Anforderungen an eine Fristsetzung für Rücktritt
(§ 323 I BGB) und Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 I S. 1 BGB);
Nacherfüllung beim Stückkauf; maßgebliche Pflichtverletzung für den
Schadensersatz statt der Leistung bei einem behebbaren Sachmangel
BGH, Urteil vom 18. März 2015 - VIII
ZR 176/14 - OLG Hamm
Fundstelle:
NJW 2015, 2564 m. Anm.
Gutzeit
JuS 2015, 1121 (Riehm)
Amtl. Leitsatz:
Zu den Anforderungen an eine
Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 323 Abs. 1
BGB (Aufforderung, den Kaufgegenstand auszutauschen, mit der Ankündigung,
anderenfalls rechtliche Schritte zu ergreifen; Fortführung von
BGH, Urteil vom 12. August 2009 - VIII ZR 254/08,
NJW 2009, 3153).
Zentrale Probleme:
Nicht sensationelles, aber ein schönes "Fällchen" in
Fortführung (besser: Wiederholung) von
BGH NJW 2009, 3153: Der Gläubiger
muss bei der "Fristsetzung" nach § 323 I BGB und § 281 I S. 1 BGB keinen
bestimmten Zeitraum oder einen Endtermin angeben. Ausreichend ist ein
Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsverlangen, bei welchem zum Ausdruck gebracht
wird, dass der Schuldner die Leistung alsbald bewirken soll (s. dazu die
Anm. zu BGH NJW 2009, 3153).
Hier stellte sich dann auch noch die Frage, ob beim Kauf eines Pferds (der
wohl i.d.R. als Stückkauf zu qualifizieren sein wird), Nacherfüllung auch
durch Lieferung eines anderen, mangelfreien Pferds möglich ist. Der BGH
stellt bei dieser Thematik darauf ab, ob nach dem Parteiwillen die
Nacherfüllung auch durch einen anderen Gegenstand möglich sein soll (s. dazu
die Anm. zu
BGH NJW 2006, 2839).
Hier war das offenbar ausdrücklich vereinbart. Für Liebhaber und
Spezialisten des Pferderechts: Zum konkreten Sachmangel ("kissing spine") s.
auch BGH NJW 2007, 1351. Zur Länge der Frist
s. BGH v. 26.8.2020 - VIII ZR 351/19.
Für den Schadensersatz statt der Leistung weist der Senat bei
Rn. 15 in Bezug auf die Problematik des Vertretenmüssens auf einen
Gesichtspunkt hin, der auch in Klausuren eine Rolle spielen kann:
Schadensersatz statt der Leistung setzt nach § 280 I 2 BGB Vertretenmüssen
voraus, das vermutet wird. Nicht selten wird es einem Verkäufer gelingen,
das Vertretenmüssen bei der Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache
(Pflicht aus § 433 I 2 BGB) zu widerlegen (insbesondere, wenn er nicht der
Hersteller ist, für den er nicht nach § 278 I BGB haftet, vgl. dazu die Anm.
zu BGHZ 200, 337). Wenn er
aber - wie hier anzunehmen - zur Nacherfüllung verpflichtet ist und dem
nicht nachkommt, verletzt er erneut eine Pflicht, diesmal diejenige aus §
439 BGB. Dort müsste nachweisen, warum das Unterlassen der Nacherfüllung
nicht zu vertreten ist, was nur in seltenen Fällen gelingen dürfte. Man kann
(und muss ggf.) also bei Schadensersatz statt der Leistung bei einem
behebbaren Mangel zwei unterschiedliche Pflichtverletzungen prüfen! Zu den
Einzelheiten s. auch Medicus/Lorenz SchuldR II Rn. 173 ff. S. dazu auch
BGH v. 13.7.2016 - VIII
ZR 49/15.
©sl 2015
Tatbestand:
1 Die Klägerin erwarb von der
Beklagten am 3. Mai 2011 für 15.000 € einen Fuchswallach der Rasse Quarter
Horse. Mit Anwaltsschreiben vom 2. August 2012 erklärte die Klägerin den
Rücktritt vom Kaufvertrag unter Berufung darauf, dass das Pferd an einer
unheilbaren "Kissing Spines"-Erkrankung leide, die bereits bei Übergabe
vorhanden gewesen sei.
2 Die Klägerin begehrt Rückzahlung des Kaufpreises, Erstattung von
bezifferten Aufwendungen sowie die Feststellung, dass die Beklagte
verpflichtet sei, ihr alle weiteren mängelbedingten Aufwendungen zu
erstatten. Ferner verlangt sie die Feststellung des Annahmeverzuges sowie
Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.
3 Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
6 Die Klägerin begehre Rückgewähr des Kaufpreises, Aufwendungsersatz sowie
Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Es fehle allerdings an
einer erfolglosen Aufforderung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1, § 281
Abs. 1 BGB.
7 Es könne dahingestellt bleiben, ob das Pferd bereits bei Übergabe am 3.
Mai 2011 an einem "Kissing Spines"-Syndrom gelitten habe. Die Klägerin habe
zu keinem Zeitpunkt ein Nacherfüllungsverlangen an die Beklagte gerichtet,
welches den Vorgaben der § 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB genüge. Zwar möge
der Lebensgefährte der Klägerin, der von ihr als Zeuge benannte S.
H. , am 19. Juni 2012 anlässlich eines Aufenthaltes auf dem Gestüt der
Beklagten von deren Vater den Austausch des Pferdes verlangt haben. Eine
Frist zur Nacherfüllung, welche erfolglos hätte verstreichen können, habe
der Zeuge in diesem Zusammenhang selbst nach den Behauptungen der Klägerin
in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 7. April 2014 jedoch nicht gesetzt.
8 Grundsätzlich sei auch beim Tierkauf vor der Rücktrittserklärung eine
Fristsetzung zur Nachbesserung oder zur Nachlieferung erforderlich.
Ausnahmen seien nur unter besonderen Umständen zuzulassen. Weder habe die
Klägerin insoweit jedoch vorgetragen, dass etwa aus Gründen des Tierschutzes
eine unverzügliche Inanspruchnahme tierärztlicher Hilfe notwendig gewesen
sei, noch lasse sich erkennen, dass die Lieferung eines anderen - gesunden -
Pferdes wegen einer bereits entstandenen Bindung an das
streitgegenständliche Tier nicht in Betracht gekommen wäre. Aus den
Ausführungen der Klägerin ergebe sich, dass ihre Kaufentscheidung
schwerpunktmäßig auf objektiven Gesichtspunkten - der Eignung für die
Turnierrichtung "Pleasure", einer Disziplin des Westernreitens - beruht
habe. Gerade in einem solchen Fall, in welchem in erster Linie objektive
Qualitätsanforderungen ausschlaggebend gewesen seien, komme eine
Ersatzlieferung ernsthaft in Betracht. Dass der Beklagten eine Nacherfüllung
durch Lieferung eines Ersatzpferdes nicht möglich gewesen wäre, werde
substantiiert von der Klägerin nicht behauptet.
9 Die Klägerin trage zwar vor, der Vater der Beklagten habe seit
Bekanntwerden des "Kissing Spines"-Verdachts sämtliche Anschuldigungen und
Pflichten von sich gewiesen und auch die Einholung eines
Sachverständigengutachtens abgelehnt, weil dieses ohnehin "nichts bringe";
hierdurch sei das Vertrauen der Klägerin in das Unternehmen der Beklagten
gebrochen worden. Eine endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten lasse
sich aus dieser unpräzisen Darstellung jedoch nicht herleiten. Dies gelte
auch für die umgangssprachliche Formulierung des Vaters der Beklagten in dem
behaupteten Gespräch mit dem Lebensgefährten der Klägerin am 19. Juni 2012,
wonach man sich vor Gericht wiedersehe. Derartige Äußerungen ließen nicht
darauf schließen, dass die Beklagte eine Nachlieferung auch dann abgelehnt
hätte, wenn sie hierzu von der Klägerin ernsthaft unter Gewährung einer
angemessenen Frist aufgefordert worden wäre. Insbesondere habe die
behauptete Antwort des Vaters der Beklagten am 19. Juni 2012 in ihrem
unverbindlichen Stil dem von Herrn H. unmittelbar zuvor angeschlagenen
derben Ton entsprochen. Unter diesen Umständen sei eine wirksame
Aufforderung zur Nacherfüllung innerhalb der Zweijahresfrist ab dem 3. Mai
2011, während der ein Anspruch der Klägerin auf Nacherfüllung gemäß § 439
Abs. 1 BGB bestanden habe, nicht erfolgt.
II.
10 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt
nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, die Klägerin
habe der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung im Sinne der § 323 Abs. 1,
§ 281 Abs. 1 BGB gesetzt, kann die Klage nicht abgewiesen werden.
11 1. Für eine Fristsetzung im Sinne der vorgenannten Vorschriften
genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger,
unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare
Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein
begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines
bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht.
Weder lässt sich dem Begriff der Fristsetzung entnehmen, dass die
maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in
konkreten Zeiteinheiten anzugeben ist, noch erfordert es der Zweck der
Fristsetzung gemäß § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 oder nach § 437 Nr. 3, § 281
Abs. 1 BGB, dass der Gläubiger für die Nacherfüllung einen bestimmten
Zeitraum oder einen genauen (End-)Termin angibt. Dem Schuldner soll mit der
Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem
beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche
Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort,
unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt
(Senatsurteil vom 12. August 2009 - VIII ZR
254/08, NJW 2009, 3153 Rn. 10 f., zu § 281 BGB).
12 2. Daran gemessen hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht
rügt, das durch den Zeugen H. unter Beweis gestellte, im Revisionsverfahren
zugrunde zu legende Vorbringen der Klägerin in dem nachgelassenen
Schriftsatz vom 7. April 2014 nicht hinreichend erfasst, der Zeuge habe dem
Vater der Beklagten am 19. Juni 2012 nicht nur gesagt, das Tier sei ihm zu
gefährlich und er fürchte um die Gesundheit seiner Lebensgefährtin, sondern
habe auch wörtlich oder wortähnlich erklärt: "Entweder wird das Pferd
ausgetauscht oder wir gehen rechtlich gegen Euch vor."
13 Diese Äußerung trägt den Anforderungen an eine Fristsetzung gemäß
§ 281 Abs. 1 Satz 1, § 323 Abs. 1 BGB Rechnung. Die Ausführungen
des Berufungsgerichts lassen besorgen, dass es eine ordnungsgemäße
Nacherfüllungsaufforderung von der Nennung eines bestimmten Zeitraums oder
eines bestimmten (End-)Termins abhängig machen will. Dessen bedarf es jedoch
nicht. Bereits in dem Verlangen, das Pferd "auszutauschen",
verbunden mit der die Ernsthaftigkeit der Erklärung verdeutlichenden
Warnung, andernfalls rechtliche Schritte zu ergreifen, liegt bei
verständiger Würdigung unmissverständlich die Aufforderung, umgehend Abhilfe
durch Übergabe eines gesunden Pferdes zu schaffen.
14 3. Das Berufungsurteil stellt sich auf der Grundlage der bisherigen
Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen
als richtig dar (§ 561 ZPO). Vergeblich beruft sich die Beklagte darauf,
dass die Klägerin Unternehmerin sei und für diesen Fall unter den weiteren
Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 des Kaufvertrages ein Ausschluss der
Sachmängelhaftung vereinbart worden sei. Das Berufungsgericht hat bereits
keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin Unternehmerin ist.
15 Zudem sind auch im Fall der Unternehmereigenschaft der
Klägerin gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 des Kaufvertrages unter anderem
Ansprüche vom Ausschluss der Sachmängelhaftung ausgenommen, bei denen "die
haftungsbegründenden Umstände ... durch eine fahrlässige Pflichtverletzung
von J. [Beklagte] ... verursacht" wurden. Insoweit kann auf der
Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ein Anspruch
der Klägerin auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3, § 280 Abs.
1, 3, § 281 BGB) unter dem Gesichtspunkt der Verschaffung eines von
Sachmängeln freien Tieres (§ 434 Abs. 1, § 90a BGB) nicht ausgeschlossen
werden. Ebenso wenig kann ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz statt
der Leistung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verpflichtung der
Beklagten zur Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden
(vgl. Senatsurteil vom 2. April 2014 -
VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 23 f. mwN). Eine solche Verpflichtung
der Beklagten haben die Parteien gemäß § 5 Abs. 5 des Kaufvertrages
ausdrücklich vereinbart. Danach sind die Parteien "sich einig, dass
eine Nachbesserung durch Lieferung eines vergleichbaren Pferdes erfolgen
kann", so dass diese Art der Nacherfüllung durch § 3 Abs. 3 des
Kaufvertrages nicht ausgeschlossen ist.
III.
16 Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur
Endentscheidung reif, da es weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
Daher ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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