Reichweite der Vermutung des § 476 BGB,
Einbeziehung des "Grundmangels"; richtlinienkonforme Auslegung: Änderung der
bisherigen Rspr.
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 -
VIII ZR 103/15 - OLG Frankfurt am Main
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) § 476 BGB ist richtlinienkonform dahin
auszulegen, dass die dort vorgesehene Beweislastumkehr zugunsten des Käufers
schon dann greift, wenn diesem der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von
sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine
Mangelerscheinung) gezeigt hat, der - unterstellt, er hätte seine Ursache in
einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen Abweichung
von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer
weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand
zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des
Verkäufers fällt (im Anschluss an EuGH, Urteil vom
4. Juni 2015 - C-497/13, NJW 2015, 2237 Rn. 70 - Faber; Änderung der
bisherigen Senatsrechtsprechung; vgl,
Senatsurteile vom 2. Juni 2004 - VIII ZR 329/03, BGHZ 159, 215, 217 f.
[Zahnriemen]; vom 14. September 2005 - VIII ZR
363/04, NJW 2005, 3490 unter II 1 b bb (1) [Karrosserieschaden]; vom
23. November 2005 - VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434
Rn. 20 f. [Turbolader] ; vom 18. Juli 2007 -
VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621 Rn. 15 [defekte Zylinderkopfdichtung]).
b) Weiter ist § 476 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dem Käufer
die dort geregelte Vermutungswirkung auch dahin zugutekommt, dass der binnen
sechs Monaten nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand
zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat (im Anschluss an
EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO
Rn. 72 - Faber; Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung; vgl.
Urteile vom 2. Juni 2004 - VIII ZR 329/03,
aaO; vom 22. November 2004 - VIII ZR 21/04, NJW
2005, 283 unter [II] 2; vom 14. September
2005 - VIII ZR 363/04, aaO; vom 23. November
2005 - VIII ZR 43/05, aaO Rn. 21; vom 21.
Dezember 2005-VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 13 [Katalysator];
vom 29. März 2006 - VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40
Rn. 21, 32 [Sommerekzem I]; vgl. Senatsurteil vom
15. Januar 2014 - VIII ZR 70/13, BGHZ 200, 1 Rn. 20
[Fesselträgerschenkelschaden]).
Zentrale Probleme:
Ein wichtiges Urteil: Der BGH gibt seine
Rechtsprechung zur Reichweite von § 476 BGB in der Folge der
"Faber"-Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil
vom 4. Juni 2015 - C-497/13, NJW 2015, 2237) auf, indem er die
Vermutung des § 476 BGB nunmehr auf den "Grundmangel" erstreckt. S. dazu die
Anm. zu EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 -
C-497/13 sowie die entsprechende
Pressemeldung des BGH.
Die Rechtslage stellt sich (jetzt) wie folgt dar: Zeigt sich innerhalb von 6
Monaten ein Defekt der Kaufsache, der, wenn er bei Gefahrübergang vorgelegen
hätte, einen Sachmangel i.S.v.§ 434 BGB darstellen würde, wird vermutet,
dass die Sache bereits bei Gefahrübergang einen Mangel aufgewiesen hat,
dessen Folge der erst nach Gefahrübergang aufgetretene Defekt (die
"Mangelerscheinung") ist. Dieses Auftreten innerhalb von 6 Monaten
muss der Verbraucher darlegen und beweisen (BGH
v. 9.11.2020 - VIII ZR 150/18). Es wird weiter vermutet, dass die
Mangelerscheinung in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt, d.h.
der Käufer muss nicht nachweisen, dass sie nicht auf seinen Umgang mit der
Kaufsache nach Gefahrübergang zurückzuführen ist. Das gilt nicht nur für die
von der Richtlinie allein geregelten Rechtsbehelfe Nacherfüllung, Rücktritt
und Minderung (§ 437 Nr. 1 und 2 BGB), sondern auch für
Schadensersatzansprüche.
Dem Verkäufer bleibt damit der Gegenbeweis, dass die Sache bei
Gefahrübergang mangelfrei war, d.h. die spätere Mangelerscheinung auf einen
unsachgemäßen Umgang der Sache durch den Käufer beruht und nicht auf einem
bereits bei Gefahrübergang vorliegenden "Grundmangel" beruht. Dazu muss er
den vollen Gegenbeweis führen, d.h. eine bloße Erschütterung einer
Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Vorbehalten bleiben freilich die
prozessualen Grundsätze der Beweisvereitelung sowie die sekundäre
Behauptungslast des Käufers. Auch kann die Vermutung weiterhin nach § 476
BGB mit der Art der Sache oder der Art des Mangels unvereinbar sein.
Methodisch macht sich der BGH etwas zu viel Mühe mit dem "Willen des
Gesetzgebers". Wenn - wie hier - schon eine Wortlautauslegung des § 476 BGB
zu einem europarechtskonformen Ergebnis führen kann, steht dem ein
entgegengesetzter Wille des Gesetzgebers nicht entgegen. Ein Gesetz kann
eben klüger sein als seine Verfasser: Der Wille des Gesetzgebers (wenn es
diesen denn gibt, den der Verfasser einer Begründung ist nicht Gesetzgeber)
ist nur eine unter mehreren Auslegungsmethoden. Wenn aber eine
Auslegungsmethode (hier: Wortlautauslegung) zu einem europarechtskonformen
Ergebnis führt, hat dieses nach dem Art. 288 III AEUV und Art. 4 III EUV zu
entnehmenden Gebot richtlinienkonformer Auslegung Vorrang.
Zu den Grenzen unionsrechtskonformer Rechtsfortbildung
s. BGH v. 18.11.2020 - VIII ZR 78/20.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Der Kläger erwarb von der beklagten
Fahrzeughändlerin am 27. März 2010 zum Preis von 16.200 € einen
Gebrauchtwagen (BMW 525d Touring). Ab Anfang August 2010 schaltete
die im Fahrzeug eingebaute Automatikschaltung nach einer vom Kläger
absolvierten Laufleistung von etwa 13.000 Kilometern in der Einstellung "D"
nicht mehr selbständig in den Leerlauf; stattdessen starb der Motor ab.
Ein Anfahren oder Rückwärtsfahren bei Steigungen war nicht mehr möglich.
2 Nach erfolgloser Fristsetzung zur Mängelbeseitigung erklärte der Kläger
mit Anwaltsschreiben vom 8. September 2010 den Rücktritt vom Kaufvertrag, Am
4. März 2011 setzte er das Fahrzeug außer Betrieb. Seither legt er die
Strecke zwischen seinem Wohnort und seiner Arbeitsstätte mit einem ihm
leihweise zur Verfügung gesteilten Fahrzeug seiner Eltern zurück.
3 Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung des
Kaufpreises (16.200 €), Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des
Fahrzeugs, Ersatz aufgewendeter Kosten für den Austausch defekter Teile
(1.549,73 €), für die Fehlersuche durch eine Fachwerkstatt (534,50 €) und
für die kurzzeitige Anmietung eines Ersatzfahrzeugs (46,01 €), Ersatz
mangelbedingten Nutzungsausfallschadens für den Zeitraum vom 5. März 2011
bis 4. März 2012 (28.835 €) und Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten
(961,28€), jeweils nebst Zinsen, sowie Feststellung des Annahmeverzugs der
Beklagten.
4 Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines
Sachverständigengutachtens mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe
nicht den ihm obliegenden Nachweis erbracht, dass das Fahrzeug bei Übergabe
einen Sachmangel aufgewiesen habe. Die hiergegen gerichtete Berufung des
Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger sein Rückabwicklungs- und Schadensersatzbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung vor Erlass des Urteils des
Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni
2015 (C-497/13) in der Sache Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV (NJW 2015,
2237) zur Auslegung von Art.
5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der
Garantien für Verbrauchsgüter (ABI. EG Nr. L 171 S. 12;
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie), ergangen ist, hat den Fall unter
Anwendung der bislang vom Senat entwickelten Grundsätze zum Eingreifen und
zum Umfang der Beweislastumkehr nach § 476 BGB entschieden. Zur Begründung
seiner Entscheidung hat es - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse
- im Wesentlichen ausgeführt:
7 Dem Kläger stünden die geltend gemachten Gewährleistungsrechte (§ 437 Nr.
2, 3 BGB) nicht zu. Das Landgericht habe dem Kläger zutreffend gemäß § 363
BGB die Beweislast für die Mangelhaftigkeit des von ihm als Erfüllung
angenommenen Gebrauchtfahrzeugs auferlegt und ein Eingreifen der beim
Verbrauchsgüterkauf geltenden Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB
verneint. Die in § 476 BGB angeordnete Beweislastumkehr zu Gunsten des
Käufers gelte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht für die
Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliege. Vielmehr setze sie einen binnen
sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus und
begründe lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass
dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen habe. Wenn
hingegen mehrere Ursachen für einen akut aufgetretenen Schaden in Betracht
kämen, von denen die eine eine vertragswidrige Beschaffenheit begründe, die
andere dagegen nicht, und nicht aufklärbar sei, worauf der eingetretene
Schaden beruhe, gehe dies zu Lasten des Käufers. So liege der Fall hier.
8 Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen könne
die aufgetretene Schädigung des Freilaufs des hydrodynamischen
Drehmomentwandlers, auf die die aufgetretenen Symptome zurückzuführen seien,
auch durch eine Überlastung des Freilaufs, also durch eine
Leistungssteigerung oder durch das Einlegen einer Fahrstufe bei erhöhter
Drehzahl, verursacht worden sein. Dann läge aber keine Abweichung von der
geschuldeten Beschaffenheit des Fahrzeugs, sondern allenfalls ein
Bedienungsfehler vor. Hätte die Schädigung des Freilaufs schon bei
Gefahrübergang vorgelegen, hätten sich schon ab diesem Zeitpunkt
Auffälligkeiten bei den Schaltungen zeigen müssen. Da der Kläger solches
nicht geltend gemacht habe, spreche alles dafür, dass erst nach
Gefahrübergang eine auf einen Bedienungsfehler des Klägers zurückzuführende
Überlastung des Freilaufs eingetreten sei.
9 Auch eine Vorschädigung in Form der vom Sachverständigen genannten
Mikrorisse oder Pittings sei vom Kläger nicht nachgewiesen. Zwar würde eine
derartige Vorschädigung von der Vermutung des § 476 BGB erfasst. Jedoch
stehe nicht fest, dass eine solche überhaupt bestanden habe. Der
Sachverständige habe lediglich ausgeführt, dass eine Vorschädigung am
Freilauf vorgelegen haben könne, also nicht etwa zwingend vorhanden gewesen
sei.
II.
10 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf
Rückzahlung des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2,
§ 346 Abs. 1 BGB), auf Erstattung der Kosten für den
Austausch defekter Teile (§ 437 Nr. 2, § 347 Abs. 2 BGB bzw. § 437 Nr. 3, §
280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1, § 325 BGB) und für die Fehlersuche (§ 437 Nr.
3, § 280 Abs. 1, § 325 BGB), auf Ersatz eines
mangelbedingten Nutzungsausfallschadens (§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281
Abs. 1, § 325 BGB; vgl. Senatsurteil vom
14. April 2010 -VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426 Rn. 13) und auf
Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten (§ 280 Abs. 1 BGB),
jeweils nebst Zinsen, nicht verneint werden. Denn das vom
Berufungsgericht zugrunde gelegte Verständnis der Beweislastumkehr nach §
476 BGB bedarf im Hinblick auf die Ausführungen des Gerichtshofs der
Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) im
Urteil vom 4. Juni 2015 (C-497/13) in der Sache Faber/Autobedrijf Hazet
Ochten BV (aaO) zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie einer Korrektur zugunsten des Käufers.
11 1. Die Revision ist entgegen der Auffassung der
Revisionserwiderung zulässig. Diese meint, das Landgericht habe seine
Entscheidung auf zwei selbständig tragende Erwägungen gestützt, nämlich zum
einen darauf, dass ein Sachmangel gar nicht vorgelegen habe und zum anderen,
dass selbst wenn ein solcher vorgelegen hätte, die Art dieses Mangels nicht
mit der Beweislastumkehr nach § 476 BGB vereinbar gewesen wäre. Auch das
Berufungsgericht habe eine solche zweistufige Prüfung vorgenommen. Dabei
habe es sich allerdings nur mit der ersten Erwägung näher befasst und sich
im Übrigen damit begnügt, ohne jede Einschränkung auf das landgerichtliche
Urteil zu verweisen. Da die Revision aber nur den ersten Begründungsstrang
angegriffen habe, sei sie als unzulässig zu verwerfen. Dies trifft nicht zu.
12 Die Revision hat in ihrer - fristgerecht (§ 551 Abs. 2 Satz 2, § 544 Abs.
6 Satz 3 ZPO) eingegangenen - ergänzten Revisionsbegründung die Erwägungen
des Berufungsgerichts mit der Begründung angegriffen, die Vorschrift des §
476 BGB sei im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5
Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dahin zu verstehen, dass sich die
danach begründete Vermutungswirkung in Abweichung von der bislang
maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Mangelhaftigkeit der
Sache schlechthin, mithin auch auf das Vorliegen eines Grundmangels (hier:
die Ursache für den Schaden am Freilauf des Drehmomentwandlers) beziehe.
13 Damit hat sie das Berufungsurteil in vollem Umfang in Frage gestellt.
Denn bei Anwendung der von der Revision herangezogenen Sichtweise des
Gerichtshofs käme es nicht auf die von der Revisionserwiderung angeführte
mehrstufige Prüfung an. Vielmehr erlaubt das Auftreten einer in
einem kurzen Zeitraum von sechs Monaten offenbar gewordenen
Vertragswidhgkeit nach der Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch den Gerichtshof die zugunsten des
Käufers wirkende Vermutung, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum
Zeitpunkt der Lieferung "zumindest im Ansatz" vorgelegen hat, auch wenn sie
sich erst nach Lieferung der Sache herausgestellt hat (EuGH,
Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 71, 72 mwN - Faber).
14 2. Die Revision ist auch begründet. Die bislang vom Senat
entwickelten Grundsätze zu den Voraussetzungen des Eingreifens und der
Reichweite der Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB lassen sich teilweise
nicht mit der vom Gerichtshof im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorgenommenen Beweislastverteilung zwischen
Käufer und Verkäufer in Einklang bringen. Der Senat sieht sich daher unter
Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zu einer den Vorgaben des
Gerichtshofs entsprechenden Auslegung der Bestimmung des § 476 BGB
veranlasst.
15 a) Anders als die Revisionserwiderung meint, ist der Senat nicht deswegen
an einer Prüfung der sich stellenden Rechtsfragen gehindert, weil das
erstinstanzliche Urteil mangels einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3
Satz 2 Nr. 2 ZPO genügenden Berufungsbegründung des Klägers in Rechtskraft
erwachsen und daher die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen
wäre.
16 aa) Die Zulässigkeit der Berufung ist vom Revisionsgericht von Amts wegen
zu überprüfen, denn ein gültiges und rechtswirksames Verfahren vor dem
Revisionsgericht ist nur möglich, solange der Rechtsstreit noch nicht
rechtskräftig beendet ist. Dies setzt neben der Zulässigkeit der Revision
voraus, dass das erstinstanzliche Urteil durch eine zulässige Berufung
angegriffen worden und die Rechtskraft dieses Urteils damit zunächst in der
Schwebe gehalten ist (BGH, Urteile vom 30. September 1987 - IVb ZR 86/86,
BGHZ 102, 37, 38 mwN; vom 26. Januar 2006 -1 ZR 121/03, NJW-RR 2006, 1044
Rn. 23).
17 bb) Die Berufung des Klägers genügt den gesetzlichen Anforderungen. Zwar
ist es bei einer klageabweisenden Entscheidung des erstinstanzlichen
Gerichts, die auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende
Gründe gestützt wird, erforderlich, dass der Kläger in seiner
Berufungsbegrün-dung das Urteil bezüglich jeder dieser Erwägungen angreift;
andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. BGH, Beschfuss vom 18.
Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285 unter II 2 mwN). Es reicht
jedoch aus, wenn ein nur auf einen der selbständig tragenden Gründe
gestützter Berufungsangriff aus Rechtsgründen auch die anderen
Abweisungsgründe im angefochtenen Urteil zu Fall bringt (BGH, Beschluss vom
28. Februar 2007 - V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 12). Gemessen daran war
der Kläger entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht gehalten, in
seiner Berufungsbegründung auch (gesondert) die Erwägung des Landgerichts
anzugreifen, die Vermutungswirkung des § 476 BGB greife unabhängig vom
Bestehen eines Sachmangels bereits wegen der Art des Mangels nicht ein.
18 (1) In der Berufungsbegründung hat der Kläger angeführt, der
Sachverständige habe - vom Landgericht verkannt - das Auftreten eines
Getriebeschadens und damit eines Sachmangels binnen eines Zeitraums von
sechs Monaten ab Gefahrübergang positiv bejaht; es sei lediglich
offengeblieben, ob zu diesem akuten Schaden führende Vorschädigungen bereits
bei Gefahrübergang vorgelegen oder auf einer vom Kläger zu verantwortenden
Überlastung beruhten. Diese Unklarheit gehe aber wegen der zugunsten des
Klägers streitenden Regelung des § 476 BGB entgegen der unzutreffenden
Rechtsansicht des Landgerichts zu Lasten der Beklagten.
19 (2) Anders als die Revisionserwiderung meint, sind diese
Berufungsangriffe geeignet, aus Rechtsgründen auch die zusätzlichen
Ausführungen des Landgerichts zum Nichteingreifen der Beweislastumkehr wegen
der Art des Mangels zu Fall zu bringen. Denn nach dem von der
Berufungsbegründung zugrunde gelegten Verständnis des § 476 BGB wird die
dort geregelte Vermutungswirkung unabhängig davon ausgelöst, ob der akute
Schaden seiner Art nach bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen
haben kann. Nach dieser - teilweise auch im Schrifttum und in der
Instanzrechtsprechung anzutreffenden - Sichtweise (sogenannte
Grundmangellehre) begründet § 476 BGB beim Auftreten eines akuten
Sachmangels binnen eines Zeitraums von sechs Monaten ab Gefahrübergang
vielmehr nach seinem Wortlaut und Regelungszweck die Vermutung, dass die
Sache bei Übergabe zumindest einen für den akuten Schaden ursächlichen
Grundmangel aufgewiesen hat (MünchKommBGB/Lorenz, 7. Aufl., § 476
Rn. 4; OLG Brandenburg, DAR 2009, 92, 93.
20 b) Die Revision macht zu Recht geltend, dass die vom Berufungsgericht im
Einklang mit der Senatsrechtsprechung vorgenommene Beweislastverteilung
nicht mit den Erwägungen in dem zwischenzeitlich zur Auslegung des Art. 5
Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ergangenen Urteils des
Gerichtshofs vom 4. Juni 2015 (C-497/13, aaO -
Faber) in Deckung zu bringen ist. Die bislang vom Senat zu § 476
BGB entwickelten Grundsätze bedürfen einer Anpassung zugunsten des Käufers.
21 aa) Gemäß § 476 BGB wird bei einem Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474
Abs. 1 BGB in den Fällen, in denen sich innerhalb von sechs Monaten nach
Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, vermutet, dass die Sache bereits bei
Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art
der Sache oder des Mangels unvereinbar.
22 bb) Die (bisherige) Rechtsprechung des Senats zu dieser Regelung stellt
sich wie folgt dar:
23 Den Käufer, der unter Berufung auf das Vorliegen eines Sachmangels Rechte
gemäß § 437 BGB geltend macht, nachdem er die Kaufsache entgegen genommen
hat (§ 363 BGB), trifft auch im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs im vollen
Umfang die Darlegungs- und Beweislast für die einen Mangel begründenden
Tatsachen. Denn danach gilt die in § 476 BGB für den
Verkaufsgüterkauf angeordnete Beweislastumkehr nicht für die Frage, ob
überhaupt ein Sachmangel vorliegt (Senatsurteile
vom 2. Juni 2004 - VIII ZR 329/03, BGHZ 59, 215, 217 f. [Zahnriemen];
vom 14. September 2005 - VIII ZR 363/04, NJW
2005, 3490 unter II 1 b bb (1) [Karrosserieschaden];
vom 23. November 2005 - VII! ZR 43/05, NJW 2006,
434 Rn. 20 f. [Turboladerschaden]; vom 18.
Juli 2007 - VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621 Rn. 15 [defekte
Zylinderkopfdichtung]).
24 (1) Vielmehr setzt die Regelung des § 476 BGB einen binnen sechs Monaten
nach Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus und begründet eine
lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dafür, dass dieser
Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag (Senatsurteile vom
2. Juni 2004 - VIII ZR 329/03, aaO; vom
22. November 2004 - VIII ZR 21/04, NJW 2005, 283 unter II 2;
vom 14. September 2005 - VIII ZR 363/04, aaO;
vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05, aaO Rn. 21; vom
21 Dezember 2005 - VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 13 [Katalysator]; vom
29. März 2006 - VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 21, 32 [Sommerekzem];
vgl. auch Senatsurteil vom 15. Januar 2014 - VIII
ZR 70/13, BGHZ 200, 1 Rn. 20 [Fesselträgerschenkelschaden]).
25 (2) Im Interesse der Stärkung des Verbraucherschutzes beim Kauf von mit
Sachmängeln behafteten beweglichen Sachen wendet der Senat allerdings die
oben beschriebenen Grundsätze zugunsten des Käufers dahin an, dass diesem
die Beweislastumkehr nach § 476 BGB auch dann zugute kommt, wenn die Frage,
ob ein Sachmangel vorliegt, allein davon abhängt, dass eine Abweichung von
der Sollbeschaffenheit, die sich innerhalb von sechs Monaten nach der
Übergabe an den Käufer zeigt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war (Senatsurteile
vom 14. September 2005 - VIII ZR 363/04, aaO; vom
21. Dezember 2005 - VIII ZR 49/05, aaO; vom
18. Juli 2007 - VIII ZR 259/06, aaO Rn. 16; vom
11. November 2008 - VIII ZR 265/07, NJW 2009, 580
Rn. 14).
26 (3) Eine weitere Erleichterung greift zugunsten des Käufers nach der
Rechtsprechung des Senats in den Fällen ein, in denen die binnen sechs
Monaten nach Gefahrübergang in Erscheinung getretene Abweichung von der
Sollbeschaffenheit unstreitig (vgl. Senatsurteil
vom 2. Juni 2004 - VIII ZR 329/03, aaO, S. 218) oder vom Verkäufer
nachgewiesen (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar
2014 - VIII ZR 70/13, aaO Rn. 17) bei Gefahrübergang noch nicht
vorhanden war. Hier ist ergänzend zu prüfen, ob die bezüglich des akut in
Erscheinung getretenen Mangels widerlegte Vermutung des § 476 BGB
stattdessen im Hinblick auf einen diesen auslösende Ursache eingreift. Auch
insoweit gelten allerdings die soeben dargestellten Grundsätze. Der
Käufer hat also darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der
sichtbar gewordene Mangel auf einer binnen sechs Monaten ab Gefahrübergang
aufgetretenen Ursache beruht, die ihrerseits eine (weitere) vertragswidrige
Beschaffenheit darstellt (Senatsurteile
vom 15. Januar 2014 - VIII ZR 70/13, aaO Rn. 21 und 23;
vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05, aaO Rn.
19; Senatsbeschluss vom 5. Februar 2008 - VIII ZR 94/07, RdL 2009, 118
[Sommerekzem II]). Gelingt ihm der Nachweis, dass der sichtbar
gewordene Mangel auf einem solchen latenten Mangel beruht, so greift zu
Gunsten des Käufers auch insoweit die Vermutung des § 476 BGB ein, dass
dieser latente Mangel bereits bei Gefahrübergang bestanden hat
(Senatsurteile vom 15. Januar 2014 - VIII ZR 70/13,
aaO; vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05,
aaO; Senatsbeschluss vom 5. Februar 2008 - VIII ZR 94/07, aaO).
27 (4) Wenn allerdings mehrere Ursachen für den akut aufgetretenen
Mangel in Betracht kommen, von denen eine eine vertragswidrige
Beschaffenheit begründet, die andere dagegen nicht und nicht aufklärbar ist,
worauf der eingetretene akute Mangel beruht, geht dies zu Lasten des Käufers
(Senatsurteile vom 15. Januar 2014 - VIII ZR 70/13,
aaO Rn. 22; vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05,
aaO Rn. 20). Nur wenn beide möglichen Ursachen eine vertragswidrige
Beschaffenheit darstellen würden, wäre jeweils davon auszugehen, dass der
betreffende Mangel bereits bei Gefahrübergang bestanden hätte, und käme es
deshalb auf eine Unaufklärbarkeit, worauf der sichtbar gewordene Mangel
beruhte, nicht an (Senatsurteile vom 15. Januar
2014 - VIII ZR 70/13, aaO; vom 23. November
2005 - VIII ZR 43/05, aaO Rn. 19).
28 cc) Die mit Urteil vom 4. Juni 2015 (C-497/13,
aaO Rn. 69 ff. - Faber) durch den Gerichtshof erfolgte Auslegung des
Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der durch § 476 BGB in
nationales Recht umgesetzt wurde (BT-Drucks.
14/6040, S. 245), gebietet es, im Wege einer
richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB den Anwendungsbereich dieser
Beweislastumkehrregelung zugunsten des Verbrauchers in zweifacher Hinsicht
zu erweitern. Dies betrifft zunächst die - im Vergleich zu
der bisherigen Rechtsprechung herabzusetzenden - Anforderungen an die
Darlegungs- und Beweislast des Käufers hinsichtlich des - die Voraussetzung
für das Einsetzen der Vermutungswirkung des § 476 BGB bildenden - Auftretens
eines Sachmangels innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang
(dazu nachfolgend unter (1)). Weiter gilt dies für die Reichweite
der Vermutung, die über die ihr bisher von der Rechtsprechung zugebilligte
Komponente hinaus um ein sachliches Element zu ergänzen ist (dazu
nachfolgend unter (2)). An seiner in diesen Punkten abweichenden
Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest.
29 (1) Nach der (bisherigen) Rechtsprechung des Senats greift die in § 476
BGB geregelte Vermutungswirkung nur dann ein, wenn der Käufer zuvor
dargelegt und im Bestreitensfall nachgewiesen hat, dass ein Sachmangel, also
eine dem Verkäufer zuzurechnende Abweichung der Istbeschaffenheit von der
(geschuldeten) Sollbeschaffenheit (vgl. § 434 Abs. 1 BGB), vorliegt und
dieser binnen sechs Monaten ab Gefahrübergang aufgetreten ist (st. Rspr.;
vgl. etwa Senatsurteile vom 2. Juni 2004 - VIII
ZR 329/03, aaO S. 217 f. mwN aus dem Schrifttum; vom
14. September 2005 - VIII ZR 363/04, aaO; vom
23. November 2005 - VIII ZR 43/05, aaO Rn.
21). Der Gerichtshof hat demgegenüber die Anforderungen an die
Darlegungs- und Beweislast des Verbrauchers bezüglich des für das Eingreifen
der Vermutung des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie erforderlichen Auftretens
einer Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten ab Lieferung deutlich
herabgesetzt (Ruckteschler, ZEuP 2016, 532, 538). Der hierdurch
eingetretene Widerspruch zum Unionsrecht lässt sich im Wege der
richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB auflösen.
30 (a) Die vorgenannte (bisherige) Auslegung des § 476 BGB durch den Senat
stützt sich zum einen auf den Wortlaut dieser Regelung ("Zeigt sich
innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel"; vgl.
Senatsurteil vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05,
aaO Rn. 22). Zum anderen hat der Senat den Ausführungen in der
Gesetzesbegründung zu § 476 BGB entnommen, dass der Käufer auch nach neuem
Schuldrecht die Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel
begründenden Tatsachen trägt (Senatsurteil vom 2.
Juni 2004 - VIII ZR 329/03, aaO). Aufgrund dieser Erwägungen hat
er dem Käufer die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt, dass der von
ihm gerügte Mangel auf eine Abweichung von der geschuldeten
Sollbeschaffenheit und nicht auf eine nicht in die Verantwortlichkeit des
Verkäufers fallende andere Ursache, etwa auf eine unsachgemäße Handhabung
der Sache (Senatsurteil vom 2. Juni 2004
- VIII ZR 329/03, aaO S. 219) oder auf einen üblichen Verschleiß
(vgl. Senatsurteil vom 23. November 2005
- VIII ZR 43/05, aaO Rn. 19), zurückzuführen ist (vgl. auch Senatsurteil
vom 9. März 2011 - VIII ZR 266/09, NJW 2011, 1664 Rn. 10, 13 mwN [zu § 363
BGB]).
31 (b) Demgegenüber stellt der Gerichtshof deutlich geringere
Anforderungen an den für das Eingreifen der Vermutung des Art. 5 Abs. 3 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erforderlichen Nachweis einer
Vertragswidrigkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie.
32 (aa) Zwar weist er ebenfalls dem Käufer
grundsätzlich die Beweislast dafür zu, dass eine Vertragswidrigkeit vorliegt
und diese bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand (Urteil
vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 52, 67 - Faber). Dies folgert er
aus einer kombinierten Anwendung der Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die unter den dort genannten Voraussetzungen
eine widerlegbare Vermutung für die Vertragsmäßigkeit der Sache begründet,
und der Regelung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie, die klarstellt, dass der
Verkäufer für jede Vertragswidrigkeit haftet, die zum Zeitpunkt der
Lieferung des Verbrauchsguts besteht (Urteil vom 4.
Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 52 - Faber).
33 (bb) Von diesem Beweislastgrundsatz abweichend sieht Art. 5 Abs.
3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie jedoch in den Fällen, in denen die
Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Guts offenbar
wird, eine Vermutung dahin vor, dass die Vertragswidrigkeit schon zum
Zeitpunkt der Lieferung bestand (EuGH,
Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 53, 67 f. - Faber). Diese
Beweiserleichterung zugunsten des Verbrauchers beruht, wie der Gerichtshof
der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien
(KOM[95] 520 endg., S. 14 = BR-Drucks. 696/96, S. 13) entnommen hat, auf der
Erwägung, dass sich in Fällen, in denen die Vertragswidrigkeit erst nach dem
Zeitpunkt der Lieferung des Gutes offenbar wird, die Erbringung des
Beweises, dass diese Vertragswidrigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt bestand,
als "eine für den Verbraucher unüberwindbare Schwierigkeit" erweisen kann,
während es in der Regel für den Gewerbetreibenden viel leichter ist, zu
beweisen, dass die Vertragswidrigkeit nicht zum Zeitpunkt der Lieferung
bestand und dass sie beispielsweise auf einen unsachgemäßen Gebrauch durch
den Verbraucher zurückzuführen ist (EuGH, Urteil
vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 54 - Faber).
34 Aus diesem Regelungszweck leitet der Gerichtshof ein Bedürfnis zur
Herabsetzung der Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des
Verbrauchers bezüglich der für das Eingreifen der Vermutung in Art. 5 Abs. 3
der Richtlinie erforderlichen Tatsachen ab. Er legt dem Verbraucher
zwar auf, vorzutragen und nachzuweisen, dass das verkaufte Gut nicht
vertragsgemäß ist, weil es etwa nicht die im Kaufvertrag vereinbarten
Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von
einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird. Jedoch verlangt er vom Käufer
nur den Nachweis einer Vertragswidrigkeit. Der Käufer muss - anders als dies
der bisherigen Sichtweise des Senats zu § 476 BGB entspricht - weder den
Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem
Verkäufer zuzurechnen ist (EuGH, Urteil
vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 70 - Faber).
35 Das bedeutet letztlich, dass der Käufer für das Eingreifen der
Vermutung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nur darlegen
und nachweisen muss, dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-,
Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten
nach dem Vertrag und den in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie genannten Maßstäben
vernünftigerweise erwarten konnte (vgl. Schlussanträge der
Generalanwältin vom 27. November 2014 in der Sache C-497/13, juris Rn. 87).
Dies läuft darauf hinaus, dass der Käufer insoweit lediglich den
Nachweis einer Mangelerscheinung, also eines mangelhaften Zustands zu
erbringen hat, der - unterstellt, er beruhe auf einer dem Verkäufer
zuzurechnenden Ursache - eine Haftung des Verkäufers wegen Abweichung von
der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde (ähnlich Erger, NJ
2015, 405, 406; vgl. auch Rott, EuZW 2015, 560, 561; Ruckteschler, aaO;
Sagan/Scholl, JZ 2016, 501, 506; Gsell, VuR 2015, 446, 447; Looschelders,
Festschrift 200 Jahre Carl Heymanns Verlag, S. 93, 99, 101).
Zusätzlich hat der Käufer vorzutragen und den Nachweis zu erbringen, dass
sich das Vorliegen der in Rede stehenden Vertragswidrigkeit binnen sechs
Monaten nach der Lieferung des Guts tatsächlich herausgestellt hat
(EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn.
71 - Faber).
36 (c) Dementsprechend gebietet die beschriebene Auslegung des Art.
5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch den Gerichtshof es entgegen
der Auffassung der Revisionserwiderung, die zur Umsetzung dieser Bestimmung
geschaffene Regelung des § 476 BGB im Wege einer richtlinienkonformen
Auslegung der nationalen Vorschrift (vgl. auch Erger, aaO;
Heinemeyer, GPR 2015, 179, 182) schon dann eingreifen zu lassen,
wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten
ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt
hat, der - unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer
zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen Abweichung von der
geschuldeten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen würde. Dagegen muss
der Käufer weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand
zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des
Verkäufers fällt.
37 (aa) Die nationalen Gerichte sind nach ständiger
Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288
Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3
EUV verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller
Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht
einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie
auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen
(vgl. nur EuGH, C-14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26,
28 - von Colson und Kamann; C-397/01 bis
C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; C-565/12, NJW 2014,
1941 Rn. 54 mwN - LCL Le Credit Lyonnais; C-497/13,
aaO Rn. 33 - Faber; Senatsurteile vom 21.
Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24; vom 31. Juli 2013 -
VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 55; vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11,
NJW 2016, 1718 Rn. 36, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, und VIII ZR
13/12, MDR2015, 1350 Rn. 38).
38 Eine richtlinienkonforme Auslegung setzt allerdings voraus, dass
hierdurch der erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht verändert wird,
sondern die Auslegung seinem Willen (noch) entspricht (vgl.
Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR
200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 28; vom 17. Oktober
2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; vom
28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 43 und VIII ZR 13/12, aaO Rn.
45; BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, NJW 2013, 2674 Rn. 42;
vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, WRP 2015, 862 Rn. 26; ebenso BAGE 82, 211,
225 f.; 106, 252, 261; jeweils mwN).
39 (bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist im Streitfall eine
richtlinienkonforme Auslegung des § 476 BGB dahin zulässig und geboten, dass
die dort geregelte Vermutung auch dann einsetzt, wenn offen ist, ob der
eingetretene mangelhafte Zustand auf einer dem Verkäufer zuzurechnenden
Ursache oder auf einem sonstigen Grund beruht.
40 (aaa) Eine solche Auslegung ist vom Wortlaut des § 476 BGB noch
gedeckt (vgl. zu diesem Erfordernis Senatsurteil vom
21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 26,
28). Denn die Tatbestandsvoraussetzungen "Zeigt sich innerhalb von
sechs Monaten ab Gefahrübergang ein Sachmangel" lassen sich bei weitem
Wortverständnis auch dahin interpretieren, dass schon allein das Auftreten
eines mangelhaften Zustands, also einer nachteiligen Abweichung von der
Sollbeschaffenheit, binnen der vorgesehenen Frist die Vermutungswirkung
auslöst.
41 (bbb) Auch der Wille des Gesetzgebers steht einer solchen
Auslegung nicht entgegen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien war der
Gesetzgeber bestrebt, § 476 BGB so auszugestalten, dass diese Vorschrift mit
Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vereinbar ist. Dabei hat er
- im Einklang mit der vom Gerichtshof auf Art. 2 Abs. 2 (Vermutung der
Vertragsgemäßheit) und auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (Haftung des
Verkäufers für jede bei Lieferung bestehende Vertragswidrigkeit) gestützten
Beweis lastverteilung (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13,
aaO Rn. 52 f., 67 - Faber) - die in § 476 BGB vorgesehene
Beweislastumkehr als abweichende Sonderregelung zu den allgemeinen, aus §
363 BGB abgeleiteten Beweislastgrundsätzen aufgefasst (BT-Drucks.
14/6040, S. 81, 245).
42 Allerdings lässt die Gesetzesbegründung klare Worte dazu vermissen, in
welchem Umfang die allgemeinen Beweislastgrundsätze (§ 363 BGB) durch § 476
BGB verdrängt werden. Es wird nur ausgeführt, § 476 BGB übernehme die
Vermutung aus Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie; dabei handele
sich um eine Umkehr der Beweislast zugunsten des Verbrauchers hinsichtlich
der Mängel, die innerhalb von sechs Monaten nach der Lieferung offenbar
würden (BT-Drucks. 14/6040, S.
245). Direkt daran anschließend wird erläutert, dass nach allgemeinen
Beweislastgrundsätzen, die bei der Lieferung einer mangelhaften Sache aus §
363 BGB hergeleitet würden, der Käufer die Voraussetzungen seines
Gewährleistungsanspruchs zu behaupten und zu beweisen habe. Dazu gehöre
auch, dass der Mangel bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sei und nicht
erst später infolge des anschließenden (übermäßigen) Gebrauchs der Sache
durch den Käufer entstanden sei (BT-Drucks.
14/6040, aaO).
43 Diesen Ausführungen lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob sich der
Gesetzgeber von der Vorstellung hat leiten lassen, § 476 BGB verdränge die
allgemeinen Beweislastgrundsätze nur teilweise, nämlich allein hinsichtlich
seiner Reichweite, oder ob er im Rahmen des § 476 BGB dem Käufer auch
Erleichterungen bezüglich des Nachweises der Vermutungsvoraussetzungen
zugutekommen lassen wollte. Auch die Begründung des Vorschlags für eine
Richtlinie (KOM[95] 520 endg., S. 14 = BR-Drucks. 696/96, S. 13), auf deren
Erwägungen die Gesetzesbegründung letztlich basiert, gibt keine
hinreichenden Aufschlüsse über den Willen des nationalen Gesetzgebers. Dort
werden zwar vom Gerichtshof angeführte (EuGH,
Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 54 - Faber) und auch von der
Gesetzesbegründung aufgegriffene (BT-Drucks.
14/6040, aaO) Verbraucherschutzerwägungen angestellt, jedoch im
Anschluss hieran ausgeführt, zugunsten des Verbrauchers sei in Bezug auf den
Zeitpunkt des Vorhandenseins der Vertragswidrigkeit eine teilweise
Beweislastumkehr während eines Zeitraums von sechs Monaten nach Lieferung
vorgesehen. Die darin anklingende Beschränkung der Beweislastumkehr auf eine
rein zeitliche Komponente wird durch die Unterstreichung des Wortes
"Zeitpunkt" noch betont (KOM[95] 520 endg., S. 14 = BR-Drucks. 696/96, S.
13).
44 Ungeachtet der aufgezeigten Unklarheiten in den
Gesetzesmaterialien lässt sich diesen jedenfalls kein der beschriebenen
Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch den
Gerichtshof (Urteil vom 4. Juni 2015 -
C-497/13, aaO Rn. 69 ff. - Faber) entgegenstehender Wille des
nationalen Gesetzgebers entnehmen. Letztlich ergibt sich hieraus
nur, dass im Gesetzgebungsverfahren der Umfang der vom Käufer für das
Eingreifen der Vermutung des § 476 BGB nachzuweisenden Umstände nicht
hinreichend in den Blick genommen worden ist. Dass sich der Gesetzgeber bei
entsprechendem Problembewusstsein einem mit der vom Gerichtshof
vorgenommenen Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie in Deckung
stehenden Verständnis des § 476 BGB verschlossen hätte, kann dagegen aus der
Gesetzesbegründung nicht abgeleitet werden.
45 Im Gegenteil zeigen die weiteren Ausführungen in der Einzelbegründung zu
§ 476 BGB im Gesetzesentwurf, dass mit der Schaffung dieser "spezifisch
verbraucherschützenden" Vorschrift ausdrücklich die - in ähnlicher Weise
schon in der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie (KOM[95] 520 endg.,
S. 14 = BR-Drucks. 696/96, S. 13) genannte und vom Gerichtshof als
entscheidend angesehene (EuGH, Urteil vom 4. Juni
2015 - C-497/13, aaO Rn. 54 - Faber) - Zielsetzung verfolgt worden ist,
zur Stärkung des Verbraucherschutzes einen Ausgleich zwischen den
"schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers "gegenüber den"-
jedenfalls in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe - ungleich
besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers" zu erreichen (BT-Drucks.
14/6040, S. 245; vgl. auch Senatsurteile vom
11. November 2008 -VIII ZR 265/07, aaO Rn. 15; vom
22. November 2004 - VIII ZR 21/04, aaO; vom
14. September 2005 - VIII ZR 363/04, aaO). Unter diesen
Umständen ist von einem Willen des Gesetzgebers zur richtlinientreuen
Umsetzung auszugehen.
46 (2) Weiter ist aufgrund der Auslegung des Art, 5 Abs. 3 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch den Gerichtshof die Reichweite der
Vermutung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB um eine
sachliche Komponente zu erweitern. Im Einklang mit dem vom
Gerichtshof Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie zugesprochenen Inhalt kommt dem
Verbraucher die Vermutungswirkung des § 476 BGB auch dahin zugute, dass der
binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte
Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.
Damit wird der Käufer - anders als bisher von der
Senatsrechtsprechung gefordert (vgl. oben unter II 2 b bb (3)) - des
Nachweises enthoben, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang
eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat.
47 (a) Der Senat hat der in § 476 BGB geregelten Vermutung vor allem im
Hinblick auf den Wortlaut dieser Vorschrift und des durch sie umgesetzten
Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eine rein in zeitlicher
Hinsicht wirkende Reichweite beigemessen (Senatsurteil
vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05, aaO Rn. 22). Gestützt wird dieses
rein zeitliche Verständnis durch den bereits erwähnten Umstand, dass in der
Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie (KOM[95] 520 endg, S. 14 =
BR-Drucks. 696/96, S. 13) ausgeführt wird, zugunsten des Verbrauchers sei
bei einem Verbrauchsgüterkauf in Bezug auf den Zeitpunkt des Vorhandenseins
der Vertragswidrigkeit eine Umkehr der Beweislast während eines Zeitraums
von sechs Monaten nach Lieferung vorgesehen. Dabei ist das Wort "Zeitpunkt"
durch eine Unterstreichung hervorgehoben worden (KOM[95] 520 endg., S. 14 =
BR-Drucks. 696/96, S. 13).
48 (b) Nach dem vom Gerichtshof Art. 5 Abs. 3 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beigemessenen Inhalt geht die Wirkung der dort
geregelten Vermutung jedoch weiter. Der Gerichtshof führt zunächst aus, der
Verbraucher, der den Beweis erbracht habe, dass das verkaufte Gut nicht
vertragsgemäß sei und sich dies binnen sechs Monaten nach der Lieferung des
Gutes herausgestellt habe, sei vom Nachweis befreit, dass die
Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Guts bestanden
habe. Bei dieser Aussage bleibt der Gerichtshof aber nicht stehen,
sondern geht in seinen anschließenden Erwägungen einen Schritt weiter. Das
Auftreten der Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten
"erlaubt" nach Auffassung des Gerichtshofs die Vermutung, dass sie zum
Zeitpunkt der Lieferung "zumindest im Ansatz" (nach der
englischsprachigen Fassung des Urteils "in embryonic form") bereits
vorgelegen habe, auch wenn sie erst nach der Lieferung des Guts offenbar
geworden sei (EuGH, Urteil vom 4. Juni
2015 - C-497/13, aaO Rn. 72 - Faber). Dieses weitgefasste Verständnis
der Vermutungswirkung stützt der Gerichtshof auf die in der Begründung des
Vorschlags für eine Richtlinie (KOM[95] 520 endg., S. 14 = BR-Drucks.
696/96, S. 13) angestellten Verbraucherschutzerwägungen (vgl. auch Rn. 54
des Urteils). Auch die Formulierung "im Ansatz" hat er dieser Begründung
entnommen. Dort heißt es in einem einleitenden Passus zur Erläuterung der
vorgeschlagenen "teilweisen Umkehr der Beweislast": "Nach herkömmlichen
Beweisregelungen wäre es an sich Sache des Verbrauchers zu beweisen, dass
die Vertragswidrigkeit, zumindest im Ansatz, zum Zeitpunkt der Annahme der
Sache durch den Verbraucher bereits vorlag."
49 (c) In Anbetracht dieses Verständnisses der Reichweite der
Vermutungswirkung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist
eine richtlinienkonforme Auslegung des § 476 BGB auch insoweit geboten, dass
bei Auftreten eines akuten mangelhaften Zustands vermutet wird, dieser habe
in einem früheren Entwicklungsstadium schon bei Gefahrübergang vorgelegen
(vgl. auch Münch KommBGB/Lorenz, aaO; Lorenz, DAR 2015, 454 f.;
Heinemeyer, aaO; Diehl, zfs 2015, 564, 565; Hübner, NJW 2015, 2241; aA
Oechsler, BB 2015, 1923, 1924 ff. [nur Anscheinsbeweis für verdeckten
Mangel]).
50 (aa) Der Wortlaut des § 476 BGB lässt eine solche Deutung zu
(Lorenz, aaO S. 455; Gsell, aaO S. 451; vgl. auch MünchKomm
BGB/Lorenz, aaO § 476 Rn. 4; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb.
2013, §476 Rn. 31).
51 (bb) Ein dieser Deutung entgegenstehender Wille des Gesetzgebers
ist aus den Gesetzesmaterialien nicht herzuleiten. Die Vermutung in Art. 5
Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sollte ausweislich der
Gesetzesbegründung unverändert übernommen werden (BT-Drucks.
14/6040, aaO). Auf die in der Begründung zum Vorschlag einer Richtlinie
(KOM[95] 520 endg, S. 14 = BR-Drucks. 696/96, S. 13) anklingende
Beschränkung der Beweislastumkehr auf eine in rein zeitlicher Hinsicht
wirkende Vermutung, die der Gerichtshof nicht für ausschlaggebend erachtet
hat und auch mit keinem Wort erwähnt (EuGH, Urteil
vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 54, 72 ff. - Faber), geht die
Gesetzesbegründung nicht ein. Dagegen führt sie das in der Begründung des
Vorschlags für eine Richtlinie erwähnte Bedürfnis, beim Verbraucher
bestehende Beweisschwierigkeiten zu überwinden, ausdrücklich als Zielsetzung
des § 476 BGB an (BT-Drucks.
14/6040, aaO; vgl. auch Senatsurteile vom 11.
November 2008 - VIII ZR 265/07, aaO Rn. 15; vom
22. November 2004 - VIII ZR 21/04, aaO;
vom 14. September 2005 - VIII ZR 363/04, aaO). Daher ist auch
hinsichtlich der vom Gerichtshof Art. 5 Abs. 3 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entnommenen Erstreckung der Vermutungswirkung
darauf, dass der fristgerecht zu Tage getretene mangelhafte Zustand in einem
früheren Entwicklungsstadium - sei es bloß als ein ihn später auslösender
latenter Mangel oder schon als Anfangsstufe des eigentlichen Sachmangels -
bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, ein Wille des Gesetzgebers zur
richtlinientreuen Umsetzung anzunehmen.
52 Die von der Senatsrechtsprechung bislang vorgenommene
Unterscheidung zwischen akutem Mangel und latentem Mangel wird damit obsolet
(so auch Wagner, ZEuP 2016, 87, 99). Ebenfalls ohne praktische
Bedeutung ist die neuerdings im Gefolge der Entscheidung des Gerichtshofs
vom 4. Juni 2015 (C-497/13, aaO - Faber) diskutierte Frage, ob die
Vermutungswirkung sich nur auf die Anfangsstufe eines später eingetretenen
Mangels (so wohl Sagan/Scholl, aaO; Hentschel, EWiR 2015, 541, 542) oder
auch einen diesem vorgelagerten Grundmangel erstreckt (MünchKommBGB/Lorenz,
aaO; Lorenz, aaO S. 455; Koch, JZ 2015, 834, 837; Gsell, aaO; Ruckteschler,
aaO S. 534, 536; Diehl, aaO; Gutzeit, JuS 2016, 459, 461; Wagner, aaO). Denn
der vom Gerichtshof gewählte allgemeine Begriff ("im Ansatz"; "in embryonic
form") erfasst aufgrund seines weiten Bedeutungsgehalts beide
Fallgestaltungen.
53 (3) Die in zweifacher Hinsicht gebotene richtlinienkonforme
Auslegung des § 476 BGB gilt nicht nur hinsichtlich der von der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erfassten Nacherfüllungsansprüche und
Gewährleistungsrechte des Rücktritts und der Minderung, sondern auch
bezüglich hiervon nicht betroffener Schadensersatzansprüche (§ 437 Nr. 3
BGB). Dem nationalen Gesetzgeber stand die Reichweite der
Umsetzungspflicht bei der Schaffung der den Verbrauchsgüterkauf betreffenden
Vorschriften der §§ 474 ff. BGB deutlich vor Augen (vgl.
BT-Drucks. 14/6040, S. 245 [zu
§ 475 BGB-E]). In bestimmten Fällen hat er daher Sondervorschriften für
Schadensersatzansprüche vorgesehen (§ 475 Abs. 3 BGB), in anderen Bereichen
hat er dagegen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie überschießend (vgl. Art. 8
Abs. 2 der Richtlinie) auch auf Schadensersatzansprüche umgesetzt (vgl.
BT-Drucks. 14/6040, aaO). Dies
gilt auch für die Beweislastumkehrregelung in § 476 BGB, die mangels
ausdrücklich angeordneter Beschränkung alle in § 437 geregelten Mängel
rechte des Verbrauchers erfasst. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die in §
437 BGB aufgeführten Rechte auch bezüglich der Beweislast einheitlich zu
behandeln, ist daher auch im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung zu
respektieren.
54 dd) Folge der soeben erläuterten, in zweifacher Hinsicht
gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB ist eine im größeren
Maß als bisher angenommene Verschiebung der an sich gemäß § 363 BGB dem
Käufer obliegenden Beweislast auf den Verkäufer.
55 (1) Dieser hat den Beweis zu erbringen, dass die aufgrund eines binnen
sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands
eingreifende gesetzliche Vermutung, bereits zum Zeitpunkt des
Gefahrübergangs habe - zumindest ein in der Entstehung begriffener -
Sachmangel vorgelegen, nicht zutrifft. Er hat also darzulegen und
nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch
nicht vorhanden war, weil er seinen Ursprung in einem Handeln oder
Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und dem Verkäufer damit nicht
zuzurechnen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4.
Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 73 ff. - Faber). Gelingt ihm diese
Beweisführung nicht "rechtlich hinreichend", greift zu Gunsten des Käufers
die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein, wenn die Ursache für den
mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist,
also letztlich ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu
verantwortender Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB vorlag (EuGH,
Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 74 - Faber).
56 (2) Daneben verbleibt dem Verkäufer die - vom Gerichtshof nicht
gesondert erörterte - Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen,
dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise bereits
deswegen ausgeschlossen sei, weil die Vermutung, dass bereits bei
Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines
derartigen Mangels unvereinbar (§ 476 letzter Halbs. BGB) sei (vgl.
Senatsurteil vom 14. September 2005 - VIII ZR
363/04, aaO unter II 1 b bb (2), cc; vgl. ferner Art. 5 Abs. 3 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie).
57 (3) Der Hinweis des Gerichtshofs, der Verkäufer habe "rechtlich
hinreichend" (in der englischsprachigen Fassung "to the requisite legal
Standard") nachzuweisen, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit
in einem erst nach der Lieferung des Guts eingetretenen Umstand liegt (EuGH,
Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO - Faber), macht deutlich, dass es
hierbei auf die im jeweiligen Mitgliedsstaat geltenden Prozessvorschriften
über das Beweismaß und die Beweiswürdigung ankommt, die durch die
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie unberührt bleiben. Einer Vorlage an den
Gerichtshof bezüglich der Frage des Beweismaßes nach Art. 267 AEUV bedarf es
insoweit nicht (aA Sagan/Scholl, aaO S. 510).
58 (a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es mangels
einschlägiger Unionsregeln nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache
der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedsstaats, entsprechende
Regeln festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger
sind, als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem
innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die
Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch
unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz; vgl.
zuletzt EuGH, Urteil vom 21. Januar 2016 -C-74/14, juris Rn. 32 mwN, Rn. 50-
Eturas).
59 (b) Zur Widerlegung der Vermutung des § 476 BGB hat der Verkäufer
also den Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO; vgl. hierzu auch
Senatsurteile vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05, aaO Rn. 22 ff.; vom 29.
März 2006 - VIII ZR 173/05, aaO Rn. 31) dahin zu erbringen, dass der
binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretene mangelhafte Zustand
auf eine nach Gefahrübergang eingetretene, ihm nicht zuzurechnende Ursache -
sei es auf ein Verhalten des Käufers oder eines Dritten, sei es auf sonstige
Umstände (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 73 f. -
Faber), etwa eine übliche Abnutzungserscheinung nach Gefahrübergang,
- zurückzuführen ist.
60 (aa) Hierfür ist eine Erschütterung der Vermutung nicht
ausreichend; erforderlich ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils der
vermuteten Tatsachen (Senatsurteil vom 29. März 2006 - VIII ZR
173/05, aaO mwN). Es ist damit die volle richterliche Überzeugung nach § 286
Abs. 1 ZPO gefordert, wobei es eines für das praktische Leben brauchbaren
Grades von Gewissheit bedarf, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie
völlig auszuschließen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 23. November 2011 -
IV ZR 70/11, NJW 2012, 392 Rn. 16; vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, NJW
2014, 71 Rn. 8).
61 (bb) Anders als einzelne Stimmen im Schrifttum meinen (so Sagan/Scholl,
aaO, S. 508 ff.), ist für eine Herabsetzung des Beweismaßes zugunsten des
Verkäufers dahin kein Raum, dass die Vermutung des § 476 BGB schon dann
ausgeschlossen sei, wenn mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" anzunehmen
sei, dass der später aufgetretene mangelhafte Zustand erst auf einem nach
Lieferung in Gang gesetzten Kausalverlauf beruhe, etwa auf einem
Fehlgebrauch der Sache. § 292 ZPO beansprucht - auch im Einklang mit den vom
Gerichtshof hervorgehobenen Grundsätzen der Äquivalenz (vgl. Rott, aaO S.
561) und der Effektivität (vgl. EuGH, Urteil vom 4.
Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 37 ff. - Faber) - generelle Geltung (vgl.
hierzu allgemein Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 286 Rn. 20 mwN).
62 (cc) Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch die volle richterliche
Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO keine absolute oder unumstößliche
Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises voraussetzt (st.
Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, aaO). Daher darf
sich ein Richter dadurch, dass sich ein Gutachter nur auf
Wahrscheinlichkeitsgrade festlegt, nicht von der Bildung einer persönlichen
Überzeugung - insbesondere zum Grad einer praktischen Wahrscheinlichkeit
bestimmter Ursachenzusammenhänge - abhalten lassen (vgl. BGH, Urteil vom 26.
Oktober 1993 -VI ZR 155/92, NJW 1994, 801 unter II 2 c aa; Zöller/Greger,
aaO Rn. 19).
63 (dd) Bei Beachtung dieser Grundsätze wird den im Schrifttum
geäußerten Bedenken, dass mit der oben aufgezeigten Beweislastverteilung die
Grenzen zwischen Sachmängelhaftung (§ 434 BGB) und Haltbarkeitsgarantie (§
443 BGB) verwischt würden (Looschelders, aaO S. 101 f.;
Sagan/Scholl, aaO S. 508; vgl. auch MünchKommBGB/Lorenz, aaO; ähnlich
Ruckteschler, aaO S. 535, 538) angemessen Rechnung getragen. Zudem
kommen dem Verkäufer in den Fällen, in denen dem Käufer eine zumindest
fahrlässige Beweisvereitelung anzulasten ist, Beweiserleichterungen bis hin
zu einer Beweislastumkehr zugute (Senatsurteile vom
23. November 2005 - VIII ZR 43/05, aaO Rn. 23
ff.; vom 11. November 2008 - VIII ZR 265/07,
aaO Rn. 15; jeweils mwN). Unabhängig davon kann der Käufer in
Einzelfällen gehalten sein, nach den Grundsätzen der sekundären
Darlegungslast Vortrag zu seinem Umgang mit der Sache nach Gefahrübergang zu
halten.
III.
64 Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Es ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
65 Insbesondere wird das Berufungsgericht unter Anwendung der sich aus einer
richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB ergebenden neuen Grundsätze zur
Beweislastverteilung zu prüfen haben, ob der Beklagten der Nachweis gelungen
ist, dass der Schaden am Freilauf des Drehmomentwandlers zum Zeitpunkt des
Gefahrübergangs auch nicht im Ansatz vorlag, sondern auf eine nachträgliche
Ursache (Bedienungsfehler) zurückzuführen ist. Hierzu wird es -
gegebenenfalls nach ergänzenden Stellungnahmen der Parteien und einer
weiteren Befragung des Sachverständigen - eine den beschriebenen
Anforderungen entsprechende richterliche Überzeugung nach § 286 Abs. 1 ZPO
zu bilden haben.
66 Weiter wird es, soweit es hierauf nach erneuter Würdigung des
Streitstoffes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme ankommen sollte,
Feststellungen zur Erstattungsfähigkeit und zur Höhe der geltend gemachten
Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche zu treffen haben.
67 Dabei wird das Berufungsgericht bezüglich des Anspruchs auf Ersatz eines
mangelbedingten Nutzungsausfallschadens für den Zeitraum von einem Jahr
zunächst zu berücksichtigen haben, dass ein auch im Falle eines
Rücktritts vom Kaufvertrag gegebener Anspruch auf Ersatz eines
Nutzungsausfallschadens (vgl. hierzu Senatsurteile vom
28. November 2007 - VIII ZR 16/07, BGHZ 174, 290
Rn. 8 ff, vom 14. April 2010 - VIII ZR 145/09,
aaO Rn. 25 ff.) grundsätzlich nicht schon deswegen entfällt, weil
der Kläger die Möglichkeit hatte, zur Überbrückung des Fahrzeugausfalls
kostenfrei auf einen Pkw seiner Eltern zurückzugreifen (vgl. BGH,
Urteil vom 5. Februar 2013 - VI ZR 363/11, NJW 2013, 1151 Rn. 23 mwN).
Allerdings ist weiter zu beachten, dass dies nur für eine
erforderliche Ausfallzeit gilt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar
2013 - VI ZR 363/11, aaO Rn. 22). Da der Kläger das ihm leihweise
zur Verfügung gestellte Fahrzeug seiner Eltern nach seinem Vorbringen
(mindestens) ein Jahr lang genutzt hat, wird das Berufungsgericht zu erwägen
haben, ob diese Nutzung ab einer angemessenen Übergangszeit wirtschaftlich
betrachtet nicht einer (unentgeltlichen) Anschaffung eines Interimsfahrzeugs
gleichzustellen ist. Falls dies nicht der Fall sein sollte, wäre
abschließend zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht
(§ 254 Abs. 2 BGB) in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteile vom 10.
März 2009 - VI ZR 211/08, NJW 2009, 1663 Rn. 10 mwN und vom 14. April 2010 -
VIII ZR 145/09, aaO Rn. 32 ff.).
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