1 Der Kläger buchte über ein Reisebüro der Beklagten für
sich und seine Ehefrau eine von der Streithelferin veranstaltete
Karibikkreuzfahrt, die am 19. April 2010 in F. (USA) beginnen sollte. Der
Kläger leistete eine Anzahlung von 420 €. Die Hin- und Rückflüge buchte er
zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.
2 Im April 2010 wurde wegen der von dem isländischen Vulkan Eyjafjallajökull
ausgestoßenen Aschewolke ein Flugverbot angeordnet. Der Kläger und seine
Ehefrau konnten die gebuchten Flüge in die USA nicht antreten und deshalb an
der Kreuzfahrt nicht teilnehmen. Mit Schreiben vom 18. April 2010 kündigte
der Kläger gegenüber der Streithelferin den Vertrag über die Kreuzfahrt
wegen höherer Gewalt.
3 Die Streithelferin teilte im Juni 2010 der Beklagten mit, dass sie
Stornokosten für die nicht angetretene Kreuzfahrt in Höhe von 90% des
vereinbarten Preises beanspruche. Die Beklagte forderte daraufhin den Kläger
auf, den von der Streithelferin geltend gemachten Betrag zu zahlen. Da der
Kläger nicht leistete, zahlte sie selbst an die Streithelferin.
4 Der Kläger hat mit der Klage die Rückzahlung seiner Anzahlung und die
Zahlung vorgerichtlicher Kosten begehrt und hat darüber hinaus zunächst die
Freistellung von der Forderung der Streithelferin beansprucht. Nach
Erhebung der Widerklage hat der Kläger anstelle der Freistellung zunächst
auf die Feststellung angetragen, dass er die Widerklagesumme nicht schulde,
und sodann diesen Antrag nach Verhandlung über die Widerklage für in der
Hauptsache erledigt erklärt; die Beklagte hat der Erledigungserklärung
widersprochen.
5 Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und nach der Widerklage
erkannt.
6 Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, der die Beklagte und die
Streithelferin entgegentreten.
Entscheidungsgründe:
7 Die zulässige Revision hat in der Sache überwiegend Erfolg.
8 I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Kläger die von der
Streithelferin berechneten 90% des für die Teilnahme an der Kreuzfahrt
vereinbarten Preises schulde. Die Beklagte sei damit nicht zur
Rückzahlung der vom Kläger geleisteten Anzahlung verpflichtet und könne
Erstattung der von ihr verauslagten (weiteren) Stornokosten verlangen. Die
Beklagte habe keine Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden
Reisevermittlungsvertrag verletzt. Entgegen der Annahme des Klägers
und des Amtsgerichts habe eine Pflicht zur Buchung der Kreuzfahrt zusammen
mit den An- und Rückreiseflügen als Pauschalreise nicht bestanden. Die
Beklagte habe unbestritten vorgetragen, dass die Buchung der Flüge zusammen
mit der Kreuzfahrt noch gar nicht möglich gewesen sei. Selbst wenn
der Kläger davon ausgegangen sei, dass es sich um eine Pauschalreise handle,
habe die Beklagte mit einem solchen Verständnis nicht rechnen können. Für
einen objektiven Dritten in der Lage des Klägers habe sich aufdrängen
müssen, dass die sukzessive Buchung von Kreuzfahrt, Flügen und weiteren
Leistungen wie Hotelübernachtungen und Mietwagen keine Pauschalreise
darstelle. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den
Kläger darauf hinzuweisen, dass er das Anreiserisiko trage und bei einem
Flugausfall wegen höherer Gewalt den Vertrag über die Kreuzfahrt nicht
kostenfrei werde kündigen können. Der Reisevermittler sei grundsätzlich zur
Beratung bei der Auswahl einer den Wünschen und Möglichkeiten des Reisenden
entsprechenden Pauschalreise oder geeigneter Einzelreiseleistungen
verpflichtet und müsse dabei ungefragt diejenigen Umstände offenlegen, von
denen Kunden erfahrungsgemäß ihre Entscheidung abhängig machten oder auf die
es dem betreffenden Kunden aufgrund seiner speziellen persönlichen Situation
erkennbar ankomme. Eine umfassende Auskunftspflicht hinsichtlich sämtlicher
Einzelheiten und insbesondere der rechtlichen Unterschiede zwischen
Individual- und Pauschalreise folge daraus nicht.
9 II. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nur
teilweise stand.
10 1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings eine
Pflichtverletzung der Beklagten und damit einen sich hieraus ergebenden
Schadensersatzanspruch des Klägers verneint.
11 Der Kläger hat nicht mangels Belehrung durch die Beklagte eine Kündigung
wegen höherer Gewalt versäumt, sondern vielmehr eine solche
gegenüber der Streithelferin ausgesprochen. Die Frage, ob
der Reisebürokunde, der (zunächst) eine Pauschalreise wünscht, dann aber
einzelne Reiseleistungen bucht, darüber aufgeklärt werden muss, dass ihm in
diesem Fall möglicherweise kein Kündigungsrecht nach § 651j BGB zusteht,
muss nicht geklärt werden, da das Berufungsgericht - ohne dass hiergegen
eine Verfahrensrüge erhoben worden wäre - nicht festgestellt hat, dass der
Kläger für die Beklagte erkennbar eine sämtliche in Betracht kommenden
Reiseleistungen umfassende Pauschalreise buchen wollte.
12 Zu einer allgemeinen Aufklärung über die rechtlichen Vor- und
Nachteile von Individual- oder Pauschalreisen ist ein Reisevermittler nicht
verpflichtet; dies macht auch die Revision nicht geltend.
13 2. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht geprüft, ob die Streithelferin
der Beklagten vom Kläger tatsächlich 90% des Reisepreises verlangen kann,
sondern bemerkt lediglich im tatbestandlichen Teil der Gründe des
Berufungsurteils, durch die Kündigung des Klägers "fielen Stornogebühren in
Höhe von 90% des Reisepreises an". Es hat offenbar angenommen, bei
dem von der Beklagten vermittelten Vertrag zwischen dem Kläger und der
Streithelferin über die Teilnahme des Klägers und seiner Ehefrau an der von
der Streithelferin veranstalteten Karibikkreuzfahrt handle es sich nicht um
einen Reisevertrag im Sinne des § 651a Abs. 1 BGB. Dies trifft nicht zu.
14 a) Zwischen dem Kläger und der Streithelferin ist ein Vertrag
über die Durchführung einer Kreuzfahrt zustande gekommen. Dabei handelt es
sich um einen Reisevertrag im Sinne des § 651a Abs. 1 BGB.
Nach Art. 2 Nr. 1 der
Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl.
Nr. L 158 vom 23.06.1990, S. 59-64, nachfolgend: Richtlinie) ist eine
Pauschalreise die im Voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei
Dienstleistungen wie Beförderung, Unterbringung oder anderen touristischen
Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf
angeboten wird, wenn eine Leistung länger als 24 Stunden dauert oder eine
Übernachtung einschließt. Danach muss eine Gesamtheit oder
Bündelung von Reiseleistungen vorliegen (vgl. Staudinger, BGB,
Neubearbeitung 2011, § 651a Rn. 12).
15 Dies ist bei einer Kreuzfahrt der Fall (MünchKomm.BGB/Tonner,
6. Aufl., vor § 651a-§ 651m Rn. 14; § 651a Rn. 27; Führich, MDR 2011, 1209;
Rodegra, NJW 2011, 1766). Der Reiseveranstalter hat im Streitfall
zwar nicht die Beförderung zum Ausgangsort der Kreuzfahrt übernommen.
Gleichwohl sind mehrere Reiseleistungen Bestandteil der Schiffsreise. Dazu
gehören die mehrere Tage dauernde Beförderung mit dem Kreuzfahrtschiff, die
Unterbringung auf dem Schiff, die Verpflegung, die unter Umständen über die
übliche Verpflegung in einem Hotel und damit über eine bloße Nebenleistung
hinausgeht und in der Regel weitere Leistungen wie z.B. für die Unterhaltung
der Reisenden an Bord vorgesehene Veranstaltungen. Gegenstand des
Vertrages zwischen dem Kläger und der Streithelferin waren jedenfalls die
Leistungen Beförderung und Unterbringung als Gesamtheit, so dass von einem
Reisevertrag auszugehen ist (vgl. im Übrigen BGH,
Urteil vom 23. Oktober 2012 - X ZR 157/11, juris, wonach auf Verträge,
in denen sich der Reiseveranstalter allein zur Bereitstellung einer
Ferienunterkunft verpflichtet hat, die Vorschriften des
Reisevertragsrechts insgesamt entsprechend anzuwenden sind).
16 Dieses Ergebnis wird zusätzlich bestätigt durch die
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der eine
Frachtschiffsreise nach Fernost, die der Reisende als Tourist miterleben
wollte, als Pauschalreise angesehen hat (EuGH,
Urteil vom 7. Dezember 2010, Rs. C-585/08 - Pammer / Reederei Karl Schlüter
GmbH, verb. mit Rs. C-144/09 - Hotel Alpenhof GmbH / Heller, RRa 2011, 12 =
NJW 2011, 505). Die Reiseleistungen Beförderung über mehrere Tage und
Unterbringung in einer Kabine an Bord des Schiffes während einer touristisch
angelegten Frachtschiffsreise unterscheiden sich nicht von den
entsprechenden Reiseleistungen, die bei einer Kreuzfahrt gewährt werden. Es
können daher bei Beurteilung der Frage, ob es sich bei einer Kreuzfahrt um
eine Pauschalreise handelt, die gleichen Maßstäbe anlegen werden wie bei der
touristisch gestalteten Frachtschiffsreise.
17 b) Dem Kläger stand gegenüber der Streithelferin wegen des
aufgrund der Aschewolke ausgesprochenen Flugverbots ein Kündigungsrecht
wegen höherer Gewalt gemäß § 651j Abs. 1 BGB zu.
18 aa) Nach dieser Vorschrift kann der Reisevertrag gekündigt
werden, wenn die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer
höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird. §
651j BGB gilt für Fälle höherer Gewalt, die die Geschäftsgrundlage berühren;
es handelt sich um eine Spezialvorschrift im Bereich der Störung der
Geschäftsgrundlage (BGH, Urteil vom 23. November 1989 - VII ZR
60/89, BGHZ 109, 224; Urteil vom 12. Juli 1990 - VII ZR 362/89, NJW-RR 1990,
1334; Staudinger aaO, § 651j Rn. 4). Anstelle der bei einer Störung
der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB möglichen Anpassung des
Vertrags eröffnet § 651j Abs. 1 BGB die Möglichkeit der Kündigung "allein
nach Maßgabe dieser Vorschrift", d.h. bei erheblicher Erschwerung,
Gefährdung oder Beeinträchtigung der Reise infolge bei Vertragsabschluss
nicht voraussehbarer höherer Gewalt.
19 Dem Kündigungsrecht steht dabei nicht entgegen, dass der Kläger die Flüge
zum Ausgangsort der Kreuzfahrt gesondert gebucht hatte. Ist dem
Reisenden die Anreise zum Ausgangsort der Kreuzfahrt infolge höherer Gewalt
unmöglich oder erheblich erschwert, kann er den Vertrag über die Teilnahme
an der Kreuzfahrt auch dann kündigen, wenn die Anreise nicht Bestandteil des
Reisevertrags über die Teilnahme an der Kreuzfahrt ist. Das Risiko
der Anreise zu dem Ausgangsort der Kreuzfahrt trägt zwar grundsätzlich der
Reisende, wenn er die Anreise nicht über den Veranstalter der Kreuzfahrt
gebucht hat. Die Gefährdung oder Beeinträchtigung einer Reise durch höhere
Gewalt fällt aber weder in den Risikobereich des Reiseveranstalters noch in
den des Reisenden (BGHZ 109, 224, 228). Der Gesetzgeber hat eine
Risikoverteilung in § 651j Abs. 2 Satz 1 BGB, der auf § 651e Abs. 3 Satz 1
und 2, Abs. 4 Satz 1 BGB verweist, dahingehend vorgenommen, dass der
Reiseveranstalter im Falle der Kündigung den Anspruch auf den Reisepreis
verliert, gegebenenfalls aber eine Entschädigung für bereits erbrachte oder
noch zu erbringende Aufwendungen verlangen kann, sofern diese
Reiseleistungen für den Reisenden noch von Interesse sind.
20 bb) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die
Voraussetzungen der Kündigung im Streitfall vorgelegen haben. Höhere Gewalt
war durch den Ausstoß der Aschewolke, die den Flugverkehr beeinträchtigte
und zu einem Flugverbot geführt hatte, eingetreten. Infolge des
ausgesprochenen Flugverbots konnten der Kläger und seine Ehefrau das Schiff
nicht erreichen. Die Kreuzfahrt als solche konnte zwar durchgeführt
werden, an ihr teilzunehmen war aber den Reisenden unmöglich. Eine
anderweitige kurzfristige Anreise nach Fort Lauderdale war den Reisenden
offensichtlich nicht möglich und hätte im Übrigen angesichts des hierfür
erforderlichen Aufwands und der aufzubringenden Kosten die Teilnahme an der
Kreuzfahrt zumindest erheblich erschwert, d.h. mit unzumutbaren Belastungen
verbunden (Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 651j Rn. 26; Führich,
Reiserecht, 6. Aufl., Rn. 549; MünchKomm.BGB/Tonner aaO § 651j Rn. 13).
21 Die Erschwerung der individuellen Reise des Reisenden, die
aufgrund des Eintritts höherer Gewalt nicht mehr wie geplant stattfinden
kann, genügt für das Kündigungsrecht. Der Reisevertrag verpflichtet den
Veranstalter, die Reiseleistung zu erbringen. Sie besteht bei einer
Kreuzfahrt nicht in der Fahrt des Schiffes auf der vertraglich vereinbarten
Route und der Bereitstellung der vom Reisenden auf dem Schiff gebuchten
Unterkunft, sondern in der Beförderung des Reisenden auf dem Schiff und der
Erbringung der weiteren vereinbarten Dienstleistungen gegenüber dem
Reisenden. Wenn der Reisende die von ihm ausgewählten Reiseleistungen wegen
des Eintritts höherer Gewalt nicht in Anspruch nehmen kann, wird seine Reise
unmöglich und der Veranstalter kann die diesem Reisenden geschuldete
Leistung nicht erbringen.
22 c) Infolge der wirksamen Kündigung durch den Kläger hat die
Streithelferin nach § 651j Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 651e Abs. 3
Satz 1 BGB den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verloren. Ein
Entschädigungsanspruch der Streithelferin nach § 651e Abs. 3 Satz 2 BGB ist
nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
23 3. Danach ist auf die Revision des Klägers das amtsgerichtliche Urteil
wiederherzustellen, soweit die Widerklage abgewiesen und auf Antrag des
Klägers festgestellt worden ist, dass sich seine negative Feststellungsklage
in der Hauptsache erledigt hat. Die Beklagte kann vom Kläger keine
Erstattung des an die Streithelferin gezahlten Betrages verlangen, da der
Kläger diesen nicht geschuldet hat.
24 Unbegründet ist die Revision lediglich, soweit das Berufungsgericht die
Zahlungsklage abgewiesen hat. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein
Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung in Höhe von 420 € zu, da er diesen
Betrag nicht an die Beklagte, sondern über die Beklagte an die
Streithelferin geleistet hat.
25 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 1
ZPO.
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