Anforderungen an eine
Fristsetzung nach § 281 I (und § 323 I BGB) - keine Angabe eines Endtermins
BGH v. 12.8.2009 - VIII ZR
254/08
Fundstelle:
NJW 2009, 3153
Amtl. Leitsatz:
Für eine Fristsetzung gemäß § 281
Abs. 1 BGB genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach
sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare
Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein
begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht; der Angabe eines
bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Anforderungen an eine
Fristsetzung nach § 281 I BGB: Für den Schadensersatz statt der Leistung ist
im Falle der Verzögerung der Leistung der fruchtlose Ablauf einer dem
Schuldner zu setzenden Frist erforderlich (§§ 280 I, III, 281 I BGB). Hier
ging es um einen Schadensersatzanspruch wegen eines (behebbaren) Sachmangels
beim Kauf aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB.
Der Senat setzt die Anforderungen an eine Fristsetzung sehr niedrig an.
Ausreichend ist, wenn der Gl. "umgehende" Leistung verlangt. Für ein
Rücktrittsrecht gilt nach § 323 I BGB dasselbe. Damit dürfte auch ein
spezielles kaufrechtliches Problem im Verhältnis Unternehmer/Verbraucher
entschärft sein: Für den Rücktritt wegen eines behebbaren Mangels ist
nämlich auch die Setzung einer Nacherfüllungsfrist erforderlich (§§ 437 Nr.
2, 323 I BGB). Im Verhältnis Unternehmer/Verbraucher ist nach der
zugrundeliegenden
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Art. 3 V, 2. Spiegelstrich) ausreichend, dass "der Verkäufer
nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen" hat. Die Rl.
verlangt also nur den Ablauf einer Frist, nicht aber die Setzung einer
Frist. Für den Rücktritt (und nur für diesen, da die Rl.
Schadensersatzansprüche nicht regelt) ist es also ausreichend, dass der
Käufer/Verbraucher Nacherfüllung verlangt hat und eine Frist abgelaufen ist,
diese muß aber von ihm gar nicht gesetzt werden. Das kann in
richtlinienkonformer Auslegung von § 323 II Nr. 3 BGB behoben werden. Wenn
nun aber die Anforderungen an die Fristsetzung so heruntergesetzt werden,
dürfte das Problem de facto vom Tisch sein. Der BGH hatte sich hier damit
nicht zu beschäftigen, weil es um Schadensersatzansprüche ging.
Der Senat stellt weiter klar, dass die Setzung einer zu kurzen, weil nicht
angemessenen Frist nicht unwirksam ist, sondern den Lauf einer objektiv
angemessenen Frist bewirkt. S. dazu auch die Bestätigung der vorliegenden
Entscheidung durch BGH
v. 18.3.2015 - VIII ZR 176/14 sowie
BGH v. 13.7.2016 - VIII
ZR 49/15.
S. auch die
Pressemeldung des BGH.
Zu den sonstigen inhaltlichen Anforderungen an die Leistungsaufforderung s.
BGH NJW
2010, 2200.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt die beklagte Autohändlerin aus abgetretenem Recht des
Käufers aus einem Gebrauchtwagenkauf in Anspruch. Dieser erwarb von der
Beklagten mit schriftlichem Kaufvertrag vom 4. Dezember 2005 einen Pkw
Mercedes SL 230 Pagode, Baujahr 1966, zum Preis von 34.900 €. Im Frühjahr
2006 beanstandete der Käufer Mängel am Motor des Fahrzeugs. Er forderte die
Beklagte zur umgehenden Beseitigung auf und kündigte an, anderenfalls werde
er eine andere Werkstatt mit der Reparatur beauftragen. Entgegen einer von
ihrem Mitarbeiter zunächst erteilten Zusage, sich um die Angelegenheit zu
kümmern, meldete sich die Beklagte in der Folgezeit nicht bei dem Käufer;
dessen Versuch, die Beklagte telefonisch zu erreichen, scheiterte. Daraufhin
ließ der Käufer das Fahrzeug bei der H. GmbH zu Kosten von 2.194,09 €
reparieren.
2 Das Amtsgericht hat die auf Erstattung dieser Kosten gerichtete Klage
abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit
der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
3 Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist
antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der
mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten
war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der
Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
I.
4 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
5 Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beseitigung der
von ihm behaupteten Fahrzeugmängel nicht zu. Die Voraussetzungen für einen
Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281
Abs. 1 BGB lägen nicht vor, denn der Käufer habe der Beklagten keine
Frist zur Nachbesserung gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB gesetzt und die
Fristsetzung sei auch nicht gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen.
6 Die Aufforderung des Käufers an die Beklagte, die geltend gemachten Mängel
"umgehend" zu beseitigen, stelle keine ausreichende Fristsetzung im Sinne
des § 281 Abs. 1 BGB dar. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung
genüge die Aufforderung zur "unverzüglichen" oder "umgehenden" Leistung
nicht. Schon nach dem Wortsinn liege eine Fristsetzung nur dann vor, wenn
ein konkreter Zeitraum bestimmt sei, entweder durch Mitteilung eines
bestimmten Termins, zu dem die Frist ablaufe, oder durch die Angabe
bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt
würden. Die Angabe eines konkreten Zeitraums verdeutliche dem Schuldner,
dass er nach Fristablauf mit der Geltendmachung anderer
Gewährleistungsrechte rechnen müsse. Dieser Zweck werde durch die
Aufforderung zur unverzüglichen oder umgehenden Nacherfüllung nicht in
gleicher Weise erreicht, weil damit eine Unsicherheit entstehe, zu welchem
Zeitpunkt der Gläubiger zu anderen Gewährleistungsansprüchen übergehen
könne. Eine solche Unsicherheit habe das Gesetz aber durch das Erfordernis
der Setzung einer angemessenen Frist vermeiden wollen.
II.
7 Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, der
Käufer habe der Beklagten mit der Aufforderung zur umgehenden
Mangelbeseitigung keine Frist zur Nacherfüllung im Sinne des § 281 Abs. 1
BGB gesetzt, kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht verneint
werden.
8 Zwar verlangt die überwiegende Meinung in der Literatur - ebenso wie
das Berufungsgericht - für eine Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 BGB die
Bestimmung eines konkreten Zeitraums, entweder durch Mitteilung eines
bestimmten Termins, zu dem die Frist abläuft, oder durch die Angabe
bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt
werden (Münch-KommBGB/Ernst, 5. Aufl., § 323 Rdnr. 68; Palandt/Grüneberg,
BGB, 68. Aufl., § 281 Rdnr. 9; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rdnr.
80). Nach dieser Auffassung genügt die Aufforderung zur "sofortigen" bzw.
"unverzüglichen" oder - wie hier - "umgehenden" Leistung nicht.
Teilweise wird dies damit begründet, dass nach dem Wegfall der nach früherem
Recht vorgesehenen Ablehnungsandrohung allein die Fristsetzung die
Warnfunktion gegenüber dem Schuldner erfülle und an sie deshalb strenge
Anforderungen zu stellen seien (Münch-KommBGB/Ernst, aaO).
9 Demgegenüber vertritt ein weiterer Teil der Literatur die Auffassung,
auch eine Aufforderung zur unverzüglichen Leistung könne ausreichen
(Staudinger/Otto, BGB (2004), § 281 Rdnr. B 62 und § 323 Rdnr. B 59;
Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 281 Rdnr. 16), zumindest in Fällen
besonderer Dringlichkeit (Jauernig/Stadler, BGB, 12. Aufl., § 281 Rdnr. 6;
vgl. auch MünchKommBGB/Ernst, aaO, Rdnr. 74).
10 Auszugehen ist vom Wortlaut des Gesetzes. Dem Begriff der Fristsetzung
lässt sich nicht entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem
Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben ist.
Eine in dieser Weise bestimmte Frist verlangt § 281 Abs. 1 BGB - anders als
§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB für den Verzugseintritt ohne Mahnung - nicht.
Vielmehr kann die Dauer einer Frist grundsätzlich auch durch einen
unbestimmten Rechtsbegriff bezeichnet werden; dies ist insbesondere bei
rechtsgeschäftlichen Fristen häufig der Fall (MünchKommBGB/Grothe, aaO,
§ 186 Rdnr. 4). Nach allgemeiner Meinung ist eine Frist ein Zeitraum, der
bestimmt oder bestimmbar ist (RGZ 120, 355, 362; Palandt/Heinrichs, aaO,
§ 186 Rdnr. 3; Erman/Palm, BGB, 12. Aufl., vor § 186, Rdnr. 1;
Bamberger/Roth/Henrich, aaO, § 186 Rdnr. 2; Kesseler in: Prütting/Wegen/Weinreich,
BGB, 4. Aufl., § 186 Rdnr. 3). Mit der Aufforderung, die Leistung oder die
Nacherfüllung "in angemessener Zeit", "umgehend" oder "so schnell wie
möglich" zu bewirken, wird eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der
jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist.
11 Auch der Zweck der Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 BGB erfordert es
nicht, dass der Gläubiger für die Nacherfüllung einen bestimmten Zeitraum
oder einen genauen (End-)Termin angibt. Dem Schuldner soll mit der
Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem
beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche
Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird bereits durch die Aufforderung,
innerhalb "angemessener Frist", "unverzüglich" oder - wie hier - "umgehend"
zu leisten, hinreichend erfüllt. Zwar besteht für den Schuldner dann die
Ungewissheit, welcher genaue Zeitraum ihm für die Leistung bzw.
Nacherfüllung zur Verfügung steht. Diese Ungewissheit besteht aber in vielen
Fällen auch bei Angabe einer bestimmten Frist, nämlich immer dann, wenn die
vom Gläubiger gesetzte Frist zu kurz ist. Eine solche Fristsetzung ist nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht unwirksam, sondern setzt
eine angemessene Frist in Gang, die gegebenenfalls vom Gericht in einem
späteren Prozess festgestellt wird (BGH, Urteil vom 21. Juni 1985 - V ZR
134/84, NJW 1985, 2640, unter II 1 a m.w.N.). Diese - zu § 326 BGB aF
ergangene - Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsreform
ausdrücklich unberührt lassen (BT-Drs.
14/6040, S. 138). Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Fristsetzung
im Übrigen auch nicht zu einer Hürde werden, an der der Käufer aus formalen
Gründen scheitere (BT-Drs.
14/6040, S. 185). Für eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 BGB genügt
es deshalb, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger,
unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare Formulierungen
deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter
Zeitraum zur Verfügung steht.
III.
12 Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben, es
ist daher aufzuheben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif,
weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine
Feststellungen zu den behaupteten Mängeln des Fahrzeugs getroffen hat. Der
Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). |