Begriff des "Senders"
von Gewinnmitteilungen (§ 661a BGB) und Handeln unter fremden Namen
BGH, Urteil vom 7. Oktober
2004 - III ZR 158/04
Fundstelle:
NJW 2004, 3555
Zentrale Probleme:
Die Fragen der internationalen Zuständigkeit
bei der Klage aus Gewinnmitteilungen ist mittlerweile im Ergebnis geklärt
(s. dazu EuGH Urteil v. 11.7.2002 Rs. C-96/00
"Gabriel",
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.2.2002, 8 U 228/01 sowie
NJW 2003, 426 = BGHZ 153, 82). Bei der Frage
nach dem anwendbaren Recht behilft sich der BGH in den bisher entschiedenen
noch mit einer nachträglichen konkludenten Rechtswahl im Prozeß (Art. 27
EGBGB). Auch die Verfassungsmäßigkeit ist geklärt (s. BGH
NJW 2003, 3620 sowie s. Beschl. des BVerfG v. 5.1.2004 - 1 BvR 2518/03 = NJW 2004,
762 (im Volltext unter
www.bverfg.de/entscheidungen/ rk20040105_1bvr251803.html).
Bei den jüngsten Entscheidungen geht es jetzt um die materiellrechtlichen
Probleme von § 661a BGB (s. dazu BGH NJW 2004, 1652).
Das Hauptproblem für die tatsächliche Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs
ist freilich, daß der Schuldner meist eine (ausländische) juristische Person
ist. Vorliegend geht es um die Frage, wer "Sender" einer Gewinnmitteilung
bei einer "Verschachtelung" von juristischen Personen ist. Von allgemeinem
Interesse ist dabei über den - überaus komplizierten - Sachverhalt hinaus,
daß der BGH jedenfalls im Fall des Gebrauchs des Namen seiner nicht
existenten (juristischen) Person den tatsächlichen Veranlasser der Absendung
als "Sender" i.S.v. § 661a BGB ansehen will (s. dazu jetzt auch
BGH NJW 2005, 827). Mit dem in
BGH NJW 2004, 3039 behandelten Problem der
Durchgriffshaftung hat dies freilich nichts zu tun.
S. auch die die Anm. zu LG Braunschweig v.
10.1.2002 - 10 O 2753/00 sowie BGH NJW
2003, 426 ff; s. ferner OLG Dresden v. 19.12.2001, 8 U 2256/01
sowie BGH v. 15.3.2006 - IV ZR 4/05. Zur Internationalen Zuständigkeit s.
auch
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.2.2002, 8 U 228/01.
Zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten s.
BGH NJW-RR 2001, 1574.
Zur Verfassungskonformität von § 661a BGB s. BGH
NJW 2003, 3620.
©sl 2004
Amtl. Leitsätze:
1. "Sender" einer Gewinnmitteilung im
Sinne des § 661a BGB ist derjenige Unternehmer, den ein durchschnittlicher
Verbraucher in der Lage des Empfängers einer Gewinnzusage als Versprechenden
ansieht.
2. Als "Sender" können nach § 661a BGB auch solche Unternehmer in Anspruch
genommen werden, die Verbrauchern unter nicht existierenden oder falschen
Namen, Firmen, Geschäftsbezeichnungen oder Anschriften Gewinnmitteilungen
zukommen lassen.
Tatbestand:
Im August 2001 erhielt der Kläger einen Katalog von "C. Versand" und ein
Schreiben der "V.B. - und F. E.G.", wonach er bei einer vom "C.Versand"
veranstalteten "ZIEHUNG" "Gewinner" in der "Gewinn-Kategorie 125.000 DM"
sei. Dem Kläger wurde in einem "Teilnahme-Zertifikat" angeboten, am 21.
September 2001 abgeholt zu werden, um den Gewinn "mit dem C.Versand" zu
feiern. Entsprechend der in dem Schreiben gegebenen Anleitung sandte er am
4. September 2001 die "Unverbindliche Warenanforderung zum Test" und das
"Teilnahme-Zertifikat" an C.Versand 403/404 P. 201 NL-7080 GB G.
"C. Versand" zahlte den versprochenen Gewinn nicht. Dem Kläger wurden die
bestellten Waren von dem "C.Versand Warenauslfg.- Lager 40815 M." übersandt;
gemäß einem beigefügten Überweisungsträger sollte der Rechnungsbetrag auf
ein Konto der Beklagten "wg. C. Versand" gezahlt werden.
Für "C.Versand" besteht in G. /N. lediglich das vorgenannte Postfach; die
Firma ist im dortigen Handelsregister nicht eingetragen. Eine "C. Versand
S.L." ist in dem Handelsregister von S. C. de T. /S. eingetragen.
Die Beklagte führte laut Gewerberegister der Stadt M. die Firmenbezeichnung
"E. -E. C. GmbH C. Versand"; im Handelsregister war als Firma der Beklagten
hingegen "E. -E. C. GmbH" eingetragen.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung des versprochenen Gewinns in Höhe
von 63.911,49 € (= 125.000 DM) nebst Zinsen in Anspruch. "C.Versand" sei
kein selbständiges und von der Beklagten verschiedenes Rechtssubjekt. Hinter
dieser Bezeichnung verberge sich vielmehr die Beklagte. Für die Haftung nach
§ 661a BGB komme es im übrigen nur darauf an, von wem der Verbraucher die
mit dem Gewinnversprechen beworbenen Waren erhalten habe und an wen der
Kaufpreis zu zahlen sei. Hier sei die Lieferung aus M. gekommen, wo die
Beklagte ihren Sitz gehabt habe; die Beklagte sei auch Empfängerin der
Zahlung gewesen.
Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe eine Zusendung erhalten, die den Eindruck erwecke, er habe
einen Preis in Höhe von 125.000 DM gewonnen. Er könne die Beklagte aber
daraus nicht nach § 661a BGB in Anspruch nehmen, weil sie nicht als
"Versender" der Gewinnzusage anzusehen sei. Die Beklagte sei nicht
hervorgetreten als diejenige, die einen Gewinn zugesagt habe. Zwar könne
neben demjenigen, der aus der Sicht des Verbrauchers der Versprechende sei,
jedenfalls auch derjenige haften, der sich hinter der nach außen in
Erscheinung tretenden, tatsächlich aber nicht existierenden Person verberge;
er veranlasse in diesem Sinne (scheinbar) deren Versprechen, das aber
tatsächlich sein eigenes sei. Es sei aber nicht festzustellen, daß die
Beklagte sich des "C. Versand" als eines fiktiven Konstrukts bedient habe
und tatsächlich Identität zwischen der Beklagten und "C.Versand" bestehe.
Der Kläger sei insoweit beweisfällig geblieben.
Es sei nicht substantiiert dargetan, daß die Beklagte den rechtlich als
existent angenommenen "C.Versand" zu den Gewinnzusagen veranlaßt habe.
II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.
Der Kläger kann von der Beklagten nicht Zahlung von 63.911,49 € nebst Zinsen
verlangen. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 661a BGB in Betracht.
Danach hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare
Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser
Zusendungen den Eindruck erweckt, daß der Verbraucher einen Preis gewonnen
hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten.
1. Das Berufungsgericht hat das Schreiben der "V. B. und F.E.G.", wonach der
Kläger "Gewinner" in der "Gewinn-Kategorie 125.000 DM" einer vom "C.
Versand" veranstalteten "ZIEHUNG" sei, als eine solche Gewinnzusage
qualifiziert. Das nimmt die Revision als ihr günstig hin und läßt
Rechtsfehler nicht erkennen.
2. Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheitert die Inanspruchnahme der
Beklagten nach § 661a BGB daran, daß sie die vorbezeichnete Gewinnzusage
nicht "(ge)sendet" hat. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.
a) Wer "Sender" einer Gewinnmitteilung ist, beurteilt sich zunächst -
ebenso wie die Frage, ob eine bestimmte Zusendung eine Gewinnzusage oder
vergleichbare Mitteilung im Sinne des § 661a BGB ist (vgl.
Senatsurteil vom 19. Februar 2004 - III ZR 226/03 -
NJW 2004, 1652, 1653) - aus der objektivierten Empfängersicht. "Sender"
ist derjenige Unternehmer, den ein durchschnittlicher Verbraucher in der
Lage des Empfängers einer Gewinnzusage als Versprechenden ansieht.
b) aa) Das Berufungsgericht hat gemeint, jedenfalls auch derjenige, der sich
mittels einer nach außen in Erscheinung tretenden, tatsächlich aber nicht
existierenden Person tarne und diese als Versprechende vorschiebe, müsse für
deren Gewinnversprechen nach § 661a BGB einstehen. Denn er sei in Wahrheit
derjenige, der die Gewinnzusage abgegeben habe und sich nach dem Willen des
Gesetzgebers daran festhalten lassen müsse.
Die Revision will darüber hinaus jeden als "Sender" im Sinne des § 661a BGB
ansehen, der sich an der Übermittlung der Gewinnzusage oder dem damit
regelmäßig verknüpften Versandhandelsgeschäft beteiligt und die Vorteile aus
dem durch die Gewinnzusage geförderten Warenverkehr gezogen hat. Diese
Auffassung ist indes zu weitgehend; sie wäre mit dem Wortlaut des § 661a BGB
nicht mehr zu vereinbaren.
bb) Mit der Einführung des § 661a BGB wollte der Gesetzgeber einer
verbreiteten und wettbewerbsrechtlich unzulässigen Praxis entgegenwirken,
daß Unternehmer Verbrauchern Mitteilungen über angebliche Gewinne
übersenden, um sie zur Bestellung von Waren zu veranlassen, die Gewinne auf
Nachfrage aber nicht aushändigen. Nach Auffassung des Gesetzgebers hatten
die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb die
unzulässigen Gewinnspiele nicht zurückgedrängt. Es erschien deshalb
erforderlich, diese Vorschriften durch zivilrechtliche - dem Vertrags- oder
dem Deliktsrecht zuzuordnende - Ansprüche zu unterlegen; der Unternehmer
sollte beim Wort genommen werden, um den Mißbrauch abzustellen (vgl.
Senatsurteile BGHZ 153, 82, 90 f und vom
16. Oktober 2003 - III ZR 106/03 - NJW 2003, 3620
f jeweils m.w.N.).
cc) Mithin standen vor allem die Fälle der Vertragsanbahnung im Mittelpunkt
der gesetzgeberischen Überlegungen. Im Wortlaut des § 661a BGB kommt das
aber nicht zum Ausdruck. Die Vorschrift knüpft die Haftung wegen
Gewinnzusage nicht an die Anbahnung oder den Abschluß eines Versandhandels-
oder anderen Geschäfts; § 661a BGB gilt ebenso bei "isolierten"
Gewinnmitteilungen (vgl. Lorenz NJW 2000, 3305, 3307). Kommt es aber für die
Inanspruchnahme wegen Gewinnzusage nicht auf die Vertragsanbahnung oder auf
einen Vertragsabschluß an, kann - andererseits - darauf auch nicht zur
Bestimmung des "Senders" abgestellt werden; erst recht nicht kann dafür
maßgeblich sein, wer gegebenenfalls bestellte Artikel liefert oder an wen
der Kaufpreis zu zahlen ist. Ein Unternehmer ist ferner nicht schon dann
"Sender" einer - aus objektiver Empfängersicht nicht von ihm stammenden -
Gewinnmitteilung, wenn er ein Interesse an dem Geschäft hat, das durch die
Mitteilung gefördert werden soll. Für eine solche Auslegung bietet § 661a
BGB schon seinem Wortlaut nach keinen Anhalt.
Im Einklang mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Handeln unter fremdem Namen)
können als "Sender" einer Gewinnzusage nach § 661a BGB auch solche
Unternehmer in Anspruch genommen werden, die Verbrauchern unter nicht
existierenden oder falschen Namen, Firmen, Geschäftsbezeichnungen oder
Anschriften Gewinnmitteilungen zukommen lassen. Denn sie sind die wahren
"Sender" der Gewinnzusage und müssen für ihr "lautes Wort" (Mankowski EWiR
2002, 873, 874) durch die Leistung des Preises einstehen. § 661a BGB zielt
gerade auf die Bekämpfung solcher Praktiken.
c) Gemessen an den vorbeschriebenen Kriterien kann die Beklagte nicht als
"Sender" der dem Kläger zugegangenen Gewinnzusage angesehen werden.
aa) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts boten
die dem Kläger im August 2001 übersandten Unterlagen - aus Sicht eines
durchschnittlichen Verbrauchers - keinen Anhalt, daß die Beklagte einen
Gewinn zugesagt hätte. In dem Schreiben traten nur "D. M. B. vereid.
Prefrentat und Bevollmächtigter" von der "V. B. - und F. E.G." und "C.
Versand" als Veranstalter der "ZIEHUNG" in Erscheinung; die Beklagte war
nirgends erwähnt. Ihr Name fiel erst später, - nach Zugang der Gewinnzusage
- nämlich bei der Angabe des Zahlungsempfängers auf dem Überweisungsträger
("E. wg. C. Versand"), den der Kläger zwecks Ausgleichs der von "C. Versand"
in Rechnung gestellten Warenlieferungen erhielt.
bb) Das Berufungsgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, daß -
entsprechend dem Vortrag des Klägers - der "C. Versand" rechtlich nicht
existiert und die Beklagte selbst unter dieser Bezeichnung die Gewinnzusage
verfaßt und "(ge)sendet" hat. Dagegen wendet sich die Revision vergeblich.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe beweisbewehrten Vortrag des
Klägers übergangen, wonach die Beklagte in ihrer Gewerbeanmeldung den Zusatz
"C. Versand" angegeben habe und sie deswegen im Gewerberegister mit der
Firmenbezeichnung "E. -E. C. GmbH C. Versand" eingetragen worden sei; diese
Eintragung sei nicht - wie von der Beklagten geltend gemacht - auf einen
Fehler der Stadtverwaltung zurückzuführen.
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers jedoch berücksichtigt.
Es hat den vom Kläger behaupteten Inhalt der Gewerbeanmeldung sowie andere
von ihm benannte Indizien für die Identität der Beklagten mit "C. Versand" -
daß "C. Versand" als Bankverbindung ein Konto der Beklagten genannt hat; daß
"C.Versand" unter der Postanschrift in den N. nicht registriert (gewesen)
ist; daß "C. Versand" ein Warenauslieferungslager in M., dem damaligen Sitz
der Beklagten, unterhalten hat - in den Blick genommen. Dem hat es das -
durch die Bescheinigung des Handelsregisters in S. C. de T. sowie durch den
zwischen "C. Versand S.L." und der Beklagten geschlossenen schriftlichen
Inkassovertrag erhärtete - Vorbringen der Beklagten, "C. Versand" sei eine
von ihr verschiedene juristische Person, mit der sie in laufender
Geschäftsbeziehung stehe, gegenübergestellt. Seine Schlußfolgerung, es sei
nicht festzustellen, daß sich die Beklagte des "C. Versand" als eines
fiktiven Konstrukts bedient habe und tatsächlich Identität zwischen ihr und
"C. Versand" bestehe, hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens;
sie ist im Revisionsverfahren hinzunehmen.
cc) Was gelten würde, wenn der "C. Versand" zwar rechtlich selbständig
gewesen, aber von der Beklagten beherrscht und zur Versendung von
Gewinnzusagen benutzt worden wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden. Das
Berufungsgericht hat - unbeanstandet von der Revision - eine gesellschafts-
oder firmenrechtliche Verbindung zwischen der Beklagten und "C. Versand"
nicht festgestellt und ausgeführt, es fehle an ausreichendem Sachvortrag,
daß die Beklagte den "C. Versand" zu seinen Gewinnzusagen veranlaßt habe.
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