Mängelvermutung
nach § 476 BGB bei äußeren Beschädigungen; Rücktrittsausschluß nach § 323 V
S. 2 BGB
Urteil v. 14.9. 2005 - VIII
ZR 363/04
Fundstelle:
NJW 2005, 3490
Bestätigt durch BGH v. 18.7.2007 - VIII ZR
259/06
Amtl. Leitsätze:
a) Ein Sachmangel der Kaufsache kann
sich dem Käufer auch dann erst nach Gefahrübergang "zeigen", wenn er ihn im
Falle einer eingehenden Untersuchung schon bei der Übergabe hätte entdecken
können.
b) Die Vermutung, dass ein Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen
hat, ist nicht schon dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn der
Mangel typischerweise jederzeit auftreten kann und deshalb keinen
hinreichend sicheren Rückschluss darauf zulässt, dass er schon bei
Gefahrübergang vorhanden war.
c) Die Vermutung, dass ein Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen
hat, kann auch für äußere Beschädigungen der Kaufsache wie etwa einen
Karosserieschaden eines verkauften Kraftfahrzeugs eingreifen. Sie ist jedoch
dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um äußerliche
Beschädigungen handelt, die auch dem fachlich nicht versierten Käufer
auffallen müssen.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu BGH NJW 2004, 2299 sowie zur
Vorinstanz
OLG
Stuttgart v. 17.11.2004, - 19 U 130/04. S. weiter OLG Stuttgart v. 18.1.2005 - 10 U 179/04 = ZGS 2005,
276 sowie dazu
BGH v. 21.12.2005 - VIII ZR 49/05.
S. auch BGH v. 29.3.2006 -
VIII ZR 173/05.
Zu § 323 V S. 2 s. auch die Anm. zu BGH v.
12.3.2008 - VIII ZR 253/05 m.w.N.
Der BGH hat seine Rspr. zu § 476 BGB aber mittlerweile aufgegeben, s.
BGH v. 12.10.2016 - VIII ZR 103/15.
©sl 2005
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Berechtigung des Klägers zum Rücktritt von
einem Kraftfahrzeugkaufvertrag.
Die Beklagte betreibt einen Neu- und Gebrauchtwagenhandel sowie eine
Werkstatt mit Lackiererei. Am 28. Oktober 2003 kaufte der Kläger, der nicht
in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit
handelte, von ihr einen als Vorführwagen genutzten Pkw Ford Fiesta Ambiente,
Baujahr 2001, Erstzulassung 2002, mit einer Laufleistung von 13.435
Kilometern zum Preis von 11.500 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am selben
Tag gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben. Hierbei unterzeichneten der
Kläger und der bei der Beklagten beschäftigte Kraftfahrzeugmeister K. ein
formularmäßiges Übergabeprotokoll, in dem der Fahrzeugzustand durch
Ankreuzen bestimmter Klassifizierungen festgehalten wurde. Bis auf die
Reifen und Felgen, für die die Klassifizierung 2 - "Ohne Mängel und
funktionstüchtig, Gebrauchsspuren und Verschleiß sind altersgerecht und
laufleistungsbedingt, kein Reparaturbedarf" - angekreuzt wurde, sind alle
aufgeführten Bauteile, darunter Karosserie, Sitze und Polster, der
Klassifizierung 1 - "Einwandfreier Zustand, nur geringe Gebrauchsspuren und
Verschleiß, regelmäßig gewartet, voll funktionstüchtig" - zugeordnet.
Handschriftlich ist ein leichter Kratzer über der Beifahrertür mit dem
Zusatz "Lack ausgebessert" vermerkt. Nach dem Formulartext ist das
Übergabeprotokoll "Grundlage für die einjährige Sachmängelhaftung des
Verkäufers gegenüber dem Käufer".
Mit Schreiben vom 26. November 2003 forderte der Kläger die Beklagte unter
Fristsetzung bis zum 10. Dezember auf, sich zur Beseitigung folgender Mängel
bereit zu erklären:
Schadhafte Felge hinten rechts;
Unebenheit am Rand des vorderen rechten Kotflügels; Lackbeschädigung am
Rand des hinteren linken Kotflügels; Flecken auf der hinteren Sitzbank
und auf dem Beifahrersitz.
Die Beklagte erklärte sich innerhalb der
gesetzten Frist bereit, die Felge hinten rechts auszutauschen und die
Rückbank zu reinigen. Die vom Kläger weiter behaupteten Mängel bestritt sie.
Zu der von der Beklagten angebotenen Nachbesserung kam es nicht.
Mit Schreiben vom 10. Februar 2004 erklärte der Kläger den Rücktritt vom
Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, das Fahrzeug gegen Rückzahlung
des Kaufpreises bis zum 25. Februar 2004 zurückzunehmen. Dies lehnte die
Beklagte ab.
Der Kläger hat daraufhin Klage auf Rückzahlung des um eine
Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer verminderten Kaufpreises,
zuletzt 10.858,83 €, nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgewähr des
Fahrzeugs, erhoben. Ferner hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagte
sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Die Klage
hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte
ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Die Revision ist unbeschränkt
zulässig. Zwar hat das Berufungsgericht die Revision nur insoweit
zugelassen, als dem Kläger ein Rücktrittsrecht zuerkannt und deshalb zum
Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Sofern in dieser Formulierung
eine inhaltliche Beschränkung der Zulassung der Revision zu sehen sein
sollte, die über eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Beklagte
hinausgeht, wäre diese Beschränkung unwirksam mit der Folge, dass die
Revision - für die Beklagte - unbeschränkt zulässig ist (st.Rspr., z.B. BGH,
Urteil vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, NJW 2005, 664 unter A m.w.Nachw.).
B. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet:
Der Kläger sei nach § 437 Nr. 2, § 323 BGB berechtigt, vom Kaufvertrag
zurückzutreten. Das ihm von der Beklagten verkaufte Fahrzeug sei mangelhaft.
Der Zustand der Karosserie entspreche wegen der Verformung des vorderen
rechten Kotflügels und der Stoßstange nicht der in dem Übergabeprotokoll
vereinbarten Klassifizierung 1. Dasselbe gelte für den Lackschaden am linken
hinteren Radlauf. Die hintere rechte Felge erfülle wegen einer Verformung
nicht die insoweit vereinbarte Klassifizierung 2. Rückbank und Beifahrersitz
seien fleckig.
Gemäß § 476 BGB sei zu vermuten, dass die Verformung des vorderen rechten
Kotflügels und der Stoßstange bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs am 28.
Oktober 2003 vorhanden gewesen sei. Die Vorschrift finde auf den
vorliegenden Verbrauchsgüterkauf einer gebrauchten Sache Anwendung. Sie
erfasse auch den hier gegebenen Fall, dass der Käufer einen bei
Gefahrübergang erkennbaren Mangel erst nachträglich bemerke.
Die Vermutung, dass die Verformung an Kotflügel und Stoßfänger vorn rechts
schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorhanden gewesen sei,
sei nicht mit der Art des Mangels unvereinbar. Zwar fehle es für den
Zeitpunkt des Eintritts einer durch äußere Krafteinwirkung verursachten
Beschädigung an einem allgemeinen Erfahrungssatz, weil eine solche
Beschädigung jederzeit, also auch erst nach der Übergabe an den Käufer
eingetreten sein könne.
Die Vorschrift des § 476 BGB beruhe aber nicht allein auf dem allgemeinen
Erfahrungssatz, dass das, was sich innerhalb von sechs Monaten nach
Gefahrübergang zeige, schon im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden
gewesen sei. Sie bezwecke vielmehr den Schutz der Verbraucher und trage dem
Umstand Rechnung, dass einem Gewerbetreibenden der Nachweis, dass ein Mangel
bei Gefahrübergang noch nicht vorgelegen habe, im Regelfall leichter falle
als dem Verbraucher der Beweis des Gegenteils. Die Vermutung des § 476 BGB
sei daher nicht schon dann wegen der Art des Mangels ausgeschlossen, wenn
kein Erfahrungssatz dafür bestehe, dass er schon bei Gefahrübergang
vorhanden gewesen sei. Hinzukommen müsse vielmehr, dass der Unternehmer den
Mangel - anders als im vorliegenden Fall - bei Gefahrübergang nicht habe
erkennen können.
Die Beklagte habe nicht nachzuweisen vermocht, dass der Karosseriemangel
vorn rechts bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger noch nicht
bestanden habe. Das bei der Übergabe gefertigte Protokoll, auf das sie sich
hierfür berufen habe, sei bezüglich der Flecken auf den Sitzen unrichtig;
daraus sei zu schließen, dass es insgesamt nicht mit der gebotenen Sorgfalt
erstellt worden sei. Außerdem habe es für die nach dem Protokoll
vorzunehmende pauschale Beschreibung zum Zwecke der Klassifizierung einer
Überprüfung der Karosserie im Einzelnen nicht bedurft; es sei deshalb nicht
zu erwarten gewesen, dass der beteiligte Mitarbeiter der Beklagten den
Mangel feststellen und im Protokoll vermerken werde.
Die Rücktrittsvoraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB seien erfüllt. Eine
Fristsetzung zur Nacherfüllung sei in Anbetracht der Weigerung der
Beklagten, den Karosseriemangel vorn rechts zu beseitigen, gemäß § 323 Abs.
2 Nr. 1 BGB entbehrlich gewesen. Der Rücktritt sei nicht nach § 323 Abs. 5
Satz 2 BGB wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen. In erster
Instanz habe die Beklagte die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nicht
dargelegt. Anders lautende Behauptungen in der Berufungsbegründungsschrift
könnten nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden. Auch habe die
Beklagte zu dem für die Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwand nicht
innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, sondern erst mit einem wenige Tage
vor der Berufungsverhandlung eingereichten Schriftsatz vorgetragen.
Offen bleiben könne, ob die Beschädigung am Radlauf hinten links und die
Verformung der hinteren rechten Felge schon bei Gefahrübergang vorhanden
gewesen seien und ob der Kläger die ihm von der Beklagten angebotene
Teilnacherfüllung hätte entgegennehmen müssen. Ob der Beklagten wegen der
sonstigen Schäden Wertersatz- oder Schadensersatzansprüche zustehen könnten,
bedürfe keiner Entscheidung, weil die Beklagte solche Ansprüche nicht
geltend gemacht habe.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem
entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis
gelangt, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug insofern mangelhaft ist, als
der vordere rechte Kotflügel und der Stoßfänger leicht nach innen verformt
sind, und dass zu vermuten ist, dass dieser Sachmangel bereits bei
Gefahrübergang vorhanden war.
a) Die Verformung im Bereich des vorderen rechten Kotflügels und des
Stoßfängers stellt, sofern sie bereits bei Gefahrübergang vorhanden war,
einen Sachmangel des Fahrzeugs im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.
Denn nach der mit der Erstellung des Übergabeprotokolls getroffenen
Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien sollte unter anderem die Karosserie
des Fahrzeugs der dort verwendeten (höchsten) Klassifizierung 1 entsprechen,
sich also in einwandfreiem Zustand befinden. Daran fehlt es nach den von der
Revision nicht angegriffenen, auf der Begutachtung durch einen
Sachverständigen in der ersten Instanz beruhenden tatrichterlichen
Feststellungen, weil Kotflügel und Stoßfänger vorn rechts durch eine
seitliche Krafteinwirkung leicht nach innen verformt sind.
b) Dass diese Verformung bereits bei Gefahrübergang - das heißt bei
Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger (§ 446 Satz 1 BGB) - vorhanden war,
ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nach § 476 BGB zu
vermuten.
aa) § 476 BGB findet gemäß § 474 Abs. 1 BGB auf den hier zu beurteilenden
Kauf eines Kraftfahrzeugs, einer beweglichen Sache, durch den Kläger als
Verbraucher (§ 13 BGB) von der Beklagten, die als Kraftfahrzeughändlerin
Unternehmerin (§ 14 BGB) ist, Anwendung. Auch die Revision zieht dies nicht
in Zweifel.
bb) Nach § 476 BGB wird vermutet, dass ein Sachmangel, der sich innerhalb
von sechs Monaten seit Gefahrübergang zeigt, bereits bei Gefahrübergang
vorhanden war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder
des Mangels unvereinbar.
(1) Die Revision vertritt hierzu unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 2.
Juni 2004 (VIII ZR 329/03, BGHZ 159, 215 = ZGS
2004, 309 = NJW 2004, 2229) die Auffassung, die Vermutung greife schon
deswegen nicht ein, weil die Karosserieverformung auch - nach der Übergabe
des Fahrzeugs - durch den Kläger verursacht worden sein könne und der Kläger
nicht bewiesen habe, dass die Verformung schon bei Gefahrübergang vorhanden
gewesen sei und damit einen Sachmangel darstelle. Mit diesem Einwand dringt
die Revision nicht durch.
Richtig ist allerdings, dass den Käufer, der unter Berufung auf das
Vorliegen eines Sachmangels Rechte gemäß § 437 BGB geltend macht, nachdem er
die Kaufsache entgegengenommen hat, auch nach neuem Schuldrecht die
Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Tatsachen
trifft und dass die Beweislastumkehr nach § 476 BGB nicht für die Frage
gilt, ob überhaupt ein Sachmangel vorliegt. Die Vorschrift setzt vielmehr
einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel
voraus und enthält eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung,
dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden war (Senat
aaO unter II 2 a m.w.Nachw.).
In dem am 2. Juni 2004 entschiedenen Fall griff die Vermutung deswegen nicht
ein, weil in den Tatsacheninstanzen nicht hatte geklärt werden können, ob
die durch ein Überspringen des zu lockeren Zahnriemens am Stirnrad der
Nockenwelle ausgelöste Fehlsteuerung der Motorventile, die zur Zerstörung
des Motors geführt hatte, auf einen Material- oder Montagefehler des
Zahnriemens - einen Sachmangel - zurückzuführen oder ob die Lockerung des
Zahnriemens durch einen Fahrfehler des Fahrzeugkäufers - Einlegen eines
kleineren Gangs bei hoher Motordrehzahl - verursacht worden war. Im
vorliegenden Fall steht die Ursache der Karosserieverformung dagegen fest.
Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des in erster Instanz eingeholten
Sachverständigengutachtens festgestellt, dass die Verformung auf eine
seitliche Krafteinwirkung zurückzuführen ist. Diese Feststellung greift die
Revision nicht an. Bei dieser Ausgangslage hängt die Beantwortung der Frage,
ob es sich um einen Sachmangel handelt, folglich allein davon ab, ob die
Krafteinwirkung vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger oder erst nach
derselben stattgefunden hat. Wollte man auch für diese Konstellation
fordern, der Käufer müsse zunächst beweisen, dass es sich bei der
Karosserieverformung um einen Sachmangel - und nicht um die Folge einer
eigenen unsachgemäßen Behandlung oder, was insoweit keinen Unterschied
macht, einer Beschädigung durch Dritte nach Gefahrübergang - handele, so
liefe die Beweislastumkehr des § 476 BGB weitgehend leer. Ein solches
Ergebnis stünde in Widerspruch zum Willen des nationalen und ebenso des
europäischen Gesetzgebers, den Verbraucherschutz im Hinblick auf Sachmängel
beim Kauf beweglicher Sachen zu stärken (Begründung zum Entwurf des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 14/6040 S. 245;
Erwägungsgründe 1 ff. der
Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai
1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für
Verbrauchsgüter, ABl. EG Nr. L 171 S. 12.
Der Grundsatz, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die einen
Sachmangel begründenden Tatsachen trifft und dass die Beweislastumkehr nach
§ 476 BGB eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dafür
begründet, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs
vorhanden war, ist deshalb dahin zu verstehen, dass dem Käufer die
Beweislastumkehr nach § 476 BGB dann zugute kommt, wenn die Frage, ob ein
Sachmangel vorliegt, allein davon abhängt, dass eine Abweichung von der
Sollbeschaffenheit, die sich innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe
der Sache an den Käufer zeigt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war.
(2) Ohne Erfolg bleibt auch der weitere Einwand der Revision, die
Beweislastumkehr nach § 476 BGB gelte nur für Sachmängel, die bei
Gefahrübergang zwar bereits vorhanden, aber noch nicht erkennbar oder "noch
nicht aufgetreten" seien. Für eine dahingehende Einschränkung des
Anwendungsbereichs sind dem Wortlaut der Vorschrift keine Anhaltspunkte zu
entnehmen; sie wäre auch mit der vom Gesetzgeber angestrebten Verbesserung
des Verbraucherschutzes nicht zu vereinbaren. Denn ein Mangel kann sich dem
Käufer auch dann erst nach Gefahrübergang "zeigen", wenn er ihn im Falle
einer eingehenden Untersuchung schon bei der Übergabe hätte entdecken
können. Allerdings kann für Mängel, die dem Käufer bereits bei der Übergabe
hätten auffallen müssen, die Beweislastumkehr nach § 476 BGB deswegen
ausgeschlossen sein, weil die Vermutung, dass ein solcher Mangel bereits bei
Gefahrübergang vorhanden war, mit der Art eines derartigen Mangels
unvereinbar ist (dazu unten zu cc).
cc) Die Vermutung, dass die Verformung des vorderen rechten Kotflügels
und des Stoßfängers schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger
vorhanden war, ist weder mit der Art der Sache noch mit der Art des Mangels
unvereinbar.
(1) Wie der Senat bereits entschieden hat, findet die Vorschrift des § 476
BGB auch auf den Verkauf gebrauchter Sachen Anwendung (Senatsurteil
vom 2. Juni 2004 aaO; ebenso MünchKommBGB/S. Lorenz, 4. Aufl., § 476
Rdnr. 16 m.w.Nachw. auch zur Gegenmeinung).
(2) Die Revision vertritt unter Berufung auf eine im Schrifttum verbreitete
Ansicht die Auffassung, bei einer äußeren Beschädigung der Kaufsache wie
etwa einem Unfallschaden eines Kraftfahrzeugs greife die Vermutung des § 476
BGB nicht ein, weil es sich dabei um einen Mangel handele, der
typischerweise jederzeit eintreten könne und daher keinen hinreichend
wahrscheinlichen Rückschluss auf sein Vorliegen bereits zum Zeitpunkt des
Gefahrübergangs zulasse (so S. Lorenz aaO Rdnr. 17; ders. NJW 2004, 3020,
3022; Bamberger/Roth/Faust, BGB, § 476 Rdnr. 4; Reinking/Eggert, Der
Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 1312; i.E. auch Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB
(2004), § 476 Rdnr. 35). Dieser Auffassung ist das Berufungsgericht zu
Recht nicht gefolgt.
Schon der Wortlaut der Vorschrift lässt erkennen, dass die Vermutung im
Regelfall zugunsten des Käufers eingreifen und nur ausnahmsweise wegen der
Art der Sache oder des Mangels ausgeschlossen sein soll. Mit diesem
Regel-Ausnahme-Verhältnis wäre es nicht zu vereinbaren, die Vermutung immer
schon dann scheitern zu lassen, wenn es um einen Mangel geht, der jederzeit
auftreten kann, und es demzufolge an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit
dafür fehlt, dass er bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Die
Vermutungsregelung liefe dann regelmäßig gerade in den Fällen leer, in denen
der Entstehungszeitpunkt des Mangels nicht zuverlässig festgestellt werden
kann. Durch eine derartige Einengung der Beweislastumkehr würde der mit der
Regelung intendierte Verbraucherschutz weitgehend ausgehöhlt.
Ob dem Berufungsgericht auch darin zu folgen ist, dass in den vorstehend
erörterten Fällen die Vermutung dann nicht eingreift, wenn der Verkäufer den
Mangel, sofern dieser schon bei Gefahrübergang vorhanden war, nicht erkennen
konnte (ebenso Wietoska, ZGS 2004, 8, 10), bedarf keiner Entscheidung. Nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Verformung der Karosserie
im vorderen rechten Bereich des Fahrzeugs für den Mitarbeiter K. der
Beklagten erkennbar. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht
angegriffen.
Die Vermutung, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat,
ist jedoch dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um
äußerliche Beschädigungen der Kaufsache handelt, die auch dem fachlich nicht
versierten Käufer auffallen müssen. Denn in einem solchen Fall ist zu
erwarten, dass der Käufer den Mangel bei der Übergabe beanstandet. Hat er
die Sache ohne Beanstandung entgegengenommen, so spricht dies folglich gegen
die Vermutung, der Mangel sei schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen
(Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO, § 476 Rdnr. 34; vgl. auch Büdenbender in
Anwaltkommentar, § 476 Rdnr. 16; Haas in Haas/Medicus/Rolland/
Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kap. 5 Rdnr. 439). Um eine
derartige Beschädigung handelt es sich nach den dazu getroffenen, von der
Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen hier indessen
nicht. Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsurteil
gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug nimmt, besteht die Verformung
darin, dass Kotflügel und Stoßfänger vorne rechts nicht bündig aneinander
anschließen, sondern leicht nach innen verbogen sind. Diese geringfügige
Beschädigung musste dem Kläger bei der Übergabe des Fahrzeugs nicht
auffallen. Auch das Landgericht hat sie ausweislich der Entscheidungsgründe
seines Urteils erst "bei genauer Betrachtung des Fahrzeugs im Termin ... und
nach Hinweis des Sachverständigen auf die Schadensstelle auch selbst
wahrnehmen (können)".
c) Vergeblich wendet sich die Revision schließlich gegen die Auffassung des
Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch die Vorlage des von den Parteien
bei der Übergabe gemeinsam erstellten Protokolls über den Fahrzeugzustand
nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beschädigung im vorderen rechten
Fahrzeugbereich damals noch nicht vorhanden gewesen sei. Dabei bedarf keiner
Entscheidung, ob das Übergabeprotokoll bezüglich eines Flecks auf der
Rückbank unrichtig ist und ob dies, wie das Berufungsgericht annimmt, den
Schluss rechtfertigt, es sei insgesamt nicht mit der gebotenen Sorgfalt
erstellt worden. Das Berufungsgericht hält das Übergabeprotokoll in Bezug
auf Einzelheiten des Karosseriezustands nämlich auch deshalb für nicht
aussagekräftig, weil nach dem Protokoll eine genaue Überprüfung der
Karosserie im einzelnen nicht erforderlich gewesen sei, vielmehr eine
pauschale Beschreibung durch eine entsprechende Klassifizierung genügt habe.
Aus diesem Grund, so folgert das Berufungsgericht, sei auch nicht zu
erwarten, dass der Mitarbeiter K. der Beklagten den Mangel, wenn dieser
bereits vorhanden gewesen wäre, erkannt und in das Protokoll aufgenommen
hätte. Diesen - plausiblen - Erwägungen tritt die Revision nicht entgegen.
Davon abgesehen erstreckt sich die Beweiskraft des Übergabeprotokolls
ohnehin nicht auf den Zustand des Fahrzeugs bei dessen Übergabe an den
Kläger. Als Privaturkunde erbringt das Protokoll gemäß § 416 ZPO vollen
Beweis lediglich dafür, dass die in ihm enthaltenen Erklärungen von den
Ausstellern abgegeben worden sind. Dies ist nicht mehr als ein Indiz für die
von der Beklagten zu beweisende (Haupt-)Tatsache, dass der Karosserieschaden
vorne rechts bei der Fahrzeugübergabe noch nicht vorhanden war. Auch diese
Indizwirkung ist indessen erheblich abgeschwächt, weil der Schaden, wie
bereits ausgeführt wurde, für den Laien nur schwer zu erkennen ist und es
deshalb nicht fern liegt, dass er zwar schon vorhanden war, vom Kläger bei
der Erstellung des Protokolls aber nicht bemerkt worden ist.
2. Das Berufungsurteil kann aber deswegen keinen Bestand haben, weil das
Berufungsgericht sich verfahrensfehlerhaft über den Vortrag der Beklagten
hinweggesetzt hat, die Beschädigung des Kotflügels und des Stoßfängers vorn
rechts, deren Beseitigung allenfalls 100 € koste, überschreite die
Bagatellgrenze nicht und berechtige den Kläger daher gemäß § 323 Abs. 5 Satz
2 BGB nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.
Die erstmals mit der Berufungsbegründung vorgebrachte, auf die
Unerheblichkeit des Mangels hindeutende Behauptung der Beklagten, bei der
Beschädigung vorn rechts handele es sich um eine "zwar erkennbare, aber kaum
wahrnehmbare" Verformung, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. § 531 Abs. 2 ZPO ist auf solche
Tatsachen, die zwar erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen, dort aber
unstreitig werden, nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 18. November 2004 - IX
ZR 229/03, WM 2005, 99 unter II 2 b). Den Ausführungen des Berufungsgerichts
ist nichts dafür zu entnehmen, dass der Kläger diese Behauptung, die sich
zudem mit den Feststellungen des Landgerichts deckt, bestritten hat.
Der Einwand ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht
deswegen unbeachtlich, weil die Beklagte zu dem für die Mangelbeseitigung
erforderlichen Kostenaufwand nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist,
sondern erst mit einem wenige Tage vor der Berufungsverhandlung
eingegangenen Schriftsatz vom 27. Oktober 2004 vorgetragen hat. Wie sich aus
§ 530 ZPO ergibt, können Angriffs- und Verteidigungsmittel auch noch nach
Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgetragen werden. Sie können dann
allerdings entsprechend § 296 Abs. 1 und 4 ZPO zurückgewiesen werden, wenn
ihre Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Dies
setzt voraus, dass der Gegner die verspätet vorgebrachte Behauptung
bestritten hat. Auch dazu ist den Ausführungen des Berufungsgerichts nichts
zu entnehmen.
Das vom Berufungsgericht übergangene Vorbringen der Beklagten ist
entscheidungserheblich. Falls es zutrifft, dass die Kosten für die
Beseitigung der Verformung des Kotflügels und des Stoßfängers vorn rechts
bei allenfalls 100 € liegen, handelt es sich bei diesem Mangel um eine
unerhebliche Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz
2 BGB, aus der der Kläger kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag herleiten
kann. Dabei kann offen bleiben, ob für die Frage der Erheblichkeit eines -
wie hier - behebbaren Mangels im Sinne dieser Bestimmung stets auf die
Kosten der Mangelbeseitigung abzustellen ist und bei welchem Prozentsatz vom
Kaufpreis oder vom Wert der Sache in mangelfreiem Zustand die Grenze zur
Erheblichkeit zu ziehen ist. Nach der Behauptung der Beklagten liegt der
Mangelbeseitigungsaufwand hier bei nur knapp 1 % des Kaufpreises und damit
ohne Zweifel unterhalb der Bagatellgrenze.
Die vom Kläger darüber hinaus beanstandeten Mängel des Fahrzeugs sind
zumindest nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand für die Frage, ob das
Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wegen Unerheblichkeit der
Pflichtverletzung ausgeschlossen ist, nicht zu berücksichtigen. Wegen der
Schadhaftigkeit der rechten hinteren Felge und des Flecks auf der Rückbank
des Fahrzeugs besteht schon deswegen kein Rücktrittsrecht des Klägers, weil
die Beklagte sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts insoweit
innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist zur Nachbesserung bereit erklärt
hat (§ 323 Abs. 1 BGB). Ob das Berufungsgericht die vom Kläger weiter
beanstandeten Flecken auf dem Beifahrersitz als Sachmangel ansieht, geht aus
dem Berufungsurteil nicht hervor. Nach der Beurteilung des vom Landgericht
angehörten Sachverständigen handelt es sich um übliche Gebrauchsspuren und
damit auch nach der Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien nicht ohne
weiteres um Mängel. Ob der Lackschaden am hinteren linken Radlauf bereits
bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorhanden war, was die Beklagte
bestreitet, hat das Berufungsgericht offen gelassen; für das
Revisionsverfahren ist daher zu unterstellen, dass es sich hierbei nicht um
einen der Beklagten anzulastenden Mangel handelt.
III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs.
1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es
dazu weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf. Der Rechtsstreit ist
daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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