Voraussetzungen einer gemischten Schenkung;
unentgeltliche Wohnraumüberlassung als Leihe, Bereicherungsausgleich bei
vorzeitiger Beendigung eines Leihvertrags in Bezug auf Verbesserungen des
Gegenstandes durch den Entleiher
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 - X
ZR 45/10
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Eine gemischte Schenkung
liegt vor, wenn der Beschenkte durch einen Überschuss des Werts der
Zuwendungen verglichen mit seinen Gegenleistungen objektiv bereichert wird,
die Vertragsparteien sich dieses Überschusses bewusst und subjektiv darüber
einig sind, jedenfalls den überschießenden Zuwendungsteil dem Beschenkten
unentgeltlich zuzuwenden. Dies setzt nicht voraus, dass der objektive Wert
der Zuwendung mindestens das Doppelte der Gegenleistungen beträgt.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche
Entscheidung zum Schenkungsrecht, speziell zur gemischten Schenkung.
Besonders wichtig ist die klare Trennung zwischen dem objektiven und dem
subjektiven Tatbestand einer (gemischten) Schenkung:
Sie liegt nicht bereits bei einem Verkauf unter Wert vor, denn es steht den
Parteien eines Kaufvertrages frei, die vertragliche Gegenleistung unabhängig
von der objektiven Äquivalenz der ausgetauschten Leistungen festzulegen. Wer
ein „Schnäppchen“ macht, erhält keine gemischte Schenkung, sondern schließt
einen wirtschaftlich günstigen Kaufvertrag. Eine teilweise Schenkung liegt
erst dann vor, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass der Mehrwert
der einen Leistung gegenüber der Gegenleistung unentgeltlich zugewendet
werden soll. Wichtig ist auch, dass in der Entscheidung klar der
(ungeschriebene, aber nicht unstr.) Grundsatz ausgesprochen wird, dass das
Vorliegen einer Schenkung stets derjenige zu beweisen hat, der sich auf eine
solche beruft ("donatio non praesumitur"). Die Rspr. vermutet aber eine
Einigung über eine teilweise Unentgeltlichkeit, wenn zwischen den Leistungen
der einen und der anderen Seite objektiv ein auffälliges, grobes
Missverhältnis besteht, das den Vertragsschließenden nicht verborgen
geblieben sein kann. Hier kommt die Besonderheit hinzu, dass der
Beschenkte im Hinblick auf einen späteren Erwerb des Gegenstandes im Wege
der Erbfolge Leistungen erbracht hatte. Hätte der den Gegenstand nicht im
Wege der Erbfolge erworben, hätte dies Ansprüche aus
Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 I S. 2 Alt. 2 BGB) begründet. Da diese mit
dem Erwerb des Gegenstandes wegfallen, sind sie bei der Frage der
Unentgeltlichkeit zu berücksichtigen, d.h. sie sind "Entgelt" für die
Übertragung (s. bei Tz. 23) und schließen dann insoweit
die Unentgeltlichkeit der Zuwendung aus.
Der Senat stellt weiter klar, dass das Vorliegen einer gemischten Schenkung
nicht voraussetzt, dass der Schenkungsanteil überwiegt. Das ist allein
relevant für die Frage einer Rückabwicklung bei Widerruf der Schenkung: Wenn
der Schenkungsanteil überwiegt, ist im Falle eines Widerrufs der Gegenstand
gegen eine Rückzahlung des geleisteten (Teil-)Entgelts herauszugeben, ist
das nicht der Fall, ist der Schenkungsanteil als Wertersatz zu erstatten (s.
BGHZ 30, 120). Der "Clou" dabei ist, dass in
diesem Fall eine Wertsteigerung des Gegenstandes beim Beschenkten verbleibt,
im ersten Fall nicht.
Von Interesse sind auch die Ausführungen zum Vorliegen eines Leihvertrag bei
unentgeltlicher Überlassung von Wohnraum (auf welche trotz der
Unentgeltlichkeit die Schenkungsregeln keine Anwendung finden, s.
BGHZ
82, 345) und zum Bereicherungsausgleich bei Beendigung der Leihe,
wenn der Entleiher die Leihsache verbessert hat s. bei Tz. 26
ff). Im konkreten Fall spielte das eine Rolle bei der - recht
komplizierten - Gesamtsaldierung der gegenseitigen Ansprüche zur
Feststellung von Vorliegen und Reichweite der Unentgeltlichkeit der
Zuwendung. Zu recht nimmt der BGH hier einen Leihvertrag und nicht nur eine
Gefälligkeit an (zu diesem Problem des Rechtsbindungswillens bei
unentgeltlichen Geschäften s. etwa
BGH NJW 2010, 3078).
©sl 2011
Tatbestand:
1 Der Kläger macht als
Sozialhilfeträger gegen den Beklagten einen übergeleiteten Anspruch auf
Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers geltend.
2 Der Beklagte ist der einzige Sohn seiner am 6. April 2009 verstorbenen
Mutter. Diese war Eigentümerin einer mit einem Wohnhaus und Gewerberäumen
bebauten Liegenschaft in O. . In dem Wohnhaus wohnten der Beklagte mit
seiner Familie, seine Mutter und zunächst auch seine Großmutter. Ab dem
Jahre 1976 wurden an den Gebäuden mehrfach umfangreiche Umbau- und
Renovierungsarbeiten vorgenommen, für die der Beklagte und seine Ehefrau die
Mutter des Beklagten durch im Einzelnen streitige finanzielle Zuwendungen
und Eigenleistungen unterstützten. Die Maßnahmen betrafen sowohl das
Wohnhaus als Ganzes wie auch die Wohnräume des Beklagten, die seiner Mutter
und die Gewerberäume. Der Kläger hat für diese Maßnahmen einen Wert in Höhe
von 116.581,65 € zuletzt nicht mehr bestritten, während der Beklagte einen
Wert von mindestens 263.486,62 € behauptet. Mit notariellem Vertrag vom 6.
September 2002 übertrug die Mutter des Beklagten die Liegenschaft an ihn,
wobei diese Übertragung als "vorweggenommene Erbfolge" bezeichnet wurde, die
Mutter sich ein Wohnrecht für die Wohnung im Erdgeschoss vorbehielt und der
Beklagte sich zu nach Alter und Gesundheit erforderlichen Pflegeleistungen
verpflichtete. Im März 2003 zog die Mutter des Beklagten in ein Pflegeheim.
Am 31. Dezember 2003 verkaufte der Beklagte das Grundstück zu einem
Kaufpreis von 215.000 €, nachdem zuvor das Altenteilsrecht gegen Zahlung von
18.000 € gelöscht wurde.
3 Der Kläger gewährte der Mutter des Beklagten von April 2005 bis September
2007 Sozialhilfeleistungen in Höhe von 45.325,46 € und nimmt den Beklagten
in dieser Höhe aus übergeleitetem Recht auf Herausgabe des Wertes des
übertragenen Grundstücks in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage
stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg.
5 I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger stehe mangels
Vorliegens einer Schenkung kein Anspruch auf Rückübertragung des Wertes des
Grundstücks zu.
6 Die Unentgeltlichkeit der Übertragung ergebe sich nicht schon zwingend aus
deren Bezeichnung als "vorweggenommene Erbfolge" im Übertragungsvertrag.
Damit werde lediglich ein Motiv für die Übertragung festgehalten, das nichts
über die Unentgeltlichkeit der Schenkung aussage.
7 Das Fehlen von Gegenleistungen könne nicht festgestellt werden. Der Wert
des Grundstücks sei - zwischen den Parteien unstreitig - mit dem späteren
Verkaufserlös in Höhe von 215.000 € anzusetzen. Für das Altenteilsrecht und
die versprochenen Pflegeleistungen seien davon insgesamt 28.434 €
abzuziehen. Hinsichtlich der vom Beklagten vorgenommenen Investitionen für
das Haus sei auch nach dem Vortrag des Klägers von einem Betrag in Höhe von
mindestens 116.581,65 € auszugehen.
8 Der Verkaufserlös habe nur erzielt werden können, weil der Beklagte und
seine Familie seit 1976 finanzielle und handwerkliche Investitionsleistungen
erbracht hätten. Diese Leistungen seien mit Rücksicht auf die Erwartung
erfolgt, dass der Beklagte das Grundstück eines Tages als einziger Sohn von
seiner Mutter erben werde, worüber er sich schon zu Beginn der Arbeiten mit
seiner Mutter einig gewesen sei. Wenn die Mutter anderweitig über das
Grundstück hätte verfügen wollen, hätte ihm deshalb ein
Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung zugestanden. Vor diesem
Hintergrund sei die Zuwendung bei dem Übertragungsvertrag im Jahr 2002 mit
einer rechtlich erheblichen Zwecksetzung verknüpft gewesen, die deren
Entgeltlichkeit begründe. Eine Zwecksetzung, die durch einen
Bereicherungsanspruch geschützt sei, sei auch geeignet, die Entgeltlichkeit
der auf diesen Zweck gerichteten Leistungen zu begründen, wenn damit der
erstrebte Erfolg eintrete.
9 Die Leistungen des Beklagten seien nicht mit etwaigen Mietersparnissen in
dem gesamten Zeitraum zu verrechnen, weil dem andere Leistungen des
Beklagten gegenüber stünden.
10 Danach verbleibe nach Abzug des Wertes des Altenteils und der
zugestandenen Investitionen allenfalls ein möglicher Wert der Schenkung von
69.984,35 €, was 32,55 % des Grundstückswertes seien. Damit liege auch keine
gemischte Schenkung vor, denn diese setze voraus, dass der unentgeltliche
Charakter überwiege, mithin der Wert der Gegenleistungen weniger als die
Hälfte des effektiven Geschenks betrage.
11 II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
12 Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen
Feststellungen kann ein Anspruch auf Herausgabe des Wertes der Schenkung
nicht versagt werden, denn diese erlauben nicht, das Vorliegen einer
Schenkung zu verneinen.
13 Eine Schenkung setzt gemäß § 516 BGB voraus, dass der Schenker
dem Beschenkten einen Vermögensgegenstand zuwendet, diesen damit bereichert
und beide sich darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.
14 1. Mit der Bereicherung des Beschenkten wird ein
objektiver Tatbestand vorausgesetzt, bei dem die Leistung des
Schenkers den Wert etwaig versprochener Gegenleistungen überwiegt (vgl. BGH,
Urteile vom 21. Mai 1986 - IVa ZR 171/84, NJW-RR 1986, 1135 unter II 2; vom
18. Mai 1990 - V ZR 304/88, WM 1990, 1790 zu Grundstück E. unter 2 b).
Hierfür reicht eine bloße Wertdifferenz zugunsten des Beschenkten
aus. Bei Vorliegen einer oder mehrerer Gegenleistungen,
womit die Schenkung regelmäßig als gemischte Schenkung anzusehen ist, bedarf
es - entgegen dem Berufungsurteil - insbesondere nicht eines Überwiegens des
unentgeltlichen Charakters des Geschäfts gegenüber dem entgeltlichen; der
Wert der geschenkten Zuwendung muss also nicht mindestens das Doppelte
etwaiger Gegenleistungen betragen.
15 Anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Schenker bei einer
gemischten Schenkung aufgrund eines Herausgabeanspruchs die
vollständige Herausgabe des Geschenks in Natur gegen Rückgewähr der
Gegenleistung verlangen kann. Diese Form der Rückabwicklung
kann der Schenker nur verlangen, wenn der unentgeltliche Charakter des
Vertrags überwiegt, die Zuwendung des Schenkers also den doppelten Wert im
Vergleich zur Gegenleistung aufweist (vgl. BGH, Urteile vom 27.
November 1952 - IV ZR 146/52, NJW 1953, 501 aE;
vom 23. Mai 1959 - V ZR 140/58,
BGHZ 30, 120, 123; vom 3. Dezember 1971 - V ZR 134/69,
NJW 1972, 247 unter I b; vom 2. Oktober 1987 - V ZR 85/86, NJW-RR 1988, 584
unter II 2 a; vom 7. April 1989 - V ZR 252/87, BGHZ 107, 156, 158 f.; vom
19. Januar 1999 - X ZR 42/97, NJW 1999, 1626 unter I 2 b aa; vom 11. April
2000 - X ZR 246/98, NJW 2000, 598 unter 1 a). Dieses Kriterium hat
indessen nur für die Rückabwicklung eine Bedeutung. Überwiegt der
unentgeltliche Charakter nicht, kann gleichwohl eine Schenkung vorliegen mit
der Folge, dass der Schenker dann mit seinem Herausgabeanspruch nur einen
Wertersatz in Höhe der Leistungsdifferenz zwischen Geschenk und
Gegenleistung verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1971
- V ZR 134/69, NJW 1972, 247 unter I b).
16 2. Auch der subjektive Tatbestand zum Wissen und zur Einigung in
Bezug auf eine (teilweise) Unentgeltlichkeit der Zuwendung setzt nicht
voraus, dass bei einer gemischten Schenkung der unentgeltliche Charakter
überwiegt.
17 a) Dieser Tatbestand ist in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der
Gesamtumstände des Falls unter der Beweislast dessen festzustellen,
der sich auf die Schenkung beruft. Bei gemischten
Schenkungen ist dabei besonders zu prüfen, ob die Vertragsparteien sich
überhaupt einer Wertdifferenz zwischen den beiden Leistungsseiten bewusst
und sich insoweit darüber einig waren, jedenfalls den überschießenden
Leistungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden, mithin die
Gegenleistung nicht lediglich ein gewollt günstiger Preis sein sollte
(vgl. BGH, Urteile vom 21. Juni 1972 - IV ZR 221/69, BGHZ 59, 132, 135; vom
18. Mai 1990 - V ZR 304/88, WM 1990, 1790 zu Grundstück E. unter 2 b; vom 1.
Februar 1995 - IV ZR 36/94, NJW 1995, 1349 unter 2 b; RGZ 163, 257, 259 f.).
18 b) Dass die Vertragsparteien in der Vertragsurkunde eine Vorwegnahme der
Erbfolge als Motiv angegeben haben, hat dabei - wie im Berufungsurteil
zutreffend erkannt - keine maßgebliche Bedeutung. Diese Angabe kann sowohl
auf dem Verständnis beruhen, eine unentgeltliche Zuwendung vorzunehmen wie
darauf, die Rechtsfolgen einer Erbschaft durch ein entgeltliches Geschäft
vorzeitig herbeiführen zu wollen (vgl. BGH, Urteile vom 1. Februar 1995 - IV
ZR 36/94, NJW 1995, 1349 unter 2; vom 6. März 1996 - IV ZR 374/94, NJW-RR
1996, 754 unter II 1 b).
19 c) Maßgebliche Bedeutung kommt indessen dem Verhältnis zwischen
dem Wert der Zuwendung und dem Wert der Gegenleistung zu. Besteht hierbei
eine auffallende, über ein geringes Maß deutlich hinausgehende Diskrepanz,
dann begründet dies im Einklang mit der Lebenserfahrung die tatsächliche,
widerlegbare Vermutung für einen Schenkungswillen der Vertragsparteien
(vgl. BGH, Urteile vom 21. Juni 1972 - IV ZR 221/69, BGHZ 59, 132,
135 f.; vom 1. Februar 1995 - IV ZR 36/94, NJW 1995, 1349 unter 2; vom 6.
März 1996 - IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754 unter II 2 a). Hierfür
sind nicht nur die objektiven Werte der Leistungen, sondern vor allem auch
die Wertspannen zu berücksichtigen, innerhalb derer die Vertragsparteien den
Wert der Leistungen auch unter Berücksichtigung der Beziehung, in der sie
zueinander stehen, in einer noch vertretbaren Weise hätten annehmen können
(vgl. BGH, Urteile vom 27. Mai 1981 - IVa ZR 132/80, NJW 1981, 2458 unter I;
vom 23. September 1981 - IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 281 f.; vom 18. Mai
1990 - V ZR 304/88, WM 1990, 1790 zu Grundstück E. unter 2 b). Schon
deshalb gibt es für dieses Missverhältnis keinen mathematisch errechenbaren,
allgemein gültigen Schwellenwert. Auch unter diesem Gesichtspunkt trifft
daher die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu, eine gemischte Schenkung
sei nur festzustellen, wenn die Zuwendung des Schenkers den doppelten Wert
der Gegenleistung erreiche.
20 III. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und die Sache ist an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht
selbst entscheiden, weil noch Feststellungen zum Umfang der als Schenkung in
Frage stehenden Zuwendung und der Gegenleistungen sowie zu einer Einigung
der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit dieser Leistungen zu treffen
sind.
21 Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
22 1. Für die Bewertung der dem Beklagten zugewendeten Liegenschaft ist von
deren Gesamtwert vorab der Sachwert des seiner Mutter verbliebenen
Altenteilsrechts in Form des Wohnrechts abzuziehen. Dieses Wohnrecht stellt
im Gegensatz zu den versprochenen Pflegeleistungen weder eine Gegenleistung
noch eine Auflage dar (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1993 - V ZR 181/91,
NJW 1993, 1577 unter 1), sondern mindert von vornherein den Wert des
zugewendeten Grundstücks und hat damit keine Bedeutung für die
Entgeltlichkeit dieser Zuwendung.
23 2. Als Gegenleistung sind auch
bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen im Sinne von gefestigten
Schutzpositionen zugunsten des Beklagten zu prüfen, die zum Zeitpunkt des
Zuwendungsvertrags noch nicht einen fälligen Anspruch gegen seine Mutter
begründet haben müssen, deren Fälligkeit aber mit der Zuwendung vermieden
oder erledigt wurde. Ein solcher bereicherungsrechtlicher Schutz
kann sich aus erbrachten Leistungen mit einer auf einem übereinstimmenden
Willen beruhenden Zwecksetzung ergeben, die im Falle des dauerhaften
Ausbleibens des Erfolgs einen Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung
gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB begründeten. Wenn die als
Schenkung zu prüfende Zuwendung zugleich den Zweck der vorangegangenen
Leistungen des Zuwendungsempfängers erfüllt, wird - wie das Berufungsgericht
im Grundsatz zutreffend erkannt hat - damit das Entstehen eines
Bereicherungsanspruchs vermieden und beide Leistungen werden derart
verknüpft, dass die bereicherungsrechtlich geschützte Leistung die
Entgeltlichkeit der Zuwendung zu begründen vermag (vgl. BGH, Urteil
vom 17. Juni 1992 - XII ZR 145/91, NJW 1992, 2566 unter 2 b).
24 Eine solche Verknüpfung kommt insbesondere in Betracht, soweit
der Beklagte behauptet, Leistungen im Einvernehmen mit seiner Mutter für die
Liegenschaft mit dem Zweck erbracht zu haben, diese später einmal zu erben,
wobei den Kläger die Beweislast für das Ausbleiben solcher zweckgerichteter
Leistungen und für ein darauf bezogenes Einvernehmen trifft. Der
Umfang dieser Leistungen und der sich daraus ergebenden Bereicherung
unterliegt der tatrichterlichen Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO. Dabei ist
für die Berechnung des bereicherungsrechtlichen Schutzes nicht auf den Wert
der Leistungen zum Zeitpunkt ihrer Erbringung, sondern auf den Wert der
Bereicherung zu dem abzuschätzenden Zeitpunkt des dauerhaften Ausbleibens
des bezweckten Erfolgs abzustellen, mithin auf den nach der Lebenserwartung
abzuschätzenden Zeitpunkt eines Erbfalls ohne Vererbung der Liegenschaft an
den Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1994 - V ZR 4/94, NJW 1995,
53 unter II 4 c mwN). Für die Verknüpfung mit der Zuwendung der Liegenschaft
als Geschäft unter Lebenden muss sodann der Wert dieses
bereicherungsrechtlichen Schutzes auf den Zeitpunkt des Übertragungsvertrags
abgezinst werden.
25 3. a) Soweit der Beklagte Leistungen für die Immobilie erbracht hat, die
seine eigene Wohnsituation verbessert oder erst ermöglicht haben, ergibt
sich aus dieser Zielsetzung kein bereicherungsrechtlicher Schutz, denn mit
dem Einzug oder dem Nutzen dieser Verbesserung ist der angestrebte Erfolg
bereits eingetreten (vgl. BGH, Urteile vom 5. Oktober 1967 - VII ZR 143/65,
NJW 1968, 245 unter II 2; vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83, NJW 1985,
313 unter II a).
26 b) Für den darüber hinausgehenden Zweck, die
Wohnsituation dauerhaft zu verbessern und daraus dauerhaft Nutzen zu ziehen,
ist zunächst zu prüfen, ob die dauerhafte Nutzung mit oder ohne Rechtsgrund
erfolgte. Regelmäßig beruht die unentgeltliche dauerhafte Nutzung
von Wohnraum auf einem ggf. konkludent geschlossenen Leihvertrag, weil diese
vermögenswerte Gebrauchsüberlassung nach den Interessen der Parteien nicht
im rechtsfreien Raum vollzogen sein sollte (vgl. BGH, Urteile vom
10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313 unter I 2; vom 4. April
1990 - VIII ZR 71/89, BGHZ 111, 125, 129; vom 31. Oktober 2001 - XII ZR
292/99, NJW 2002, 436 unter A II b; jurisPK-BGB/Colling, 5. Aufl. 2010, §
598 BGB Rn. 13). Mit dem Vorliegen eines Leihverhältnisses als
Rechtsgrund für die Wohnnutzung scheiden zugleich etwaige darauf bezogene
Bereicherungsansprüche der Mutter des Beklagten für eine Verrechnung mit
dessen Leistungen aus.
27 Bei Vorliegen eines Leihverhältnisses liegt es nahe, dass dieses
auch Rechtsgrundlage für Leistungen des Beklagten an der Immobilie sein
sollte, mit denen er dauerhaft seine Wohnsituation verbessern wollte. Auch
wenn das Leihverhältnis ihn zu diesen Leistungen nicht verpflichtete, wäre
bei einer einvernehmlichen Vornahme solcher Leistungen und der Erwartung des
Beklagten, den Nutzen aus diesen Leistungen im Wege der Leihe zu ziehen,
dieses Dauerverhältnis regelmäßig als Rechtsgrund für die vorgenommenen
Leistungen anzusehen (vgl. BGH, Urteile vom 5. Oktober 1967 - VII
ZR 143/65, NJW 1968, 245 unter II 2; vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83,
NJW 1985, 313 unter II b; vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99, NJW 2002,
436 unter A II b).
28 Im Falle der vorzeitigen Beendigung des Leihverhältnisses - wie
im Streitfall die Auflassung der Immobilie an den Beklagten - resultiert
daraus zunächst ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1
BGB wegen Wegfalls des Rechtsgrundes. Dieser Anspruch berechnet sich aus der
vom Leistungszeitpunkt aus kalkulierten bzw. abzuschätzenden Zeitspanne, für
die der Leistende einen Nutzen aus der Verbesserung des Wohnraums hätte
ziehen sollen, und dem Anteil daran, der durch die vorzeitige Beendigung des
Nutzungsverhältnisses weggefallen ist. Dies unterliegt wie der
Umfang der Leistungen selbst ebenfalls der tatrichterlichen Schätzung gemäß
§ 287 Abs. 2 ZPO. Wegen des vorzeitigen Wegfalls des Leihverhältnisses kann
der Leistende einen ratenweisen Bereicherungsausgleich in der Höhe
verlangen, wie der Eigentümer aufgrund der Verbesserung des Wohnraums
grundsätzlich in der Lage ist, einen höheren Mietzins zu verlangen (vgl. BGH
NJW 1985, 313 unter II c; NJW 2002, 436 unter II 2 b; BGHZ 111, 125, 130 f.;
BGHZ 29, 289, 297 ff.; BGHZ 71, 243, 250 f.; zuletzt: BGH NJW-RR 2001, 727
unter 4 b).
29 Wird die Immobilie jedoch wie im Streitfall auf den Leistenden
übertragen, sollen damit in der Regel auch etwaige Bereicherungsansprüche
wegen zweckgerichteter Leistungen auf die Immobilie ausgeglichen sein. In
Höhe dieser abgezinsten Anspruchstilgung ist die Übertragung deshalb
ebenfalls als entgeltlich anzusehen. Da diese Anspruchstilgung sich nur aus
dem Leistungsanteil errechnet, der auf den Zeitraum nach dem Wegfall des
Leihverhältnisses entfällt, wird mit der Außerachtlassung des auf die Zeit
davor entfallenden Leistungsanteils zugunsten des Klägers berücksichtigt,
dass der Beklagte zuvor mit der Nutzung der von ihm bewohnten Räume auch den
Nutzen aus den dafür vorgenommenen Leistungen gezogen hat, ohne einen
Mietzins entrichten zu müssen.
30 4. Sofern für einzelne Leistungen des Beklagten an der Immobilie
festzustellen oder aufgrund der Beweislastverteilung davon auszugehen ist,
dass diese sowohl der Verbesserung oder Schaffung des eigenen Wohnraums
dienten als auch im Einvernehmen mit der Eigentümerin den Zweck hatten, den
damit geschaffenen Vermögenszuwachs eines Tages zu erben, sind die beiden
sich daraus jeweils ergebenden bereicherungsrechtlichen Schutzpositionen in
ihrer Höhe nicht zu addieren, sondern - weil sie jeweils auf denselben
Leistungen beruhen - in ein angemessenes, anteiliges Verhältnis zueinander
zu setzen, es sei denn für einen der beiden Zwecke (Verbesserung des
geliehenen Wohnraums, Wertsteigerung für den zu erbenden Nachlass) hatte die
konkrete Leistung bei wertender Betrachtung nur geringe Bedeutung, woraus
dann folgte, dass sie deshalb für die Entgeltlichkeit der als Schenkung zu
prüfenden Zuwendung nicht zu berücksichtigen ist. Dieses anteilige
Verhältnis der beiden bereicherungsrechtlichen Schutzpositionen zueinander
ist vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Hierbei ist zu
beachten, dass bei einem Vergleich des Gesamtumfangs der durch die
Leistungen des Beklagten ursprünglich entstandenen Bereicherung gegenüber
der letzten Endes für die Entgeltlichkeit zu berücksichtigenden Gesamthöhe
der bereicherungsrechtlichen Schutzpositionen die mietfreie Nutzung der
Wohnräume als ein reduzierender Faktor ihren Niederschlag findet.
31 5. Das Verhältnis der Zuwendung der Schenkerin im Vergleich zu den eine
Entgeltlichkeit begründenden Gegenpositionen sowie die sich daraus
errechnende objektive Bereicherung haben zwar maßgebliche Bedeutung für das
Vorliegen einer auffallenden Diskrepanz und die davon abgeleitete
Beweislastverteilung für den Nachweis eines subjektiven Schenkungswillens.
Dieses objektive Verhältnis kann auch im Übrigen für die Frage, ob die
Vertragsparteien sich über die teilweise Unentgeltlichkeit der Zuwendung
einig waren, mitberücksichtig werden. Daneben können aber auch andere
Gesichtspunkte für einen solchen Willen zu würdigen sein. Insbesondere
können die Vertragsparteien subjektiv den Wert der Zuwendung und den Wert
sowie die Frage nach einem Rechtsgrund einzelner Gegenpositionen im Rahmen
einer Parallelwertung in der Laiensphäre anders bewertet und anders in
Rechnung gestellt haben, als dies für die Frage einer objektiven
Bereicherung sowie den rechtlichen Vorgaben einer bereicherungsrechtlichen
Schutzposition geboten ist (vgl. Münch-Komm-BGB/Koch, 5. Aufl., § 516 Rn.
24; zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: BFHE 173, 432 unter II 2 a).
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