Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit der Mithaftung von Angehörigen auf Kommanditisten als Bürgen der KG; Begriff der "krassen Überforderung"; keine Vermutung der Sittenwidrigkeit bei krasser finanzieller Überforderung oder enger familiärer Verbundenheit bei Bürgschaft eines Kommanditisten mit bedeutsamen Gesellschaftsanteil (Anlehnung an die Rspr. zur Mithaftung von GmbH-Geschäftsführern, BGH NJW 2002, 1337)

BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 199/01 - OLG Naumburg - LG Magdeburg


Fundstelle:

NJW 2002, 2634
s. insbes. BGH NJW 2002, 1337 sowie zuletzt
BGH NJW 2001, 815, BGH NJW 2001, 2466 sowie BGH NJW 2002, 744.


Zentrale Probleme:

Im Mittelpunkt der sehr lehrreichen Entscheidung steht das "Klassikerproblem" der Sittenwidrigkeit der Mithaftung finanziell überforderter Sicherungsgeber. Die gut begründete Entscheidung stellt eine hervorragende Zusammenfassung des derzeitigen Stands der Rechtsprechung einschließlich der (geringer werdenden) Divergenzen zwischen dem IX. und dem XI. Zivilsenat des BGH sowohl bei "privaten" als auch bei "professionellen Sicherungsgebern dar. S. dazu die Anm. zu den verwiesenen Entscheidungen sowie die fett markierten Passagen. Zur Mithaftung eines Minderheitsgesellschafters s. nunmehr auch BGH NJW 2003, 967.


Amtl. Leitsatz:

Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Angehöriger gelten grundsätzlich nicht für Kommanditisten einer KG, die für Verbindlichkeiten der KG die Mithaftung oder Bürgschaft übernehmen. Etwas anderes gilt, wenn der Kommanditist ausschließlich Strohmannfunktion hat, die Mithaftung oder Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit der hinter ihm stehenden Person übernimmt und beides für die kreditgebende Bank evident ist.


Tatbestand:

Die klagende Bank nimmt die Beklagte im Wege der Teilklage aus einer Bürgschaft für Verbindlichkeiten einer Kommanditgesellschaft in Anspruch.

Die Mutter der Beklagten entschloß sich im Jahr 1996 zur Fortführung eines in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft betriebenen Unternehmens, dessen Betriebsleiterin sie früher gewesen war. Zu diesem Zweck trat sie als Komplementärin in die KG ein. Die Beklagte übernahm eine Kommanditeinlage von 810.000 DM.

Mit Kontokorrentkredit- bzw. Darlehensverträgen vom 16. März und 30. Oktober 1996 gewährte die Klägerin der KG Kredite in Höhe von insgesamt 2.506.000 DM zu einem jährlichen Zinssatz von 8,25%. Für diese übernahm die Beklagte im Januar 1997 eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 1 Million DM.

Die Beklagte, eine damals 30 Jahre alte Diplomjuristin, verheiratet und kinderlos, war seit 1992 als selbständige Finanz- und Versorgungsberaterin tätig. Ausweislich des Einkommenssteuerbescheides für 1996 betrugen ihre jährlichen Einnahmen 18.241 DM. In einer Selbstauskunft vom 18. Juli 1996 hatte sie ihr Jahreseinkommen hingegen auf 64.000 DM und das ihres Ehemannes auf 34.000 DM, zusammen 98.000 DM, beziffert. Ihr Bankguthaben hatte sie dort mit 20.000 DM und den Wert von Grundeigentum, das mit Grundpfandrechten in Höhe von 145.000 DM belastet war, mit 145.000 DM angegeben. In einem Sachbericht der M. Beteiligungsgesellschaft mbH und der B.bank GmbH vom 19. August 1996 an die Klägerin wurde der Verkehrswert des belasteten, der Beklagten nur zu ein halb zustehenden Grundstücks hingegen auf 300.000 DM und das Bankguthaben der Beklagten auf 21.000 DM beziffert.

Nachdem die KG im November 1999 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte, kündigte die Klägerin am 3. Dezember 1999 die in Höhe von 1.768.886,41 DM valutierenden Kredite und nahm die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch.

Die Beklagte macht die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung geltend. Sie sei nicht in der Lage gewesen, die laufenden Zinsen zu tilgen. Die Gesellschafterstellung habe sie nur als Strohfrau und die Bürgschaft nur aufgrund familiären Drucks übernommen. Sie sei geschäftsunerfahren gewesen. Überdies habe der Mitarbeiter der Klägerin die Übernahme der Bürgschaft als bloße Formsache verharmlost.

Das Landgericht hat der Teilklage auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Die Bürgschaft sei wegen krasser finanzieller Überforderung der Bürgin sittenwidrig. Die Beklagte sei allerdings weder geschäftlich unerfahren gewesen noch seien der von ihr behauptete familiäre Druck oder die angebliche Verharmlosung der Bürgschaftsübernahme durch einen Mitarbeiter der Klägerin geeignet, die Sittenwidrigkeit zu begründen. Daß die Kreditgewährung von der Gestellung einer Bürgschaft abhängig gemacht worden sei, entspreche der banküblichen Praxis und rechtfertige die Annahme der Sittenwidrigkeit auch dann nicht, wenn die Beklagte - wie sie behaupte - nur als Strohfrau Gesellschafterin geworden sei. Bürgschaften von Angehörigen des Hauptschuldners oder eines persönlich haftenden Gesellschafters seien jedoch auch bei Fehlen weiterer Umstände als sittenwidrig anzusehen, wenn ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen bestehe. So sei es hier. Die Beklagte sei bei Berücksichtigung ihres pfändbaren Einkommens und Vermögens nicht in der Lage, auch nur die laufende Zinslast zu tragen. Dies gelte auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin von dem in der Selbstauskunft vom 18. Juli 1996 angegebenen Jahreseinkommen von 98.000 DM ausgehe sowie die Vermögensverhältnisse aus dem Sachbericht der M. Beteiligungsgesellschaft mbH und der B.bank GmbH vom 19. August 1996 zugrunde lege. Die Klägerin habe auch berücksichtigen müssen, daß die Beklagte für die Übernahme des Kommanditanteils von 810.000 DM noch den Kaufpreis in einer Rate zu 110.000 DM und sieben jährlichen Folgeraten von 100.000 DM habe zahlen müssen. Auf den mit dem Erwerb des Kommanditanteils verbundenen Vermögenszuwachs komme es nicht an, da der Kommanditanteil im Falle der Insolvenz des Hauptschuldners keinen Wert mehr habe. Das Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen zu schützen, rechtfertige die Hereinnahme der die Beklagte finanziell kraß überfordernden Bürgschaft hier nicht.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Im Ergebnis zutreffend ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Beklagte werde durch die Übernahme der Höchstbetragsbürgschaft von 1 Million DM finanziell kraß überfordert.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er innerhalb der vertraglich festgelegten Kreditlaufzeit voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens dauerhaft aufbringen kann (BGHZ 136, 347, 351; 146, 37, 42; BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126; vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 = NJW 2002, 744 und vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 und 81/01, beide zur Veröffentlichung vorgesehen). Bei der Beurteilung der krassen finanziellen Überforderung von Bürgen und Mithaftenden ist pfändbares Vermögen in der Weise zu berücksichtigen, daß der ermittelte Wert von der Bürgschafts- oder mitübernommenen Schuld abgezogen wird. Nur wenn der pfändbare Teil des Einkommens des Bürgen oder Mithaftenden die auf den so ermittelten Schuldbetrag entfallenden laufenden Zinsen voraussichtlich nicht abdeckt, liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor (Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 10).

b) So ist es hier, ohne daß es auf die vom Berufungsgericht berücksichtigten Ratenzahlungsverpflichtungen der Beklagten aus dem Erwerb des Kommanditanteils ankommt.

aa) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von den bestrittenen Vermögensverhältnissen der Beklagten ausgeht, wie sie sich aus dem Sachbericht der M. Beteiligungsgesellschaft mbH und der B.bank GmbH vom 19. August 1996 ergeben, betrug das pfändbare Vermögen der Beklagten, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages nur 98.500 DM. Die Beklagte verfügte danach über ein Bankguthaben von 21.000 DM und war zu ein halb mitbeteiligt an einem Grundstück mit einem Verkehrswert von 300.000 DM, das mit valutierenden Grundpfandrechten von 145.000 DM belastet war. Diese Belastung ist der banküblichen Praxis entsprechend bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten vermögensmindernd zu berücksichtigen; denn im Falle der Veräußerung des Grundstücksanteils der Beklagten stünde nur der um die Belastung geminderte Erlös zur Erfüllung ihrer Bürgschaftsschuld zur Verfügung (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Dies wären hier 77.500 DM. Diese sowie das Bankguthaben von 21.000 DM sind danach von der Bürgschaftsschuld von 1 Million DM abzuziehen, so daß sich bei dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vertragszinssatz von 8,25% eine monatliche Zinsbelastung in Höhe von 6.197,81 DM ergibt.

bb) Diese laufende Zinslast konnte die Beklagte nicht aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen. Nach der vom Berufungsgericht zugrundegelegten Selbstauskunft vom 18. Juli 1996 verfügte die Beklagte selbst über jährliche Einnahmen von 64.000 DM. Das angegebene Jahreseinkommen ihres Ehemannes von 34.000 DM ist, da es auf die Leistungsfähigkeit nur des Bürgen persönlich ankommt, insoweit nicht unmittelbar zu berücksichtigen, sondern führt nur dazu, daß sich der pfändungsfreie Betrag nicht durch Unterhaltspflichten erhöht. Auszugehen ist somit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht von einem Jahreseinkommen der Beklagten von 98.000 DM, sondern nur von 64.000 DM, d.h. monatlichen Einkünften von 5.333,33 DM. Der 1997 nach § 850 c ZPO monatlich pfändbare Betrag beläuft sich danach auf 3.337,03 DM und bleibt damit weit hinter der monatlichen Zinsbelastung zurück.

2. Nicht rechtsfehlerfrei ist aber die Ansicht des Berufungsgerichtes, die krasse finanzielle Überforderung habe ohne weiteres die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft der Beklagten zur Folge.

a) Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Familienangehöriger entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; Senat BGHZ 146, 37 ff.; Senatsurteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436 f., jeweils m.w.Nachw.) gelten, was das Berufungsgericht verkannt hat, für die Bürgschaft der Beklagten als einziger Kommanditistin der Hauptschuldnerin grundsätzlich nicht.

aa) Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung der maßgeblich beteiligten Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden (BGHZ 137, 329, 336; BGH, Urteile vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 274/96, WM 1998, 235, 236, insoweit in BGHZ 137, 292 ff. nicht abgedruckt; vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 36/98, WM 2000, 514, 516; vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157 und Senatsurteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436). Das gilt in gleicher Weise, wenn der Kredit - wie hier - einer Kommanditgesellschaft gewährt und vom Kommanditisten eine entsprechende Sicherheit verlangt wird (Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 14). Auch in diesem Fall kann die kreditgebende Bank im allgemeinen davon ausgehen, daß bei einem Gesellschafterbürgen, der einen bedeutsamen Gesellschaftsanteil hält, das eigene wirtschaftliche Interesse im Vordergrund steht und er schon deshalb durch die Haftung kein unzumutbares Risiko auf sich nimmt. Auch hier begründen daher weder die krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten die Vermutung der Sittenwidrigkeit (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 2002 aaO S. 436 f. m.w.Nachw.).

bb) Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn der Gesellschafter - wie die Beklagte dies behauptet - lediglich die Funktion eines Strohmannes hat. Nur wenn für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, daß derjenige, der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger entsprechend (Senatsurteil vom 15. Januar 2002 aaO S. 437 m.w.Nachw.). Wird die Bank in die wirtschaftlichen Hintergründe der Gesellschaftsgründung so einbezogen, daß für sie die wirklichen Motive des Bürgen klar hervortreten, so darf sie davor nicht die Augen verschließen. Erkennt das Kreditinstitut infolge der ihm offenbarten Tatsachen, daß derjenige, der die Haftung übernehmen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters nur aus emotionaler Abhängigkeit übernommen hat, er also keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, ist der überforderte Bürge in gleicher Weise schutzwürdig wie in den typischen Fällen von Haftungserklärungen für die Verbindlichkeiten von Personen, denen er emotional eng verbunden ist (BGHZ 137, 329, 337; BGH, Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157 = NJW 2002, 1337).

b) Das Berufungsgericht hat, wie die Revisionserwiderung zu Recht rügt, bislang weder zu der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die Beklagte lediglich als Strohfrau ohne eigene wirtschaftliche Interessen Gesellschafterin geworden war, Feststellungen getroffen noch zu der Frage, ob das der Klägerin bekannt war oder sie davor die Augen verschlossen hat.

3. Eine finanziell belastende Bürgschaftsübernahme kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch aufgrund besonderer erschwerender, dem Kreditinstitut zurechenbarer Umstände sittenwidrig sein. Das ist etwa der Fall, wenn das Kreditinstitut die geschäftliche Unerfahrenheit des Bürgen ausnutzt oder die Willensbildung und Entschließungsfreiheit durch Irreführung, Schaffung einer seelischen Zwangslage oder die Ausübung unzulässigen Drucks beeinträchtigt hat (vgl. BGHZ 125, 206, 210; 128, 230, 232; 132, 328, 329 f.; 137, 329, 333; BGH, Urteile vom 15. Februar 1996 - IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592; vom 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 512 und Senatsurteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436, 437). Derartige Umstände hat das Berufungsgericht bislang ebenfalls nicht festgestellt.

a) Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen, soweit das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Klägerin habe nicht eine bestehende geschäftliche Unerfahrenheit der Beklagten ausgenutzt. Dieser Umstand, der in der Praxis bei einem Kommanditisten ohnedies so gut wie nie zu bejahen sein wird (Nobbe/Kirchhof aaO S. 15), scheidet hier angesichts der Berufsausbildung der Beklagten als Diplomjuristin und ihrer seit 1992 ausgeübten Tätigkeit als Finanz- und Versorgungsberaterin aus.

b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht auch eine zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führende seelische Zwangslage der Beklagten verneint. Die Beklagte hat sich zwar darauf berufen, sie sei von ihrem Vater am Hochzeitstag ihrer Eltern massiv unter Druck gesetzt worden. Das Berufungsgericht weist aber zutreffend darauf hin, es sei nicht dargetan, daß diese Umstände der Klägerin bekannt geworden sind.

c) Dem Berufungsgericht kann hingegen nicht gefolgt werden, soweit es den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten als unerheblich ansieht, der Mitarbeiter J. der Klägerin habe auf Nachfrage die Bürgschaft als bloße Formsache bezeichnet und die Rechtsfolgen verharmlost. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann in einer Verharmlosung der Rechtsfolgen einer Bürgschaft eine Irreführung des Bürgen liegen und damit zugleich ein besonderer Umstand, der die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft (mit)begründen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in BGHZ 137, 329 ff. nicht abgedruckt; Urteil vom 8. November 2001 - IX ZR 46/99, WM 2002, 919, 922; Nobbe/Kirchhof aaO S. 15).

4. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist schließlich die Ansicht des Berufungsgerichtes, ein Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen unter Verwandten zu schützen, rechtfertige die kraß überfordernde Bürgschaft nicht. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluß vom 29. Juni 1999 an den Großen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Gleiches gilt für eine kraß überfordernde Bürgschaft. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß eine kraß überfordernde Bürgschaft inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Nimmt der Kreditgeber den Bürgen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten, daß und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten, daß die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbeschränkung nicht gerechtfertigt ist. Das gilt, wie der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 14. Mai 2002 (XI ZR 50/01 und 81/01, beide zur Veröffentlichung vorgesehen) unter Änderung der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.) näher ausgeführt hat, auch für Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999.

III.

Das Berufungsurteil war danach aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).