Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung (§§ 280 I, II, 286 BGB); Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 268 II Nr. 4 BGB (besondere Umstände); Abgrenzung vom Schadensersatz statt der Leistung; Ersatz von Aufwendungen zur Schadensminderung (§ 254 II BGB) als Bestandteil des Verzögerungsschadens; ZPO: Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft


BGH, Urteil vom 20. April 2023 - I ZR 140/22 - OLG Hamburg


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Amtl. Leitsatz:

a) Erklärt der Schuldner noch vor Fälligkeit, dass er nicht rechtzeitig leisten könne, würde es eine reine Förmelei darstellen, den Eintritt des Verzugs von einer Mahnung des Gläubigers nach Fälligkeit abhängig zu machen, der der Schuldner seinen Erklärungen zufolge ohnehin nicht Folge leisten kann. In einem solche Fall ist eine Mahnung nach Fälligkeit entbehrlich.
b) Der Gläubiger kann vom Schuldner den Ersatz erforderlicher Kosten der Schadensabwendung anstelle des höheren originären Verzögerungsschadens verlangen, der nach Verzugseintritt ohne die Maßnahmen des Gläubigers entstanden wäre.


Zentrale Probleme:

Das beklagte Transportunternehmen hatte sich dazu verpflichtet, laufend Produkte eine Automobilzulieferers zur VW-Produktionsstätte in Mexiko zu transportieren. Ein Transport verzögerte sich um zwei Kalenderwochen, wobei die Beklagte dies dem Hersteller im Vorfeld, d.h. vor dem geschuldeten Transporttermin mitteilte. Nachdem dieser die Beklagte vergeblich aufgefordert hatte, wegen der verzögerten Lieferung einen Lufttranpsort zu organisieren, gab sie selbst einen solchen in Auftrag, um einen Produktionsstillstand im mexikanischen Werk zu verhindern. Die Klägern ist die Versicherung des Herstellers, die einen Teil der Kosten ersetzte und nunmehr gegen das Transportunternehmen klagt. Dabei macht die Klägerin nicht nur den (auf sie übergegangenen) Anspruch des Herstellers, sondern auch den verbliebenen, von ihr nicht gedeckten Schaden des Transportunternehmers im Wege der Prozessstandschaft geltend.
Da die Verpflichtung zum Transport keinen (absoluten) Fixschuldcharakter hat (vgl. dazu etwa BGH NJW 2009, 2743 zur Personenbeförderung), liegt hier ein Fall der Verzögerung der Leistung vor, so dass der Verzögerungsschaden nach Maßgabe von §§ 280 I, II, 286 BGB zu ersetzen ist. Dies setzt grundsätzlich eine Mahnung voraus, die nach oder zumindest mit Fälligkeit, nicht aber vor Fälligkeit erfolgen muss. Daher waren die vor Tranportbeginn erfolgten Aufforderungen, für einen anderen, sein Ziel vertragsgemäß rechtzeitig erreichenden Transport zu sorgen, keine Mahnung. Die Mahnung war aber nach § 286 II Nr. 4 BGB wegen des Vorliegens "besonderer Gründe" entbehrlich: Der Beklagten war die Dringlichkeit des rechtzeitigen Transports klar, so dass eine Mahnung nach Fälligkeit eine "bloße Förmelei" und damit unnötig gewesen wäre: Es war ja ebenfalls klar, dass eine rechtzeitige Ankunft der Teile in Mexiko nicht erreicht werden konnte. Das ist ganz ähnlich wie im Fall der sog. "Selbstmahnung" (s. dazu BGH NJW-RR 1997, 622 und BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - VIII ZR 222/06).
War damit die Beklagte zum Ersatz des Verzögerungsschadens verpflichtet, hätte sie (mittelbar) für den gesamten Stillstand des Werks in Mexiko gehaftet. Diesen Schaden hat der Hersteller durch den Lufttransport verhindert (und nach § 254 II BGB im Rahmen seiner Schadensminderungsobliegenheit auch verhindern müssen). Daher sind diese Aufwendungen als Verspätungsschaden nach § 280 I, II, 286 BGB von der Beklagten zu ersetzen. Das kann man auch als Herausforderungsschaden ansehen: Der Hersteller durfte (und musste) sich dazu herausgefordert sehen, diese Kosten einzugehen und sich damit gleichsam selbst zu schädigen - weshalb es sich um einen von der Beklagten kausal verursachten Schaden handelt. Das deutet auch der Senat an, der sich aber mit dem pauschalen Satz begnügt, dass "nach... allgemeinen schadensrechtlichen Grundsatz, der ungeachtet der Anspruchsgrundlage gilt, ... die Kosten der Schadensabwendung nach derjenigen Anspruchsgrundlage zu ersetzen [sind], nach der die vermiedenen Schäden auszugleichen gewesen wären."
Nicht einleuchtend erscheint dabei die Abgrenzung zur Problematk des "vorzeitigen Deckungsgeschäfts" in der Rspr. des VIII. Senats (s. dazu bei Rn. 44 ff). Denn auch dort werden unter dem Gesichtspunkt des Verzögerungsschadens ausschließlich Fälle diskutiert, in welchen sich der Gläubiger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht sich die Leistung anderweitig besorgt, um einen größeren Verzugsschaden zu vermeiden (s. dazu Lorenz in Festschrift Leenen, 2012, S. 147).

©sl 2023


Tatbestand:

1 Die Klägerin ist alleiniger Transportversicherer der S. -GmbH (im Folgenden: (Versicherungsnehmerin). Die Versicherungsnehmerin rüstet sämtliche Fahrzeuge, die der Automobilhersteller V. in Mexiko produziert, mit Cockpitmodulen aus. Die Beklagte ist ein Logistikunternehmen.

2 Die Versicherungsnehmerin schloss mit der Beklagten einen Rahmenvertrag, in dem sich die Beklagte verpflichtete, ab dem 1. April 2016 Produktionsteile für die Montage von Fahrzeug-Cockpits aus dem europäischen Ausland über Land nach Bremen zu transportieren, dort in Container zu verpacken und nach Mexiko zu verschiffen.

3 Im Rahmen dieser Vereinbarung transportierte die Beklagte Anfang Juni 2017 Produktionsteile nach Bremen und lud sie für die Verschiffung nach Mexiko in zwei Container. Mit E-Mail vom 30. Juni 2017 teilte die Beklagte der Versicherungsnehmerin mit, dass die Container wegen eines Maschinenschadens nicht in der Kalenderwoche 25 auf das Containerschiff "APL H.   " verladen werden konnten und stattdessen auf das Motorschiff "MS L. " verladen werden würden, welches in der Kalenderwoche 26 abfahren sollte. Am 6. Juli 2017 teilte die Beklagte der Versicherungsnehmerin per E-Mail mit, dass die Container nicht auf das Motorschiff "MS L. ", sondern auf das Motorschiff "MS B. " verladen werden würden, welches in der Kalenderwoche 27 am 10. Juli 2017 abfahren und am 25. Juli 2017 in Mexiko ankommen sollte.

4 Die Versicherungsnehmerin forderte die Beklagte mit zwei E-Mails vom 6. Juli 2017 auf, frühere Verschiffungsoptionen zu prüfen oder die am dringendsten benötigten Produktionsteile auf Kosten der Beklagten per Luftfracht zu transportieren. Die Beklagte antwortete hierauf mit E-Mail vom 6. Juli 2017, dass es sinnlos sei, die Container vom Terminal zu holen, weil dann alles noch länger dauern würde. Mit E-Mail vom 10. Juli 2017 lehnte die Beklagte eine Versendung der am dringendsten benötigten Teile per Luftfracht ab.

5 Die Versicherungsnehmerin beauftragte daraufhin die Spedition G. , die ab dem 20. Juli 2017 eine Luftbeförderung durchführte und der Versicherungsnehmerin dafür 12.876,03 USD in Rechnung stellte. Die Klägerin zahlte diesen Betrag abzüglich der ersparten Kosten einer Seebeförderung in geschätzter Höhe von 276,03 USD und abzüglich eines Selbstbehalts in Höhe von 5.000 USD an ihre Versicherungsnehmerin.

6 Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 12.600 USD nebst Zinsen in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, per Luftfracht transportiert worden seien ausgewählte Produktionsteile gleicher Art, die erforderlich gewesen seien, um einen erheblich kostspieligeren Produktionsstillstand in einem Werk von Volkswagen in Mexiko abzuwenden, der aufgrund der Ablieferung der Container erst am 25. Juli 2017 entstanden wäre. Sie sei von ihrer Versicherungsnehmerin ermächtigt worden, den Ersatzanspruch in Höhe des Selbstbehalts geltend zu machen.

7 Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben (LG Hamburg, Urteil vom 6. Mai 2021 - 407 HKO 19/19, juris). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen (OLG Hamburg, RdTW 2022, 397). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

8 A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der anspruchsberechtigten Klägerin stehe der wegen der Aufwendungen ihrer Versicherungsnehmerin für den Lufttransport geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

9 Der Schadensersatzanspruch ergebe sich allerdings nicht aus dem Gesichtspunkt des Verzugs. Die Versicherungsnehmerin habe keinen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen die Beklagte auf Verschiffung der Produktionsteile am 24. Juni 2017 gehabt. Die Ablieferung der Container sei ausgehend von einer planmäßigen Verladung auf das Containerschiff "APL H. " am 24. Juni 2017 frühestens am 13. Juli 2017 fällig gewesen. Die beiden E-Mails der Versicherungsnehmerin vom 6. Juli 2017 seien zwar Mahnungen, weil die Versicherungsnehmerin deutlich gemacht habe, sie erwarte eine Erfüllung. Vor Fälligkeit lösten die Mahnungen jedoch keinen Verzug aus. Eine Mahnung nach Fälligkeit sei auch nicht entbehrlich gewesen. Es liege keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB vor, weil die Beklagte noch vor Fälligkeit ablehnend geantwortet habe. Aus demselben Grund lägen keine besonderen Gründe nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Eintritt der Verzugsfolgen rechtfertigen würden.

10 Der Schadensersatzanspruch folge jedoch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung der allgemeinen Pflicht zur vertragsgemäßen Leistungserbringung. Dies sei gerechtfertigt, weil die Beklagte unmissverständlich zu erkennen gegeben habe, die Leistung nicht rechtzeitig erbringen zu können, und die Versicherungsnehmerin schon vor Fälligkeit Aufwendungen getätigt habe, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Abwendung eines höheren Schadens erforderlich gewesen seien. Wenn das sofortige Tätigwerden der Versicherungsnehmerin im Interesse beider Vertragsparteien zur Vermeidung eines drohenden höheren Schadens geboten sei, könne es nicht auf eine Mahnung nach Fälligkeit ankommen.

11 B. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu B I) und begründet (dazu B II).

12 I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin befugt, den erhobenen Zahlungsanspruch gerichtlich geltend zu machen.

13 1. Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 - I ZR 135/21, RdTW 2023, 58 [juris Rn. 12] mwN). Das Revisionsgericht hat selbstständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Prozessführungsbefugnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben und im Revisionsverfahren fortbestehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2022 - I ZR 69/21, GRUR 2022, 1163 [juris Rn. 17] = WRP 2022, 977 - Grundpreisangabe im Internet, mwN). Für erforderliche Ermittlungen gelten dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Grundsätze des Freibeweises (BGH, RdTW 2023, 58 [juris Rn. 12] mwN).

14 2. Die Klägerin kann den mit der Klage geltend gemachten Anspruch in Höhe von 7.600 USD infolge der Regulierung des Schadens der Versicherungsnehmerin geltend machen, weil deren Anspruch gegen die Beklagte in dieser Höhe gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf sie übergegangen ist.

15 3. Im Übrigen ist die Klägerin aufgrund der Ermächtigung der Versicherungsnehmerin berechtigt, den von dieser zu tragenden Selbstbehalt in Höhe von 5.000 USD in gewillkürter Prozessstandschaft gerichtlich geltend zu machen.

16 a) Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat. Das schutzwürdige Eigeninteresse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführenden hat. Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden (BGH, Urteil vom 10. Juni 2016 - V ZR 125/15, NJW 2017, 486 [juris Rn. 5] mwN).

17 b) Die Klägerin ist von ihrer Versicherungsnehmerin zur Prozessführung ermächtigt worden. Dies ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen. Nach der schriftlichen Bestätigung der Versicherungsnehmerin vom 10. Dezember 2019 ist die Klägerin berechtigt, den von dieser zu tragenden Selbstbehalt in einem Regress gegen den Schädiger gerichtlich geltend zu machen. Mit dem die Versicherungsnehmerin betreffenden Handelsregisterauszug hat die Klägerin die Vertretungsbefugnis der Unterzeichner dieser Bestätigung belegt.

18 c) Die Klägerin hat an der Prozessführung ein eigenes schutzwürdiges Interesse. Erfolgt wie im Streitfall zum Ersatz des Schadens des Versicherungsnehmers lediglich eine Teilzahlung des Versicherers, wird der ursprünglich einheitliche Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger aufgespalten. Infolge des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 86 Abs. 1 VVG wird der Versicherer im Umfang der Regulierung Anspruchsinhaber; soweit keine Schadensregulierung erfolgt, bleibt der geschädigte Versicherungsnehmer anspruchsberechtigt. Bei einer solchen Sachlage liegt eine umfassende und abschließende Regulierung der Ansprüche des Geschädigten in einem einzigen Verfahren im allseitigen Interesse (vgl. zur Regulierungsvollmacht des Versicherers BGH, Urteil vom 11. Oktober 2006 - IV ZR 329/05, BGHZ 169, 232 [juris Rn. 21]).

19 II. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht die Klage als begründet angesehen. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ihrer Versicherungsnehmerin ergibt sich allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bereits aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§ 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 und 2 Nr. 4 BGB).

20 Die Beklagte war gegenüber der Versicherungsnehmerin verpflichtet, die Produktionsteile von Deutschland nach Mexiko zu verschiffen (dazu B II 1). Diese Leistung hat die Beklagte nicht rechtzeitig erbracht (dazu B II 2). Sie befand sich mit der Leistungserbringung auch in Verzug (dazu B II 3). Die von der Versicherungsnehmerin aufgewandten Kosten für eine Beförderung mit dem Flugzeug stellen außerdem einen von der Beklagten zu erstattenden Verzögerungsschaden dar (dazu B II 4). Der Zinsanspruch ist ebenfalls begründet (dazu B II 5).

21 1. Der Versicherungsnehmerin stand gegen die Beklagte ein Anspruch auf Verschiffung der im Juni 2017 in Container geladenen Produktionsteile mit dem Schiff von Bremen nach Mexiko zu.

22 a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte nicht lediglich verpflichtet gewesen sei, von verschiedenen Produktionsstätten innerhalb Europas Produktionsteile abzuholen und entsprechend den Weisungen der Versicherungsnehmerin zu Containerladungen zusammenzustellen, in Container zu stauen und die konsolidierten Container an den von der Versicherungsnehmerin benannten Seebeförderer zu übergeben. Die Beklagte sei auch für den Seetransport der in Rede stehenden Produktionsteile nach Mexiko verantwortlich gewesen. Dies ergebe sich aus dem Rahmenvertrag der Parteien. Unter der Überschrift "Description of the transport relation" heiße es unter Buchstabe b "ocean freight business from Germany to Mexico". Außerdem sei dort ausdrücklich geregelt, dass die Beklagte als "carrier" hafte, selbst wenn sie nur als Spediteur oder als Agent tätig geworden sei.

23 b) Diese Auslegung des Rahmenvertrags durch das Berufungsgericht steht im Revisionsverfahren nicht in Streit. Sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

24 2. Die Beklagte hat die ihr obliegende Leistung nicht rechtzeitig erbracht.

25 a) Das Berufungsgericht hat angenommen, zwar habe die Versicherungsnehmerin keinen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen die Beklagte auf Verschiffung der Produktionsteile am 24. Juni 2017 gehabt. Im Rahmen des von der Beklagten geschuldeten Seetransports nach Mexiko habe ihre Hauptleistungspflicht gemäß § 481 HGB darin bestanden, die Güter über See zum Bestimmungsort zu befördern und dem Empfänger abzuliefern. Da ausweislich der "Timeline EXW Pick up-DAT Veracruz" für die Seebeförderung eine Dauer von 19 Tagen eingeplant gewesen sei, wäre die Ablieferung der Container bei planmäßiger Verladung auf das Containerschiff "APL H. " am 24. Juni 2017 frühestens am 13. Juli 2017 fällig gewesen. Nachdem die Beklagte der Versicherungsnehmerin mitgeteilt habe, dass die Container wegen eines Maschinenschadens nicht wie geplant in der Kalenderwoche 25 auf das Containerschiff "APL H. " verladen werden konnten und stattdessen auf das Motorschiff "MS L." verladen werden würden, welches in der Kalenderwoche 26 abfahren sollte, habe die Beklagte am 6. Juli 2017 der Versicherungsnehmerin per E-Mail mitgeteilt, dass die Container nicht auf das Motorschiff "MS L. ", sondern auf das Motorschiff "MS B. " verladen werden würden, welches in der Kalenderwoche 27 am 10. Juli 2017 abfahren und am 25. Juli 2017 in Mexiko ankommen sollte. Mit einer weiteren E-Mail habe die Beklagte mitgeteilt, dass es keinen Sinn ergebe, die Container vom Terminal zu holen, weil dann alles noch länger dauern würde. Die Beklagte habe damit unmissverständlich zu erkennen gegeben, die Leistung nicht rechtzeitig erbringen zu können.

26 b) Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

27 aa) Im Streitfall sind die Regeln des allgemeinen Schuldrechts anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob die Parteien in Ausführung des zwischen ihnen bestehenden Rahmenvertrags betreffend die in Rede stehenden Produktionsteile einen einheitlichen Frachtvertrag über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln (Multimodaltransport) im Sinne von § 452 HGB (Beförderung über Land nach Bremen und Beförderung per Schiff nach Mexiko) oder über jeden Teil der Beförderung - also auch für die Verschiffung der Produktionsteile von Deutschland nach Mexiko - mit jeweils einem Beförderungsmittel jeweils einen gesonderten Vertrag geschlossen haben. Im einen wie im anderen Fall gelangt vorliegend das Seefrachtrecht zur Anwendung. Da feststeht, dass die Verzögerung auf der Seestrecke eingetreten ist, bestimmt sich die Haftung der Beklagten auch im Fall eines vereinbarten Multimodaltransports gemäß § 452a Satz 1 HGB nach Seefrachtrecht. Das Seefrachtrecht enthält keine spezialgesetzliche Regelung für die Haftung des Verfrachters für Schäden, die aus einer verspäteten Ablieferung des Guts entstehen. Ob eine Haftung besteht, bestimmt sich deshalb nach den allgemeinen Vorschriften über den Verzug (Bahnsen in Rabe/Bahnsen, Seehandelsrecht, 5. Aufl., § 498 HGB Rn. 168; Piltz/Czerwenka, MAH Internationales Wirtschaftsrecht, § 8 Rn. 253).

28 bb) Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die Beklagte die von ihr geschuldete Beförderungsleistung jedenfalls vor dem 25. Juli 2017 zu erbringen hatte. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und wann die Beklagte die von ihr beladenen Container bei der Empfängerin in Mexiko abgeliefert hat. Die Revision macht geltend, die Container seien wie angekündigt am 25. Juli 2017 mit der "MS B. " dort angekommen. Auch dann hätte die Beklagte allerdings ihre vertraglichen Pflichten zu spät erfüllt.

29 (1) Wann die vom Schuldner zu erbringende Leistung geschuldet ist, ergibt sich im Grundsatz aus § 271 BGB. Danach kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist (§ 271 Abs. 1 BGB). Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann (§ 271 Abs. 2 BGB). Ergänzend ist die für das Frachtgeschäft geltende Legaldefinition des § 423 HGB heranzuziehen. Danach ist der Frachtführer verpflichtet, das Gut innerhalb der vereinbarten Frist oder mangels Vereinbarung innerhalb der Frist abzuliefern, die einem sorgfältigen Frachtführer unter Berücksichtigung der Umstände vernünftigerweise zuzubilligen ist (Lieferfrist). Maßgeblich für den Zeitpunkt, bis zu dem die geschuldete Leistung zu erbringen ist, ist danach in erster Linie die Parteivereinbarung.

30 (2) Der zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossene Rahmenvertrag enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, zu welchen Zeitpunkten die von der Beklagten geschuldeten Seetransporte durchgeführt und die Produktionsteile in Mexiko abgeliefert werden sollten.

31 (3) Das Berufungsgericht hat den weiteren Abreden der Parteien des Rahmenvertrags und den Umständen entnommen, dass die Beklagte verpflichtet war, die in Rede stehenden Produktionsteile jedenfalls vor dem 25. Juli 2017 in Mexiko abzuliefern. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts war der Beklagten bekannt, dass die Versicherungsnehmerin Automobilzulieferer ist und es ihr auf die Einhaltung eines genauen Zeitplans ankommt. Wie sich aus der Bezugnahme des Berufungsgerichts auf die Wochenübersichten - "Timeline EXW Pick up-DAT Veracruz" - ergibt, die kleinschrittige, wöchentliche Lieferzyklen abbilden, hat das Berufungsgericht die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien durch das Landgericht gebilligt, wonach eine wöchentliche Lieferpflicht der Beklagten bestand.

32 (4) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht damit festgestellt, dass die Ablieferungsverpflichtung der Beklagten vor der geplanten Ankunft des Motorschiffs "MS B. " in Mexiko am 25. Juli 2017 fällig war. Es kann offenbleiben, ob bereits eine Fälligkeit zum vorgesehenen Ankunftstermin des Containerschiffs "APL H. " am 13. Juli 2017 eingetreten ist. Angesichts der vorgesehenen wöchentlichen Lieferpflicht der Beklagten wäre eine Ablieferung unter Einsatz des erst nahezu zwei Wochen später in Mexiko eintreffenden Motorschiffs "MS B. " jedenfalls verspätet gewesen.

33 3. Die Beklagte befand sich mit ihrer Leistung auch in Verzug.

34 a) Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers in Verzug, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt. Nach § 286 Abs. 2 BGB ist in den dort genannten Fällen eine Mahnung für den Verzugseintritt entbehrlich.

35 b) Im Streitfall ist eine Mahnung der Versicherungsnehmerin nach Fälligkeit nicht erfolgt. Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Mahnung der Versicherungsnehmerin sei nach dem 13. Juli 2017 - dem frühest möglichen Zeitpunkt der Fälligkeit der von der Beklagten geschuldeten Ablieferung der Produktionsteile in Mexiko - nicht erfolgt. Die E-Mails der Versicherungsnehmerin vom 6. Juli 2017, mit denen sie deutlich gemacht habe, dass sie eine Erfüllung, notfalls durch einen Transport mit einem Flugzeug, erwarte, stellten zwar Mahnungen dar. Diese Mahnungen seien jedoch vor Fälligkeit erfolgt. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen. Sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

36 c) Die Revisionserwiderung macht mit Erfolg geltend, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Streitfall eine Mahnung nach Fälligkeit entbehrlich war.

37 aa) Nach § 286 Abs. 2 BGB bedarf es einer Mahnung nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (Nr. 1), der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt (Nr. 2), der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (Nr. 3) oder aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist (Nr. 4).

38 bb) Es kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen von § 286 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 BGB vorgelegen haben. Einer Mahnung der Versicherungsnehmerin nach Fälligkeit bedurfte es im Streitfall jedenfalls deshalb nicht, weil gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt war.

39 (1)
Die Mahnung soll den Schuldner in die Lage versetzen zu erkennen, dass das Ausbleiben seiner Leistung Folgen haben werde, und ihn zur sofortigen Leistung veranlassen. Eine besondere Mahnung durch den Gläubiger kann deshalb überflüssig sein, wenn der mit der Mahnung verfolgte Zweck bereits durch den Vertragsabschluss selbst erreicht ist. Muss sich der Schuldner bereits aufgrund der Vertragserklärungen darüber klar sein, dass er die Folgen auf sich nehmen muss, wenn er die Zeit nicht einhält, innerhalb der die Erfüllung vereinbart worden ist, ist eine Mahnung durch den Gläubiger nach Treu und Glauben entbehrlich, weil sie reine Förmelei wäre (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1996 - X ZR 74/95, NJW-RR 1997, 622 [juris Rn. 12] mwN). Auch unter dem Aspekt einer Selbstmahnung kann eine Mahnung entbehrlich sein, wenn der Schuldner die alsbaldige Leistung ankündigt, aber gleichwohl nicht leistet (vgl. BGH, NJW-RR 1997, 622 [juris Rn. 13]; BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - VIII ZR 222/06, NJW 2008, 1216 [juris Rn. 16]; Urteil vom 14. Mai 2009 - IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 [juris Rn. 24]; Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR 94/11, NJW 2012, 2955 [juris Rn. 22]; zum Seefrachtrecht vgl. auch Bahnsen, RdTW 2021, 219, 220). Im Streitfall hat das Berufungsgericht das Vorliegen mehrerer solcher Umstände festgestellt, die eine Mahnung entbehrlich erscheinen lassen.

40 (2) Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ließen für die Beklagte bereits erkennen, dass die Nichteinhaltung des vorgesehenen Zeitplans für sie nachteilige Folgen haben würde.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Beklagte zu wöchentlichen Lieferungen verpflichtet. In den Wochenübersichten, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, war festgehalten, an welchen Tagen einer Kalenderwoche die Beklagte sogenannte pickup-sheets erhält, anhand derer sie die in dieser Woche vorgesehenen Produktionsteile an jeweils bestimmten Tagen sammelt, in Container verlädt und für den Seetransport vorbereitet. Die Wochenübersichten sahen außerdem einen konkreten Zeitraum für den Seetransport vor. Daraus ergab sich für die Beklagte, dass es der Versicherungsnehmerin auf eine regelmäßige Belieferung ihrer Abnehmerin in Mexiko und eine Vermeidung von Verzögerungen ankam. Der Beklagten musste danach bereits bei ihrer E-Mail-Mitteilung an die Versicherungsnehmerin vom 30. Juni 2017, dass die vorgesehene Verladung der beiden von ihr beladenen Container auf das Containerschiff "APL H. " nicht möglich sei, klar sein, dass sie den vorgegebenen Zeitrahmen nicht einhalten können werde. Erst recht galt dies für den Zeitpunkt der Abfassung ihrer Mitteilung per E-Mail vom 6. Juli 2017, mit der sie der Versicherungsnehmerin mitgeteilt hat, dass die Container nicht - wie zunächst vorgesehen - ersatzweise auf das Motorschiff "MS L. ", sondern auf das Motorschiff "MS B. " verladen werden würden, das eine weitere Kalenderwoche später abfahren sollte.

41 (3) Darüber hinaus hat die Beklagte bei Mitteilung der erstmaligen Verzögerung der Verschiffung der beiden Container in Kenntnis des Umstands, dass es der Versicherungsnehmerin auf die Einhaltung eines genauen Zeitplans ankommt, angekündigt, die Verladung werde in der Kalenderwoche 26 auf das Motorschiff "MS L. " erfolgen. Darin liegt die Ankündigung einer alsbaldigen Leistung. Die darin enthaltene Terminzusage hat die Beklagte nicht eingehalten und eine Verladung erst in der Kalenderwoche 27 in Aussicht gestellt.

42 (4) Hinzu kommt im Streitfall, dass die Versicherungsnehmerin - wenn auch vor Fälligkeit - die Beklagte aufgefordert hatte, für einen schnelleren Transport von bestimmten Produktionsteilen zu sorgen. Die Beklagte hatte demgegenüber in ihrer zweiten E-Mail vom 6. Juli 2017 - also ebenfalls vor Fälligkeit - unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie hierzu nicht in der Lage sei. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie darin erklärt, dass alles noch länger dauern würde, wenn die Container vom Terminal geholt würden. Erklärt der Schuldner wie im Streitfall noch vor Fälligkeit, dass er nicht rechtzeitig leisten könne, würde es eine reine Förmelei darstellen, den Eintritt des Verzugs von einer Mahnung des Gläubigers nach Fälligkeit abhängig zu machen, der der Schuldner seinen Erklärungen zufolge ohnehin nicht Folge leisten kann. Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Annahme, dass eine Mahnung im Streitfall entbehrlich ist, nicht entgegen, dass die besonderen Gründe aus der Zeit vor der Fälligkeit der Leistung der Beklagten stammen. Nach der Vorschrift des § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB ist für den Eintritt des Verzugs lediglich die Mahnung entbehrlich, nicht jedoch die Fälligkeit der Leistung. Die Vorschrift führt auch nicht dazu, dass die Fälligkeit vorverlagert wird. Wirken jedoch wie im Streitfall vor Fälligkeit liegende besondere Gründe bis zum Fälligkeitszeitpunkt fort, tritt der Verzug nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB sofort ein.

43 4. Die Aufwendungen für den Lufttransport sind als erforderliche Kosten der Schadensabwendung im Sinne von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB anstelle des höheren originären Verzögerungsschadens ersatzfähig, der nach Verzugseintritt ohne die Maßnahmen der Versicherungsnehmerin entstanden wäre.

44 a) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Kosten der Flugbeförderung sei von vornherein ausgeschlossen, weil es sich dabei nicht um Schadensersatz neben der Leistung, sondern um Schadensersatz statt der Leistung handele. Schadensersatz statt der Leistung könne die Klägerin jedoch nicht mehr verlangen, weil die Versicherungsnehmerin weiter Erfüllung verlange und die Beklagte durch den Transport der beiden Container auf dem Motorschiff "MS B. " ihre Verpflichtungen erfüllt habe.

45 aa) Der Gläubiger hat im Fall des Verzugs Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens, § 280 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 286 BGB. Dabei handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch, der neben den Erfüllungsanspruch tritt.

46 bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Mehrkosten eines Deckungskaufs durch den Käufer nicht als Verzögerungsschaden ersatzfähig. Denn bei derartigen Kosten handelt es sich nicht um einen Verzögerungs- oder Begleitschaden, sondern um einen Schaden wegen Ausbleibens der geschuldeten Leistung, der an deren Stelle tritt (vgl.
BGH, Urteil vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 169/12, BGHZ 197, 357 [juris Rn. 25]). Den Ersatz dieses Schadens kann der Gläubiger nur unter den Voraussetzungen der § 280 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 281 BGB und somit nicht neben der Vertragserfüllung beanspruchen (BGHZ 197, 357 [juris Rn. 27]). Deshalb erlischt der Anspruch des Gläubigers auf die Leistung, wenn er statt der Leistung Schadensersatz verlangt (§ 281 Abs. 4 BGB). Umgekehrt schließt die Erfüllung einen Anspruch auf Erstattung von (Mehr-)Kosten eines zuvor getätigten eigenen Deckungsgeschäfts aus (BGHZ 197, 357 [juris Rn. 29]).

47 cc) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann im Streitfall nicht zur Anwendung gelangen.

48 In dem Fall, der der in
BGHZ 197, 357 veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lag, hatte der Käufer den Verkäufer zunächst erfolgreich auf Leistung in Anspruch genommen. Außerdem verlangte er im Anschluss daran den Ersatz der Mehrkosten für Deckungskäufe, die er infolge der Lieferverweigerung des Verkäufers getätigt hatte. In diesem Fall waren beide Ansprüche auf das positive Interesse gerichtet.

49 So liegt der Streitfall nicht. Die Versicherungsnehmerin hat im Streitfall zwar einen Dritten mit dem Lufttransport einiger Produktionsteile nach Mexiko beauftragt, weil die Beklagte zu einer rechtzeitigen Ablieferung dieser Teile in Mexiko im Wege des vereinbarten Seetransports nicht imstande und zur Durchführung eines Lufttransports nicht willens war. Dabei sind der Versicherungsnehmerin auch deutlich höhere Kosten als durch die mit der Beklagten vereinbarte Vergütung für die Seebeförderung entstanden.
Die Versicherungsnehmerin hat die Kosten für einen Lufttransport jedoch nicht aufgewandt, um überhaupt eine Beförderungsleistung zu erhalten, sondern - anders als in dem Verfahren, das der in BGHZ 197, 357 veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lag - um einen Verzögerungsschaden zu vermeiden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wäre es wegen der verspäteten Ablieferung der Container am 25. Juli 2017 ohne den Lufttransport zu einem Haftungsschaden der Versicherungsnehmerin gegenüber ihrer Abnehmerin gekommen. Für diesen Verzögerungsschaden hätte die Beklagte nach § 280 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 286 BGB gehaftet, weil er nach Verzugseintritt entstanden und adäquat kausal durch die Verzögerung verursacht worden wäre. Es handelt sich hier also nicht um einen Deckungskauf in dem Sinne, dass die geschuldete Leistung (endgültig) durch eine andere Leistung ersetzt wird und der Erfüllungsanspruch erlischt (vgl. BGHZ 197, 357 [juris Rn. 25]).

50 b) Die durch die Luftbeförderung verursachten Kosten sind ebenso wie der Schaden, zu dessen Vermeidung sie aufgewendet wurden, als gemäß § 280 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 286 BGB ersatzfähiger Verzögerungsschaden anzusehen.

51 aa) Der Schadensminderungs- oder -abwendungspflicht des Geschädigten steht die Pflicht des Schädigers gegenüber, dem Geschädigten den Aufwand für seine Maßnahmen zur Schadensminderung oder -abwendung zu ersetzen (BGH, Urteil vom 10. Mai 1960 - VI ZR 35/59, BGHZ 32, 280 [juris Rn. 15]; Urteil vom 6. April 1979 - I ZR 94/77, GRUR 1979, 804 [juris Rn. 27] = WRP 1979, 636 - Falschmeldung, mwN; Urteil vom 4. Mai 1982 - VI ZR 175/80, NJW 1982, 1638 [juris Rn. 10]; Urteil vom 1. April 1993 - I ZR 70/91, BGHZ 122, 172 [juris Rn. 29] - Verfügungskosten; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 578; Erman/Ebert, BGB, 16. Aufl., § 254 Rn. 54; BeckOK.BGB/Lorenz, 65. Edition [Stand 1. Februar 2023], § 254 Rn. 27; MünchKomm.BGB/Oetker, 9. Aufl., § 254 Rn. 70). Nach diesem allgemeinen schadensrechtlichen Grundsatz, der ungeachtet der Anspruchsgrundlage gilt (vgl. BGHZ 122, 172 [juris Rn. 29] - Verfügungskosten), sind die Kosten der Schadensabwendung nach derjenigen Anspruchsgrundlage zu ersetzen, nach der die vermiedenen Schäden auszugleichen gewesen wären (vgl. auch BeckOGK.BGB/Dornis, Stand 1. Oktober 2022, § 286 Rn. 27 und 351; Gsell, LMK 2013, 353035). Der Ersatz kann neben der Leistung verlangt werden (vgl. unter dem Zurechnungskriterium der Herausforderung auch
Lorenz in Festschrift Leenen, 2012, S. 147, 162; vgl. im Ergebnis auch BeckOGK.BGB/Dornis aaO § 286 Rn. 351; MünchKomm.BGB/Ernst aaO § 286 Rn. 145 und 180; Faust in Festschrift Huber, 2006, S. 239, 256; Gsell, LMK 2013, 353035; Peters, NJW 1979, 688, 691).

52 bb) Danach sind die Kosten der Luftbeförderung von der Beklagten als Verzögerungsschaden zu erstatten. Hätte die Versicherungsnehmerin es zum Eintritt des Verzögerungsschadens infolge einer verspäteten Lieferung der Produktionsteile kommen lassen und die Beklagte auf dessen Ersatz in Anspruch genommen, hätte ihr die Beklagte entgegenhalten können, sie habe es entgegen § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unterlassen, den Schaden soweit möglich und zumutbar abzuwenden oder zu mindern.

53 c) Der Ersatzfähigkeit der Kosten, die von der Versicherungsnehmerin zum Zweck der Schadensvermeidung aufgewendet worden sind, steht entgegen der Ansicht der Revision nicht entgegen, dass diese Kosten nicht durch den Verzug der Beklagten verursacht worden sind. Die von der Versicherungsnehmerin aufgewandten Kosten der Luftbeförderung dienten dazu, den Eintritt eines adäquat-kausalen Schadens - Produktionsstillstand bei dem Kunden der Versicherungsnehmerin in Mexiko, für den die Versicherungsnehmerin unter Verzugsgesichtspunkten gehaftet hätte und für den sie ihrerseits die Beklagte hätte haftbar machen können - zu vermeiden. Die Kosten der Vermeidung eines solchen Schadens werden aus Rechtsgründen als durch den Verzug adäquat-kausal verursacht angesehen (zum Schaden aus dem Vollzug einer einstweiligen Verfügung vgl. BGHZ 122, 172 [juris Rn. 29]). Es muss deshalb auch nicht festgestellt werden, ob die Versicherungsnehmerin die Luftbeförderung erst nach dem Verzug der Beklagten in Auftrag gegeben hat. Werden - wie im Streitfall - Maßnahmen zur Schadensabwendung oder -minderung als Verzögerungsschaden geltend gemacht, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob diese Maßnahmen erst nach Eintritt des haftungsbegründenden Ereignisses oder vorsorglich schon vorher getroffen worden sind (BGHZ 32, 280 [juris Rn. 15]).

54 d) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist durch die von der Versicherungsnehmerin veranlasste Luftbeförderung ein erheblich höherer Schaden vermieden worden. Dagegen wendet sich die Revision nicht.

55 e) Die durch den Lufttransport ersparten Seetransportkosten hat die Klägerin bei Bezifferung ihrer Forderung zutreffend als auszugleichenden Vorteil berücksichtigt.

56 5. Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugs ebenfalls begründet und ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

57 C. Danach ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.