Keine Pflicht zum Aus- und Wiedereinbau im Rahmen der
Nacherfüllung (§ 439 I BGB) im Verhältnis zwischen Unternehmern (Abgrenzung
zu BGH NJW 2012, 1073),
Voraussetzungen einer "richtlinienorientierten" historischen Auslegung
(Abgrenzung zu
BGH NJW 2002, 1881
"Heininger")
BGH, Urteil vom 17. Oktober 2012 -
VIII ZR 226/11 - OLG Stuttgart
Fundstelle:
NJW 2013, 220
BGHZ 195, 135
Amtl. Leitsatz:
a) § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist richtlinienkonform
dahin auszulegen, dass die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer
mangelfreien Sache" neben dem Ausbau und Abtransport der mangelhaften
Kaufsache auch den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache erfasst (im
Anschluss an EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - Rechtssachen C-65/09 und
C-87/09, NJW 2011, 2269; Senatsurteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08,
NJW 2012, 1073).
b) Diese richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist auf
den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) beschränkt und erstreckt sich nicht auf
Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern.
Zentrale Probleme:
Eine sowohl im Ergebnis als auch
in der Begründung zutreffende und tiefgründige Entscheidung des BGH. Es geht
um das Folgeproblem, welches sich aus der "Weber/Putz"- Entscheidung des
EuGH ergab (EuGH NJW 2011, 2269).
Dort hatte der EuGH entschieden, dass Art. 3 der VerbrGKRl. so auszulegen
ist, dass ein Verkäufer im Wege der Nacherfüllung (also
verschuldensunabhängig!) unter bestimmten Voraussetzungen (s. dazu die Anm.
zu EuGH NJW 2011, 2269)
gegenüber einem Verbraucher als Käufer
auch für den Ausbau der mangelhaften Sache und den Wiedereinbau der neu
gelieferten Sache zu sorgen hat. Anschließend hatte der BGH diese Vorgabe im
Wege richtlinienkonformer Auslegung von § 439 BGB umgesetzt (s.
BGH v.
21.12.2011 - VIII ZR 70/08 m. Anm.). Nun ging es um die Frage, ob
dies auch für das Verhältnis zwischen Unternehmern zu gelten hat. Das
verneint der Senat zu recht: Unbestritten ist, dass insofern keine Pflicht
zur richtlinienkonformen Auslegung besteht, weil insoweit der (persönliche)
Anwendungsbereich der Richtlinie nicht eröffnet ist. Dies schließt aber
nicht aus, dass man aufgrund einer auf den (autonomen) Willen des deutschen
Gesetzgeber abstellenden (historischen) Auslegung zu demselben Ergebnis
kommt. Dazu könnte die Überlegung aus der "Heininger-Entscheidung"
BGH NJW 2002, 1881
führen: Ein Gesetzgeber, der eine aus einer Richtline stammenden Norm auch
für einen Bereich umsetzt, in welchem er keine Umsetzungspflicht hat (sog.
"überschießende Umsetzung") wird im Regelfall nicht beabsichtigen, dass
diese Norm unterschiedlich ausgelegt wird, je nachdem welche Rechtssubjekte
(hier: Verbraucher oder Unternehmer) an dem Rechtsverhältnis beteiligt sind
(sog. "gespaltene Auslegung"). Es geht also um die Frage, ob er sich an der
Richtline "orientiert" hat. Dies kann aber nicht gelten, wenn der
historische Gesetzgeber an eine Auslegung, wie sie hier der EuGH vorgenommen
hatte, nicht nur nicht gedacht hatte, sondern eine solche explizit nicht
wollte. Dann mag es einen Zwang zur richtlinienkonformen Auslegung geben,
dem Gesetzgeber kann aber nicht aufgrund einer historischen Auslegung
unterstellt werden, ein Ergebnis, das er nie in Erwägung gezogen hätte, auch
außerhalb des Bereichs der Richtline gewollt zu haben. Alles andere wäre ein
gesetzgeberischer Blankoscheck, eine Norm solle auch außerhalb des
Anwendungsbereichs einer Richtline immer so ausgelegt werden, wie sich das
der EuGH gerade denkt. Die Kernargumente finden sich bei den Tz.
17 und 27. Eine gewisse Bestätigung
findet die Entscheidung weiter in der geplanten gesetzlichen Festschreibung
der "Weber/Putz"-Entscheidung.
S. im Übrigen die Anm. zu EuGH NJW 2011, 2269
sowie zu BGH v.
21.12.2011 - VIII ZR 70/08. Für das Verhältnis zwischen Unternehmern
s. unbedingt BGH v. 2.4. 2014
- VIII ZR 46/13. Zu den Grenzen unionsrechtskonformer Rechtsfortbildung
s. BGH v. 18.11.2020 - VIII ZR 78/20.
Tatbestand:
1 Die im Sportplatzbau tätige Klägerin
kaufte in den Jahren 2006 und 2007 bei der Beklagten EPDM-Granulat eines
polnischen Produzenten als Material zur Herstellung von Kunstrasenplätzen in
H. und für ein Gymnasium in N. ; Auftraggeber der Klägerin waren die
jeweiligen Gemeinden.
Nach dem Einbau durch die Klägerin stellte sich heraus, dass das von der
Beklagten gelieferte Granulat mangelhaft war. Für den erforderlichen
Austausch des Materials stellte die Beklagte kostenlos SBR-Granulat zur
Verfügung. Sie lehnte es aber ab, das mangelhafte Material auszubauen und
das Ersatzgranulat einzubauen. Daraufhin wurden diese Arbeiten auf
Veranlassung der Klägerin durch ein anderes Unternehmen vorgenommen.
2 Die Klägerin hat von der Beklagten Zahlung von 72.126,05 € nebst Zinsen
und Rechtsanwaltsgebühren begehrt. Die Klageforderung setzt sich zusammen
aus den Aus- und Einbaukosten (25.424,65 €), Entsorgungskosten für das
mangelhafte Material (4.541,40 €) sowie der behaupteten Preisdifferenz
zwischen dem SBR-Granulat und dem ursprünglich gelieferten EPDM-Granulat
(42.160 €). Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 4.379,27 €
(Entsorgungskosten unter Abzug von Skonto) nebst Zinsen und
Rechtsanwaltsgebühren stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre
weitergehenden Ansprüche unter Abzug von Skonti weiterverfolgt hat,
zurückgewiesen.
3 Mit der teilweise vom Berufungsgericht und teilweise vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung der
Kosten für den Ausbau des mangelhaften Granulats (15.249,28 €) und für den
Einbau des Ersatzgranulats (9.660,17 €) weiter. Hinsichtlich des Anspruchs
auf Erstattung der Preisdifferenz zwischen dem EPDM- und dem SBR-Granulat
hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von
Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
6 Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 280, 281 BGB
auf Ersatz der Ausbaukosten für das mangelhafte EPDM-Granulat sowie der
Einbaukosten für das Ersatzgranulat. Zwar stelle die Lieferung des
mangelhaften Materials eine Pflichtverletzung dar. Hieraus folge jedoch kein
Schadensersatzanspruch der Klägerin, weil die Beklagte als Zwischenhändlerin
die Mangelhaftigkeit des Granulats nicht habe erkennen können; ein
Verschulden des Herstellers habe sie nicht zu vertreten, weil dieser nicht
ihr Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB sei.
7 Die Klägerin könne die ihr entstandenen Kosten auch nicht unter dem
Gesichtspunkt einer Verletzung des Nacherfüllungsanspruchs der Beklagten (§
439 Abs. 1 BGB) geltend machen. Denn der Verkäufer schulde im Rahmen der
Nacherfüllung weder den Ausbau der von ihm zuvor gelieferten und vom Käufer
selbst eingebauten mangelhaften Sache noch den Einbau der als Ersatz
gelieferten Sache.
8 Ein Ersatzanspruch wegen der Einbaukosten scheide, wie das Landgericht zu
Recht erkannt habe, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus (BGH,
Urteil vom 15. Juli 2008 - VIII ZR 211/07; Beschlüsse vom 21. Oktober
2008 - VIII ZR 304/07 und VIII ZR 65/08). Aus der
Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des
Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ergebe sich
nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs nichts anderes.
9 Auch ein Anspruch auf Ersatz der Ausbaukosten bestehe nicht. Nach den
Ausführungen des Bundesgerichtshofs im vorgenannten Urteil decke sich der
Nacherfüllungsanspruch hinsichtlich der geschuldeten Leistungen inhaltlich
mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Der Verkäufer schulde eine
vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen er sich nach § 433 Abs. 1
BGB verpflichtet habe, also die nochmalige Übergabe des Besitzes und die
Verschaffung des Eigentums an einer mangelfreien Sache, nicht aber mehr.
Dieser restriktiven, den Ausbau der mangelhaften Sache vom
Nachlieferungsanspruch ausschließenden Auffassung sei zu folgen.
II.
10 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand;
die Revision ist daher zurückzuweisen. Die Klägerin hat gegen die
Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten für den
Ausbau des mangelhaften EPDM-Granulats und den Einbau des als Ersatz
gelieferten SBR-Granulats.
11 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin
auf Schadensersatz statt der Leistung unter dem Gesichtspunkt, dass die
Beklagte ihre Vertragspflicht zur Beschaffung mangelfreien EPDM-Granulats
verletzt hat (§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB i.V.m. § 433 Abs. 1 Satz
2 BGB), verneint. Zwar sind die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1
Satz 1 BGB für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin insoweit erfüllt,
als das von der Beklagten verkaufte EPDM-Granulat mangelhaft war (§ 434
BGB). Die Beklagte hat jedoch die sich daraus ergebende Pflichtverletzung (§
433 Abs. 1 Satz 2 BGB) nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht zu
vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies nimmt die Revision hin.
12 2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht einen Anspruch
auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB) auch
unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verpflichtung des Verkäufers
zur Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB) verneint. Denn die
Beklagte hat diese Pflicht nicht verletzt.
13 Die Voraussetzungen für einen Nacherfüllungsanspruch der Klägerin
nach § 437 Nr. 1, § 439 BGB sind erfüllt, weil das von der Beklagten
gelieferte EPDM-Granulat mangelhaft war. Nach § 439 Abs. 1 BGB kann der
Käufer nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer
mangelfreien Sache verlangen. Die Klägerin hat die Lieferung einer
mangelfreien Sache verlangt. Dieser Aufforderung ist die Beklagte
nachgekommen, indem sie kostenlos SBR-Granulat zur Verfügung gestellt hat,
das von der Klägerin als Ersatzmaterial akzeptiert worden ist. Damit hat die
Beklagte ihre Pflicht zur Nacherfüllung erfüllt.
14 Die Beklagte war nicht darüber hinaus verpflichtet, das
mangelhafte EPDM-Granulat auszubauen und das SBR-Granulat einzubauen.
Denn diese Leistungen werden vom Nacherfüllungsanspruch auf
Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) nicht umfasst,
wenn es sich bei dem Vertrag nicht um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des
§ 474 Abs. 1 BGB handelt, sondern um einen Kaufvertrag im geschäftlichen
Verkehr zwischen Unternehmern oder im privaten Bereich zwischen
Verbrauchern. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Parteien sind
Unternehmer (§ 14 BGB).
15 a) § 439 Abs. 1 BGB dient der Umsetzung von
Art. 3
der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.
Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien
für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171 S. 12, im Folgenden: Richtlinie).
Auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 14. Januar
2009 (VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660) hat der Gerichtshof der
Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) durch
Urteil vom 16. Juni 2011 (C-65/09, C-87/09 -
Gebr. Weber GmbH/Jürgen Wittmer; Ingrid Putz/Medianess Electronics GmbH, NJW
2011, 2269) über die Auslegung der
Richtlinie wie folgt entschieden:
"Art. 3 Abs. 2 und 3 der
Richtlinie [...] ist dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße
Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels
vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck
eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer
verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der
Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte
Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für
diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts
notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon,
ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte
Verbrauchsgut einzubauen."
16 In der abschließenden Entscheidung über den dem Gerichtshof vorgelegten
Fall des Verbrauchsgüterkaufs hat der Senat daraufhin § 439 Abs. 1 Alt. 2
BGB richtlinienkonform dahin ausgelegt, dass die Nacherfüllungsvariante
"Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Ausbau und den Abtransport der
mangelhaften Kaufsache umfasst (Urteil vom
21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen,
NJW 2012, 1073 Rn. 25 ff.). Für den Einbau der als Ersatz
gelieferten Kaufsache kann aufgrund des Urteils des Gerichtshofs nichts
anderes gelten; auch insoweit ist eine richtlinienkonforme Auslegung des §
439 Abs. 1 Alt. 2 BGB für den Verbrauchsgüterkauf geboten.
Soweit der Senat zuvor in seinem ebenfalls einen Verbrauchsgüterkauf
betreffenden Urteil vom 15. Juli 2008 (VIII
ZR 211/07, BGHZ 177, 224 Rn. 25) die Auffassung vertreten hat, eine so
weitgehende Ausdehnung der Nacherfüllungspflicht lasse sich aus Art. 3 Abs.
2 der Richtlinie nicht herleiten, hält er daran nicht fest.
17 b) Nicht entschieden hat der Senat bislang über
die Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB außerhalb des
Verbrauchsgüterkaufs. Das Berufungsgericht hat für den hier
vorliegenden Fall eines Kaufvertrags zwischen Unternehmern mit Recht
angenommen, dass die Nachlieferung im Sinne des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB
weder den Ausbau der mangelhaften Kaufsache noch den Einbau der als Ersatz
gelieferten Sache umfasst (ebenso Lorenz, NJW 2011, 2241, 2244; D.
Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Aufl., § 439 Rn. 13; Pfeiffer,
LMK 2011, 321439 unter 3b; Staudinger, DAR 2011, 502, 505; Förster, ZIP
2011, 1493, 1500; Ayad/Schnell, BB 2011, 1938, 1939; Greiner/Benedix, ZGS
2011, 489, 493 f.; Maultzsch, GPR 2011, 253, 257; aA Augenhofer/Appenzeller/Holm,
JuS 2011, 680, 681, 684; Berg, RiW 2011, 717, 718; Büdenbender/Binder, DB
2011, 1736, 1742 f.; Eisenberg, BB 2011, 2634, 2637; Faust, JuS 2011, 744,
748; Höpfner, JZ 2012, 473 f., 474; Kroll-Schlüter,
JR 2011, 463, 466; Müller, zfs 2011, 604, 608; Rodemann/Schwenker, ZfBR
2011, 634, 639; Stöber, ZGS 2011, 346, 352).
18 aa) Das aus dem Umsetzungsgebot des Art. 288 Abs. 3 AEUV und dem
Grundsatz der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EU folgende Gebot
richtlinienkonformer Auslegung greift hier nicht ein. Es beschränkt
sich auf den Anwendungsbereich der Richtlinie. Die Vorgaben der Richtlinie
und das Urteil des Gerichtshofs beziehen sich nur auf den
Verbrauchsgüterkauf und nicht auf andere Kaufverträge.
19 Auch die vom Senat im Urteil vom 21. Dezember 2011 (VIII
ZR 70/08, aaO) vorgenommene richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs.
1 Alt. 2 BGB geht nicht weiter als die Richtlinie selbst, beschränkt sich
also ebenfalls auf den Verbrauchsgüterkauf. Der Senat hat
entschieden, dass eine richtlinienkonforme Auslegung im Sinne des Urteils
des Gerichtshofs noch vom Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB gedeckt ist (aaO
Rn. 26). Er hat nicht ausgesprochen, dass eine solche Auslegung auch
über den Verbrauchsgüterkauf hinaus geboten oder sachgerecht wäre.
20 bb) Allerdings kann eine richtlinienkonforme Auslegung für das
nationale Recht auch über den Geltungsbereich einer Richtlinie hinaus
Bedeutung erlangen, wenn eine überschießende Umsetzung einer Richtlinie in
das nationale Recht erfolgt ist (vgl. BGH,
Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 260 f.).
Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung richtlinienfreien Rechts
ergibt sich bei einer solchen richtlinienüberschießenden Umsetzung zwar
nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Sie kann sich aber aus nationalem Recht,
das heißt aus einem entsprechenden Willen des nationalen Gesetzgebers,
ergeben.
21 Eine richtlinienüberschießende Umsetzung der Richtlinie liegt
hier vor. Denn der Gesetzgeber hat die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für
die Nacherfüllung bei deren Umsetzung in das deutsche Recht nicht in die
Sonderregelungen für den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB), sondern in
die für alle Kaufverträge geltenden Bestimmungen der §§ 433 ff. BGB
eingefügt.
22 Voraussetzung für eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439
Abs. 1 Alt. 2 BGB über den Verbrauchsgüterkauf hinaus ist nach dem oben
Gesagten aber weiter, dass eine Ausdehnung der Nachlieferungspflicht im
Sinne des Urteils des Gerichtshofs dem Willen des deutschen Gesetzgebers
entspricht (vgl. Senatsurteile
vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 28 zur
teleologischen Reduktion des § 439 Abs. 4 BGB;
vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 47 zu § 269 Abs. 1
BGB). Davon kann nicht ausgegangen werden. Denn
der Gesetzgeber ist bei der richtlinienüberschießenden Umsetzung der
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Nacherfüllung von einem anderen
Verständnis der Richtlinie ausgegangen als der Gerichtshof.
Aus den Gesetzesmaterialien der Schuldrechtsreform ist
zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber eine so weitgehende Ausdehnung der
Nachlieferungspflicht, wie sie der Gerichtshof vorgenommen hat, nicht vor
Augen gestanden und er sie deshalb jedenfalls nicht für das gesamte
Kaufrecht gewollt haben würde. Dies rechtfertigt es, die
richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB - ebenso wie die
teleologische Reduktion des § 439 Abs. 4 BGB (dazu
Senatsurteil vom 26. November 2008 - VIII
ZR 200/05, aaO Rn. 26 ff.) - auf den Verbrauchsgüterkauf zu
beschränken und nicht auf andere, der Richtlinie nicht unterfallende
Kaufverträge auszudehnen.
23 Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zum Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 9. April 2002 (XI ZR 91/99,
aaO), in dem eine richtlinienkonforme Auslegung von § 5 Abs. 2 HWiG im
Interesse umfassenden Verbraucherschutzes auch auf den marginalen Bereich
der Verbraucherkreditverträge ausgedehnt wurde, die mit Rücksicht auf die
richtlinienüberschießende Umsetzung der Haustürgeschäfterichtlinie im
deutschen Recht zwar die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts nach § 1
HWiG aF erfüllen, nicht aber den Tatbestand der Haustürgeschäfterichtlinie.
Eine Ausdehnung der richtlinienkonformen Auslegung über den Bereich
der Verbraucherverträge hinaus auf den großen Bereich der Verträge zwischen
Unternehmern und zwischen Verbrauchern, über die hier zu entscheiden ist,
wurde auch in jener Entscheidung nicht vorgenommen.
24 (1) Bei dem Nacherfüllungsanspruch aus § 439 Abs. 1 BGB handelt es sich
nach der gesetzgeberischen Konzeption der Schuldrechtsreform um eine
Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs aus § 433 Abs. 1 BGB (BT-Drucks.
14/6040, S. 221). Bei der in § 439 Abs. 1 BGB als eine der beiden
Alternativen der Nacherfüllung vorgesehenen Lieferung einer mangelfreien
Sache decken sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers, wie schon aus der
gesetzlichen Formulierung hervorgeht, der Nacherfüllungsanspruch und der
ursprüngliche Erfüllungsanspruch hinsichtlich der vom Verkäufer geschuldeten
Leistungen; es ist lediglich anstelle der ursprünglich gelieferten
mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie - im Übrigen aber
gleichartige und gleichwertige - Sache zu liefern. Die
Ersatzlieferung erfordert daher eine vollständige Wiederholung der
Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB
verpflichtet ist; der Verkäufer schuldet nochmals die Übergabe des Besitzes
und die Verschaffung des Eigentums einer mangelfreien Sache - nicht weniger,
aber auch nicht mehr. Denn mit der Nacherfüllung soll nach der
gesetzgeberischen Konzeption der Schuldrechtsreform lediglich eine
nachträgliche Erfüllung der Verkäuferpflichten aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB
durchgesetzt werden; der Käufer soll mit der Nacherfüllung das erhalten, was
er vertraglich zu beanspruchen hat (BT-Drucks.
aaO; Senatsurteile vom 15. Juli 2008 -
VIII ZR 211/07, aaO Rn. 18 mwN; vom 13.
April 2011 - VIII ZR 220/10, aaO Rn. 49).
25 Ist demnach die Nacherfüllung darauf beschränkt, die nach § 433 Abs. 1
Satz 2 BGB vom Verkäufer geschuldete Erfüllung im zweiten Anlauf zu
bewerkstelligen, bewahrt sie den Käufer einer mangelhaften Sache
nicht ohne Weiteres vor jedweden Vermögensnachteilen. Denn
nach dem kaufrechtlichen Gewährleistungssystem der §§ 434 ff. BGB sind über
das Erfüllungsinteresse hinausgehende Vermögensnachteile, die beim Käufer
dadurch entstehen, dass dem Verkäufer die Erfüllung nicht schon beim ersten,
sondern erst beim zweiten Versuch gelingt, nach der Vorstellung des
deutschen Gesetzgebers - soweit nicht die besondere Kostenregelung des § 439
Abs. 2 BGB eingreift - nur nach den allgemeinen Regeln über den Schadens-
oder Aufwendungsersatz auszugleichen (BT-Drucks.
14/6040, S. 224 f.; Senatsurteil vom 15.
Juli 2008
- VIII ZR 211/07, aaO Rn. 22; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober
2008 - VIII ZR 304/07 und VIII ZR 65/08, beide juris). Insofern
gehören der Ausbau der mangelhaften Kaufsache und der Einbau der als Ersatz
gelieferten Sache nach nationalem deutschem Recht grundsätzlich nicht zu der
vom Verkäufer geschuldeten Nacherfüllung (Senatsurteil
vom 15. Juli 2008 - VIII ZR 211/07, aaO Rn. 19 zu den Einbaukosten;
Senatsbeschluss vom 14. Januar 2009 - VIII ZR
70/08, aaO Rn. 19 ff. zu den Aus- und Einbaukosten), sondern nur
insoweit, als sich aus Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie etwas anderes
ergibt und dies im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung des § 439 Abs. 1
Alt. 2 BGB zu berücksichtigen ist (Senatsbeschluss vom 114.
Januar 2009 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 22).
26 (2) Diese Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers über Inhalt
und Umfang der Nachlieferungspflicht gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB stimmen
nicht mit dem Verständnis des Gerichtshofs über den Umfang der
Nachlieferungspflicht gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie überein. Es
kann daher nicht angenommen werden, dass es dem Willen des deutschen
Gesetzgeber entspräche, eine so weitgehende Ausdehnung der
Nachlieferungspflicht, wie sie der Gerichtshof für den Verbrauchsgüterkauf
verbindlich vorgenommen hat, im Wege richtlinienkonformer Auslegung über den
Verbrauchsgüterkauf hinaus auch auf andere Kaufverträge zu erstrecken.
27 Zwar hat der Gesetzgeber mit der Umsetzung der
Vorgaben der Richtlinie für die Nacherfüllung in § 439 BGB eine einheitliche
Regelung für alle Kaufverträge angestrebt. Dies beruhte jedoch auf dem
dargelegten Fehlverständnis über den von der Richtlinie für den
Verbrauchsgüterkauf vorgegebenen Umfang der Nacherfüllungspflicht bei der
Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache. Deshalb spricht nichts dafür, dass
der Gesetzgeber die Nachlieferungspflicht gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB
einheitlich für alle Kaufverträge geregelt hätte, wenn ihm die spätere
Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof bekannt gewesen wäre.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der
Vorgaben der Richtlinie für die Nachlieferungspflicht auf den
Verbrauchsgüterkauf beschränkt hätte, wenn ihm damals bereits bekannt
gewesen wäre, dass der Gerichtshof der Nachlieferung einen über die
Wiederholung der Verkäuferpflichten hinausgehenden, in den Werkvertrag
hineinreichenden Inhalt zuweist (vgl. Senatsurteil vom
15. Juli 2008 - VIII ZR 211/07, aaO Rn. 25;
Senatsbeschluss vom 14. Januar 2009 - VIII ZR
70/08, aaO). Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1
Alt. 2 BGB über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auf den großen Bereich der
Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern ist daher
abzulehnen.
28 Insoweit gilt nichts anderes als hinsichtlich der Regelung in § 439 Abs.
4 BGB, deren richtlinienkonforme Reduktion der Senat ebenfalls nicht auf
alle Kaufverträge erstreckt, sondern unter Berufung auf die
Gesetzesmaterialien auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt hat (Senatsurteil
vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO). Diese Entscheidung des
Senats hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung in § 474 Abs. 2 BGB, welche
die richtlinienkonforme Einschränkung des § 439 Abs. 4 BGB auf den
Verbrauchsgüterkauf beschränkt, bestätigt.
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