Anspruch aus
Gewinnmitteilung (§ 661a BGB): Anspruchsvoraussetzungen, Begriff des
Senders; Haftung des Rechtsschutzversicherers bei zu Unrecht unterbliebener
Deckungszusage
BGH, Urteil vom 15. März
2006 - IV ZR 4/05
Fundstelle:
NJW 2006, 2548
Amtl. Leitsatz:
Der
Rechtsschutzversicherer kann aus positiver Vertragsverletzung grundsätzlich
auch für den Schaden haften, den der Versicherungsnehmer dadurch erleidet,
dass er infolge einer vertragswidrigen Verweigerung der Deckungszusage einen
beabsichtigten Rechtsstreit nicht führen kann (Fortführung von BGH,
Beschluss vom 26. Januar 2000 - IV ZR 281/98 - r+s 2000, 244).
Zentrale Probleme:
Zur Gewinnmitteilung s. zuletzt die Anm. zu
BGH NJW 2006, 230
m.w.N. Der BGH wiederholt und präzisiert seine Rechtsprechung zur
Gewinnzusage im Rahmen eines Haftungsprozesses gegen einen
Rechtsschutzversicherer, der die Finanzierung des Rechtsstreits um einen
Anspruch aus § 661a BGB verweigert hatte. Erstmals klärt der BGH deutlichg,
daß der Anspruch aus § 661a BGB nicht davon abhängt, daß der Verbraucher
etwaige in der Mitteilung verlangte Formalia (Einsendung eines
"Anforderungsscheins" oder "Probebestellung") erfüllt ha´t.
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin hielt bis zum Ende des Jahres 2001 bei der Beklagten eine
Rechtsschutzversicherung, der Allgemeinen Bedingungen für die
Rechtsschutzversicherung zugrunde lagen, die - soweit hier relevant -den ARB
1994 entsprechen. Nach § 3 (2) lit. f dieser Bedingungen (im Folgenden: AVB)
wird kein Rechtsschutz gewährt für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in
ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin- oder
vergleichbaren Spekulationsgeschäften.
Im Jahre 2001 wurden der Klägerin mehrfach Werbesendungen mit Mitteilungen
über angebliche Gewinne zugesandt, darunter das Schreiben einer Firma "N. "
vom 6. Juli 2001, in welchem die Klägerin namentlich von einem
"Losvergaben-Beauftragten" angesprochen und beglückwünscht wird. Unter der
drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift "*** 250.000,- DM-Guthaben ***"
und versehen mit den Vermerken "Beglaubigt" und "Vertraulich" heißt es
weiter:
"Sie sind Gewinnberechtigter des
250.000,00 DM-Guthabens aus der Ziehung der Klasse 2. Ihren Namen und
Adresse erhielten wir von dem Versandhaus H. die alle potentiellen
Kunden an unserer offiziellen Ziehung vom 2.07.2001 in ihrem Auftrage
teilhaben lassen.
Sie, Frau G. gehören zu den glücklichen Teilnehmern, denen wir eine gute
Nachricht übermitteln können. Wir haben auf Ihren Namen eine persönliche
Guthaben-Karte ausgestellt, mit der Sie Ihren Gewinn innerhalb der
nächsten 14 Tage abrufen sollten. Solange liegen die 250.000,00 DM für
Sie bereit.
Sollten Sie innerhalb dieser 14 Tage nicht reagieren und Ihr
Bargeld-Guthaben von 250.000,00 DM nicht abgerufen haben, indem Sie die
Guthaben-Karte zusammen mit Ihrer unverbindlichen Warenanforderung zum
Test zurücksenden, sehen wir uns veranlasst, die 250.000,00 DM in den
Jackpot fließen zu lassen.
So machen Sie es richtig:
1. Kleben Sie Ihre Guthaben-Karte auf den Guthaben-Abruf. ...
2. Suchen Sie sich in Ruhe Ware aus, die Sie unverbindlich möglichst in
Höhe von 125,- DM zum Test anfordern. Das ist zur Gewinnvergabe
unbedingt erforderlich.
3. Senden Sie Ihren ausgefüllten Anforderungsschein in dem beiliegenden
Antwort-Umschlag zurück. Halten Sie unbedingt die 14-tägige Frist ein."
Dem Schreiben lagen zahlreiche weitere Unterlagen bei, die unter anderem
auch mehrfach bestätigten, dass die Klägerin als Gewinnerin von 250.000 DM
ermittelt sei.
Mit der Behauptung, hinter dem "H. ", einer Briefkastenfirma, verberge sich
in Wahrheit die Firma A. Import-Export GmbH und Co KG (im Folgenden: Fa.
A.), die die Beschaffung und den Versand des Werbematerials veranlasst und
auch in Rechnung gestellt bekommen habe, erhob die Klägerin vor dem
Landgericht Wuppertal gegen die Fa. A. Klage auf Auszahlung von 250.000 DM.
Die Beklagte gewährte für die erste Instanz Deckungsschutz.
Mit Urteil vom 23. April 2002 wurde die Klage abgewiesen, wobei das
Landgericht den fehlenden Nachweis dafür als entscheidend ansah, dass der
Fa. A. die Gewinnanforderungskarte zugegangen war. Die Klägerin wandte sich
deshalb mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 3. Mai 2002 an die Beklagte
und verlangte Deckungsschutz für das von ihr beabsichtigte
Berufungsverfahren. Diesen verweigerte die Beklagte erstmals mit Schreiben
vom 16. Mai 2002 unter Berufung auf § 3 (2) lit. f AVB, mangelnde
Erfolgsaussichten und darauf, dass die Rechtsverfolgung der Klägerin mangels
Liquidität der beklagten Fa. A. mutwillig erscheine. Auf eine
Gegenvorstellung des Rechtsanwalts vom 21. Mai 2002 hielt die Beklagte mit
Schreiben vom 27. Mai 2002 an ihrer Leistungsablehnung fest. Mit einem
weiteren, umfangreichen Schriftsatz vom 28. Mai 2002 stellte der inzwischen
für das Berufungsverfahren von der Klägerin beauftragte neue
Prozessbevollmächtigte die seiner Auffassung nach günstigen
Erfolgsaussichten einer Berufung dar, wies die Beklagte zugleich darauf hin,
dass die Berufungsfrist am 3. Juni 2002 ablaufe und er dazu neige, der
Klägerin für den Fall, dass die Beklagte Versicherungsschutz nicht gewähre,
von der Durchführung des Berufungsverfahrens auf eigene Kosten abzuraten.
Darauf teilte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Mai 2002 mit, sie könne
insbesondere wegen der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung gegen die
vermögenslose Schuldnerin keine Deckung gewähren. Das nachfolgende letzte
Leistungsablehnungs-schreiben der Beklagten vom 16. Juli 2002 enthielt -
ebenso wie die vorangegangenen Schreiben der Beklagten - keinen Hinweis auf
die Möglichkeit des Schiedsgutachterverfahrens nach § 18 AVB. Die Klägerin
legte keine Berufung gegen die Klagabweisung ein.
Am 1. Juni 2004 wurde über das Vermögen der Fa. A. das Insolvenzverfahren
eröffnet.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die
Beklagte ihr wegen der Deckungsverweigerung Schadensersatz zu leisten habe,
hilfsweise Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 127.822,97 € (250.000 DM).
Nach Abweisung der Klage in den Vorinstanzen verfolgt die Klägerin ihr
Begehren mit der Revision weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht meint, der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil
die Klägerin von vorn herein in der Lage gewesen sei, ihren
Schadensersatzanspruch zu beziffern. Damit entfalle ihr
Feststellungsinteresse.
Der hilfsweise gestellte Zahlungsantrag sei unbegründet.
Zwar komme eine Haftung des Rechtsschutzversicherers aus positiver
Vertragsverletzung hier grundsätzlich in Betracht. Der Leistungsausschluss
in § 3 (2) lit. f AVB erfasse auch nicht den von der Klägerin gegen die Fa.
A. erhobenen Anspruch aus § 661a BGB, der nicht im Zusammenhang mit Spiel-
oder Wettverträgen, Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften
stehe. Die Beklagte müsse sich zudem so behandeln lassen, als habe sie das
Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin anerkannt, könne sich also nicht auf
Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung oder mangelnde Erfolgsaussichten der
beabsichtigten Rechtsverfolgung berufen. Das ergebe sich daraus, dass sie
bei der Leistungsablehnung entgegen § 158n Satz 2 VVG nicht auf die
Möglichkeit des Schiedsgutachterverfahrens nach § 18 AVB hingewiesen habe (§
158n Satz 3 VVG).
Der Schadensersatzanspruch scheitere aber daran, dass die Klägerin keinen
Anspruch gegen die Fa. A. gehabt habe, ihr durch die nicht durchgeführte
Berufung also kein Schaden entstanden sei.
Die Klägerin habe schon die Erfüllung der in der Gewinnzusage genannten
Bedingungen (unverbindliche Anforderung von Waren, Übersendung des mit der
so genannten Guthaben-Karte beklebten Anforderungsscheins an die Versenderin
der Gewinnzusage) nicht nachgewiesen und damit nicht die Voraussetzungen für
eine Gewinnauszahlung geschaffen.
Die Fa. A. sei auch nicht Sender der Gewinnmitteilung im Sinne des § 661a
BGB. Sender sei, wen der durchschnittliche Verbraucher bei Empfang einer
Gewinnzusage als Versprechenden ansehe. Dabei kämen auch solche Unternehmer
in Betracht, die unter nicht existierenden oder falschen Namen, Firmen,
Geschäftsbezeichnungen oder Anschriften handelten. Demgegenüber komme es
nicht darauf an, dass der Sender ein Interesse an dem Geschäft habe, das
durch die Gewinnmitteilung gefördert werden solle. Hier habe die "N. die
250.000 DM Gewinn zugesagt, der Anforderungsschein sei an die Firma "H. " zu
senden gewesen. Danach habe ein durchschnittlicher Verbraucher nicht die Fa.
A. als Versender der Gewinnzusage ansehen können. Dass sie Verfasser oder
Veranlasser der Gewinnzusagen gewesen sei und unter fremdem oder falschem
Namen gehandelt hätte, sei nicht nachgewiesen. Es könne nicht davon
ausgegangen werden, dass die Fa. A. unter den Namen "N. " oder "H. gehandelt
habe und diese rechtlichen Gebilde, auf deren Rechtsform es insoweit nicht
ankomme, nicht existierten. Unerheblich sei, ob die Fa. A. mittels
Service-Rufnummern und Abrechnungen Dienstleistungen für die Firma "H. "
erbracht habe, denn auch das mache sie noch nicht zum Sender der
Gewinnzusagen.
Ob die Klägerin ein Mitverschulden an der Schadensentstehung treffe und wie
sich die Insolvenz der Fa. A. auf einen Schadensersatzanspruch gegen den
Rechtsschutzversicherer ausgewirkt hätte, könne offen bleiben.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
1. Soweit das Berufungsgericht den Feststellungsantrag als unzulässig
ansieht, weil der Klägerin eine bezifferte Leistungsklage möglich gewesen
wäre, widerspricht das der Rechtsprechung des Senats zur Zulässigkeit der
Feststellungsklage bei gleichzeitig möglichem Leistungsantrag, wenn ein
großes Versicherungsunternehmen beklagt ist (vgl. zuletzt Urteil vom 16.
Februar 2005 - IV ZR 18/04 - VersR 2005, 629 unter II 1 m.w.N.).
Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn ein Kläger
dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen könnte, jedoch besteht
keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der
Leistungsklage. Vielmehr bleibt die Feststellungsklage dann zulässig, wenn
ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine
sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten
lässt (BGH aaO und Urteile vom 4. Dezember 1986 - III ZR 205/85 - BGHR ZPO §
256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 2; vom 5. Februar 1987 - III ZR 16/86 -
BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 4, jeweils m.w.N.; vom 21.
Februar 1996 - IV ZR 297/94 -NJW-RR 1996, 641 unter I). Das ist insbesondere
dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie
werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen
Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung
gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (BGH, Urteil vom 28. September 1999
- VI ZR 195/98 - VersR 1999, 1555 unter II 1 b, cc; vgl. auch BGH, Urteil
vom 17. Juni 1994 - V ZR 34/92 - NJW-RR 1994, 1272 unter II 2 b). Das hat
der Bundesgerichtshof bereits mehrfach angenommen, wenn es sich bei der
beklagten Partei um eine Bank (BGH, Urteile vom 30. April 1991 - XI ZR
223/90 - NJW 1991, 1889 unter 1; vom 30. Mai 1995 - XI ZR 78/94 -NJW 1995,
2219 unter A II 1 - insofern in BGHZ 130, 59, 63 nicht abgedruckt; vom 5.
Dezember 1995 - XI ZR 70/95 - NJW 1996, 918 unter II 1), eine Behörde (BGH,
Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118 unter 3 c) oder -
wie hier - um ein großes Versicherungsunternehmen (BGH, Urteile vom 16.
Februar 2005 aaO und vom 28. September 1999 aaO unter II 1 b, cc) handelt.
Umstände, die hier die genannte Erwartung erschüttern könnten, sind nicht
ersichtlich.
2. Den hilfsweise gestellten Leistungsantrag hat das Berufungsgericht mit
rechtlich unzutreffender Begründung zurückgewiesen.
a) Es geht zunächst allerdings zutreffend davon aus, dass hier grundsätzlich
eine Haftung des Rechtsschutzversicherers aus positiver Vertragsverletzung
in Betracht kommt. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, ein
Rechtsschutzversicherer könne insoweit bestenfalls bis zur Höhe seines
Leistungsversprechens aus dem Versicherungsvertrag, d.h. maximal in Höhe der
geschuldeten Prozesskostenerstattung, haften, hat der Senat bereits im
Beschluss vom 26. Januar 2000 (IV ZR 281/98 - r+s 2000, 244 = NJW-RR 2000,
690 f., insoweit gegen OLG Frankfurt r+s 2000, 242 ff.) ausgesprochen,
der Rechtsschutzversicherer könne auch für den Schaden haften, den der
Versicherungsnehmer erleidet, wenn er mangels Deckungszusage einen
beabsichtigten Rechtsstreit nicht führen kann (ebenso - für den
Verzugsschadensersatz - OLG Frankfurt VersR 1998, 357, 359 f.).
Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrunde der
Rechtsschutzversicherer das von der Revisionserwiderung angenommene
Haftungsprivileg genießen sollte. Denn auch wenn sich das übernommene Risiko
zunächst auf die Prozesskosten beschränkt, die Realisierbarkeit einer auf
dem Rechtswege verfolgten Forderung deshalb nicht unmittelbarer Gegenstand
des Versicherungsschutzes ist, besagt das noch nichts für den Umfang
möglicher Schadensersatzansprüche bei einer Leistungsverweigerung, die unter
Verletzung der vertraglichen Pflichten des Rechtsschutzversicherers erfolgt.
Das im Rahmen des Schadensersatzanspruchs zu berücksichtigende
Erfüllungsinteresse geht häufig über den Wert des mit der vertraglichen
Hauptleistungsverpflichtung geschuldeten Gegenstandes hinaus. Der
geschädigte Gläubiger ist aber im Falle einer schuldhaften Leistungsstörung
so zu stellen, wie wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte (vgl.
beispielsweise BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 - VIII ZR 362/96 - NJW 1998,
2901 unter II 2; BGHZ 126, 131, 133 f.). Insoweit unterscheidet sich der
Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht von anderen Verträgen.
b) Auch den Einwand, die Beklagte sei nach § 3 (2) lit. f AVB leistungsfrei,
hat das Berufungsgericht zutreffend damit beantwortet, dass der von der
Klägerin im Vorprozess erhobene Anspruch aus § 661a BGB kein vertraglicher
Anspruch im Sinne der Klausel ist und auch nicht mit einem Spiel- oder
Wettvertrag, Termin- oder Spekulationsgeschäft in ursächlichem Zusammenhang
steht, wie das der Leistungsausschluss voraussetzt. Er beruht vielmehr auf
einer einseitigen schuldrechtlichen Verpflichtung des Mitteilenden (vgl.
dazu Sprau in Palandt, BGB 65. Aufl. § 661a Rdn. 1). Der Anspruch fällt
damit nicht unter die Ausschlussklausel (vgl. auch Armbrüster in Prölss/Martin,
VVG 27. Aufl. § 3 ARB 94 Rdn. 14; Harbauer, ARB 7. Aufl. § 3 Rdn. 12). Auch
die Revisionserwiderung eruiert insoweit nichts.
c) Das Berufungsgericht hat schließlich zu Recht angenommen, die Beklagte
könne sich nicht mit Erfolg auf Mutwilligkeit oder mangelnde Erfolgsaussicht
der von der Klägerin in zweiter Instanz des Vorprozesses beabsichtigten
Rechtsverfolgung nach §§ 18 Abs. 1 AVB, 158n Satz 1 VVG berufen, weil ihre
sämtlichen Leistungsablehnungsschreiben keinen Hinweis auf das
Schiedsgutachterverfahren (§ 158n Satz 3 VVG, § 18 Abs. 2 AVB) enthielten.
d) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt,
die Klägerin habe deshalb keinen Schaden erlitten, weil sie keinen Anspruch
gegen die Fa. A. auf Erfüllung der Gewinnzusage gehabt habe, ist hingegen
nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Die Revision wendet sich zu Recht gegen die Annahme, der Anspruch aus
§ 661a BGB scheitere schon daran, dass die Klägerin die in der Gewinnzusage
geforderten Mitwirkungshandlungen als Voraussetzungen für die
Gewinnauszahlung nicht nachgewiesen habe. Die Werbesendung vom 6. Juli
2001 war - was eine Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung im Sinne des
§ 661a BGB kennzeichnet (vgl. dazu BGH, Urteil vom
19. Februar 2004 - III ZR 226/03 - NJW 2004, 1652 unter II 2 c) -
nach Inhalt und Gestaltung abstrakt geeignet, bei einem durchschnittlichen
Verbraucher in der Lage des Empfängers den Eindruck zu erwecken, er werde
einen bereits gewonnenen Preis erhalten. Dass die Gewinnauszahlung noch von
einer Warenbestellung abhängig gemacht wurde, ändert an der Qualifikation
der Werbesendung als Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB nichts (vgl.
Lorenz, NJW 2000, 3305, 3306).
(1) § 661a BGB zielt gegen die verbreitete und wettbewerbsrechtlich
unzulässige Praxis, Verbraucher durch die Mitteilung von angeblichen
Gewinnen zur Bestellung von Waren zu veranlassen (vgl.
BGHZ 153, 82, 90 m.w.N. aus den
Gesetzesmaterialien; BGH, Urteil vom 7. Oktober
2004 - III ZR 158/04 - NJW 2004, 3555 unter II 2 b; Lorenz, aaO).
Dieser Zweckbestimmung entspricht es, wenn der Verbraucher den Unternehmer
gemäß § 661a BGB schon dann beim Wort nehmen und die Leistung des
mitgeteilten Gewinns fordern kann, wenn er durch die Verknüpfung eines
scheinbar gewonnenen Preises mit einer "unverbindlichen Warenanforderung"
angereizt wird, Waren zu bestellen (BGHZ 153, 82,
91; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2004 aaO).
Nach dem Wortlaut des § 661a BGB entsteht der gesetzliche Anspruch auf
Auszahlung des scheinbar gewonnenen Preises bereits mit der Zusendung der
Gewinnzusage. Das entspringt der gesetzgeberischen Intention,
wettbewerbswidriges Verhalten mittels einer spürbaren zivilrechtlichen
Sanktion zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund wäre es zweckwidrig, wollte
man für die Entstehung des Anspruchs zusätzlich fordern, der Verbraucher
müsse sich so verhalten wie vom Versender der Gewinnzusage
(wettbewerbswidrig) beabsichtigt (so wohl auch Sprau in Palandt, aaO Rdn. 2
b; offen gelassen bei OLG Nürnberg NJW 2002, 3637, 3640), nämlich durch
Übersendung irgendwelcher Anforderungsunterlagen die Richtigkeit seiner
Anschrift und weiterer personenbezogener Daten zu bestätigen und außerdem
noch Waren zur Ansicht zu bestellen. Verpflichtete man den Verbraucher
insoweit zur Mitwirkung, müsste die Regelung des § 661a BGB dazu führen,
dass das wettbewerbswidrige Handeln des Senders der Gewinnzusage jedenfalls
teilweise erfolgreich bliebe.
Das haben das Berufungsgericht und auch das Schleswig-Holsteinische
Oberlandesgericht (OLGR Schleswig 2005, 120, 121) verkannt. Letzteres hat
gefordert, der Verbraucher müsse als Voraussetzung des Anspruchs aus § 661a
BGB ein "Mindestmaß an aktiver Mitwirkung" leisten, weil anderenfalls "nicht
einmal der Schein eines Eingehens auf die Mitteilung" gewahrt werde und der
Empfänger sich außerhalb des Schutzbereichs des § 661a BGB stelle.
Demgegenüber soll der Verbraucher aber schon vor der Belästigung mit
unseriösen Gewinnzusagen und nicht erst in seinem Vertrauen in die
Redlichkeit der Zusage geschützt werden. § 661a BGB schützt nicht nur den
einzelnen Verbraucher, sondern auch die Redlichkeit des Wettbewerbs. Die
Anspruchsvoraussetzungen verwirklicht der Sender allein durch unlautere
Werbemethoden, ohne dass es einer Mitwirkung des Verbrauchers (als Opfer der
unlauteren Werbemethoden) oder eines sonstigen Täuschungserfolges bedürfte
(im Ergebnis zutreffend OLG Köln, Urteil vom 16. Dezember 2002 - 16 U 54/02
- in juris dokumentiert unter Rechtsprechung der Länder; OLG Dresden VuR
2002, 187 ff.).
(2) Es kommt deshalb allein darauf an, ob die Gewinnzusage nach Inhalt
und Gestaltung abstrakt geeignet war, bei einem durchschnittlichen
Verbraucher den Eindruck zu erwecken, er werde einen bereits gewonnenen
Preis erhalten (BGH, Urteil vom 19. Februar
2004 aaO). Das war hier der Fall, denn das mit Stempeln und
Beglaubigungsvermerken versehene, um offiziellen Anschein bemühte
Schriftstück spricht davon, dass bereits eine Ziehung am 2. Juli 2001
stattgefunden habe und die Klägerin einen seither für sie bereitliegenden
Gewinn von 250.000 DM, der als "Ihr Bargeld-Guthaben" bezeichnet ist, binnen
14 Tagen "abrufen" könne.
bb) Auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Fa. A. sei nicht Sender der
Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB gewesen, trägt nicht.
Sender im Sinne des § 661a BGB ist derjenige Unternehmer, den ein
durchschnittlicher Verbraucher in der Lage des Empfängers einer Gewinnzusage
als Versprechenden ansieht. Als Sender einer Gewinnzusage nach § 661a BGB
können ferner solche Unternehmer in Anspruch genommen werden, die
Verbrauchern unter nicht existierenden oder falschen Namen, Firmen,
Geschäftsbezeichnungen oder Anschriften Gewinnmitteilungen zukommen lassen
(vgl. BGH, Urteile vom 23. Juni 2005 - III ZR 4/04 -
NJW-RR 2005, 1365 unter II
2 a; vom 7. Oktober 2004 aaO unter II 2 und vom
9. Dezember 2004 - III ZR 112/04 - NJW 2005, 827
unter II 3 b aa). Sender kann schließlich auch derjenige Unternehmer sein,
der unter fremdem Namen, d.h. unter dem Namen einer anderen - existierenden
- (natürlichen oder juristischen) Person handelt (vgl.
BGH, Urteile vom 23. Juni 2005 aaO und vom
9. Dezember 2004 aaO). Das hat das
Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, verkannt und den vom
Bundesgerichtshof entwickelten Senderbegriff nicht ausgeschöpft. Denn es hat
die Sendereigenschaft der Fa. A. unter anderem davon abhängig gemacht, dass
die "rechtlichen Gebilde" ("N. ", "H. " oder "H. "), unter denen sie nach
dem Vortrag der Klägerin aufgetreten sein sollte, in Wahrheit nicht
existierten.
Darauf kam es hier aber nicht entscheidend an. Denn entsprechend dem oben
erläuterten, weiter gefassten Senderbegriff kam hier auch in Betracht, der
Fa. A. die Versendung der Gewinnmitteilungen unter den genannten
Bezeichnungen nach den Grundsätzen des Handelns unter fremdem Namen
zuzurechnen. Nach dem von der Revision herangezogenen Vortrag der
Klägerin betrieb in Wahrheit die Fa. A. den Versandhandel, wurden die der
Klägerin zugesandten Werbeunterlagen am Firmensitz der Fa. A. in deren
Eigeninteresse erstellt und sodann auf deren Rechnung versendet.
Demgegenüber habe es sich bei den in der Gewinnmitteilung genannten Firmen
um Schein- oder Briefkastenfirmen gehandelt, die noch nicht einmal über
Rufnummern verfügt hätten. In Wahrheit habe allein die Fa. A. die in den
Werbeunterlagen genannten Telefonnummern über Call-Center bereitgestellt.
Diesem mit zahlreichen Beweisantritten unterlegten Vorbringen hätte das
Berufungsgericht nachgehen müssen.
e) Wegen der Höhe des der Klägerin möglicherweise entstandenen Schadens
bedarf die Sache neuer tatrichterlicher Verhandlung.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, ein Anspruch gegen die Fa. A. sei auch
schon zur Zeit der Leistungsablehnung im Mai/Juni 2002 nicht mehr zu
realisieren gewesen, weil die Fa. A. schon lange vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens im Juni 2004 zahlungsunfähig gewesen sei. Insoweit sei
der Klägerin letztlich kein Schaden daraus entstanden, dass das
Berufungsverfahren im Vorprozess nicht mehr durchgeführt worden sei. Das hat
das Berufungsgericht bisher nicht geklärt.
f) Von seinem Rechtsstandpunkt aus ebenfalls folgerichtig hat das
Berufungsgericht bisher auch nicht geprüft, ob die Klägerin, sollte sie
einen Schaden erlitten haben, ein Mitverschulden an dessen Entstehung
deshalb trifft, weil sie es versäumt hat, gegen das erstinstanzliche Urteil
im Vorprozess zur Fristwahrung Berufung einzulegen.
Der Senat kann aufgrund des derzeitigen Sachstandes nicht entscheiden, ob
ein Mitverschulden hier zur Ablehnung oder Kürzung eines
Schadensersatzanspruchs der Klägerin führt.
(1) Er hat zwar im Beschluss vom 26. Januar 2000 (aaO) ausgesprochen, der
Mitverschuldenseinwand nach BGB § 254 führe zu einem Wegfall der
Ersatzpflicht des Rechtsschutzversicherers, wenn der Versicherungsnehmer
erst einen Monat vor Ablauf einer prozessualen Frist (dort der Frist nach §
12 Abs. 3 VVG) Deckungsschutz beantragt und den Rechtsschutzversicherer
nicht ausdrücklich auf den drohenden Ablauf der Klagefrist hingewiesen und
ihm nicht mitgeteilt habe, dass er ohne Deckungsschutz keine Klage erheben
werde.
So liegt der Fall hier aber nicht. Vielmehr haben die
Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin von Anfang an auf den Ablauf der
Berufungsfrist und danach darauf hingewiesen, man werde der Klägerin von
einer Führung des Berufungsverfahrens auf eigene Kosten abraten, wenn eine
Deckungszusage ausbleibe. Die Dringlichkeit des Begehrens der Klägerin und
der aus ihrer Sicht drohende Rechtsverlust lagen damit offen zutage.
(2) Für den Mitverschuldenseinwand trägt die Beklagte als Schädiger die
Darlegungs- und Beweislast. Die Beweislastumkehr aus § 6 Abs. 3 VVG für die
Verschuldens- und Kausalitätsfrage kommt ihr insoweit nicht zugute (vgl.
Senatsurteil vom 16. November 2005 - IV ZR 120/04 - VersR 2000, 215 unter II
2 c).
Als Geschädigte war die Klägerin im Übrigen grundsätzlich nicht
verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder
gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16.
November 2005 aaO; vom 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 -NJW 2002, 2553 unter
A II 3 b m.w.N.). Eine solche Pflicht kann im Rahmen des § 254 BGB
allenfalls dann und auch nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn der
Geschädigte über ausreichende eigene Mittel verfügt oder sich einen
entsprechenden Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und dabei durch
die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus
belastet wird (vgl. dazu BGH aaO mit Hinweis auf MünchKomm-BGB/Oetker, 4.
Aufl. § 254 Rdn. 97, 99 m.w.N.). Auch für die Möglichkeit und Zumutbarkeit
einer derartigen Kreditaufnahme ist primär der Schädiger darlegungspflichtig
(BGH aaO). |