Doppelte Schriftformklausel in AGB als vorrangige
Individualvereinbarung nach § 305b BGB
BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 -
XII ZR 69/16
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Eine in einem Mietvertrag
über Gewerberäume enthaltene sog. doppelte Schriftformklausel kann im Falle
ihrer formularmäßigen Vereinbarung wegen des Vorrangs der
Individualvereinbarung nach § 305 b BGB eine mündliche oder auch konkludente
Änderung der Vertragsabreden nicht ausschließen.
Zentrale Probleme:
Ein etwas komplizierter Sachverhalt aus dem Mietrecht.
Im Kern geht es um die Wahrung der Form des § 550 BGB. Die
Mietvertragsparteien hatten im Mietvertrag formularmäßig eine sog. "doppelte
Schriftformklausel" vereinbart. Eine solche lautet sinngemäß: "Änderungen
dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für den Verzicht
auf das Schriftformerfordernis". Anschließend haben sie den für eine
bestimmte Dauer von über einem Jahr geltenden Mietvertrag mündlich geändert.
Da auch diese Änderung der Schriftform des § 550 BGB unterlag, gälte der
Mietvertrag ab diesem Zeitpunkt wegen Verstoßes gegen § 550 BGB als auf
unbestimmte Zeit abgeschlossen und wäre daher ordentlich kündbar. Hier geht
es nun um die Wirksamkeit einer solchen ordentlichen Kündigung. Wenn die
nicht formgerechte Vertragsänderung nämlich wegen der doppelten
Schriftformklausel in den AGB unwirksam gewesen wäre, wäre die
Vertragsänderung nach § 125 S.2 BGB unwirksam und die Form des § 550 BGB
weiter gewahrt, es läge dann der ursprüngliche, der Form des § 550 BGB
entsprechende Mietvertrag über eine bestimmte Zeit vor, der nicht Gegenstand
einer ordentlichen Kündigung sein könnte (s. § 542 II BGB). Der Senat
bestätigt im Anschluss an BAG NJW 2009, 316,
dass auch bei Vorliegen einer doppelten Schriftformklausel eine mündliche
Abrede nach § 305b BGB vorrangig ist, vgl. dazu auch die Anm. zu
BAG aaO. Dabei kommt es - ebenso wie bei einer
einfachen Schriftformklausel ("Änderungen dieses Vertrags bedürfen der
Schriftform" - nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision
mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bewusst geworden sind (s.
BGHZ 164, 133). Anders wäre das bei einer
individualvertraglich vereinbarten einfachen Schriftformklausel. Hier genügt
eine der Schriftform nicht genügende Änderung des Vertrags nach der
Auslegungsregel des § 154 II BGB nur, wenn ein entsprechender Wille der
Parteien zur Aufhebung des vereinbarten Schriftformerfordernis feststellbar
ist (s. BGH v. 8.10.2008 - XII ZR 66/06). Bei
einer individualvertraglich vereinbarten doppelten Schriftformklausel
zwischen Kaufleuten gilt dies hingegen nicht. Eine solche kann nach der
Rspr. nicht durch eine mündliche Vereinbarung aufgehoben werden (vgl.
BGH v. 17.9.2009 - I ZR 43/07).
©sl 2017
Gründe:
I.
1 Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Räumung und Herausgabe von gemieteten
Gewerberäumen in Anspruch.
2 Im Dezember 2005 und im Mai 2006 schloss die ursprüngliche Vermieterin (im
Folgenden: Vorvermieterin) mit dem Vormieter des Beklagten zwei Mietverträge
über die streitgegenständlichen Räumlichkeiten. Als Vertragszweck waren
jeweils in § 1 der Verträge „Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren"
bzw. „Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren, Textilien und
Baumaschinen" genannt. Darüber hinaus beinhalteten die Verträge als
Allgemeine Geschäftsbedingungen Schriftformheilungsklauseln und doppelte
Schriftformklauseln. Mit Schreiben vom 25. Juli 2006 bestätigte die
Vorvermieterin dem Vormieter, dass ihm auch das „Lagern von handelsüblichen
Waren" gestattet sei. In einem Schreiben vom 18. Juli 2007 wies sie ihn
darauf hin, dass „der Bereich Ihres Getränkeausschankes (...) nun den
hinteren Eingang (...) als Verkaufsfläche" nutze, und regte an, zusätzliche
Flächen anzumieten.
3 Zum 1. Oktober 2008 trat der Beklagte aufgrund schriftlicher
Vereinbarungen als Mieter in die Mietverträge ein. Er betrieb in
den Räumen einen Getränkehandel. Nachdem die Klägerin das Grundstück
erworben hatte, schlossen sie und der Beklagte am 4. November 2014 einen
schriftlichen Nachtrag zum Mietvertrag. In diesem vereinbarten sie, dass das
Mietverhältnis nunmehr auf bestimmte Zeit bis zum 31. Dezember 2016 laufen
und der Beklagte spätestens zwei Monate vor Vertragsablauf die
Vertragsfortsetzung um sechs Monate durch Anzeige gegenüber der Klägerin
verlangen können sollte.
4 Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 erklärte die Klägerin die
fristlose und hilfsweise die fristgerechte Kündigung zum nächstmöglichen
Zeitpunkt und wiederholte dies mit ihrer auf Räumung und Herausgabe
gerichteten Klage.
5 Das Landgericht hat der Klage gestützt auf die in der Klageschrift
erklärte außerordentliche Kündigung stattgegeben. Aufgrund der aus diesem
Urteil von der Klägerin betriebenen Zwangsvollstreckung hat der Beklagte die
Räume am 13. Januar 2016 geräumt herausgegeben. Die Berufung des Beklagten
ist ohne Erfolg geblieben, wobei das Oberlandesgericht nicht die
außerordentliche, sondern die erste ordentliche Kündigung für durchgreifend
erachtet hat.
6 Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat der Beklagte sein
Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt. Eine Anzeige, dass das
Mietverhältnis über den 31. Dezember 2016 hinaus fortgesetzt werden soll,
hat er nicht abgegeben. Nachdem er mitgeteilt hat, dass aus seiner Sicht
wegen des Ablaufs der Vertragslaufzeit Erledigung eingetreten sei, hat die
Klägerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich der
Erledigungserklärung angeschlossen.
II.
7 Aufgrund der auch im Revisionsrechtszug möglichen, bei der hier zulässigen
Revision wirksamen übereinstimmenden Erledigungserklärung
der Parteien (vgl. nur BGH Beschluss vom 24. Oktober 2011 - IX ZR 244/09 -
NJW-RR 2012, 688 Rn. 6 f.) hat der Senat gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1
ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die
Kosten sind danach dem Beklagten aufzuerlegen, wobei der Senat von der
Möglichkeit der §§ 555 Abs. 1 Satz 1, 128 Abs. 3 ZPO (Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung) Gebrauch macht. Auf dieser Grundlage erweist sich das
Berufungsurteil als im Ergebnis und in der Begründung zutreffend.
8 1. Das Berufungsgericht hat seine unter anderem in ZMR 2016, 613
veröffentlichte Entscheidung damit begründet, dass das Mietverhältnis durch
die ordentliche Kündigung vom 9. Februar 2015 beendet worden sei. Wegen der
in dem Nachtrag vorgenommenen Befristung habe sich das
Beurkundungserfordernis des § 550 BGB auf den gesamten Vertragsinhalt
bezogen. Die ursprünglichen Vertragsparteien hätten die Mietverträge jedoch
im Juli 2006 in Bezug auf den Vertragszweck geändert, ohne dabei die Form
des § 550 BGB einzuhalten, so dass der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit
geschlossen gelte. Der Wirksamkeit dieser Vertragsänderung stehe die
doppelte Schriftformklausel nicht entgegen. Denn diese sei wegen Verstoßes
gegen § 305 b BGB wirkungslos. Die Klägerin sei auch durch die
Schriftformheilungsklausel nicht gehindert, sich für die vorzeitige
Beendigung des Mietvertrags auf die Nichteinhaltung der Schriftform zu
berufen. Denn eine solche Klausel binde jedenfalls nicht den Erwerber.
9 2. Zu Recht zieht die Revision nicht in Zweifel, dass die
ursprünglichen Vertragsparteien den vertraglich vereinbarten Nutzungszweck
geändert und dabei weder der vertraglichen noch der gesetzlichen Schriftform
der §§ 126, 127 BGB genügt haben. Das Gleiche gilt für die Annahmen
des Oberlandesgerichts, dass die Vereinbarung der festen Laufzeit in dem
Nachtrag vom 4. November 2014 das Schriftformerfordernis des nach § 578 Abs.
1 und 2 BGB entsprechend anwendbaren § 550 BGB ausgelöst hat, dass
die Erweiterung des Nutzungszwecks vertragswesentlich und daher
beurkundungsbedürftig im Sinne des § 550 BGB war (vgl. etwa jurisPK-BGB/Schur
[Stand: 1. Dezember 2016] § 550 Rn. 24; Schweitzer in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer
Gewerberaummiete § 550 BGB Rn. 43; Staudinger/Emmerich BGB [2014] § 550 Rn.
29b) und dass wegen des Schriftformverstoßes daher ein
Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit bestand, das ordentlich kündbar war.
10 3. Ohne Erfolgsaussicht war die Revisionsrüge, die Klägerin sei
mit Blick auf die Schriftformheilungsklausel nach den Grundsätzen von Treu
und Glauben gemäß § 242 BGB an der Berufung auf den Schriftformverstoß
gehindert gewesen. Mit dem von § 550 BGB angestrebten Erwerberschutz ist es
nicht vereinbar, den Erwerber aufgrund einer Heilungsklausel als
verpflichtet anzusehen, von einer ordentlichen Kündigung Abstand zu nehmen
(Senatsurteile BGHZ 200, 98 = NJW 2014, 1087 Rn. 27 und vom 30.
April 2014 - XII ZR 146/12 - NJW 2014, 2102 Rn. 28 ff.; kritisch Bieber
jurisPR-MietR 2/2016 Anm. 2 und Grundeigentum 2016, 944, 945).
11 Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass die Klägerin als
Erwerberin nicht in die langfristige und das Schriftformerfordernis des §
550 BGB begründende Bindung eingetreten, sondern diese selbst erst
eingegangen ist. Denn wenn man in einem solchen Fall die Pflicht zur
Nachbeurkundung für eine vor dem Erwerb erfolgte schriftformwidrige
Vereinbarung forderte, würde die den sich langfristig bindenden Erwerber
unabhängig davon, ob er selbst Kenntnis hatte, im Ergebnis dauerhaft an den
Abreden der früheren Vertragsparteien festhalten. Dies will § 550 BGB jedoch
gerade verhindern.
12 4. Keine Erfolgsaussichten hatte schließlich auch die
Revisionsrüge, die den Nutzungszweck erweiternde, nicht in schriftlicher
Form erfolgte Vertragsänderung sei wegen der sog. doppelten
Schriftformklausel unwirksam, so dass es am Schriftformverstoß im Sinne des
§ 550 BGB fehle.
13 a) Freilich wird die - das Oberlandesgericht zur
Revisionszulassung veranlassende - Rechtsfrage unterschiedlich beantwortet,
ob eine doppelte Schriftformklausel im Falle ihrer formularmäßigen
Vereinbarung eine mündliche oder auch konkludente Änderung der
Vertragsabreden ausschließen kann.
14 Eine Auffassung bejaht dies unter Hinweis auf die Interessenlagen von
Vertragsparteien in der Gewerberaummiete und darauf, dass sonst die
Vereinbarung einer Einhaltung der Schriftform für Vertragsänderungen ihren
Sinn verlöre (KG Grundeigentum 2014, 799, 800; OLG Frankfurt ZfIR 2013, 584,
585; KGR 2006, 86, 87; Bieber jurisPR-MietR 2/2013 Anm. 5; wohl auch OLG
Naumburg NZM 2012, 808, 809; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen
Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rn. 157 f.).
15 Demgegenüber wird überwiegend die Meinung vertreten, dass eine in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte doppelte Schriftformklausel
wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sei, weil sie den wegen § 305 b
BGB unzutreffenden Eindruck erwecke, eine Änderungsvereinbarung sei nur
schriftlich möglich (OLG München Urteil vom 7. April 2016 - 23 U
3162/15 - juris Rn. 41; OLG Brandenburg Grundeigentum 2012, 1375, 1376; OLG
Rostock NZM 2009, 705; Blank in Blank/Börstinghaus Miete 5. Aufl. § 550 BGB
Rn. 100; Bub in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4.
Aufl. Kap. II Rn. 1790 f.; Erman/Arnold BGB 14. Aufl. § 125 Rn. 26;
Emmerich/ Sonnenschein Miete 11. Aufl. § 550 BGB Rn. 38; MünchKommBGB/Basedow
7. Aufl. § 305 b Rn. 13; Palandt/Grüneberg BGB 76. Aufl. § 305 b Rn. 5;
Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 12. Aufl. Vorbem zu § 535 BGB Rn. 49 f.;
Schweitzer in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer Gewerberaummiete § 550 Rn.
106; Staudinger/Emmerich BGB [2014] § 550 Rn. 48; vgl. auch
BAG NJW 2009, 316 Rn. 31 ff.).
16 b) Die Frage der Wirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel in einem
Gewerberaummietvertrag kann hier jedoch dahinstehen. Denn die
Klausel bleibt jedenfalls wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach
§ 305 b BGB wirkungslos (so auch OLG Hamm Urteil vom 21. April 2016
- 18 U 17/14 -juris Rn. 76 ff.; OLG Düsseldorf ZMR 2007, 35; Bub in
Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. II Rn.
1788; jurisPK-BGB/Schur [Stand: 1. Dezember 2016] § 550 Rn. 32; Krüger ZfIR
2016, 531, 532).
17 aa) Für eine in einem Formularvertrag enthaltene einfache
Schriftformklausel hat der Senat dies bereits entschieden. Dabei kommt es
nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nur bewusst geworden sind. Unerheblich
ist auch, ob die Individualvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend
getroffen worden ist. Den Vorrang gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen
haben individuelle Vertragsabreden ohne Rücksicht auf die Form, in der sie
getroffen worden sind, und somit auch, wenn sie auf mündlichen Erklärungen
beruhen. Das gilt selbst dann, wenn durch eine AGB-Schriftformklausel
bestimmt wird, dass mündliche Abreden unwirksam sind (Senatsurteil
BGHZ 164, 133 = NJW 2006,
138 f. mwN).
18 bb) Zwischen einfacher und doppelter Schriftformklausel sind
insoweit keine maßgeblichen Unterschiede erkennbar. Der Vorrang der
Individualvereinbarung muss bei beiden auch dann gewahrt bleiben, wenn man
ein Interesse des Verwenders anerkennt, einem langfristigen Mietvertrag
nicht durch nachträgliche mündliche Abreden die Schriftform zu nehmen, und
deshalb eine solche Klausel ausnahmsweise als wirksam ansieht.
Das gebieten Sinn und Zweck des § 305 b BGB, wonach vertragliche
Vereinbarungen, die die Parteien für den Einzelfall getroffen haben, nicht
durch davon abweichende Allgemeine Geschäftsbedingungen durchkreuzt,
ausgehöhlt oder ganz oder teilweise zunichte gemacht werden können.
Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, dass Allgemeine
Geschäftsbedingungen als generelle Richtlinien für eine Vielzahl von
Verträgen abstrakt vorformuliert und daher von vornherein auf Ergänzung
durch die individuelle Einigung der Parteien ausgelegt sind. Sie können und
sollen nur insoweit Geltung beanspruchen, als die von den Parteien
getroffene Individualabrede dafür Raum lässt. Vereinbaren die
Parteien - wenn auch nur mündlich - etwas anderes, so kommt dem der Vorrang
zu (vgl. Senatsurteil BGHZ 164, 133 = NJW
2006, 138, 139).
19 Das Interesse des Klauselverwenders oder gar beider Vertragsparteien,
nicht durch nachträgliche mündliche Absprachen die langfristige
beiderseitige Bindung zu gefährden, muss gegenüber dem von den Parteien
später übereinstimmend Gewollten zurücktreten. Es kommt - anders als
bei einer individuell vereinbarten doppelten Schriftformklausel - auch nicht
darauf an, ob die Parteien bei ihrer mündlichen Absprache an die
entgegenstehende Klausel gedacht haben und sich bewusst über sie
hinwegsetzen wollten (vgl. Senatsurteil
BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138, 139 mwN).
20 c) Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine doppelte
Schriftformklausel die Wahrung der Schriftform des § 550 BGB ohnedies nicht
stets gewährleisten könnte. Zum einen kann eine Änderungsvereinbarung nach §
127 BGB der vertraglichen Form - und damit ggf. dem doppelten
Schriftformerfordernis - genügen, ohne jedoch der von § 550 BGB geforderten
gesetzlichen Schriftform zu entsprechen. Zum anderen kann ein
Schriftformverstoß im Sinne des § 550 BGB trotz Wahrung der gesetzlichen
Schriftform etwa darin begründet sein, dass mangels ausreichender Bezugnahme
der Vertrag insgesamt nicht mehr den Anforderungen des § 550 BGB gerecht
wird (vgl. dazu Schweitzer in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer
Gewerberaummiete § 550 BGB Rn. 106).
21 d) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass Klauselverwenderin hier die
Vorvermieterin war. Zum einen wirkt § 305 b BGB nicht nur zu
Ungunsten des Verwenders (vgl. BGHZ 129, 90 = NJW 1995, 1494, 1496;
Ghassemi-Tabar in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer Gewerberaummiete § 305 b
BGB Rn. 3 mwN). Zum anderen gebietet der Schutzzweck des § 550 BGB,
dass die Klägerin als Erwerberin nicht sowohl an die nicht schriftlich
geschlossene Individualabrede als auch an die vereinbarte Laufzeit gebunden
ist.
22 5. Bei Bejahung des Schriftformverstoßes ist das zwischen den Parteien
bestehende Mietvertragsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 9.
Februar 2015 mit Ablauf des 31. Dezember 2015 beendet worden. Dem Grundsatz
nach wäre die gesetzliche Kündigungsfrist des § 580 a Abs. 2 BGB
einschlägig. § 550 Satz 2 BGB bestimmt jedoch, dass die Kündigung frühestens
zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Räume zulässig ist. Das
Schriftformerfordernis ist hier erst mit Vereinbarung des Nachtrags am 4.
November 2014 entstanden, der erstmalig zu einer Laufzeit von mehr als einem
Jahr geführt hat. Damit ist dieser Zeitpunkt als der der Überlassung im
Sinne des § 550 Satz 2 BGB anzusehen (vgl. Senatsurteil vom 29. März 2000
- XII ZR 316/97 - NZM 2000, 545, 546; BGHZ 99, 54 = NJW 1987, 948, 949;
Schweitzer in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer Gewerberaummiete § 550 Rn.
78), so dass die Kündigung gemäß § 580 a Abs. 2 BGB erst mit Ablauf des
letzten Kalendervierteljahrs 2015 wirksam werden konnte (vgl. Senatsurteil
vom 25. November 2015 - XII ZR 114/14 - NJW 2016, 311 Rn. 35).
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