Rechtliche Unmöglichkeit, vorübergehende
Unmöglichkeit und absolutes Fixgeschäft (§ 275 I BGB); Verhältnis zur
Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB); Rückerstattung der Gegenleistung nach § 326
IV BGB
BGH, Urteil vom 24. Januar 2024 - XII ZR 123/22 - OLG
Köln
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Zur Frage der Unmöglichkeit der von einem
Beherbergungsbetrieb geschuldeten Leistung aufgrund eines im
Vertragszeitraum geltenden Beherbergungsverbots zu touristischen Zwecken als
Schutzmaßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. b) Eine Anpassung
vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt
grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften
über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt.
Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des §
275 Abs. 1 BGB erfüllt ist (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ
233, 266 = NZM 2022, 514).
Zentrale Probleme:
Ein eigentlich einfach gelagerter Fall: Eine vereinbarte
Beherbergung in einem Hotel kann wegen eines wegen der Corona-Pandemie
angeordneten behördlichen Beherbergungsverbots nicht stattfinden, der
Reiseunternehmer verlangt seine Anzahlung zurück. Ein glatter Fall
rechtlicher Unmöglichkeit, der Rückerstattungsanspruch ergibt sich aus §§
326 IV, 346 I BGB. Nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums liegt wegen des
Fixschuldcharakters auch tatsächliche Unmöglichkeit vor. Der Senat lässt das
aber offen und stellt auch auf eine mit einer endgültigen Unmöglichkeit
gleichzustellenden einstweiligen (vorübergehende) Unmöglichkeit ab, bei
welcher bei Unzumutbarkeit weiteren Abwartens ebenfalls Unmöglichkeit iSv §
275 I BGB anzunehmen ist (Rn. 20), s. dazu die Anm. BGHZ 174, 61 = NJW 2007,
3777 Rn. 24 sowie zu
BGH v. 16.9.2010 - IX ZR 121/09. Für die
Anwendung von § 313 BGB (Geschäftsgrundlage) bleibt dann wegen deren
Subsidiarität kein Raum (s. dazu BGHZ 233,
266).
©sl 2024
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer
geleisteten Anzahlung für von ihm bei der Beklagten gebuchte Hotelzimmer.
2 Der Kläger, der mit seinem Reisebusunternehmen unter anderem
touristische Gruppenreisen veranstaltet, buchte für seine
Saisoneröffnungsfahrten vom 19. bis zum 22. März 2020 und vom 26. bis zum
29. März 2020 in einem Hotel der Beklagten Übernachtungen einschließlich
Frühstücksbuffet, Mittagessen, Kaffeetafel und Abendessen mit kalten und
warmen Speisen. Die vom Kläger unterzeichnete Reservierungsbestätigung der
Beklagten vom 25. Oktober 2019 enthielt unter anderem folgende
Stornierungsbedingungen: „(...), ab 1 Woche berechnen wir 80 % auf die
gebuchten Leistungen. (...) Stornierungen am Anreisetag oder Nichtanreisen
werden mit 90 % berechnet.“
3 Unter Berücksichtigung des
tatsächlichen Buchungsumfangs stellte die Beklagte dem Kläger unter dem 26.
Februar 2020 eine Depositrechnung in Höhe von insgesamt 10.356 €, auf die
der Kläger am 4. und 5. März 2020 vereinbarungsgemäß 8.426,40 € als
Vorauszahlung überwies.
4 Aufgrund der beginnenden COVID-19-Pandemie
verständigten sich die Regierungschefs der Bundesländer und die
Bundesregierung am 16. März 2020 auf gemeinsame Leitlinien zum einheitlichen
Vorgehen zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen
Bereich. Mit Schreiben vom 17. März 2020 wies das Niedersächsische
Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung gemäß § 3 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 des Niedersächsischen Gesetzes über den öffentlichen
Gesundheitsdienst (NGöGD) vom 24. März 2006 (Nds. GVBl. 2006, 178) auf der
Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG die Niedersächsischen Landkreise, Kreisfreien
Städte und die Region Hannover im Wege der Fachaufsicht an, mit
sofortiger Wirkung eine bis zum 18. April 2020 geltende Allgemeinverfügung
des Inhalts zu verkünden, dass es Betreibern von Hotels „ab sofort“
untersagt ist, „Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen“.
Der Landkreis G., in dem sich das Hotel der Beklagten befindet, erließ am
18. März 2020 eine entsprechende AIIgemeinverfügung, die für sofort
vollziehbar erklärt wurde.
5 Nach einem am 17. März 2020 mit
einer Hotelmitarbeiterin geführten Telefongespräch teilte die Beklagte dem
Kläger mit E-Mail vom 18. März 2020 unter dem Betreff „Storno“ mit: „Die
Gruppenreise für (...) haben wir erstmals bei uns Storniert. Die Anzahlung
haben wir auf ein „Gutschein“ Konto umgebucht & halten dieses bis zum
Umbuchungstermin offen. Wir würden uns sehr über einen Alternativtermin
freuen.“
6 Auf E-Mail-Aufforderungen des Klägers zur
Rückzahlung seiner Vorauszahlung teilte die Beklagte diesem mit E-Mails vom
22. Mai 2020 bzw. 30. Juli 2020 mit, dass man den Vorgang an die Buchhaltung
zur Rückzahlung weitergeleitet habe.
7 Im vorliegenden Verfahren
hatte der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 8.426,40 €
nebst Zinsen, Mahn- und vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten
zu verurteilen. Nachdem die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren die
Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 1.343,20 € anerkannt und das
Landgericht ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil erlassen hatte, hat
der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere
7.083,20 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und
Mahnkosten zu zahlen. Das Landgericht hat der Klage - bis auf in den
Rechtsmittelverfahren nicht mehr streitgegenständliche Mahnkosten -
stattgegeben.
8 Die hiergegen gerichtete Berufung
der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom
Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die
Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
9 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
10 Das
Oberlandesgericht hat seine in MDR 2022, 1534 veröffentlichte Entscheidung
wie folgt begründet:
11 Der Kläger könne von der Beklagten die
Rückzahlung des vorgeleisteten Betrages in Höhe von - nach dem
Teilanerkenntnisurteil noch - 7.083,20 € gemäß den §§ 346 Abs. 1, 275 Abs.
1, 326 Abs. 1 und 4 BGB verlangen. Denn der Beklagten sei die Erfüllung
ihrer vertraglichen Leistungspflicht der Beherbergung von Touristen aufgrund
der coronabedingten Untersagung der Beherbergung von Personen zu
touristischen Zwecken unmöglich geworden. Die vertragsgegenständliche
Bereitstellung der Hotelzimmer für touristische Übernachtungen sei durch die
behördliche Anordnung untersagt worden, womit der vereinbarte
Leistungserfolg nicht mehr habe herbeigeführt werden können und rechtliche
Unmöglichkeit gegeben sei. Es liege auch keine nur
vorübergehende Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst
würde. Zwar habe die Beklagte nach der behördlichen Aufhebung der
Untersagungsanordnungen wieder Hotelzimmer für touristische Zwecke
bereitstellen können, dies aber nicht für die von dem Kläger konkret
gebuchten Zeiträume. Das zeitweilige Erfüllungshindernis sei
insoweit einem dauernden gleichzustellen, denn dem Kläger habe nicht mehr
zugemutet werden können, die Leistung nach dem Zeitablauf noch zu fordern.
12 Der Kläger habe das Vertragsverhältnis auch nicht vor Eintritt der
Unmöglichkeit storniert, so dass der Beklagten die in der
Reservierungsbestätigung vom 25. Oktober 2019 festgehaltenen
Stornierungsgebühren nicht zustünden. Insoweit fehle es bereits an einem
hinreichend substantiierten Vorbringen der Beklagten. Diese behaupte zwar,
der Kläger habe die gebuchten Hotelzimmer in dem Telefonat am 17. März 2020
storniert. Dieses Vorbringen sei anhand der auch von der Beklagten
eingereichten Unterlagen jedoch nicht plausibel. Denn in der E-Mail der
Beklagten vom 18. März 2020 sei nicht davon die Rede, dass der Kläger die
Reise storniert habe. Im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen werde
deutlich, dass die Beklagte selbst nicht davon ausgegangen sei, der Kläger
schulde aufgrund einer von ihm ausgesprochenen Stornierung die
Stornierungskosten. Dies werde noch dadurch verstärkt, dass die Beklagte
auch auf die Nachfrage des Klägers nach der vollständigen Auskehr seiner
Anzahlung diesem mit zwei weiteren E-Mails jeweils mitgeteilt habe, dass man
den Vorgang an die Buchhaltung der Beklagten zur Rückzahlung weitergeleitet
habe.
13 Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstelle, der
Kläger habe am 17. März 2020 die Stornierung veranlasst, sei zu diesem
Zeitpunkt bereits das Unmöglichkeits-Stadium eingetreten gewesen. Denn nach
der Verständigung der Regierungschefs der Bundesländer und der
Bundesregierung vom 16. März 2020, des Runderlasses des Niedersächsischen
Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 16. März 2020
und der fachaufsichtlichen Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für
Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 17. März 2020 sei das
Beherbergungsverbot für Touristen schon hoheitlich beschlossen gewesen. Für
das Hotel der Beklagten habe es lediglich noch der Umsetzung durch den
Landkreis bedurft, die dann durch die absehbare Allgemeinverfügung vom 18.
März 2020 auch erfolgt sei.
14 Es sei auch nicht feststellbar, dass
die Parteien in dem Telefonat vom 17. März 2020 im Rahmen der ihnen
zustehenden Privatautonomie eine von den allgemeinen Rechtsfolgen der
Unmöglichkeit abweichende Vereinbarung getroffen hätten. Entgegen der
Ansicht der Beklagten scheide schließlich eine analoge Anwendung des § 313
BGB aus. Insoweit fehle es bereits an der für die Analogie erforderlichen
Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe für die vorliegende rechtliche
Unmöglichkeit mit den §§ 275, 326 BGB ein abgeschlossenes System
von Rechtsnormen geschaffen, die von dem Rechtsinstitut der Störung der
Geschäftsgrundlage streng zu unterscheiden seien.
II.
15 Diese
Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend hat
das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1,
326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB von der Beklagten die
Rückzahlung der geleisteten Anzahlung - über den bereits von ihr anerkannten
Betrag hinaus - verlangen kann.
16 1. Nach § 326
Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, falls der
Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB die geschuldete Leistung nicht
erbringen muss. Ist die nicht geschuldete Gegenleistung bereits
bewirkt, kann der Schuldner diese gemäß § 326 Abs. 4 BGB nach den
Vorschriften der §§ 346 bis 348 BGB zurückfordern. Diese Voraussetzungen für
das Rückforderungsrecht aus § 326 Abs. 4 BGB sind vorliegend erfüllt.
17 a) Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung
ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich
ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter
Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht
herbeigeführt werden darf (Senatsurteil
BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 16 mwN). So liegt der Fall hier.
18 b) Die Beklagte war aufgrund des zwischen den Parteien
geschlossenen Beherbergungsvertrags, auf den in seinem Schwerpunkt Mietrecht
Anwendung findet (vgl. MünchKommBGB/Häublein 9. Aufl. Vor § 535 Rn. 37;
Grüneberg/ Weidenkaff BGB 83. Aufl. Einf. v. § 535 Rn. 36), gemäß § 535 Abs.
1 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Kläger in den beiden vereinbarten
Buchungszeiträumen vom 19. bis zum 22. März 2020 und vom 26. bis zum 29.
März 2020 Hotelzimmer zu überlassen. Nach den getroffenen
Feststellungen sollte die Nutzung der Hotelzimmer zu touristischen Zwecken
erfolgen, was auch die Revision nicht in Abrede stellt.
19 Da es
aufgrund der für sofort vollziehbar erklärten Allgemeinverfügung des
Landkreises G. „zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im
öffentlichen Bereich“ und „zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung
des Coronavirus COVID19; SARS-CoV-2 für das Gebiet des Landkreises G.“ vom
18. März 2020 ab diesem Tag untersagt war, Personen zu touristischen
Zwecken zu beherbergen, war es der Beklagten rechtlich unmöglich,
dem Kläger die gebuchten Hotelzimmer in den beiden Buchungszeiträumen zu
überlassen und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu
erfüllen.
19 Unerheblich ist insoweit die von der Revision
thematisierte Frage, ob für die Buchungszeiträume auch ein Verbot
touristischer Busreisen bestand und der Kläger die Hotelzimmer schon aus
diesem Grund im Rahmen der geplanten Busreisen nicht hätte nutzen können.
Zwar trägt derjenige, der eine Unterkunft gebucht hat, grundsätzlich
das Risiko, diese auch für den geplanten Zweck verwenden zu können. Den
Mieter trifft jedoch in der Regel keine Gebrauchspflicht (BGH
Urteil vom 8. Dezember 2010 - VIII ZR 93/10 - NZM 2011, 151 Rn. 14 mwN).
Er ist gemäß § 535 Abs. 2 BGB allein dazu verpflichtet, das
vereinbarte Entgelt zu bezahlen, wenn der Vermieter die von ihm geschuldete
Leistung vertragsgemäß zur Verfügung stellt. Im vorliegenden Fall
schuldete der Kläger daher aus dem streitgegenständlichen
Beherbergungsvertrag weder die Durchführung der Busreisen noch die
tatsächliche Nutzung der reservierten Hotelzimmer.
20
2. Unabhängig von der Frage, ob hier ein absolutes Fixgeschäft
anzunehmen ist, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass
hier kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vorliegt, die von §
275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Zwar war das
Beherbergungsverbot als Corona-Schutzmaßnahme zeitlich befristet.
Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden
gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks
in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger
Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden kann, die
Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Dabei ist die Frage, ob
ein Leistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorübergehenden
Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses zu
beurteilen (vgl. Senatsurteil BGHZ 233,
266 = NZM 2022, 514 Rn. 20 mwN). Nach diesen Maßgaben war hier
eine dauernde Unmöglichkeit zu bejahen.
21 Nach den
getroffenen Feststellungen hatte der Kläger die Hotelzimmer für konkrete
Zeiträume gebucht, in denen er mit seinem Busunternehmen sogenannte
Saisoneröffnungsfahrten durchführen wollte, zu denen sich auch schon mehrere
Teilnehmer verbindlich angemeldet hatten. Eine Verschiebung der
Reisen auf einen Zeitraum nach der Aufhebung des Beherbergungsverbots
konnte dem Kläger nicht zugemutet werden, zumal Mitte März 2020 auch noch
nicht absehbar war, wie lange die Maßnahmen zur Bekämpfung der
COVID-19-Pandemie andauern würden. Zu Recht hat das
Berufungsgericht daher angenommen, dass die von der Beklagten
geschuldete Leistung wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar war, weshalb
der Beklagten in den hier maßgeblichen Zeiträumen die von ihr geschuldete
Leistung dauerhaft unmöglich geworden ist. Auch hiergegen erinnert
die Revision nichts.
22 3. Ohne Erfolg greift die Revision die
Würdigung des Berufungsgerichts an, die Beklagte habe ihre Behauptung, der
Kläger habe bei dem Telefongespräch am 17. März 2020 einseitig die gebuchten
Hotelaufenthalte storniert, nicht schlüssig dargetan.
23 a) Die
Revision rügt insoweit, das Berufungsgericht habe hierbei unter Verletzung
von § 286 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG nicht alle unstreitigen Umstände des
Falls gewürdigt. Der Kläger habe - vom Berufungsgericht offensichtlich
übersehen - vorgetragen, ihm selbst sei es am 17. März 2020 nicht mehr
möglich gewesen, die Leistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Dieser
Vortrag, den sich die Beklagte zu eigen gemacht habe, sei jedenfalls
insoweit zutreffend, als mit Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums
für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 16. März 2020 im Wege der
Fachaufsicht bereits die Anweisung bestanden habe, am 17. März 2020 per
Allgemeinverfügung die Durchführung von Reisebusreisen zu verbieten. Von
diesem Verbot habe der Kläger beim Telefonat am 17. März 2020 ersichtlich
bereits Kenntnis gehabt. Bei Berücksichtigung dieses Umstands ergebe sich
ein ganz anderes Bild des Geschehensablaufs mit der Folge, dass das
Berufungsgericht den Inhalt der vorgelegten E-Mails anders gewürdigt hätte.
24 b) Diese Rüge greift nicht durch. Die tatrichterliche Beweiswürdigung
ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf
hin, ob sich das Berufungsgericht den Darlegungen im Urteil zufolge mit dem
Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei
auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich
ist und nicht gegen Denk- und Naturgesetze oder Erfahrungssätze verstößt
(BGH Urteil vom 11. November 2020 - VIII ZR 191/18 - NZM 2021, 137 Rn. 21
mwN). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.
25 aa)
Soweit die Revision vorträgt, dass ihre erstmals in der Revisionsinstanz
vorgebrachte Behauptung, dem Kläger sei bereits zum Zeitpunkt des
Telefongesprächs am 17. März 2020 die Durchführung von touristischen
Busreisen verboten gewesen, schon im Berufungsverfahren unstreitig gewesen
wäre, dringt sie damit nicht durch. Zwar hat der Kläger erstinstanzlich mit
Schriftsatz vom 4. Oktober 2021 vorgetragen, aufgrund der ab 17. März 2020
durch touristische Unternehmen nicht mehr durchführbaren Fahrten und des
Verbots der Aufnahme von Touristen durch Hotels hätten die Parteien eine
Absage beider Aufenthalte im März 2020 vereinbart. Die Absage sei aufgrund
des Unvermögens beider Parteien erfolgt, die Leistung in Anspruch zu nehmen
bzw. zu erbringen. Diese Behauptung des Klägers hat die Beklagte jedoch
ausdrücklich bestritten. Dass sich die Beklagte diesen Vortrag des Klägers
im weiteren Verfahren zu eigen gemacht und damit unstreitig gestellt hätte,
wird von der Revision nicht ausreichend dargelegt und ist auch sonst nicht
ersichtlich. Die Beklagte hat in den Instanzen diesen Vortrag weder
wiederholt noch hat sie ihn ergänzt oder sich auf andere Weise ausdrücklich
darauf berufen.
27 bb) Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren
erstmals zu einem Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales,
Gesundheit und Gleichstellung vom 16. März 2020 vorträgt, ist bereits
fraglich, ob dieses Vorbringen trotz des Novenverbots in § 559 ZPO überhaupt
Berücksichtigung finden kann. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die
Beklagte schon nicht schlüssig dargelegt hat, dass dem Kläger zum Zeitpunkt
des Telefongesprächs vom 17. März 2020 tatsächlich die Durchführung
touristischer Busreisen verboten gewesen wäre. Nach dem Vortrag der Revision
erging am 16. März 2020 nur die fachaufsichtliche Weisung des
Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
an die Niedersächsischen Landkreise, Kreisfreien Städte und die Region
Hannover, auch die Durchführung von Busreisen zu untersagen. Dieser Weisung
kam jedoch als Maßnahme der Fachaufsicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und
Satz 3 NGöGD im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises der angewiesenen
Gebietskörperschaften noch keine unmittelbare Außenwirkung zu (vgl. BeckOK
VwVfG/von Alemann/Scheffczyk [Stand: 1. April 2023] § 35 Rn. 228 mwN). Wann
diese fachaufsichtliche Weisung durch eine entsprechende Allgemeinverfügung
des Landkreises G. umgesetzt wurde, trägt die Revision nicht vor. Deshalb
erschließt sich aus ihrem Vorbringen nicht, auf welcher rechtlichen
Grundlage dem Kläger bereits am 17. März 2020 die Durchführung von Busreisen
verboten gewesen sein soll. Hinzu kommt, dass sich der Betriebssitz des
Klägers im Freistaat T. befindet. Zu der Frage, ob dort am 17. März 2020
bereits ein Verbot zur Durchführung von Busreisen bestand, verhält sich die
Revision ebenfalls nicht.
28 cc) Im Übrigen ist die Beweiswürdigung
des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das
Berufungsgericht hat sich eingehend mit dem Inhalt der zwischen den Parteien
gewechselten E-Mails befasst. Unter vollständiger Berücksichtigung dieses
Verfahrensstoffs hat das Berufungsgericht sodann ausführlich und
nachvollziehbar dargelegt, warum nicht angenommen werden könne, dass der
Kläger bereits in dem Telefongespräch vom 17. März 2020 einseitig den
Beherbergungsvertrag storniert hat. Auch die Revision zeigt keine weiteren
Rechtsfehler auf, sondern setzt lediglich - revisionsrechtlich unbehelflich
- ihre eigene Beurteilung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung des
Berufungsgerichts.
29 4. Schließlich hat das Berufungsgericht
auch zu Recht angenommen, dass die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des
Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei wegen Störung der
Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB anzupassen.
30 a)
Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen
Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den
Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der
Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus,
soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Denn Gegenstand des
§ 313 Abs. 1 BGB ist die durch die Veränderung der Geschäftsgrundlage
ausgelöste Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses von Leistung
und Gegenleistung. Eine Anpassung des Vertragsinhalts ist aber nicht mehr
möglich, wenn bereits aufgrund spezieller gesetzlicher Regelungen, wie im
vorliegenden Fall aufgrund der §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB, die
wechselseitigen vertraglichen Leistungsverpflichtungen entfallen sind
(vgl. Senatsurteil BGHZ 233, 266 =
NZM 2022, 514 Rn. 30 f. mwN).
31 b) Im vorliegenden Fall war es
der Beklagten aufgrund der Allgemeinverfügung des Landkreises G. vom 18.
März 2020 in den streitgegenständlichen Buchungszeiträumen unmöglich, dem
Kläger die aus dem Beherbergungsvertrag geschuldeten Leistungen zu gewähren.
Dieser Fall einer rechtlichen Unmöglichkeit der Leistungserbringung
wird abschließend von den speziellen Regelungen des schuldrechtlichen
Leistungsstörungsrechts erfasst, indem die Beklagte nach § 275 Abs. 1 BGB
von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden ist und sie gleichzeitig
ihren Anspruch auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 BGB verloren hat.
Eine Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313
Abs. 1 BGB ist daneben nicht möglich.
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