Erfüllungsanspruch
aus Gewinnmitteilung (§ 661a BGB): Abstrakter Maßstab für die Eignung der
Mitteilung, den Eindruck eines bereits gewonnenen Preises zu erwecken
BGH, Urteil
vom 19. Februar 2004 - III ZR 226/03 - OLG Brandenburg
Fundstelle:
NJW 2004, 1652
Amtl. Leitsatz:
Eine
Zusendung ist eine Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung im Sinne des §
661a BGB, wenn sie - nach Inhalt und Gestaltung - abstrakt geeignet ist, bei
einem durchschnittlichen Verbraucher in der Lage des Empfängers den Eindruck
zu erwecken, er werde einen - bereits gewonnenen - Preis erhalten; auf das
subjektive Verständnis der Zusendung durch den konkreten Empfänger kommt es
nicht an.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu LG Braunschweig v.
10.1.2002 - 10 O 2753/00 sowie BGH NJW
2003, 426 ff. Zur Frage der persönlichen Haftung eines Geschäftsführers
s. BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 - III ZR 315/03.
S. ferner OLG Dresden v. 19.12.2001, 8 U 2256/01
Zur Internationalen Zuständigkeit s. EuGH Urteil v. 11.7.2002 Rs. C-96/00
"Gabriel",
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.2.2002, 8 U 228/01 sowie
(auch zum anwendbaren Recht BGH v.
1.12.2005 - III ZR 191/03).
Zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten s.
BGH NJW-RR 2001, 1574.
Zur Verfassungskonformität von § 661a BGB s. BGH
NJW 2003, 3620.
Tatbestand:
Die Klägerin war Kundin der
Beklagten, einer in den Niederlanden ansässigen Versandhandelsgesellschaft.
Nach Empfang der Aufforderung einer "General-Advokatur H. ,M. & P. ", einen
Gewinn in Höhe von 20.000 DM anzufordern, und einer "BARGELD-ZUWEISUNG" über
19.958,24 DM (Gewinnsumme abzüglich angefallener "Depot-Gebühren") ging der
Klägerin ein mit der aufgedruckten Unterschrift K. B. versehenes Schreiben
der Beklagten vom 9. Oktober 2000 zu. Es lautete auszugsweise wie folgt:
"... Ich habe Ihnen
bereits am 18.09.2000 Ihren Einkommens-Bescheid geschickt, mit der
Aufforderung, die 25.000,- DM direkt bei unserer Kassenstelle abzurufen.
Es war für mich so selbstverständlich, daß Sie auf mein Schreiben sofort
antworten würden, daß ich mich nicht mehr extra bei der Kassenstelle
erkundigt habe, ob Sie den Gewinn tatsächlich ordnungsgemäß angefordert
haben ...
Man hat mich aufgefordert, den Sachverhalt schnellstens aufzuklären,
damit der Gewinn endlich ausbezahlt werden kann. Um ganz sicher zu
gehen, habe ich Ihnen daher von allen Unterlagen Zweitausfertigungen
ausstellen lassen.
Ich bitte Sie jetzt inständig, alles sorgfältig auszufüllen und
innerhalb der gesetzten Frist (vor dem 27. Oktober) zurückzuschicken
..."
Außerdem wurde die Klägerin
aufgefordert, sich "beiliegende(s) Angebot" anzuschauen und Ware
anzufordern.
Dem vorgenannten Schreiben lag eine "INTERNE ANWEISUNG" der Direktion der
Beklagten bei, in der es unter anderem hieß:
"Sehr geehrte Frau B. ,
wie Sie sich sicher noch erinnern können, erfolgte am 15. September 2000
die offizielle Ziehung zur Vergabe von 25.000,- DM an einen unserer
Kunden ...
Nun muß ich heute ... erfahren, daß die 25.000,- DM noch nicht
ausbezahlt werden können, weil ... der Gewinn-Abruf-Schein des Gewinners
noch nicht vorliegt ...
Es scheint mir nun, daß Sie nicht die nötige Sorgfalt aufgebracht haben,
Frau W. (= Klägerin) ordentlich zu benachrichtigen. Wie sonst wäre es zu
erklären, daß der Gewinn-Abruf-Schein von Frau W. bis heute nicht
vorliegt?
Bitte senden Sie Frau W. jetzt umgehend die nötigen Unterlagen zu.
Notfalls lassen Sie bitte durch die Kassenstelle Zweitausfertigungen
ausstellen, ...
Ich erwarte, daß dies jetzt mit äußerster Dringlichkeit erfolgt, damit
die 25.000,- DM umgehend ausbezahlt werden können ..."
Mit dem Schreiben vom 9.
Oktober 2000 erhielt die Klägerin außerdem die "ZWEIT-AUSFERTIGUNG" eines
auf ihren Namen lautenden "Offizielle(n) Einkommens-Bescheid(es)" und eines
"Gewinn-Abruf-Schein(es)" über jeweils 25.000 DM. Entsprechend der in dem
Schreiben gegebenen Anweisung schickte die Klägerin den unterschriebenen
"Gewinn-Abruf-Schein" zurück. Die Beklagte zahlte nicht.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte schulde ihr aufgrund einer
Gewinnzusage (§ 661a BGB) 12.782,30 € (= 25000 DM) nebst Zinsen. Die
Beklagte hat gerügt, die angerufenen deutschen Gerichte seien nicht
international zuständig.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat die Beklagte entsprechend dem Klagebegehren verurteilt.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte
weiterhin ihren Antrag, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die deutschen Gerichte seien jedenfalls nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr.
3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom
27. September 1968 (BGBl. 1972 II S. 774, im folgenden: EuGVÜ) international
zuständig.
Der Streitfall unterliege deutschem Recht.
Mit dem Schreiben vom 9. Oktober 2000 habe die Beklagte der Klägerin eine
Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB gemacht. Daß ein durchschnittlicher
Verbraucher möglicherweise davon habe ausgehen müssen, die Gewinnzusage der
Beklagten sei nicht ernstlich gemeint, sei unerheblich.
II. Das Berufungsurteil hält der
rechtlichen Prüfung stand.
1. Die deutschen Gerichte sind, was im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu
prüfen ist (vgl. Senatsurteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02 - BGHZ
153, 82, 84 ff = NJW 2003, 426 f), international zuständig. Für die auf eine
Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB gestützte Klage gegen eine (natürliche
oder juristische) Person, die, wie hier die Beklagte, in dem Hoheitsgebiet
eines Vertragsstaates des vorgenannten Übereinkommens vom 27. September 1968
ansässig ist, besteht am Wohnsitz des klagenden Verbrauchers - d.h. hier am
Wohnsitz der Klägerin in S. /Bundesrepublik Deutschland - entweder die
internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 3 Abs. 1 i.V.m.
Art. 13, 14 EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art.
5 Nr. 3 EuGVÜ, vgl. BGHZ aaO S. 87 ff). Das Übereinkommen vom 27. September
1968 ist im Streitfall noch anwendbar. Denn die Klage ist am 2. Juli 2001,
vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember
2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12/01
S. 1) zum 1. März 2002, eingereicht worden (vgl. Art. 30 Nr. 1, 66 Abs. 1,
76 der Verordnung). Die Revision nimmt die internationale Zuständigkeit der
deutschen Gerichte ausdrücklich hin.
2. Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten Zahlung von
12.782,30 € = 25 000 DM) nebst Zinsen verlangen. Anspruchsgrundlage ist §
661a BGB.
a) Der Streitfall ist jedenfalls kraft Rechtswahl der Parteien nach dem
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch zu entscheiden. Die Parteien haben ihrem
Vortrag übereinstimmend deutsches Recht zugrunde gelegt.
b) § 661a BGB ist nicht verfassungswidrig; es besteht kein Anlaß, gemäß Art.
100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
einzuholen. Auf das Senatsurteil vom 16. Oktober 2003 (III
ZR 106/03 - NJW 2003, 3620 f) und den hierzu ergangenen
Nichtannahmebeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom
5. Januar 2004 (1 BvR 2518/03) wird Bezug genommen.
c) Nach § 661a BGB hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare
Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusagen
den Eindruck erweckt, daß der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, dem
Verbraucher diesen Preis zu leisten. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts enthielt das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom
9. Oktober 2000 eine solche Gewinnzusage. Die hiergegen vorgebrachten
Revisionsrügen greifen nicht durch.
aa) Die Revision beanstandet als rechtsfehlerhaft, daß nach Auffassung des
Berufungsgerichts die äußere Gestaltung der Gewinnmitteilung keine Rolle
spiele.
Bei der Frage, ob die Zusendung eines Unternehmers an einen Verbraucher als
Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung im Sinne des § 661a BGB
aufzufassen ist, ist allerdings nicht nur auf deren Inhalt, sondern auch auf
die äußere Gestaltung abzustellen. Das ergibt sich, wie die Revision zu
Recht geltend macht, bereits aus dem Wortlaut des § 661a BGB, folgt aber
ebenso aus den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. §§ 133, 157 BGB).
Maßgeblich war mithin nicht - wie man das Berufungsgericht verstehen könnte
- allein der Inhalt des Schreibens vom 9. Oktober 2000, sondern auch dessen
äußere Erscheinung. Das ändert aber nichts daran, daß es sich bei diesem
Schreiben um eine Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung im Sinne des §
661a BGB handelt. Zu dieser Feststellung ist der Senat selbst befugt, weil
weitere tatsächliche Gesichtspunkte nicht zu erwarten sind.
bb) Für eine Gewinnzusage oder vergleichbare
Mitteilung im Sinne des § 661a BGB genügt es, ist aber auch erforderlich,
daß aus objektivierter Empfängersicht der Eindruck eines Preisgewinns
erweckt wird. Die Zusendung muß - nach Inhalt und Gestaltung - abstrakt
geeignet sein, bei einem durchschnittlichen Verbraucher in der Lage des
Empfängers den Eindruck zu erwecken, er werde einen - bereits gewonnenen -
Preis erhalten (vgl. OLG Saarbrücken OLGReport 2003, 55, 60; Jauernig/Mansel,
BGB 10. Aufl. 2003 § 661a Rn. 4; Palandt/Sprau, BGB 63. Aufl. 2004 § 661a
Rn. 2; Schulze in HK-BGB 3. Aufl. 2003 § 661a Rn. 2; Lorenz NJW 2000, 3305,
3306; Leible IPRax 2003, 28, 30; Schneider, BB 2002, 1653, 1654). Auf das
subjektive Verständnis der Zusendung durch den konkreten Empfänger kommt es
hingegen nicht an. Es ist nicht erforderlich, daß der Empfänger dem
Schreiben tatsächlich Glauben schenkt. Auch der Verbraucher, der die
Gewinnzusage als bloßes Werbemittel durchschaut oder durchschauen könnte,
kann - entgegen der Auffassung der Revision - nach § 661a BGB die Leistung
des (angeblich) gewonnenen Preises verlangen; § 116 Satz 2 BGB findet
insoweit keine Anwendung. Das legt schon der Wortlaut des § 661a BGB nahe,
der nur auf die Gestaltung der Zusendung abstellt und gerade nicht auf die
Vorstellung des einzelnen Verbrauchers. Käme es auf letztere an, würde vor
allem das Ziel des Gesetzgebers verfehlt, die unlautere Werbung mittels
Vortäuschung scheinbarer Gewinne zu unterbinden, indem der Unternehmer vom
Verbraucher gemäß § 661a BGB beim Wort genommen, d.h. auf Leistung des
mitgeteilten Gewinns verklagt werden kann (vgl. BGHZ aaO S. 90 f m.w.N. aus
den Gesetzesmaterialien; Jauernig/Mansel aaO; Schulze aaO; Lorenz aaO;
Schneider aaO; Leible aaO und NJW 2003, 407; Fetsch RIW 2002, 936, 937).
cc) Das Schreiben der Beklagten vom 9. Oktober 2000
nebst Anlagen war im vorbeschriebenen Sinn geeignet, bei dem Empfänger den
Eindruck zu erwecken, er habe einen Preis in Höhe von 25.000 DM gewonnen.
Das Schreiben muß nach seinem - oben wiedergegebenen - Inhalt als
Benachrichtigung über einen Gewinn verstanden werden, dessen sofortige
Auszahlung verbindlich zugesagt ist und allein von der Vorlage des von der
Klägerin unterzeichneten "Gewinn-Abruf-Schein(es)" abhängt. Dieser Eindruck
wird durch die dem Schreiben beigefügte "INTERNE ANWEISUNG" der Direktion
der Beklagten und die "ZWEIT-AUSFERTIGUNG" eines an die Klägerin gerichteten
"Offizielle(n) Einkommens-Bescheid(es)" über 25.000 DM noch verstärkt. Aus
der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers konnten der "Offizielle
Einkommens-Bescheid" und der "Gewinn-Abruf-Schein" - in Verbindung mit dem
Schreiben der Beklagten vom 9. Oktober 2000 und der "INTERNEN ANWEISUNG" -
für die Klägerin ausgestellte Urkunden sein, die deren Anspruch auf
Auszahlung eines bereits gewonnenen Preises verbrieften. Daß in dem
Schreiben vom 9. Oktober 2000, besonders auf dessen Rückseite, für zwei
"TOPANGEBOT(E)" der Beklagten geworben wurde, änderte an diesem
Gesamteindruck nichts. Die werbenden Hinweise ließen die Gewinnmitteilung
unberührt. |