Abgrenzung von Kauf mit Montageverpflichtung und
Werklieferungsvertrag; Gewährleistung: Anforderungen an eine Fristsetzung;
Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 440 BGB
BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - VIII
ZR 49/15 - OLG München
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Bei der Beurteilung, ob eine vom Käufer zur
Nacherfüllung bestimmte Frist angemessen ist, ist - in den Grenzen des § 475
Abs. 1 BGB - in erster Linie eine Vereinbarung der Parteien maßgeblich
(Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Februar 1954 - II ZR 176/53, BGHZ 12,
267, 269 f.). Dabei darf der Käufer eine vom Verkäufer selbst angegebene
Frist als angemessen ansehen, auch wenn sie objektiv zu kurz ist.
b) Für eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1
BGB genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger,
unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare
Formulierungen - hier ein Verlangen nach schneller Behebung gerügter Mängel
- deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter
(bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten
Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht (Fortführung
von BGH, Urteile vom 12. August 2009 - VIII ZR
254/08, NJW 2009, 3153; vom 18. März 2015
- VIII ZR 176/14, NJW 2015, 2564). Ergibt sich dabei aus den
Gesamtumständen, dass ein ernsthaftes Nacherfüllungsverlangen vorliegt,
schadet es nicht, dass dieses in höfliche Form einer "Bitte" gekleidet ist.
c) Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist,
sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die
Zuverlässigkeit des Verkäufers oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits
bei dem ersten Erfüllungsversuch, also bei Übergabe, einen erheblichen
Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das
Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist
(Bestätigung von BGH, Urteil vom 15. April 2015 -
VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669).
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der Entscheidung stehen die bereits in
BGH NJW 2009, 3153 und
BGH JW 2015, 2564
behandelten Anforderungen an eine Fristsetzung (s. die dortigen Anm.). Zu
den hier ebenfalls geltend gemachten Sachverständigenkosten s. auch die Anm.
zu BGH NJW 2014, 2351. Zur Länge der Frist s.
auch BGH v. 26.8.2020 - VIII ZR 351/19.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt von der
Beklagten, die ein Küchenstudio betreibt, Rückzahlung des Kaufpreises für
eine Einbauküche und Schadensersatz.
2 Die Klägerin erwarb für ihren Haushalt mit Vertrag vom 26. September
2008 von der Beklagten eine Einbauküche zum Gesamtpreis von 82.913,24 €
brutto. Nachdem die Klägerin 74.713 € entrichtet hatte, baute die Beklagte
die Küche in der Zeit vom 16. bis zum 19. Januar 2009 ein.
3 Der Ehemann der Klägerin beanstandete in einem Gespräch mit dem
Inhaber der Beklagten am 29. Januar oder 2. Februar 2009, die Einbauküche
sei in mehrerer Hinsicht mangelhaft. Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann
habe "unverzügliche" Beseitigung der gerügten Mängel verlangt.
4 Mit einer E-Mail vom 16. Februar 2009, die zur Vorbereitung auf
ein wenige Tage später vorgesehenes Gespräch mit dem Inhaber der Beklagten
diente, bezeichnete die Klägerin zahlreiche Mängel der Einbauküche,
die sich im Gebrauch zusätzlich bemerkbar gemacht hätten, und äußerte die
Bitte um "schnelle Behebung."
5 Mit Schreiben vom 11. März 2009 listete die Klägerin alle ihr bekannten
Mängel auf und verlangte, diese bis zum 27. März 2009 zu beheben.
Die Klägerin behauptet, der Inhaber der Beklagten habe in einem Telefonat
vom 16. März 2009 zugesagt, die Küche werde bis zum 23. März 2009 "fix und
fertig" gestellt.
6 In einer Besprechung vom 24. März 2009 erklärte der Inhaber der Beklagten
seine Bereitschaft zur Mängelbeseitigung bis zum 20. April 2009. Mit
anwaltlichem E-Mail-Schreiben vom 24. März 2009 lehnte die Klägerin eine
Verlängerung der von ihr bis zum 27. März 2009 gesetzten Frist ab; weiteres
Zuwarten komme wegen erschöpften Vertrauens nicht in Betracht. Mit
Anwaltsschreiben vom 31. März 2009 erklärte sie den Rücktritt vom Vertrag.
7 In einem von der Klägerin eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren
(34 OH 7813/08 - AG München) kam der beauftragte Sachverständige in seinem
Gutachten vom 28. Juli 2009 zu dem Befund, die wichtigsten Bereiche der
Küche funktionierten nicht oder nur bedingt; eine befriedigende Lösung könne
nur durch deren Abbruch und Einbau einer neuen Küche gefunden werden.
Nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 5. September
2009 vergeblich zum Ausbau der Küche aufgefordert hatte, nahm die Klägerin
diesen im September 2012 selbst vor und ließ die Küche anschließend
einlagern.
8 Die Klägerin verlangt Rückzahlung des Kaufpreises in dem
von ihr entrichteten Umfang (74.713 €), Feststellung des Annahmeverzuges
sowie Kostenerstattung für den Ausbau und die Einlagerung der Küche
(2.338,45 € und weitere 2.880 €) und für ein anlässlich des
Ausbaus der Küche eingeholtes Privatgutachten vom 8. Oktober 2012
(9.841,28 €), jeweils nebst Zinsen; ferner verlangt sie Freistellung von
weiteren Kosten, die aus Anlass der Kücheneinrichtung entstanden seien
(3.930,44 €).
9 Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
10 Die Revision hat Erfolg.
I.
11 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
12 Die Klägerin könne nicht Rückzahlung des Kaufpreises verlangen (§ 437 Nr.
2, §§ 440, 323 Abs. 1 BGB), denn sie sei vom Vertrag, der wegen der
untergeordneten Montageleistungen nach den Bestimmungen des Kaufrechts zu
beurteilen sei (§ 651 Satz 1 BGB), nicht wirksam zurückgetreten.
13 Der mit Anwaltsschreiben vom 31. März 2009 erklärte Rücktritt sei
unwirksam, weil die Klägerin der Beklagten hinsichtlich der zuvor gerügten
Mängel - das Bestehen solcher Mängel unterstellt - keine angemessene Frist
zur Nacherfüllung gesetzt habe. Die mit Schreiben der Klägerin vom
11. März 2009 bis zum 27. März 2009 bestimmte Frist sei zu kurz bemessen
gewesen. Zwar habe die Klägerin geltend gemacht, anlässlich der
Termine in ihrem Haus am 29. Januar und 2. Februar 2009 seien schriftlich
festgehaltene Mängel moniert worden. Dies gebiete jedoch keine andere
Beurteilung, weil - wie bereits das Landgericht überzeugend ausgeführt habe
- mit der (behaupteten) Forderung nach unverzüglicher Mängelbeseitigung
keine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt worden sei.
14 Entsprechendes gelte für das Schreiben der Klägerin vom 16. Februar 2009.
Zwar habe sie eine Vielzahl von Mängeln gerügt, jedoch lediglich
eine Bitte um Behebung geäußert, ohne der Beklagten eine Frist zu setzen.
15 Es sei der Klägerin nicht gemäß § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB unzumutbar
gewesen, Nacherfüllung unter angemessener Fristsetzung zu verlangen. Auch
aus den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen - deren Richtigkeit
unterstellt -, wonach die Küche unbrauchbar und eine Mängelbeseitigung nur
durch ihren Abbau zu erreichen sei, folge nicht, dass der Beklagten keine
angemessene Frist zur Nachbesserung zu setzen gewesen sei.
16 Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht aus der Behauptung der
Klägerin, der Inhaber der Beklagten habe am 16. März 2009 telefonisch
mitgeteilt, die Küche werde bis zum 23. März 2009 fertiggestellt. § 323 Abs.
1 BGB erfordere, wie bereits das Landgericht ausgeführt habe, das Setzen
einer angemessenen Frist. Zudem habe sich der Inhaber der Beklagten am 24.
März 2009 unstreitig bereit erklärt, Mängel bis zum 20. April 2009 zu
beheben. Zwar habe die Klägerin geltend gemacht, die mit Schreiben vom 11.
März 2009 bis zum 27. März 2009 gesetzte Frist sei im Hinblick auf die
hochpreisige Küche nicht zu kurz gewesen. Ein hoher Kaufpreis entbinde den
Käufer jedoch nicht von der Pflicht, dem Verkäufer eine angemessene Frist
zur Mängelbeseitigung zu setzen.
17 Das Landgericht habe für die Mängelbeseitigung zutreffend eine Frist von
vier bis sechs Wochen als angemessen erachtet. Ein Zuwarten von bis zu sechs
Wochen sei der Klägerin nicht unzumutbar gewesen; trotz der nicht
uneingeschränkten Nutzbarkeit hätten in der Küche Mahlzeiten zubereitet
werden können.
18 Es sei auch kein Sachverhalt gegeben, bei dem das Vertrauen in die
Leistungsfähigkeit des Schuldners entfallen wäre. Die Klägerin habe nicht
davon ausgehen dürfen, dass die Küche selbst bei Nacherfüllung auch
zukünftig nicht über längere Zeit mangelfrei sein werde. Eine ungewöhnliche
Häufung von Verstößen gegen anerkannte Regeln der Technik sei zur Zeit der
Rücktrittserklärung am 31. März 2009 nicht ersichtlich gewesen.
19 Mangels wirksamer Fristsetzung bestünden auch keine
Schadensersatzansprüche gemäß § 437 Nr. 3, § 281 BGB. Die Klägerin
könne schließlich auch keinen Schadensersatz für die aufgewendeten Kosten
des Privatgutachtens verlangen. Sie habe diese Kosten nicht für erforderlich
halten dürfen, weil der Rücktritt vom Vertrag nicht wirksam gewesen sei (§
249 BGB).
II.
20 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
21 Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können der Klägerin die
von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises wegen
einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung (§ 651 Satz 1, § 437 Nr. 2, §
434 Abs. 1, § 323 Abs. 1 Alt. 2, § 346 Abs. 1, § 348 BGB) und auf
Schadensersatz statt der Leistung wegen einer nicht wie geschuldet
erbrachten Leistung (§ 651 Satz 1, § 437 Nr. 3, § 434 Abs. 1, § 280 Abs. 1,
3, § 281 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) nicht versagt werden.
22 1. Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings
darauf abgestellt, dass auf die Vereinbarung der Parteien über die Lieferung
der Einbauküche die Vorschriften über den Kauf Anwendung finden
(§ 651 Satz 1 BGB). Nach der nicht angegriffenen Würdigung des
Berufungsgerichts sind die vereinbarten Montageleistungen, auf die
unstreitig ein Anteil am Gesamtkaufpreis in Höhe von 3.860 € netto entfällt,
von untergeordneter Bedeutung und bilden nicht den Schwerpunkt des Vertrages
(vgl. Senatsurteil vom 3. März 2004 - VIII ZR 76/03, NJW-RR 2004, 850 unter
II 1; Senatsbeschluss vom 16. April 2013 - VIII ZR 375/11, juris Rn. 6 ff.
mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR 162/12, NJW 2013, 1431
Rn. 18).
23 2. Das Berufungsgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus
folgerichtig, keine Feststellungen zu Sachmängeln der Einbauküche getroffen.
Nach dem im Revisionsverfahren - insbesondere durch Bezugnahme auf das im
selbständigen Beweisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten sowie das
ergänzende, anlässlich des Ausbaus der Küche erstellte Privatgutachten
-zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin ist daher davon auszugehen,
dass die von der Beklagten gelieferte und montierte Einbauküche behebbare
Sachmängel aufwies (§ 434 Abs. 1 BGB).
24 3. Die behaupteten Sachmängel unterstellt, hat das Berufungsgericht den
am 31. März 2009 erklärten Rücktritt rechtsfehlerhaft als unwirksam
angesehen und das Schadensersatzverlangen zurückgewiesen, weil die Klägerin
der Beklagten zuvor keine angemessene Frist zur Nachbesserung bestimmt habe.
25 Nach der Rechtsprechung des Senats genügt es im Hinblick auf den Wortlaut
der § 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB sowie den Sinn und Zweck der Fristsetzung
zur Nacherfüllung, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger,
unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare
Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein
begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines
bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht
(Senatsurteil vom 12. August 2009 - VIII ZR 254/08, NJW 2009, 3153
Rn. 10 f.
[zu § 281 BGB]). Dies hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils
bestätigt
(Urteil vom 18. März 2015 - VIII ZR 176/14, NJW 2015, 2564
Rn. 11 [zu § 323
BGB]).
26 a) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht insbesondere das in
der E-Mail vom 16. Februar 2009 formulierte Nachbesserungsverlangen mangels
Setzung einer entsprechenden Frist rechtsfehlerhaft als unwirksam angesehen.
27 aa) Der Wirksamkeit dieses Nachbesserungsverlangens steht nicht entgegen,
dass die Klägerin keinen Zeitraum oder (End-)Termin bestimmt, sondern (nur)
eine Bitte um "schnelle Behebung" geäußert hat. Die Klägerin hat auf fünf
Seiten zahlreiche näher konkretisierte Mängel der Einbauküche bezeichnet und
sodann erklärt: "Ich bitte - sicherlich verständlich - schon jetzt um eine
schnelle Behebung der Mängel, damit ich die Küche in ihrer geplanten
einwandfreien Funktionsweise auch vollständig in Betrieb nehmen kann."
Ein
solches, auf "schnelle Behebung" gerichtetes Nachbesserungsverlangen ist
einer Aufforderung, innerhalb "angemessener Frist", "unverzüglich" oder
"umgehend" Abhilfe zu schaffen, vergleichbar, denn auch dadurch wird dem
Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der jeweiligen
Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist, und ihm vor Augen geführt, dass er
die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken darf (siehe
Senatsurteil vom 12. August 2009
- VIII ZR 254/08, aaO).
28 bb) Zwar darf der Gläubiger die Ernsthaftigkeit seines
Nacherfüllungsverlangens nicht durch Relativierungen wie die Äußerung eines
bloßen Wunsches oder einer höflichen Bitte in Zweifel ziehen (Staudinger/Schwarze, Neubearb. 2015, § 323 Rn. B 53; Soergel/Gsell, BGB,
13. Aufl., § 323 Rn. 72; Palandt/ Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 281 Rn. 9).
Ein solches Verhalten kann in entsprechend gelagerten Ausnahmefällen dazu führen, dass der Schuldner keine
Veranlassung hat, mit Rechtsfolgen, wie einem Rücktritt oder
Schadensersatzforderungen, zu rechnen (BT-Drucks. 14/6040, S. 185; siehe
auch BT-Drucks. 14/7052, S. 185).
29 Feststellungen, die Grundlage einer solchen Würdigung sein könnten, hat
das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. An eine dahingehende Auslegung
der Erklärung der Klägerin wäre der Senat zudem nicht gebunden, weil das
Berufungsgericht wesentliche tatsächliche Umstände außer Acht gelassen hat
(vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn.
11). Der E-Mail vom 16. Februar 2009 war bereits am 29. Januar/2. Februar
2009 eine (mündliche) Nachbesserungsaufforderung vorausgegangen, deren
Ernsthaftigkeit von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen werden konnte.
Zudem unterstreicht es die Ernsthaftigkeit des Inhalts der E-Mail vom 16.
Februar 2009, dass sie als Gesprächsunterlage für eine wenige Tage später -
am 19. Februar 2009 - vorgesehene Unterredung der Parteien dienen sollte.
Die Beklagte durfte deshalb nicht annehmen, der fruchtlose Ablauf einer
angemessenen Frist bliebe folgenlos.
30 cc) Nach dem Zugang der E-Mail vom 16. Februar 2009 sind bis zum
Rücktritt vom 31. März 2009 sechs Wochen verstrichen. Nach der insoweit
rechtsfehlerfreien und nicht angegriffenen Beurteilung des Berufungsgerichts
handelt es sich dabei um eine angemessene Frist zur Nachbesserung.
31 Es ist unschädlich, dass die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 11.
März 2009 eine Frist bis zum 27. März 2009 gesetzt hat. Zwar endete diese
Frist - bezogen auf ihren Beginn mit Zugang der E-Mail vom 16. Februar 2009
-vor Ablauf von sechs Wochen. Eine am 11. März 2009 erklärte Verkürzung der
ab dem 16. Februar 2009 laufenden Sechs-Wochen-Frist berührt die Wirksamkeit
der Fristsetzung jedoch nicht, weil die Klägerin den Rücktritt am 31. März
2009 jedenfalls erst nach Ablauf der (angemessenen) Sechs-Wochen-Frist
erklärt hat. Das entspricht der Rechtsprechung, wonach eine zu kurz gesetzte
Frist zur Nacherfüllung den Lauf einer angemessenen Frist nicht hindert
(vgl. Senatsurteil vom 12. August 2009 - VIII ZR 254/08, aaO Rn. 11; siehe
bereits BGH, Urteil vom 21. Juni 1985 - V ZR 134/84, NJW 1985, 2640 unter II
1 a [zu
§ 326 BGB aF]).
32 dd) Einer Beweiserhebung im Hinblick auf die Wirksamkeit des
Nachbesserungsverlangens vom 16. Februar 2009 bedarf es nicht. Anders als es
im Berufungsurteil anklingt, kommt auch eine Zurückweisung des Vorbringens
in der E-Mail vom 16. Februar 2009 nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht
in Betracht, weil nicht streitig geworden ist, dass die Klägerin das darin
enthaltene Nachbesserungsverlangen abgegeben hat und die E-Mail zugegangen
ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2008 - GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 Rn. 10;
Urteil vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 247/06, NJW 2009, 2532 Rn. 15 mwN). Daran
ändert nichts, dass der unstreitige Vortrag im Hinblick auf Folgefragen -
wie hier das Vorliegen der behaupteten Sachmängel der Einbauküche - eine
Beweisaufnahme erfordert (vgl. BGH, Urteile vom 18. November 2004 - IX ZR
229/03, BGHZ 161, 138, 144 f.; vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 135/07, NJW
2009, 685 Rn. 22; Beschluss vom 13. Januar 2015 - VI ZR 551/13, juris Rn.
5).
33 b) Unabhängig davon sind bereits die der E-Mail vom 16. Februar 2009
vorausgegangenen, der Klägerin zuzurechnenden (mündlichen) Mängelrügen ihres
Ehemannes vom 29. Januar beziehungsweise 2. Februar 2009 - jedenfalls im
Hinblick bei dieser Gelegenheit zur Nachbesserung gestellten Mängel (vgl.
Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 17 mwN)
- Grundlage eines tauglichen Nachbesserungsverlangens. Wie die Revision zu
Recht rügt, hat das Berufungsgericht auch bei der Beurteilung dieses
Nachbesserungsverlangens die Grundsätze der Senatsrechtsprechung verkannt,
denn die Klägerin hat im Hinblick auf dieses Nachbesserungsverlangen
behauptet und durch das Zeugnis ihres Ehemannes unter Beweis gestellt, dass
er "unverzügliche" beziehungsweise "sofortige" Abhilfe verlangt habe.
34 c) Auch die Beurteilung der Nachbesserungsaufforderung vom 11. März
2009 durch das Berufungsgericht ist nicht frei von Rechtsfehlern.
35 Die Klägerin hat dieses Nachbesserungsverlangen mit der Setzung einer
Frist bis zum 27. März 2009 verbunden. Zwar ist diese Frist nach objektivem
Maßstab - in Anbetracht der vom Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei
als angemessen beurteilten Frist zur Nachbesserung von sechs Wochen - zu
kurz. Nach der im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden und unter Beweis
gestellten Behauptung der Klägerin, habe der Inhaber der Beklagten jedoch in
einem Telefonat am 16. März 2009 zugesagt, die Einbauküche werde bis zum 23.
März 2009 "fix und fertig" gestellt.
36 Dem hat das Berufungsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, zu
Unrecht keine Bedeutung zugemessen. Für die Beurteilung der Angemessenheit
der Frist zur Nachbesserung ist - in den Grenzen des § 475 Abs. 1 BGB - in
erster Linie eine Vereinbarung der Parteien maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom
6. Februar 1954 - II ZR 176/53, BGHZ 12, 267, 269 f.). Dabei darf der
Gläubiger eine vom Schuldner selbst vorgeschlagene Frist als angemessen
ansehen, auch wenn sie objektiv zu kurz ist (BGH, Urteil vom 18. Januar 1973
- VII ZR
183/70, WM 1973, 1020 unter II 2 a; MünchKommBGB/Ernst, 7. Aufl., § 323 Rn.
71; Staudinger/Schwarze, aaO, § 323 Rn. B 65).
37 4. Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachvortrag der
Klägerin spricht schließlich alles dafür, dass die Klägerin gemäß § 440 Satz
1 BGB auch ohne vorherige Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt war, weil
die ihr zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar war (§ 440 Satz 1 Alt. 3
BGB). Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts ist mit
Rechtsfehlern behaftet.
38 Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist,
sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die
Zuverlässigkeit des Verkäufers (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 233 f.)
oder der
Umstand, dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch, also
bei Übergabe, einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen
lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört
ist (Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669
Rn. 22 mwN).
39 Der Prüfung anhand dieses Maßstabs hält das Berufungsurteil nicht stand.
Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass die vorgenannten
Voraussetzungen nach dem Vortrag der Klägerin - das Vorliegen der
behaupteten Sachmängel unterstellt - zu bejahen sind. Zwar unterliegt die
Beurteilung, ob die Nacherfüllung dem Käufer aufgrund besonderer Umstände
des Einzelfalles im Sinne von § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB unzumutbar ist, der
wertenden Betrachtung durch den Tatrichter und ist für das Revisionsgericht
nur eingeschränkt überprüfbar (Senatsurteile vom 23. Januar 2013 - VIII ZR
140/12, NJW 2013, 1523 Rn. 24; vom 9. Januar 2008 - VIII ZR 210/06, NJW
2008, 1371 Rn. 15).
Das Berufungsgericht hat jedoch auch insoweit den Tatsachenvortrag der
Klägerin unzureichend gewürdigt. Es hat außer Acht gelassen, dass die
Klägerin eine ungewöhnliche Häufung grober Montagefehler der Beklagten beim
Einbau der Küche beanstandet hat.
40 Darauf weist die Revision - insbesondere unter Bezugnahme auf das im
selbständigen Beweisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten und den
Inhalt des Privatgutachtens - hin. So sei die Arbeitsplatte nicht befestigt,
sondern beweglich; durch unkontrollierte Veränderungen der Position könnten
Verletzungen verursacht werden. Auch die Küchentheke sei nur so befestigt,
dass sie beim Abstützen in Richtung der Stühle umkippen könne. Bei der
Kochstelle seien lose Unterleg-Lagerklötze verwendet worden; dies sei nicht
zulässig, denn beim Verrutschen von heißen Töpfen oder Pfannen bestehe akute
Verletzungsgefahr. Auch der aufklappbare Dunstabzug stelle eine erhebliche
Verletzungsgefahr dar. Bei der Ausführung der Unterbauschränke bestehe die
Gefahr, sich bei Betätigung der Schubladenfronten die Finger einzuklemmen.
Aus der Menge der geltend gemachten Sachmängel sei ergänzend und
beispielhaft angeführt, dass das Kochfeld nach dem Sachvortrag der Klägerin
nicht verfugt gewesen sei; überkochende Flüssigkeit fließe daher in den
Unterschrank. Das Spülbecken sei fehlerhaft konstruiert, so dass bestimmte
(niedrigviskose) Flüssigkeiten nicht rückstandsfrei abflössen; es sei daher
nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand sauber zu halten.
III.
41 Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da das Berufungsgericht Beweis über die
behaupteten Sachmängel zu erheben haben wird, ist die Sache nicht zur
Endentscheidung reif und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht
der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
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