(Keine) Eigenhaftung des
Geschäftsführers einer (französischen) GmbH für Gewinnmitteilungen (§ 661a
BGB) – Geschäftsführung der GmbH und Unternehmerbegriff (§ 14 BGB)
BGH, Urteil vom 15. Juli
2004 - III ZR 315/03
Fundstelle:
NJW 2004, 3039
Amtl. Leitsatz:
Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (hier: einer s.a.r.l. französischen Rechts) haftet
nicht nach § 661a BGB persönlich für die Erfüllung einer von der
Gesellschaft versandten Gewinnzusage oder vergleichbaren Mitteilung.
Zentrale Probleme:
Die Fragen der internationalen Zuständigkeit
bei der Klage aus Gewinnmitteilungen ist mittlerweile im Ergebnis geklärt
(s. dazu EuGH Urteil v. 11.7.2002 Rs. C-96/00
"Gabriel",
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.2.2002, 8 U 228/01 sowie
NJW 2003, 426 = BGHZ 153, 82). Bei der Frage
nach dem anwendbaren Recht behilft sich der BGH in den bisher entschiedenen
noch mit einer nachträglichen konkludenten Rechtswahl im Prozeß (Art. 27
EGBGB), s. nunmehr aber BGH v. 1.12.2005 -
III ZR 191/03. Auch die Verfassungsmäßigkeit ist geklärt (s. BGH
NJW 2003, 3620 sowie s. Beschl. des BVerfG v. 5.1.2004 - 1 BvR 2518/03 = NJW 2004,
762 (im Volltext unter
www.bverfg.de/entscheidungen/ rk20040105_1bvr251803.html).
Bei den jüngsten Entscheidungen geht es jetzt um die materiellrechtlichen
Probleme von § 661a BGB (s. dazu BGH NJW 2004, 1652).
Das Hauptproblem für die tatsächliche Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs
ist freilich, daß der Schuldner meist eine (ausländische) juristische Person
ist. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob der Geschäftsführer der
jur. Person in Anspruch genommen werden kann. Der BGH verneint dies anhand
des Unternehmerbegriffs des § 14 BGB, der auch unter § 661a BGB nicht
ausgeweitet werden kann. Zum Problem des Handelns unter falschem Namen s.
BGH, Urteil vom 7. Oktober 2004 - III ZR 158/04.
S. auch die die Anm. zu LG Braunschweig v.
10.1.2002 - 10 O 2753/00 sowie BGH NJW
2003, 426 ff; s. ferner OLG Dresden v. 19.12.2001, 8 U 2256/01.Zur Internationalen Zuständigkeit s.
auch
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.2.2002, 8 U 228/01.
Zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten s.
BGH NJW-RR 2001, 1574.
Zur Verfassungskonformität von § 661a BGB s. BGH
NJW 2003, 3620.
©sl 2004
Tatbestand:
Der Beklagte zu 2 ist der Geschäftsführer der an dem Revisionsverfahren
nicht beteiligten Beklagten zu 1, einer in Frankreich ansässigen
Versandhandelsgesellschaft (s.a.r.l.).
Die Beklagte zu 1 übersandte dem Kläger im Juni 2001 einen "Einlöse-Scheck"
über einen "Jackpot-Gewinn von: 60.000,- DM" sowie ein Schreiben, das dem
Anschein nach "A. B. (Direktions-Assistentin)" unterschrieben hatte und in
dem es unter anderem hieß:
"Betrifft: Jackpot-Gewinn von 60.000,- DM.
Letzter Aufruf zur Gewinn-Anforderung
Herr M. ! (= Kläger)
60.000,- DM liegen sicher in
unserem Safe der Finanzbuchhaltung
und warten auf Auszahlung!
Ja, lieber Herr M. ,
es stimmt: der Bargeld-Gewinn in Höhe von 60.000,- DM liegt noch immer
in unserem Safe.
Warum fordern Sie Ihren Gewinn nicht an, lieber Herr M. ? Ich hatte
Ihnen doch schon am 11.06.2001 Ihren Gewinn-Scheck zugeschickt! …
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch unser heutiges Angebot ans
Herz legen. Für Süßes hat man doch eigentlich immer Verwendung und wenn
mal überraschend Besuch kommt, ist es gut, wenn man noch eine Schachtel
Pralinen oder eine Packung Gebäck im Schrank hat, oder? …"
Der Kläger
übersandte der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 27. Juni 2001 den mit der
"Einlöse-Marke" versehenen "Einlöse-Scheck". Die Beklagte zu 1 zahlte den
angeblichen Gewinn von 60.000 DM nicht.
Im August 2001 erhielt der Kläger von der Beklagten zu 1 eine "Offizielle
Gewinnerliste", die ihn als "Gewinner" eines "Gewinnbetrag(es)" von 50.000
DM "Status: noch nicht ausbezahlt!" auswies, ferner ein Schreiben, das -
auszugsweise - lautete:
"WENN
SIE UNSER GEWINNER SIND, WERDEN WIR FOLGENDES VERÖFFENTLICHEN:
DRINGENDE NACHRICHT FÜR D. M.
SIE HABEN 50.000,- DM IN BAR GEWONNEN!
ES ERGEHT DIE DRINGENDE AUFFORDERUNG ZUM ABRUF IHRES
BARGELD-GEWINNS!
Herr M. , 50.000,- DM in bar gehören Ihnen!
Der Scheck über den vollen Betrag liegt für Sie bereit!
Sehr
geehrter Herr M. ,
vor einigen Wochen haben Sie die Anforderungs-Dokumente für 50.000,- DM
in bar erhalten, seitdem haben wir nichts mehr von
Ihnen gehört! …
Zwingen Sie uns nicht, Ihre 50.000,- DM an einen anderen Teilnehmer
auszuhändigen!!! …
Schauen Sie schnell in das beiliegende Angebot, das Sie sicher
überzeugen wird und schicken Sie dann Ihre kompletten Unterlagen am
besten noch heute zurück! …
Herzliche Grüße
A. B.
Direktions-Assistentin"
Mit
Anwaltsschreiben vom 20. August 2001 leitete der Kläger der Beklagten zu 1
den deren Schreiben beigefügten "Auszahlungs-Schein" über 50.000 DM zu. Die
Beklagte zu 1 zahlte nicht.
Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Zahlung von
56.242,10 € (= 110.000 DM) nebst Zinsen. Die Beklagte zu 1 habe ihm mittels
der vorgenannten Schreiben Gewinnzusagen (§ 661a BGB) über insgesamt 110.000
DM erteilt. Der Beklagte zu 2 sei wie die Beklagte zu 1 zur Erfüllung der
Gewinnzusagen verpflichtet. Als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 falle er
unter den weit zu fassenden Unternehmerbegriff des § 661a BGB.
Das Landgericht und das Berufungsgericht haben die Beklagte zu 1
antragsgemäß verurteilt und die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen.
Der Kläger verfolgt mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision
weiterhin sein Zahlungsbegehren gegen den Beklagten zu 2.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die deutschen Gerichte seien für die
Klage gegen die Beklagte zu 1 gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 14 Abs.
1 Alt. 2 und gemäß Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, BGBl.
1972 II S. 774 (im folgenden EuGVÜ) international zuständig. Im Anschluß
daran hat es stillschweigend die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte auch für die Klage gegen den Beklagten zu 2 bejaht.
Das Berufungsgericht hat eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten zu 2 aus
den als Gewinnzusagen aufgefaßten Schreiben der Beklagten zu 1 an den Kläger
verneint. Nur die Beklagte zu 1 sei gegenüber dem Kläger als Unternehmer im
Sinne des § 661a BGB aufgetreten; sie - und nicht der Beklagte zu 2 - habe
die Gewinnmitteilungen versandt.
II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.
1. Die deutschen Gerichte sind für die Klage gegen den in Frankreich
ansässigen Beklagten zu 2 international zuständig. Die Parteien legen dies
im Revisionsrechtszug einhellig zugrunde; die auch unter der Geltung des §
545 Abs. 2 ZPO n.F. von Amts wegen gebotene Prüfung der internationalen
Zuständigkeit ergibt keine durchgreifenden Bedenken (vgl.
EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-96/00 <Rudolf
Gabriel> - Slg. 2002 I 6367 Rn. 53 ff = NJW 2002, 2697, 2698 f;
Senatsurteil BGHZ 153, 82, 84 ff; weiter zur
Amtsprüfung: BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 203/02 - WM 2003, 1542,
1543; Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 414/02 - NJW 2003, 2830). Jedenfalls
bestünde bei den deutschen Gerichten der Gerichtsstand der unerlaubten
Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ; vgl. Senatsurteil aaO S. 89 ff). Der Kläger
hat den gegen den Beklagten zu 2 erhobenen Zahlungsanspruch auch auf diesen
Gesichtspunkt gestützt.
2. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 ist unbegründet.
a) Der Streitfall ist jedenfalls kraft stillschweigender Rechtswahl der
Parteien im Prozeß (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 40/03 Umdruck
S. 12 f, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ, m.w.N.) nach deutschem Recht zu
entscheiden. Die Parteien haben ihrem Vortrag übereinstimmend deutsches
Recht zugrunde gelegt.
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Zahlungsanspruch nach § 661a
BGB verneint. Nach § 661a BGB hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder
vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung
dieser Zusage den Eindruck erweckt, daß der Verbraucher einen Preis gewonnen
hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Diese Anspruchsvoraussetzungen
sind in bezug auf den Beklagten zu 2 nicht gegeben.
Zwar handelte es sich bei den Schreiben der Beklagten zu 1 vom Juni 2001 und
August 2001 nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts um "Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen", die
einem Verbraucher - hier dem Kläger - übersandt wurden und den Eindruck
erweckten, er habe einen Preis gewonnen (vgl.
Senatsurteil vom 19. Februar 2004 - III ZR 226/03 - NJW 2004, 1652, 1653).
Diesbezüglich kann der Beklagte zu 2 aber nicht nach § 661a BGB in Anspruch
genommen werden, weil er weder als "Unternehmer" noch als Versender der
Gewinnmitteilungen anzusehen ist.
aa) "Unternehmer" ist nach § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische
Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluß eines
Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen
beruflichen Tätigkeit handelt. Diese Legaldefinition ist im Fall der
Gewinnzusage (§ 661a BGB), die als einseitiges Rechtsgeschäft oder als
geschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren ist (vgl.
Senatsurteil BGHZ 153, 82, 88 m.w.N.),
zumindest entsprechend anwendbar (vgl. Palandt/Sprau, BGB 63. Aufl. 2004 §
661a Rn. 2; Erman/H. Ehmann, BGB 11. Aufl. 2004 § 661a Rn. 2; Jauernig/Mansel,
BGB 10. Aufl. 2003 § 661a Rn. 5; HK-BGB/Schulze 3. Aufl. 2003 § 661a Rn. 2;
Lorenz NJW 2000, 3305, 3306; so auch im Ergebnis Kotzian-Marggraf in
Bamberger/Roth, BGB 2003 § 661a Rn. 4; zweifelnd Münch-KommBGB/Micklitz 4.
Aufl. 2001 § 13 Rn. 47). Der Beklagte zu 2 war danach nicht Unternehmer,
weil er - soweit er als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 an den
vorgenannten Gewinnmitteilungen mitgewirkt hätte - nicht in Ausübung einer
eigenen gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt
hätte. Die Geschäftsführung einer GmbH - nichts anderes kann für die
nach dem Vorbild des deutschen GmbH-Gesetzes in das französische Recht
eingefügte s.a.r.l. gelten (vgl. Becker, Die zivilrechtliche Haftung des
Mehrheitsgesellschafters einer GmbH 2002 S. 41, 62; s. ferner zur Stellung
des Geschäftsführers <"gérant"> einer s.a.r.l. Sonnenberger, Französisches
Handels- und Wirtschaftsrecht 2. Aufl. 1991 S. 182 f) - ist keine
gewerbliche oder selbständige, sondern eine angestellte berufliche Tätigkeit
(vgl. BGHZ 133, 71, 77 f; 220, 223; 144, 370, 380; Erman/I. Saenger aaO
§ 14 Rn. 15).
bb) Der Beklagte zu 2 war auch nicht Versender im Sinne eines nach außen
erkennbaren Absenders der Gewinnzusagen (vgl. Palandt/Sprau aaO Rn. 2). Nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts sandte nicht der Beklagte zu 2,
sondern die Beklagte zu 1 die Mitteilungen über angeblich gewonnene Preise
dem Kläger zu. Der Beklagte zu 2 trat hierbei nicht in Erscheinung. Die mit
fiktiven Namen unterschriebenen Mitteilungen verwiesen allein auf die -
tatsächlich existente - Beklagte zu 1.
cc) Die Revision meint, der Begriff des "Unternehmer(s), der Gewinnzusagen
oder vergleichbare Mitteilungen … sendet", sei im Hinblick auf das Ziel des
§ 661a BGB, die unlautere Werbung mittels Vortäuschung scheinbarer Gewinne
zu unterbinden (vgl. Senatsurteil BGHZ 153, 82, 90
f m.w.N.), weiter als vorbeschrieben zu fassen. Wirkungsvoll ließen sich
unlautere Gewinnspiele nur dann zurückdrängen, wenn der aus § 661a BGB
resultierende Erfüllungsanspruch auch die natürlichen Personen treffe,
welche - hinter den Unternehmen stehend - diese Werbung organisierten.
Blieben diese Personen unbelangt, werde das gesetzgeberische Ziel verfehlt,
weil der Weg zu einer Umgehung des § 661a BGB vorgezeichnet sei: Es genüge,
die juristische Person, welche die Zahlungspflicht aus § 661a BGB treffe,
rechtzeitig zu liquidieren oder diese mit einer Mindestausstattung zu
versehen und eine Insolvenz in Kauf zu nehmen, um sodann das unlautere
Verhalten mittels einer anderen oder neu gegründeten Gesellschaft
fortzusetzen.
Diese von der Revision angestellten allgemeinen Normzwecküberlegungen, denen
kein entsprechender Tatsachenvortrag zugrunde liegt, rechtfertigen es nicht,
§ 661a BGB zu einer Haftungsnorm auszuweiten, die den Durchgriff auf den
Geschäftsführer oder Gesellschafter einer die Gewinnzusage erteilenden
Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlaubt.
c) Der Beklagte zu 2 hat dem Kläger schließlich nicht aus Garantievertrag
oder delikts- oder "schadensersatzrechtlich analog der Rechtsprechung zu §
463 Satz 1 BGB a.F." für die Erfüllung des Anspruchs aus § 661a BGB gegen
die Beklagte zu 1 einzustehen. Er hat gegenüber dem Kläger von ihm selbst
ausgehendes Vertrauen nicht in Anspruch genommen. Im Zusammenhang mit den
von seiten der Beklagten zu 1 versandten Gewinnzusagen ist er, wie bereits
erwähnt, nicht in Erscheinung getreten.
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