Richtlinienwidrigkeit von § 476 II letzter Hs.
BGB: (keine) richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung; Grenzen
richterlicher Rechtsfortbildung
BGH, Urteil vom 18. November 2020 - VIII ZR 78/20 - OLG
Zweibrücken LG Frankenthal
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (= § 476
Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF) verstößt gegen die
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, weil nach dieser Vorschrift entgegen Art. 5
Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Verbrauchsgüterkauf-RL bei einem
Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über gebrauchte
Sachen eine Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährungsfrist für
Sachmängelgewährleistungsrechte auf weniger als zwei Jahre zugelassen wird.
Die Mitgliedstaaten können nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2
Verbrauchsgüterkauf-RL nur eine Vereinbarung über die Verkürzung der
Haftungsdauer auf bis zu ein Jahr, nicht jedoch über die Verkürzung der
Verjährungsfrist erlauben.
b) Eine richtlinienkonforme Anwendung von
§ 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF)
dahingehend, dass diese Regelung entfällt oder nur eine Vereinbarung über
die Verkürzung der Haftungsdauer erlaubt, kommt jedoch nicht in Betracht.
Die Vorschrift ist vielmehr bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiterhin
anzuwenden. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die
Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr in Kaufverträgen über
gebrauchte Sachen vorsieht, ist demnach wirksam.
Zentrale Probleme:
Der EuGH hatte in der "Ferenschild"-Entscheidung (Urteil
vom 13. Juli 2017 - Rs. C-133/16) festgestellt, dass - entgegen dem
Verständnis des deutschen Gesetzgebers - die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
eine Verkürzung der Verjährung von Gewährleistungsrechten auf ein Jahr bei
gebrauchten Sachen (heute: § 476 II letzter Hs. BGB, hier noch § 475 II
letzter Hs. BGB a.F.) nicht zulässt. Daraufhin stellte sich die Frage, ob §
476 II BGB richtlinienkonform ausgelegt bzw. fortgebildet werden kann. Das
verneint der Senat vollkommen zu recht. Die Regelung ist richtlinienwidrig,
aber wirksam. Es ist am Gesetzgeber, dies zu ändern Das Problem ist
praktisch nur noch bis zum 1.1.2022 von Bedeutung, weil die (was spätestens
bis zum 1.7.2021 umzusetzende)
Warenkaufrichtlinie eine Regelung wie § 476 II BGB zulässt. Methodisch
bleibt die Entscheidung für die Grenzen richtlinienkonformer
Rechtsfortbildung aber von Interesse.
©sl 2020
Tatbestand:
1 Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche nach
einem Rücktritt vom Kauf eines gebrauchten BMW X 6 geltend.
Er kaufte das Fahrzeug von der Beklagten am 31. März 2017 zum Preis von
24.750 €; das Fahrzeug wurde am selben Tag übergeben.
2 In den
zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten ist in Ziffer VI.1 für Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln
eine Verjährungsfrist von einem Jahr ab Ablieferung des Fahrzeugs
bestimmt, wobei dies nach Ziffer 2 nicht für Schäden gilt, die auf einer
grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers
beruhen, sowie bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.
3 Am 5. Februar 2018 leitete der Kläger ein selbständiges
Beweisverfahren ein, das sich zunächst nur auf einen - von dem Kläger
bereits beseitigten - Mangel am Luftfahrwerk hinten rechts bezog. Im Mai und
im August 2018 erweiterte der Kläger das selbständige Beweisverfahren auf
weitere von ihm behauptete Mängel, welche die Steuerkette sowie das
Pleuellager beziehungsweise den Motor betrafen.
4 Mit Schreiben vom
10. Oktober 2018 trat der Kläger wegen der im selbständigen Beweisverfahren
geltend gemachten Mängel vom Kaufvertrag zurück. Die Beklagte hat die
Einrede der Verjährung erhoben.
5 Die auf Zahlung von 24.750 € nebst
Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs sowie auf Feststellung
des Annahmeverzugs der Beklagten und Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten
in Höhe von 1.242,84 € gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen
Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
7 Das
Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das
Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
8 Das
Landgericht habe die geltend gemachten Ansprüche des Klägers zu Recht
verneint, weil ein auf die klagegegenständlichen Mängel gestütztes
Nacherfüllungsverlangen des Klägers verjährt und ein Rücktritt deshalb
ausgeschlossen sei.
9 Die von § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB
[gemeint ist § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF] eröffnete Möglichkeit einer
vertraglichen Verjährungsverkürzung bei gebrauchten Sachen sei zwar nach
einhelliger Auffassung richtlinienwidrig. Bis zu einer Neuregelung durch den
deutschen Gesetzgeber habe dies aber keine Auswirkungen auf die bestehende
Rechtslage.
10 Der Wortlaut des Gesetzes sei derart klar und
eindeutig, dass eine Auslegung der Norm im Sinne einer Regelung einer
Haftungsdauer, welche dem deutschen Regelungsmodell fremd sei, die
Wortlautgrenze sprengen würde. Der deutsche Gesetzgeber habe in § 476 Abs. 2
BGB [gemeint ist § 475 Abs. 2 BGB aF] bei gebrauchten Sachen ausdrücklich
eine Verkürzung der Verjährung gestattet und damit auch die Verjährung im
Rechtssinne gemeint.
11 Auch eine richtlinienkonforme
Rechtsfortbildung des § 476 Abs. 2 BGB im Sinne einer teleologischen
Reduktion der Norm komme nicht in Betracht, da dies zu der generellen
Nichtanwendbarkeit des letzten Halbsatzes dieser Norm führen würde. Zudem
führte eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung zu einer
indirekt unmittelbaren Anwendung einer Richtlinie im Verhältnis zwischen
Privaten, welche in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union abgelehnt werde.
12 Eine Entscheidung gegen den
Wortlaut der Norm und den konkreten Willen des Gesetzgebers könne selbst
unter den großzügigen Maßstäben des Bundesgerichtshofs vorliegend nicht
erfolgen. Es fehle bereits an der notwendigen verdeckten Regelungslücke.
Seien - wie hier - mehrere Lösungen geeignet, die Vorgaben der Richtlinie zu
erfüllen, sei es Sache des Gesetzgebers, die von ihm bevorzugte Lösung zu
wählen. Der Gesetzgeber könne hier einerseits den Parteien die Möglichkeit
einräumen, die Haftungsfrist auf ein Jahr zu verkürzen, was die dem
deutschen Recht bisher fremde Einführung einer Unterscheidung von Haftungs-
und Verjährungsfrist bedeute, andererseits könne er auch die Möglichkeit der
Verkürzung der Verjährungsfrist nach § 476 Abs. 2 letzter Halbs.
BGB ersatzlos streichen. Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber sei
damit die derzeitige gesetzliche Regelung anzuwenden.
II.
13
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist daher
zurückzuweisen.
14 Das Berufungsgericht hat richtig
entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§
434 Abs. 1, § 437 Nr. 2, §§ 323, 346 Abs. 1 BGB), Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (§ 280 Abs. 1 BGB) sowie auf
Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des
Fahrzeugs nicht zusteht.
15 Zwar hat es
keine Feststellungen dazu getroffen, ob die vom Kläger bezüglich der
Steuerkette und des Pleuellagers/Motors behaupteten Mängel bestanden, ob sie
bereits bei Gefahrübergang vorlagen oder dem Kläger insoweit die Vermutung
des § 476 BGB in der gemäß Art. 229 § 39 EGBGB bis zum 31. Dezember 2017
geltenden Fassung (nunmehr § 477 BGB) zugute kam und die weiteren
Rücktrittsvoraussetzungen nach § 323 BGB vorlagen. Diese Fragen
konnten indes offenbleiben, weil der vom Kläger erklärte Rücktritt
jedenfalls gemäß § 218 BGB unwirksam ist. Denn der Nacherfüllungsanspruch
des Klägers wegen der von ihm geltend gemachten Mängel an der Steuerkette
und am Pleuellager/Motor war im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nach den
in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits
verjährt und die Beklagte hat sich auf Verjährung berufen. Die -
sich in dem von § 475 Abs. 2 BGB in der gemäß Art. 229 § 39 EGBGB bis zum
31. Dezember 2017 geltenden Fassung (im Folgenden aF; nunmehr § 476 Abs. 2
BGB) gestatteten Rahmen haltende - formularmäßige Verkürzung der
Verjährungsfrist war auch wirksam. Insbesondere führt die
Richtlinienwidrigkeit der Regelung des § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (=
§ 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF), die den Parteien
eines Verbrauchsgüterkaufs bei gebrauchten Sachen die Begrenzung der
Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre ab Lieferung des betreffenden
Gutes erlaubt, zu keiner anderen Beurteilung. Denn eine
richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift ist - wie das
Berufungsgericht richtig gesehen hat - nicht möglich.
16 1.
Rückabwicklungsansprüche aufgrund behaupteter Mängel an der Steuerkette und
dem Pleuellager bzw. dem Motor stehen dem Kläger nicht zu, weil der von ihm
mit Schreiben vom 10. Oktober 2018 erklärte Rücktritt angesichts der
Verjährung der Nacherfüllungsansprüche wegen dieser Mängel, auf die sich die
Beklagte berufen hat, nach § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.
17
a) Nach Ziffer VI.1 der zwischen den Parteien vereinbarten
Allgemeinen Geschäftsbedingungen verjähren die Ansprüche des Käufers wegen
Sachmängeln nach einem Jahr ab der - hier am 31. März 2017 erfolgten -
Ablieferung des Fahrzeugs. Diese Frist war bezüglich der Mängel, die der
Kläger an der Steuerkette sowie dem Pleuellager und Motor geltend gemacht
hatte, bei Erklärung des Rücktritts am 10. Oktober 2018 bereits abgelaufen.
Das selbständige Beweisverfahren, das die Beklagte am 5. Februar 2018 wegen
anderer Mängel eingeleitet hatte, konnte insoweit eine Hemmung der
Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB nicht bewirken. Denn eine Hemmung
durch ein selbständiges Beweisverfahren tritt nur wegen Ansprüchen aus den
Mängeln ein, auf die sich die Sicherung des Beweises bezieht (BGH, Urteil
vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07 BGHZ 175, 161 Rn. 30 mwN). Die Mängel an
der Steuerkette und dem Pleuella-ger/Motor hat der Kläger erst nach Ablauf
des 31. März 2018 zum Gegenstand des Beweisverfahrens gemacht, so dass
dadurch eine Hemmung der - auf der Grundlage von Ziffer VI.1 der
Geschäftsbedingungen bereits eingetretenen - Verjährung nicht mehr bewirkt
werden konnte.
18 b) Die formularvertragliche Verkürzung der
Verjährungsfrist für Ansprüche war auch wirksam, insbesondere verstößt sie
weder gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB noch ist sie wegen
unangemessener Benachteiligung des Kunden (§ 307 Abs. 1, 2 BGB) unwirksam.
Ein Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) liegt
nicht vor, weil § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter
Halbs. BGB nF) auch beim Verbrauchsgüterkauf eine derartige Verkürzung der
Verjährung gestattet.
19 c) Zwar verstößt § 475 Abs.
2 letzter Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF) bei
wortlautgemäßer Anwendung gegen Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 der
Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai
1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für
Verbrauchsgüter (ABl. L 171, S. 12; im Folgenden: Ver-brauchsgüterkauf-RL;
hierzu unter aa) und sind die nationalen Gerichte gehalten, das nationale
Recht soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck einer Richtlinie auszulegen
unter voller Ausschöpfung des ihnen nach nationalem Recht zustehenden
Beurteilungsspielraums (hierzu unter bb). Jedoch scheidet hier
eine richtlinienkonforme Anwendung dahingehend, dass § 475 Abs. 2 letzter
Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF) eine Vereinbarung über
die Verkürzung der Verjährungsfrist auf bis zu ein Jahr nicht zulässt, aus
(hierzu unter cc). Trotz Richtlinienwidrigkeit ist die Vorschrift
deshalb bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiterhin dahingehend
anzuwenden, dass sie eine derartige Abrede zulässt (hierzu unter dd).
20 aa) Eine nationale Regelung, die den Parteien bei einem
Verbrauchsgüterkauf über gebrauchte Sachen die Begrenzung der
Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre ab Lieferung des betreffenden
Gutes erlaubt, verstößt nach der für die nationalen Gerichte bindenden
Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union (C-133/16,
JZ 2018, 298 Rn. 50 - Ferenschild) gegen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.
21 Nach Art. 5 Abs. 1 Verbrauchsgüterkauf-RL haftet der Verkäufer nach
Art. 3 Verbrauchsgüterkauf-RL, wenn die Vertragswidrigkeit binnen zwei
Jahren nach der Lieferung des Verbrauchsgutes offenbar wird. Gilt nach dem
innerstaatlichen Recht für die Ansprüche nach Art. 3 Abs. 2
Verbrauchsgüterkauf-RL eine Verjährungsfrist, so endet sie nicht vor Ablauf
eines Zeitraums von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung. Nach
Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 Verbrauchsgüterkauf-RL können die
Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Verkäufer und der Verbraucher sich auf
Vertragsklauseln einigen können, denen zufolge der Verkäufer weniger lange
haftet als in Art. 5 Abs. 1 Verbrauchsgüterkauf-RL vorgesehen. Diese kürzere
Haftungsdauer darf ein Jahr nicht unterschreiten (Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2
Satz 2 Verbrauchsgüterkauf-RL).
22 Der Gerichtshof der
Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) hat auf Vorlage eines
belgischen Gerichts
mit Urteil vom 13. Juli 2017 (C-133/16, JZ 2018, 298 Rn. 32 ff., 50 -
Ferenschild) entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2
Verbrauchsgüterkauf-RL der Regelung eines Mitgliedstaates entgegenstehen,
die es erlaubt, dass die Verjährungsfrist für die Klage eines Verbrauchers
eine kürzere Dauer als zwei Jahre ab Lieferung des Gutes beträgt.
Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt, dass nach
Art. 5 Abs. 1 Verbrauchsgüterkauf-RL zwischen zwei Arten von Fristen zu
unterscheiden sei, von denen jede eine unterschiedliche Zielsetzung
verfolge. Es handele sich zum einen um die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1
Verbrauchsgüterkauf-RL genannte Frist, das heißt, die Haftungsdauer des
Verkäufers, die sich auf den Zeitraum beziehe, in dem das Auftreten einer
Vertragswidrigkeit des in Rede stehenden Gutes die in Art. 3 der Richtlinie
vorgesehene Haftung des Verkäufers auslöse und somit zur Entstehung der
Rechte führe, die diese zuletzt genannte Vorschrift zugunsten des
Verbrauchers vorsehe. Diese Haftungsdauer des Verkäufers betrage
grundsätzlich zwei Jahre ab Lieferung des Gutes. Zum anderen handele
es sich bei der Frist, auf die sich Art. 5 Abs. 1 Satz 2
Verbrauchsgüterkauf-RL beziehe, um eine Verjährungsfrist, die dem Zeitraum
entspreche, in dem der Verbraucher seine Rechte, die während der
Haftungsdauer des Verkäufers entstanden seien, tatsächlich gegenüber diesem
ausüben könne. Aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Satz 2
Verbrauchsgüterkauf-RL ergebe sich in Verbindung mit ihrem 17.
Erwägungsgrund, dass eine Verjährungsfrist nicht vor Verstreichen der zwei
Jahre ablaufen dürfe, die auf die Lieferung des betreffenden Gutes
folge. Die Dauer der Verjährungsfrist hänge nicht von der Haftungsdauer des
Verkäufers ab. Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Verbrauchsgüterkauf-RL beziehe sich
nicht auf die Verjährungsfrist, sondern ausschließlich auf die Haftungsdauer
des Verkäufers. Die Regelung verleihe den Mitgliedstaaten daher
keine Befugnis, auch zu bestimmen, dass die Parteien die Dauer der in Art. 5
Abs. 1 Satz 2 Verbrauchs-güterkauf-RL genannte Verjährungsfrist begrenzen
dürften (EuGH,
C-133/16, JZ 2018, 298 Rn. 33 ff. - Ferenschild).
23
Gemessen hieran ist § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2
letzter Halbs. BGB nF) bei Anwendung entsprechend seinem Wortlaut
richtlinienwidrig (vgl. Senat, Urteil
vom 9. Oktober 2019 - VIII ZR 240/18, BGHZ 223, 236 Rn. 22). Denn
hiernach kann bei einem Verbrauchsgüterkauf über gebrauchte Sachen die
Verjährung der in § 437 BGB bezeichneten Ansprüche vor Mitteilung eines
Mangels an den Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden,
wenn dies zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn
von weniger als einem Jahr führt, was zugleich bedeutet, dass die
Vereinbarung einer Verjährungsfrist von einem Jahr zulässig ist.
24
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch Art. 23 der
Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.
Mai 2019 über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung
der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur
Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (ABl. L 136 S. 28) mit Wirkung zum
1. Januar 2022 aufgehoben und ersetzt wird und die Mitgliedstaaten
nach Art. 10 Abs. 6 der neuen Richtlinie bei gebrauchten Waren
sowohl Vereinbarungen über kürzere Haftungszeiträume als auch über kürzere
Verjährungsfristen zulassen können, sofern diese kürzeren Fristen ein Jahr
nicht unterschreiten. Auch wenn hiernach die in § 476 Abs. 2
letzter Halbs. BGB enthaltene Regelung zulässig wäre, gilt die neue
Richtlinie nicht für vor dem 1. Januar 2022 geschlossene Verträge (Art. 24
Abs. 2) und sollen die von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung zu erlassenden
Vorschriften erst ab 1. Januar 2022 angewendet werden (Art. 24 Abs. 1).
Bis zu diesem Zeitpunkt und für vor dem 1. Januar 2022 geschlossene
Verträge gilt deshalb die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie fort und sind die
nationalen Vorschriften an dieser auszurichten.
25
bb) Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des
Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und
des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV
verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung
des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit
wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit
der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur
EuGH, C-14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 -
von Colson und Kamann; C-397/01 bis
C-403/01, Slg. 2004, I-8878 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; C-565/12, NJW 2014,
1941 Rn. 54 - LCL Le Credit Lyonnais; Senatsurteile vom
21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24; vom 31.
Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 55;
vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 36 und
vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 103/15, BGHZ 212,
224 Rn. 37).
26 Der Grundsatz der unionsrechtskonformen
Auslegung des nationalen Rechts unterliegt nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs indes bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des
nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen
Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie
heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf
nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts
dienen (EuGH, C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 - OSA; C-176/12, BB
2014, 2493 Rn. 39 - Association de mediation sociale; C-441/14, EuZW 2016,
466 Rn. 32 - Dansk Industri; jeweils mwN).
27 Auch nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Grundsatz
richtlinienkonformer Auslegung nicht schrankenlos. Er findet vielmehr dort
seine Grenze, wo die nationale Vorschrift nicht richtlinienkonform
ausgelegt werden könnte, ohne dabei die Grenzen der verfassungsrechtlichen
Bindung des Richters an das Gesetz zu sprengen. Eine die
Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den
Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG, ZIP 2013, 924 Rn.
32; NJW 2012, 669 Rn. 46 f.).
28 Dem steht nicht entgegen, dass der
aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Grundsatz der Unionstreue alle
mitgliedstaatlichen Stellen, also auch Gerichte, dazu verpflichtet,
diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt einer
EU-Richtlinie in der ihr vom Gerichtshof gegebenen Auslegung entspricht.
Denn die unionsrechtliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung
ver- pflichtet das nationale Gericht zwar, durch die Anwendung seiner
Auslegungsmethoden ein richtlinienkonformes Ergebnis zu erzielen. Allerdings
findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege
zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition
methodisch Erlaubten. Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine
entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur
innerstaatliche Gerichte beurteilen. Sowohl die Identifizierung als auch die
Wahrnehmung methodischer Spielräume des nationalen Rechts obliegt - auch bei
durch Richtlinien determiniertem nationalem Recht - den nationalen Stellen
in den Grenzen des Verfassungsrechts (vgl. BVerfG, NJW 2012, 669
Rn. 47 f.; NJW-RR 2016, 1366 Rn. 41; Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 -
VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 42).
29 Dementsprechend hat
auch der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass eine
richtlinienkonforme Auslegung - ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung
- voraussetzt, dass hierdurch der erkennbare Wille des Gesetz-
oder Verordnungsgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem
Willen (noch) entspricht (vgl.
Senatsurteile vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn.
22; vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209, Rn. 43 und vom
12. Oktober 2016 - VIII ZR 103/15, NJW 2017, 1093
Rn. 38 und vom 26. August 2020 - VIII ZR 351/19,
juris Rn. 47; jeweils mwN). Entsprechendes gilt für eine vom Senat in
früheren Entscheidungen erwogene richtlinienkonforme Rechtsfortbildung (vgl.
etwa Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn.
37).
30 cc) Gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine
richtlinienkonforme Auslegung (oder gar Rechtsfortbildung) des § 475 Abs. 2
letzter Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF) dahingehend,
dass bei einem Verbrauchsgüterkauf über eine gebrauchte Sache die
Vereinbarung einer Verjährungsfrist von einem Jahr unzulässig ist, nicht in
Betracht. Weder kann diese Vorschrift richtlinienkonform so ausgelegt oder
fortgebildet werden, dass sie ersatzlos entfällt, noch so, dass hiermit
(nur) eine Vereinbarung einer auf bis zu ein Jahr verkürzten Haftungsdauer
erlaubt sein soll (ebenso: BeckOK-BGB/Faust, Stand: 1. August 2020,
§ 476 Rn. 4; MünchKommBGB/S. Lorenz, 8. Aufl., § 476 Rn. 26 f.;
BeckOGK-BGB/Augenhofer, Stand: 1. Oktober 2020, § 476 Rn.
67; BeckOGK-BGB/Arnold, Stand: 1. Mai 2020, § 438 Rn. 240; Arnold/Hornung,
JuS 2019, 1041, 1047; Köhler, GPR 2018, 37, 41; Papadopouluos/Aslan, DAR
2018, 544, 546 ff.; wohl auch Kulke, MDR 2018, 1025, 1028 f., der bei
Ablehnung einer richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung eine
Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV befürwortet; für eine Nichtanwendung
der Vorschrift dagegen: OLG Frankfurt, DAR 2020, 89, 90; jurisPK-BGB/Ball,
Stand: 1. Februar 2020, § 476 Rn. 28; für eine Rechtsfortbildung, wonach
statt einer verkürzten Verjährungsfrist eine verkürzte Haftungsfrist
zulässig ist: Staudinger, DAR 2018, 241; Leenen, JZ 2018, 284, 289; wohl
auch Eggert in Reinking/Eggert/Hettwer, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 4090;
für eine zusätzliche ergänzende Vertragsauslegung im Sinne einer verkürzten
Haftungsfrist: Leenen, aaO S. 290; jurisPK-BGB/Ball, aaO Rn. 29; vgl. auch
Staudinger, DAR 2018, 241 und Eggert in Rein-king/Eggert/Hettwer, aaO Rn.
4091a).
31 (1) Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig.
Geregelt ist hierin die Möglichkeit zur Verkürzung der Verjährungsfrist auf
ein Jahr. Der verwendete Rechtsbegriff der Verjährung ist unmissverständlich
und keiner Interpretation dahingehend zugänglich, dass damit eine
Haftungsdauer gemeint ist. Er ist sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch
insgesamt als auch speziell im Rahmen des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sowie innerhalb des § 475 BGB aF (= §
476 BGB nF) einheitlich verwendet als dauerndes Leistungsverweigerungsrecht
des Schuldners gegen die Geltendmachung eines Anspruchs.
32 (2)
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich der eindeutige und
unmissverständliche Wille des Gesetzgebers, im deutschen Recht weiterhin
keine Haftungsfrist einzuführen, sondern das bisherige Recht,
wonach zur zeitlichen Begrenzung der Gewährleistung nur eine
Verjährungsfrist bestand, fortzuführen und mit § 475 Abs. 2 letzter Halbs.
BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF) eine Regelung zur Möglichkeit
der Verkürzung der Verjährung zu schaffen, nicht dagegen eine Regelung über
Vereinbarungen zu einer Haftungsfrist.
33 (a) Der Gesetzgeber
des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war sich der Differenzierung der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zwischen einer Haftungsdauer und einer
Verjährung bewusst. Ausdrücklich ist hierzu in der Gesetzesbegründung
ausgeführt, dass Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie zwei ganz
unterschiedliche Fristen regele. Dies gehe auf die Rechtslage in
den anderen Mitgliedstaaten zurück. In den meisten anderen kaufrechtlichen
Bestimmungen der europäischen Staaten werde nämlich zwischen einer Frist, in
welcher der Mangel auftreten müsse, und einer Frist unterschieden, die der
gewährleistungsberechtigte Käufer zur Entscheidung darüber erhalte, ob er
Klage erhebe oder nicht. Das deutsche Recht kenne eine besondere Frist für
das Auftreten des Mangels nicht. Faktisch werde sie allerdings durch die
Gewährleistungsfrist mit abgedeckt, weil niemand eine Klage wegen eines
Mangels erheben werde, der vor Ablauf dieser Frist nicht aufgetreten sei. In
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie werde auch eine Verjährungsfrist nach
deutschem Vorbild zugelassen, die ebenfalls zwei Jahre betrage und mit
Lieferung beginne. Die Gewährleistungsfrist werde also insgesamt auf zwei
Jahre verlängert. Sie sei nur beim Kauf gebrauchter Güter verkürzbar
(BT-Drucks. 14/6040, S. 81).
34 Bereits
diese Begründung zeigt eindeutig, dass der Gesetzgeber sich in Kenntnis des
Unterschieds zwischen einer Haftungsfrist und einer Verjährungsfrist sowie
der Tatsache, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beide Fristen kennt,
für die Fortführung des deutschen Rechtssystems, das nur eine Verjährungs-,
nicht aber eine Haftungsfrist kannte, entschieden hat.
35
(b) Die Gesetzesbegründung zu § 475 Abs. 2 BGB aF (= § 476 Abs. 2 BGB nF)
bestätigt dies. Auch dort ist durchgängig nur von Verjährung die Rede. Dies
zeigt, dass der Gesetzgeber entsprechend seinen oben zitierten allgemeinen
Ausführungen auch im Hinblick auf die Zulässigkeit abweichender
Vereinbarungen im deutschen Recht weiterhin keine Haftungsfrist als neues
Rechtsinstitut einzuführen, sondern nur eine Verjährungsfrist vorsehen
wollte. Der Begründung ist weiter zu entnehmen, dass die Regelung den in
Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Ver-brauchsgüterkauf-RL eröffneten Spielraum für
Vereinbarungen nutzen wollte, wobei der Gesetzgeber allerdings -
unzutreffend - davon ausging, dass diese Vorschrift auch eine Verkürzung der
Verjährungsfrist erlaube. Dies ergibt sich aus der Formulierung der
Begründung, wonach § 475 Abs. 2 aF (= § 476 Abs. 2 nF) für gebrauchte Sachen
eine Untergrenze von einem Jahr enthalte, die nicht unterschritten werden
dürfe; dies lasse Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Verbrauchsgü-terkauf-RL zu
(BT-Drucks. 14/6040 S. 245).
36 (3) Im Hinblick auf den
eindeutigen Wortlaut und den bewusst gefassten unmissverständlichen Willen
des Gesetzgebers, keine Haftungsfrist in das nationale Recht einzuführen und
eine Vereinbarungsmöglichkeit der Parteien bei gebrauchten Sachen nur
bezüglich der Verjährungsfrist zuzulassen, scheiden sowohl eine
richtlinienkonforme Auslegung als auch eine vom Senat in
früheren Entscheidungen erwogene richtlinienkonforme Rechtsfortbildung aus.
Weder kann die Norm teleologisch dahingehend reduziert werden, dass
sie für Verbrauchsgüterkaufverträge über gebrauchte Sachen keine Anwendung
findet, noch kann ihr der Inhalt beigemessen werden, dass hierdurch (nur)
eine Vereinbarung über eine Haftungsfrist von nicht weniger als einem Jahr
erlaubt ist. Denn beide Varianten widersprächen dem eindeutigen Willen des
Gesetzgebers.
37 Der Senat verkennt dabei nicht, dass § 475 Abs. 2
BGB aF (= § 476 Abs. 2 BGB nF) gerade der Umsetzung von Art. 7 Abs. 1
Verbrauchsgüterkauf-RL diente und der Gesetzgeber nach seinem erklärten
Willen von der den Mitgliedstaaten in Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2
Verbrauchsgüterkauf-RL eröffneten Möglichkeit, vom Gesetz abweichende
Vereinbarungen einer kürzeren Haftungsdauer im Fall gebrauchter Güter
zuzulassen, Gebrauch machen wollte. Es entsprach demnach dem Willen
des Gesetzgebers, eine richtlinienkonforme Regelung für zulässige, die
gesetzlichen Vorschriften abändernde Vereinbarungen zu treffen. Dieses Ziel
hat er mit der getroffenen Regelung nicht erreicht, da die Richtlinie
die dort vorgesehene Vereinbarung einer bis hin zu einem Jahr verkürzten
Verjährungsfrist nicht zulässt. Dies ändert aber nichts daran, dass er eine
Verkürzung der Verjährung für Gewährleistungsansprüche beim Verkauf
gebrauchter Sachen gestatten wollte. Dieser gesetzgeberische Wille lässt
sich weder im Wege einer teleologischen Reduktion der Vorschrift noch durch
die Umdeutung der Verjährungsfrist in eine Haftungsfrist korrigieren.
38 (a) Eine Reduktion der Vorschrift dahingehend, dass
sie auf den Verbrauchsgüterkauf bei gebrauchten Sachen keine Anwendung
fände, führte zu einer Derogation von § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (=
§ 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF), der einzig hierin seinen vom
Gesetzgeber vorgesehenen Anwendungsbereich hat. Die auf eine
Literaturmeinung (Papadopoulos/Aslan, DAR 2018, 544, 547) gestützte
Auffassung der Revision, dass der Norm ein - wenn auch geringer -
Anwendungsbereich verbliebe, ist angesichts des Wegfalls
des Hauptanwendungsbereichs schon nicht durchgreifend. Sie ist überdies
ohnehin unzutreffend. Der dortige Verweis auf § 650 BGB nF und die Geltung
der §§ 474 ff. BGB auch für Werklieferungsverträge zwischen Unternehmern
trägt nicht. Zwar gilt die Verweisung des § 650 BGB auf das Kaufrecht -
insoweit überschießend gegenüber der nur für Verträge zwischen Verbrauchern
und Unternehmern geltenden Verbrauchsgüterkaufrichtlinie - auch für Verträge
zwischen Unternehmern. Die Anwendung der §§ 474 ff. BGB und damit des § 475
Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB nF) ist
indes nach deren eindeutigen Wortlaut im Bereich der Werklieferungsverträge
ebenso auf Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern beschränkt, so
dass auch insoweit kein Anwendungsbereich verbliebe, würde diese Vorschrift
im Wege der richtlinienkonformen Auslegung (oder gar Rechtsfortbildung) bei
Verbraucherverträgen für unanwendbar erklärt.
39 Eine
Derogation der Vorschrift verkehrte den Willen des Gesetzgebers, beim Kauf
gebrauchter Sachen eine Vereinbarung über eine verkürzte Verjährung
zuzulassen, ins Gegenteil und käme einer Verwerfung der Norm durch den Senat
gleich, die ihm aber nach oben dargelegten
verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht zusteht (siehe oben unter
II 1 c bb; vgl. BeckOK-BGB/Faust, Stand: 1. August 2020, § 476 Rn. 4;
allgemein zur Derogation: Canaris in Festschrift für Bydlinski, 2002, S. 47,
94; Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2.
Aufl., Kap. 4 Rn. 51; Michael/Payandeh, NJW 2015, 2392, 2397; für eine
weitgehende Zulässigkeit: Herresthal, Rechtsfortbildung im europarechtlichen
Bezugsrahmen, 2006, S. 321, 324 ff.). Dies ist nicht vergleichbar
mit einer teleologischen Reduktion einer Vorschrift im Sinne
einer einschränkenden Anwendung, wenn ein ausreichender Anwendungsbereich
der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt (vgl. hierzu BGH,
Urteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 33 und vom 17.
Dezember 2014 - IV ZR 260/11, NJW 2015, 1023 Rn. 23 ff.).
40 (b)
Ebenso wenig kann der Senat die Norm dahingehend umdeuten (oder gar
rechtsfortbilden), dass sie nur Vereinbarungen über eine Haftungsdauer
zulässt. Wenn dies auch zu einer richtlinienkonformen Regelung führte,
widerspräche dies doch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, das ihm
bekannte Modell einer Haftungsfrist gerade nicht neu in das nationale Recht
einzuführen, sondern es bei der bislang geltenden Rechtslage - zeitliche
Begrenzung nur durch Verjährung - zu belassen. Die Entscheidung darüber, ob
das deutsche Recht im Bereich der Gewährleistungsfristen systematisch neu
aufgestellt und neben der Verjährungsfrist eine Haftungsfrist eingeführt
werden soll, obliegt dem Gesetzgeber.
41 Etwas anderes ergibt
sich nicht daraus, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass eine
Haftungsfrist faktisch in der Verjährungsfrist enthalten ist, weil niemand
eine Klage wegen eines Mangels erheben wird, der vor Ablauf der
Verjährungsfrist eingetreten ist (BT-Drucks. 14/6040, S. 81). Wenn
auch die Haftungsfrist die Geltendmachung eines Gewährleistungsrechts in
zeitlicher Hinsicht faktisch nicht länger einschränken kann als eine
Verjährungsfrist, so bestehen zwischen beiden Instituten doch
erhebliche Unterschiede in ihrer Wirkungsweise und ihren Rechtsfolgen, auf
Grund derer es nicht möglich ist, die Haftungsdauer als Minus zur Verjährung
anzusehen und § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF (= § 476 Abs. 2 letzter
Halbs. BGB nF) dahingehend zu interpretieren, dass hierdurch die
Vereinbarung einer Haftungsfrist mitgeregelt wurde und dieser Teil
der Regelung aufrecht erhalten bleibt (aA Leenen, JZ 2018, 284,
289). So bestimmt eine Haftungsfrist den Zeitraum, in welchem der Verkäufer
für die Vertragswidrigkeit des Verkaufsgegenstandes haftet. Es handelt sich
um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die zu einer rechtshindernden
Einwendung und damit zum Wegfall des Gewährleistungsrechts führt. Die
Verjährungsfrist ist dagegen die Frist, innerhalb derer der Anspruchsinhaber
seine Rechte geltend machen kann. Nach Ablauf der Verjährungsfrist bleiben
diese materiell-rechtlich zwar bestehen, sie sind aber nicht mehr
durchsetzbar - dem Schuldner steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu, das
von ihm als Einrede geltend gemacht werden kann. Es verbleibt dem Gläubiger
allerdings - anders als bei einer Haftungsfrist - die Möglichkeit, unter den
Voraussetzungen des § 215 BGB weiterhin mit der verjährten Forderung
aufzurechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.
42 Die
bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen die zusätzliche Einführung
einer Haftungsfrist in Kenntnis der Unterschiede zwischen dieser und einer
Verjährungsfrist ist von der Rechtsprechung zu respektieren. Eine
richterliche Entscheidung, die gegen den eindeutig erklärten Willen des
Gesetzgebers zu der erstmaligen Einführung einer Haftungsfrist in das
deutsche Gewährleistungsrecht führte, überschritte die
verfassungsrechtlichen Grenzen und griffe unzulässig in die Kompetenzen des
demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfG, NJW-RR 2016, 1366
Rn. 39). Hierdurch würde nicht nur - unzulässig - ohne ausreichende
Rückbindung an gesetzliche Aussagen, sondern darüber hinaus sogar gegen den
erklärten Willen des Gesetzgebers eine neue Regelung geschaffen und die
Wertentscheidung des Gesetzgebers in das Gegenteil verkehrt.
43
Entgegen der Auffassung der Revision kann der Referentenentwurf
eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge des Bundesministeriums der
Justiz und für Verbraucherschutz vom 24. Januar 2020, der eine Änderung des
aktuellen § 476 BGB dahingehend vorsieht, dass eine Vereinbarung über eine
Haftungsfrist von nicht unter einem Jahr zulässig sein soll, nicht
herangezogen werden, um eine gesetzliche Rückbindung der Einführung einer
Haftungsfrist durch das Gericht zu begründen. Denn entscheidend für die
Auslegung der für den streitgegenständlichen Vertrag geltenden Norm ist der
damalige Wille des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes
(vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, BGHZ 207,
209 Rn. 61).
44 (c) Letztlich verdeutlicht auch die Tatsache,
dass es verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung der Richtlinie im Bereich
der zulässigen Vereinbarungen und mithin zur Korrektur der
Richtlinienwidrigkeit gibt, dass dies eine von Verfassungs wegen dem
Gesetzgeber zukommende Aufgabe ist (vgl. BeckOGK-BGB/Arnold, Stand:
1. Mai 2020, § 438 Rn. 240; Arnold/Hornung, JuS 2019, 1041, 1047; Köhler,
GPR 2018, 37, 41). Es liegt außerhalb der Kompetenz des Gerichts,
zwischen mehreren zulässigen Varianten einer Richtlinienumsetzung
auszuwählen. Dies gilt zumal dann, wenn - wie hier - die Varianten
für die betroffenen Rechtskreise ganz erhebliche Unterschiede bewirken.
Bei einer Entscheidung für den vollständigen Wegfall einer
Vereinbarungsmöglichkeit über die Verjährungsverkürzung käme bei
Verbrauchsgüterkaufverträgen bezüglich gebrauchter Sachen unabdingbar die
gesetzliche Verjährungsfrist zum Tragen, was angesichts der verbreiteten
Praxis einer Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen erhebliche praktische Auswirkungen zu Lasten der
Unternehmer hätte (vgl. hierzu Leenen, JZ 2018, 284,
290; jurisPK-BGB/Ball, Stand: 1. Februar 2020, § 476 Rn. 29). Die Änderung
der Vorschrift dahingehend, dass Vereinbarungen über eine Haftungsfrist
zulässig sind - wie dies der oben genannte Referentenentwurf vorsieht -,
hätte demgegenüber zur Folge, dass Verbraucher zwar länger als bislang auf
Grund der Verjährungsverkürzung möglich, Zeit zur Geltendmachung ihrer
Ansprüche hätten, die Rechte der Verbraucher andererseits durch die
Einführung einer materiell-rechtlichen rechtshindernden Haftungsfrist
eingeschränkt wären. Es obliegt dem Gesetzgeber, die Folgen der möglichen
Varianten abzuwägen und zu entscheiden, welcher hiervon der Vorzug zu geben
ist.
45 Es kommt auch nicht in Betracht, im Wege einer
richterlichen Entscheidung bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber eine
der Regelungsoptionen als Minimallösung anzuwenden. Denn die beiden
möglichen Varianten stehen nicht in einem Abstufungsverhältnis zueinander,
sondern stellen voneinander deutlich zu unterscheidende Regelungsoptionen
dar. Keine der Varianten kann als eine im Zuge einer gesetzgeberischen
Neuregelung ohnehin zwingend zu realisierende Minimallösung angesehen
werden.
46 dd) Nachdem eine richtlinienkonforme Auslegung (oder gar
Rechtsfortbildung) nicht in Betracht kommt, bleibt es bis zu einer
Neureglung durch den Gesetzgeber bei der geltenden Fassung des § 476 Abs. 2
letzter Halbs. BGB beziehungsweise für bis zum 31. Dezember 2017 begründete
Schuldverhältnisse des § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB aF. Die hierauf
gestützte, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene
Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr ist demnach zulässig.
47
Eine diesbezüglich in der Literatur angeregte Vorlage nach Art. 267 AEUV
(Kulke, MDR 2018, 1025, 1028) ist weder erforderlich noch zulässig.
Die Auslegung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist für den hier relevanten
Bereich durch den Gerichtshof geklärt. Ob und inwieweit das innerstaatliche
Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können
dagegen nur innerstaatliche Gerichte beurteilen (siehe oben II 1 c
bb).
48 2. Vergeblich beruft sich die Revision zur Wirksamkeit des
vom Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2018 erklärten Rücktritts auf den
Mangel am Luftfahrwerk hinten rechts. Diesen Mangel hat der Kläger zwar vor
Ablauf der Verjährung zum Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens
gemacht, er bestand aber bei Erklärung des Rücktritts nicht mehr, weil der
Kläger ihn bereits beseitigt hatte. Ein Rücktritt setzt indes
voraus, dass der Mangel noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung besteht
(Senatsurteile vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389
Rn. 35, und vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 315/18, NJW 2020, 2879 Rn. 43).
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