruch
sich nur bei der Möglichkeit zur Bildung von realen - nicht aber von
ideellen - Bruchteilen auf Herausgabe eines solchen richtet (BGHZ 94, 141,
143; BGH, Urt. v. 17.1.1996 - IV ZR 184/94, NJW 1996, 287; Urt. v. 17.9.2002
- X ZR 196/01, NJW-RR 2003, 53, 54). Diese Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs bezieht sich auf Grundstücksschenkungen. Auch hier kommt
die Bildung von ideellem Bruchteilseigentum in Betracht. Dies hat der
Bundesgerichtshof jedoch für die Teilbarkeit eines Schenkungsgegenstands
nicht genügen lassen.
15 2. Die Revision vertritt zu Unrecht den Standpunkt, der Bundesgerichtshof
habe bereits verneint, dass sich der Beschenkte von der Wertersatzpflicht
aus §§ 528 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB durch Rückgabe des Geschenks befreien
könne. In der Entscheidung, auf die sich die Revision beruft (BGHZ 94, 141
ff.), wird lediglich ausgeführt, bei nicht real teilbaren Gegenständen sei
der Anspruch auf teilweisen Wertersatz von vornherein auf Zahlung in Höhe
des der Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertteils des Geschenks
gerichtet. Für eine Ersetzungsbefugnis gemäß § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB sei
dann kein Raum. Damit ist die Frage, ob dem Beschenkten eine
Ersetzungsbefugnis in umgekehrtem Sinne zusteht, nicht im Sinne der Revision
beantwortet. Ob der Beschenkte sich durch Rückgabe des ganzen Geschenks
von der Zahlungspflicht nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 818
Abs. 2 BGB befreien könne, hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 125, 283, 285)
ausdrücklich offen gelassen. Er hat ausgeführt, hierfür könne sprechen, dass
die einschränkende Zahlungsverurteilung den Beschenkten begünstigen solle.
16 3. Die Frage ist zu bejahen. Mit der Einschränkung des
Rückforderungsanspruchs in § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB auf das zur Behebung des
Notbedarfs Erforderliche soll dem Vertrauen des Beschenkten auf die
Rechtsbeständigkeit der Schenkung entsprochen, zugleich aber auch dem in Not
geratenen Schenker den Rückgriff auf die Schenkung erhalten werden, damit
dieser entweder seinen eigenen Unterhalt bestreiten kann oder damit die
Erfüllung einer ihm gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht sichergestellt
ist. Insbesondere soll nicht die Allgemeinheit durch die Folgen der
Freigiebigkeit des Schenkers belastet werden (MünchKomm.BGB/J. Koch, 5.
Aufl., § 528 Rdn. 6; Franzen, FamRZ 1997, 528, 532, 545; Schwarz, JZ 1997,
547; ähnlich auch Hörlbacher, ZEV 1995, 2002, 2004; Skibbe, ZEV 1994, 255).
Gibt der Beschenkte jedoch, sobald der Anspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1
BGB gegen ihn geltend gemacht wird, das erhaltene Geschenk zurück, so wird
damit der Zustand wieder hergestellt, der ohne die Freigiebigkeit des
Schenkers bestünde. Hierzu ist der Beschenkte zwar rechtlich nicht
verpflichtet, mehr oder anderes kann von ihm jedoch nicht verlangt werden.
Er ist insbesondere nicht infolge der empfangenen Schenkung verpflichtet,
das Geschenk zu verwerten oder eigene Mittel einzusetzen, um den
Unterhaltsbedarf des Schenkers zu sichern. Hierfür gibt die einschränkende
Zahlungsverurteilung, die dem Beschenkten den Erhalt des Geschenks sichern
soll, keinen Anlass; diese Begünstigung würde sich vielmehr in dem Fall,
dass das Geschenk schwer oder gar nicht zu verwerten ist, in ihr Gegenteil
verkehren. Hierfür gibt es keinen Grund.
17 4. Es kann im vorliegenden Fall dahin stehen, ob die Ersetzungsbefugnis
bereits durch die Erklärung der Beklagten, sie wolle den Grundstücksanteil
zurück übertragen, wirksam ausgeübt worden ist oder ob es eines notariell
beurkundeten Angebots bedurft hätte. Auch wenn letzteres der Fall wäre,
widerspräche es Treu und Glauben, wenn der Kläger sich hierauf berufen
könnte, obwohl er seine Mitwirkung an der Rückabwicklung von vornherein
abgelehnt hat.
18 5. Allerdings trifft es zu, dass in Fällen wie dem vorliegenden das
Risiko und die Kosten der Verwertung des Bruchteilseigentums den Träger der
Sozialhilfe treffen und daher letztlich von der Allgemeinheit aufgebracht
werden müssen. Allein daraus, dass der Beschenkte das Geschenk erhalten hat,
folgt jedoch nicht, dass dieses Risiko im Falle der Bedürftigkeit des
Schenkers auf den Beschenkten überzugehen hätte.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. |