Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen (Anweisungslage):
"Empfängerhorizont contra Zurechnung" Kondiktion bei nicht zurechenbarem
Rechtsschein einer Anweisung, keine Anwendung von § 817 BGB auf die
Nichtleistungskondiktion; Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht des
Kondiktionsschuldners
BGH, Urteil vom 5. November 2002 - XI ZR 381/01 - LG München II
Fundstelle:
NJW 2003, 582
LMK 2003, 23 (Anm. Lorenz)
BGHZ 152, 307
s. dazu auch die Anm. zu
BGHZ 147, 269 ff sowie die gleichgelagerte Problematik in
OLG Frankfurt/M. NJOZ 2003, 346.
Zur Abgrenzung zum Lastschriftverfahren s.
BGH v. 11.4.2006 - XI ZR 220/05.
S. auch BGH
v. 21.1.2010 - IX ZR 226/08.
Amtl. Leitsatz:
Liegt der Zahlung eine bloße "Scheinanweisung" des vermeintlichen
Darlehensnehmers zugrunde, so ist ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich
zwischen Zahlendem und Zuwendungsempfänger nach den Regeln der
Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) vorzunehmen, und zwar
auch dann, wenn dieser von einer Zahlung seines vermeintlichen Schuldners
ausging (Ergänzung zu
BGHZ 147, 145 ff.).
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht der Bereicherungsausgleich in
Mehrpersonenverhältnissen in sog. „Anweisungslagen“ i.w.S. und damit die Lehre
von der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion. Zum wiederholten Male
innerhalb kürzester Zeit hatte der BGH Gelegenheit, seine bisherige
Rechtsprechung zu bestätigen und zu präzisieren (s. zuletzt
BGHZ 147, 269 ff;
BGH NJW 2001, 1855 sowie
BGH NJW 2002, 2871). Das Urteil, das
wiederum einen Ausnahmefall der nur scheinbar vorliegenden Anweisung (s. dazu
zuletzt BGH NJW 2001, 1855) betrifft, bewegt sich
im Spannungsfeld zwischen bereicherungsrechtlichem Leistungsbegriff, dessen
Definition aus dem Empfängerhorizont und dem Erfordernis der Zurechenbarkeit
von Rechtsscheintatbeständen.
Der Sachverhalt geht auf einen Finanzskandal zurück, der seinerzeit wegen der
Verwicklung von über 330 Landkreisen und Gemeinden mit einem Schaden von über 35
Mio € bundesweit Schlagzeilen machte (s. dazu etwa die
Neuen Osnabrücker Zeitung vom 6.11.2002).
Das Problem des vorliegenden Rechtsstreits läßt
sich folgt kurz darstellen: Die Kl. hielt sich - aufgrund der Täuschung eines
Finanzmaklers - für den Darlehnsgeber der Stadt P. und überwies die vermeintlich
geschuldete Darlehnssumme auf eine (vom Finanzmakler ebenfalls vorgetäuschte)
Weisung der Stadt P. an den Bekl. Dieser wiederum hielt diese Überweisung
(aufgrund des Vermerks „Ablöse Stadt P.“) für eine Rückzahlung eines
vermeintlich der Stadt P. gewährten Darlehens. Tatsächlich bestand weder ein
Darlehnsvertrag zwischen dem Bekl. und der Stadt P. noch ein solcher zwischen
der Kl. und der Stadt P. Der Fall ist damit eine „klassische“ Anweisungslage
i.w.S.: Der (vermeintlich) Angewiesene (hier: die Kl.) wendet aufgrund der
Weisung des (vermeintlich) Anweisenden (hier: Stadt P.) dem Anweisungsempfänger
(hier: dem Bekl.) einen Vermögensvorteil zu.
Grafische Darstellung der
Fallproblematik (zum Vergrößern anklicken!)
Bereicherungsrechtlich liegen in intakten
Anweisungsfällen zwei „Leistungen“ i.S. der hergebrachten Definition der
„bewußten und zweckgerichteten Vermehrung fremden Vermögens“ vor: Der
Angewiesene erbringt eine Leistung im sog. „Deckungsverhältnis“ zum Anweisenden,
gleichzeitig erbringt der Anweisende durch den Angewiesenen als Hilfsperson
(Leistungsmittler) eine Leistung im sog. „Valutaverhältnis“ zum
Anweisungsempfänger. Im Verhältnis zwischen dem Angewiesenen und dem
Anweisungsempfänger liegt hingegen keine „Leistung“ vor, weil ersterer durch
seine Zuwendung (erkennbar) keinen eigenen Leistungszweck gegenüber dem
Anweisungsempfänger verfolgt (wie dies etwa im in casu zu recht verneinten Fall
der Drittleistung nach § 267 Abs. 1 BGB der Fall sein kann, s. dazu etwa BGHZ
137, 89, 95). Zweck dieser Konstruktion ist es, i.V.m. der Lehre vom Vorrang der
Leistungsbeziehung bei der Fehlerhaftigkeit einer oder beider Rechtsbeziehungen
den Bereicherungsausgleich grundsätzlich ausschließlich innerhalb der jeweiligen
Leistungsbeziehung stattfinden zu lassen: Bei einer fehlerhaften
Deckungsbeziehung hat der Angewiesene i.d.R. keinen Anspruch gegen den
Anweisungsempfänger, weil dieser den Gegenstand der Zuwendung nicht durch eine
„Leistung“ des Angewiesenen, sondern durch eine solche des Anweisenden erhalten
hat. Er kann damit nicht zugleich auf Kosten des Angewiesenen „in sonstiger
Weise“ rechtsgrundlos bereichert sein kann. Letzterer ist vielmehr auf eine
Leistungskonditkion gegen den Anweisenden beschränkt. Dem zugrunde liegt der
Vertrauensschutz des Zuwendungsempfängers: Wer einen Gegenstand durch „Leistung“
erworben hat, soll sich grundsätzlich darauf verlassen dürfen, im Falle der
Wirksamkeit seiner Leistungsbeziehung den Leistungsgegenstand behalten zu dürfen
bzw. sich im Falle ihrer Unwirksamkeit ausschließlich mit dem Leistenden
auseinandersetzen zu müssen, d.h. einer Kondiktion auch die Einwendungen aus
diesem Verhältnis entgegenhalten zu können (s. dazu auch die Anm. zu
BGHZ 147, 269 ff).
Diese Grundwertung, das Risiko des Scheiterns
einer Rechtsbeziehung innerhalb der jeweiligen Beziehung zu belassen, ist in
Rechtsprechung und Literatur allgemein konsentiert. Strittig ist freilich ihre
konstruktive Umsetzung. Dreh- und Angelpunkt des dogmatischen Ansatzpunktes des
BGH ist der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff. Dieser ist – wiederum aus
Vertrauensschutzgründen - von der Lehre vom Empfängerhorizont geprägt, wonach
die Zweckbestimmung einer Zuwendung aus dem objektivierten Empfängerhorizont (§
157 BGB) des Zuwendungsempfängers zu ermitteln.
Liegen damit wie wertungsmäßigen Wurzeln der Subsidiaritätslehre im
Vertrauensschutz des Leistungsempfängers, sind damit zugleich die Ausnahmen
vorgezeichnet: Vertrauensschutz kann nach allgemeinen Grundsätzen der
Rechtsscheinlehre nur dann gewährleistet werden, wenn das Vertrauen auf den
Rechtsschein schutzwürdig ist und zugleich der Rechtsschein demjenigen, zu
dessen Lasten Vertrauensschutz gewährt wird, zurechenbar ist. Während Fälle der
fehlenden Schutzwürdigkeit insbesondere im Zusammenhang mit unentgeltlichen
Zuwendungen von Bedeutung sind (s. dazu zuletzt
BGHZ 147, 269 ff), besteht weitestgehend Einigkeit darüber, daß trotz des
entsprechenden Eindrucks aus dem Empfängerhorizont keine Leistung derjenigen
Person vorliegt, die sich aus dem Empfängerhorizont des Zuwendungsempfängers als
Leistender darstellt, wenn dieser Eindruck dem nur scheinbar Leistenden nicht
zugerechnet werden kann. Eine solche Zurechenbarkeit scheidet aus, wenn eine
Weisung gar nicht vorliegt (s. etwa BGH NJW 2002, 2871:
Überzahlung des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger einer gepfändeten
Forderung; BGH NJW-RR 1990, 1200: Gefälschter
Überweisungsauftrag;
OLG Frankfurt/M. Urt. v.29. 11. 2002 - 24 U
91/01: Irrtümliche Doppelausführung einer
Überweisung ) und/oder der Rechtsschein einer Weisung dem aus der
Perspektive des Zuwendungsempfängers Leistenden nicht zuzurechnen ist (BGH
NJW 2001, 1855: Vertretungsmangel bei der Weisung;
BGHZ 111, 382: Weisung eines Geschäftsunfähigen). Das gilt - wie der BGH
erneut zutreffend präzisiert – unabhängig davon, ob das Fehlen einer solchen
Weisung für den Zuwendungsempfänger erkennbar war. Zu recht prüft (und verneint)
der BGH damit vorliegend auch die Zurechnung einer vom Finanzmakler
vorgetäuschten Weisung nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht.
Die Tatsache, daß die Zuwendung der Kl. an den Bekl. keine „Leistung“ der Stadt
P. darstellt, ändert freilich nichts an der Tatsache, daß eine solche auch nicht
im Verhältnis der Parteien vorliegt. Die Kondiktion der Kl. gegen den Bekl. ist
damit, wie der BGH vollkommen zutreffend darlegt, eine Nichtleistungskondiktion
nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Vor dieser aber ist der Bekl. deshalb nicht
durch eine Leistungsbeziehung geschützt, weil der Bereicherungsgegenstand ihm
überhaupt nicht, d.h. von niemandem „geleistet“ wurde und damit eine
Leistungsbeziehung gar nicht besteht. Vertrauensschutz auf das „Behaltendürfen“
der Zuwendung wird damit nur im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB gewährt.
©sl 2003
Tatbestand:
Die klagende Gemeinde nimmt den beklagten Landkreis auf Rückzahlung eines
überwiesenen Geldbetrages in Anspruch. Dem liegt folgender
Sachverhalt zugrunde:
Die Prozeßparteien sowie eine Vielzahl anderer Gemeinden, kommunaler
Gesellschaften und Landkreise mit liquiden Mitteln und solcher
mit Kreditbedarf nahmen die Dienste des Finanzmaklers K. in Anspruch. Er
vermittelte zwischen ihnen den Abschluß von Darlehensverträgen mit
kurzer Laufzeit. Die Anlagezinsen lagen über, die Kreditzinsen unter den
banküblichen Zinsen. K. sprach die Kommunen und Landkreise jeweils
unabhängig voneinander an, ohne daß sie selbst miteinander in unmittelbaren
Kontakt traten. Dabei gelang es ihm durch Täuschung, einige
der Beteiligten zu Zahlungen an ihn persönlich zu veranlassen und viele
Millionen DM zunächst unbemerkt beiseite zu schaffen. Zur Vertuschung
dadurch entstandener Lücken spiegelte er in der Folgezeit an einer Kreditvergabe
interessierten Kommunen vor, daß der von ihm genannte
Vertragsgegner ein Darlehen zu den angegebenen Konditionen aufnehmen wolle. Zum
Teil gab er hierbei an, daß die Darlehensvaluta auf Weisung
des Darlehensnehmers direkt an dessen - vermeintlichen - Gläubiger zu zahlen
sei.
Auf diese Weise hatte K. den Beklagten im Sommer 1996 durch die wahrheitswidrige
Benennung der Stadt P. als Darlehensnehmerin veranlaßt, ihr 3,5 Millionen DM zu
einem Zinssatz von 3,45% p.a. zur Verfügung zu stellen. Mit Schreiben vom 19.
November 1996 kündigte K. dem Beklagten die fristgemäße Rückzahlung der am 21.
November 1996 fälligen "Termingeldeinlage" einschließlich angefallener Zinsen
an. Den dazu erforderlichen Betrag in Höhe von 3.529.194,55 DM überwies die
Klägerin unter Angabe des Verwendungszwecks "Ablösung Stadt P." taggenau auf das
Konto des Beklagten, weil K. ihr mit Schreiben ebenfalls vom 19. November 1996
ohne Rücksprache mit den Organen der Stadt P. folgendes mitgeteilt hatte:
"... vereinbarungsgemäß überlassen Sie eine Termingeldeinlage zu
folgenden Konditionen:
Geldnehmer: Stadt P. ...
Betrag:
DM 3.529.194,55
Laufzeit: 5 6 Zinstage, vom
21.11.1996 bis 17.01.1997
Zinssatz: 3,2%
p.a.
Die Anschaffung des Betrages veranlassen Sie bitte valutagerecht
zu Gunsten:
LRA W. ...
Verwendungszweck: Ablösung Stadt P."
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte müsse die seinem Konto
gutgeschriebenen 3.529.194,55 DM mangels Anweisung und Tilgungsbestimmung der
Stadt P. nach Bereicherungsrecht an sie zurückzahlen und darüber hinaus die aus
der rechtsgrundlosen Kapitalüberlassung
gezogenen Nutzungen oder erlangten Gebrauchsvorteile in Form ersparter
Zinsaufwendungen herausgeben.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 3.529.194,55
DM zuzüglich Verzugszinsen seit dem 3. Mai 2000 sowie zur Auskunft und
Rechnungslegung darüber verurteilt, welche Nutzungen er aus dem Hauptbetrag im
Zeitraum vom 21. November 1996 bis zum
2. Mai 2000 gezogen oder in welcher Höhe er Zinsaufwendungen erspart habe. Mit
der Sprungrevision hat der Beklagte das Urteil insoweit angefochten, als er zur
Zahlung eines erstrangigen Teilbetrags von 100.000 DM nebst anteiliger Zinsen
und zur Auskunft und Rechnungslegung
über die aus diesem Teilbetrag gezogenen Nutzungen bzw. die deswegen ersparten
Zinsaufwendungen verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Sprungrevision des Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet.
I. Das Landgericht hat einen Bereicherungsanspruch der Klägerin bejaht und
zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Bei der Überweisung von 3.529.194,55 DM handele es sich um eine Leistung der
Klägerin im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
Die Klägerin habe ausschließlich einen eigenen Leistungszweck verfolgt, nämlich
die Auszahlung des vermeintlich mit der Stadt P. vereinbarten
kurzfristigen Kassenkredits an den ihr als Zahlungsempfänger benannten
Beklagten. Daß dieser bei der Zuwendung angenommen habe, ein der
Stadt P. gewährtes Darlehen vertragsgemäß zurückzuerhalten, rechtfertige keine
andere rechtliche Beurteilung. Zwar werde in bestimmten Fällen
von Dreiecksbeziehungen in Zweifelsfällen, wem im bereicherungsrechtlichen Sinne
eine Leistung zuzurechnen sei, auf den Horizont des Leistungsempfängers
abgestellt. Der Empfängerhorizont könne aber dann nicht mehr maßgebend sein,
wenn es an einem Mehrpersonenverhältnis
mit verschiedenen Leistungsbeziehungen in Wirklichkeit fehle.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht im Hinblick auf die vom
Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle, in denen ein Bereicherungsausgleich
bei einer von Anfang an fehlenden Anweisung ausnahmsweise im Deckungsverhältnis
vorzunehmen sei, wenn der Zuwendungsempfänger das Fehlen einer Anweisung nicht
gekannt und sich die Zahlung aus seiner Sicht als eine Leistung des
Überweisenden im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB dargestellt habe. Die
von K. selbst stammenden Erklärungen seien der Stadt P. nicht zuzurechnen. Bei
der Vermittlung der Kreditgeschäfte sei er niemals als Vertreter der
Vertragsparteien, sondern immer als selbständiger Finanzmakler aufgetreten. Auf
seinen Eindruck, die Stadt P. sei Leistende, könne sich der Beklagte nicht
berufen. Nach einem in der Rechtsscheinslehre allgemein anerkannten Grundsatz
werde der gutgläubige Vertragsgegner bei fehlender Zurechenbarkeit des
Rechtsscheins nicht geschützt. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe die
Klägerin auch nicht als Dritte im Sinne des § 267 BGB gezahlt, da sie nicht eine
fremde, sondern eine eigene Verbindlichkeit habe erfüllen wollen.
Der Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin
sei nicht entreichert, weil sie später von anderen Kommunen die
aufgrund nicht wirksamer Verträge hingegebenen Darlehen zurückerhalten habe.
Dieser Umstand beseitige die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung nicht.
Der Bereicherungsanspruch setze zudem keinen Schaden voraus.
Neben der Hauptforderung stehe der Klägerin gemäß § 818 Abs. 1 BGB ein
Anspruch auf Herausgabe von Kapitalnutzungen zu. Da der
Klägerin nicht bekannt sei, ob und inwieweit der Beklagte aus der
Kapitalüberlassung tatsächlich Nutzen gezogen oder durch sie Zinsaufwendungen
erspart habe, sei er sowohl zur Auskunftserteilung als auch zur Rechnungslegung
verpflichtet.
II. Diese Ausführungen halten - bis auf die Annahme eines Anspruchs der
Klägerin auf Rechnungslegung - der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis
stand.
1. Das Landgericht hat zu Recht einen Bereicherungsanspruch der Klägerin
gegen den Beklagten bejaht. Der Bereicherungsausgleich ist jedoch nicht im
Wege der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB), sondern der
Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) vorzunehmen.
a) In den Fällen der Leistung kraft Anweisung vollzieht sich der
Bereicherungsausgleich grundsätzlich innerhalb des jeweiligen
Leistungsverhältnisses,
also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen im sogenannten
Deckungsverhältnis und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem
Anweisungsempfänger im sogenannten Valutaverhältnis. Nach dem
bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff bewirkt der Angewiesene, der von ihm
getroffenen, allseits richtig verstandenen Zweckbestimmung entsprechend, mit
seiner Zuwendung an den Anweisungsempfänger zunächst eine eigene Leistung an den
Anweisenden und zugleich eine Leistung des Anweisenden an den
Anweisungsempfänger (st.Rspr., siehe
BGHZ 40, 272, 276; 61, 289, 291; 66, 362,
363; 66, 372, 374; 67, 75, 77; 87, 393, 395; 88, 232, 234;
102, 152, 157; 147, 145, 149 ff.;
147, 269, 273).
b) Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. So entspricht es
gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß dem Angewiesenen jedenfalls dann ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den
Anweisungsempfänger als Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt.
2 BGB zusteht, wenn dem Anweisungsempfänger das Fehlen einer Anweisung und damit
einer Tilgungsbestimmung bei Empfang des Leistungsgegenstandes bekannt ist (vgl.
BGHZ 66, 362, 364 f.; 66, 372, 374 f.; 67, 75, 78; 87, 393, 397 f.;
147, 269, 274).
Aber auch in den Fällen, in denen der Zahlungsempfänger das Fehlen einer
wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung nicht kannte, steht dem
vermeintlich Angewiesenen ein unmittelbarer bereicherungsrechtlicher Anspruch
nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu (BGHZ 111, 382,
386 f.; Senat
BGHZ 147, 145, 151 m.w.Nachw.;
vgl. auch BGHZ 147, 269, 274). Denn ohne eine
gültige Anweisung kann die Zahlung dem - vermeintlich - Anweisenden nicht als
seine Leistung zugerechnet werden. Eine andere Betrachtungsweise ließe - wie
das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - den in der Rechtsscheinslehre
allgemein anerkannten Grundsatz außer acht, daß der gutgläubige Vertragsgegner
nur dann geschützt werden kann, wenn der andere Vertragsteil den Rechtsschein in
zurechenbarer Weise hervorgerufen hat. Der sogenannte Empfängerhorizont des
Zahlungsempfängers vermag deshalb die fehlende Tilgungs- und Zweckbestimmung des
- vermeintlich - Anweisenden auch dann nicht zu ersetzen, wenn dieser den
gezahlten Betrag dem Zuwendungsempfänger tatsächlich in vollem Umfang schuldete.
Außerdem wird der auf eine wirksame Anweisung und Tilgungsbestimmung
vertrauende Zahlungsempfänger durch die in § 818 Abs. 3 BGB normierten Regeln
über den Wegfall der Bereicherung vor den rechtlichen Folgen einer
Direktkondiktion des Angewiesenen im allgemeinen hinreichend geschützt (Senat
BGHZ 147, 145, 151 m.w.Nachw.). Diese Grundsätze kommen auch hier zum Tragen.
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte die Klägerin mit der
Überweisung von 3.529.194,55 DM an den Beklagten ihren vermeintlich
mit der Stadt P. geschlossenen Darlehensvertrag erfüllen und den Kassenkredit
auf eine angebliche Weisung der Stadt P. an den vermeintlich
empfangsberechtigten Beklagten auszahlen, also eine Leistung an die Stadt P.
erbringen. Es handelt sich daher um den Fall einer Zahlung
ohne bereicherungsrechtliche Anweisung, so daß die Klägerin als vermeintlich
Angewiesene einen unmittelbaren Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB
(Nichtleistungskondiktion) gegen den Beklagten hat. Auf dessen Sicht als
Zahlungsempfänger kommt es mangels einer Tilgungsbestimmung der Stadt P. als
vermeintlicher Schuldnerin und Anweisenden von vornherein nicht an. Erst eine
tatsächlich getroffene Tilgungsbestimmung schafft die Grundlage für eine
Auslegung aus dem Blickwinkel eines vernünftigen Zahlungsempfängers, wenn über
die Person des Leistenden unterschiedliche Ansichten bestehen. Die bloßen Vorstellungen des Beklagten als Zahlungsempfänger reichen allein nicht aus, ein
Leistungsverhältnis oder einen Rechtsgrund zu begründen. Auf den durch K.
geschaffenen Rechtsschein einer Leistung der Stadt P. kann sich der Beklagte
nicht berufen. Weder der Kläger noch die Stadt P. haben diesen Rechtsschein in
zurechenbarer Weise veranlaßt.
aa) Der Einwand der Revision, die Klägerin habe als Dritte im Sinne des § 267
Abs. 1 BGB geleistet, um die Stadt P., wenn auch nicht von
einer Darlehensschuld, so aber doch von dem dem Beklagten zustehenden
bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch zu befreien, ist mit
den Feststellungen des Landgerichts unvereinbar. Danach wollte die
Klägerin eine eigene Verbindlichkeit aus einem vermeintlichen Darlehensvertrag
mit der Stadt P. erfüllen. Es fehlt daher der erforderliche
Wille, eine fremde Schuld gemäß § 267 Abs. 1 BGB zu tilgen (vgl.
BGHZ 75, 299, 303; 137, 89, 95). Daß es nach dieser Vorschrift nicht auf
die innere Vorstellung des Dritten ankommt, sondern darauf, wie der
Zahlungsempfänger sein Verhalten vernünftigerweise verstehen durfte
(st.Rspr., siehe z.B. BGHZ 72, 246, 248 f.; 13, 89, 95; BGH, Urteil vom
26. September 1994 - II ZR 166/93, WM 1994, 2286), rechtfertigt keine
andere rechtliche Beurteilung. Angesichts des bei der Überweisung angegebenen
Verwendungszwecks "Ablösung Stadt P." spricht nichts dafür, daß der Beklagte die Klägerin zum Zeitpunkt der Zuwendung für eine
Dritte im Sinne des § 267 Abs. 1 BGB und nicht für eine von der Stadt P.
Angewiesene gehalten hat bzw. halten durfte.
bb) Die Zahlungsanweisung des Finanzmaklers K. an die Klägerin ist
der Stadt P. entgegen der Ansicht der Revision weder nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht noch unter einem anderen
Gesichtspunkt zuzurechnen.
(1) Wie sich aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt, ist K.
bei der jahrelangen Vermittlung der Kreditgeschäfte niemals als Vertreter
der beteiligten Kommunen und Landkreise gemäß § 164 Abs. 1 BGB,
sondern immer als selbständiger Finanzmakler aufgetreten. Für eine Anwendung
der Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht fehlt
daher jede Grundlage. Bei der Anweisung an die Klägerin,
3.529.194,55 DM mit dem Verwendungszweck "Ablösung Stadt P." an
den Beklagten zu überweisen, kann K. allenfalls als Scheinbote der Stadt
P. angesehen werden. Die von ihm eigenmächtig abgegebene rechtsgeschäftliche
Erklärung bindet die Stadt P. nicht, ohne daß es einer Anfechtung
nach § 120 BGB bedarf.
(2) Daß die Stadt P. viele "Dreiecksgeschäfte" getätigt und sich
niemals bei den beteiligten Kommunen und Landkreisen nach dem konkreten Anlaß der "Drittleistung" erkundigt hat, rechtfertigt es entgegen
der Auffassung der Revision nicht, ihren Einwand, die von K. eigenmächtig
und in Täuschungsabsicht abgegebenen Erklärungen gingen sie
nichts an, als ein widersprüchliches Verhalten zu werten. Zwar ist den
Organen der Stadt P. ebenso wie denen der Parteien im Zusammenhang
mit den Täuschungen von K. Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Dies rechtfertigt
es aber nicht, die Stadt P. nach dem Grundsatz von Treu und Glauben
im Ergebnis so zu behandeln, als habe sie die deliktischen Handlungen
von K. bewußt geduldet.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision stehen einer Direktkondiktion
der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auch keine
anderen Hinderungsgründe entgegen.
(1) Der Beklagte kann sich im Rahmen des Bereicherungsausgleichs
nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er ist im übrigen nicht wesentlich
schutzwürdiger als die Klägerin, die Stadt P. oder andere beteiligte
Kommunen und Landkreise. Sie alle haben in blindem Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben von K. davon abgesehen, sich mit ihren
vermeintlichen Vertragspartnern in Verbindung zu setzen, und ohne
wirksame Verträge Millionenbeträge überwiesen oder entgegengenommen.
Nichts spricht angesichts dessen dafür, den Beklagten von einem
Anspruch der Klägerin zu entlasten. Das gilt besonders, da sich der Beklagte
wegen der Überlassung von 3,5 Millionen DM am 21. August
1996, die unter Berücksichtigung angefallener Zinsen durch die von K. veranlaßte Überweisung der Klägerin ausgeglichen werden sollte, im
Wege der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB an
die Stadt P. als Zahlungsempfängerin halten kann. Mit der Überweisung
von 3,5 Millionen DM wollte der Beklagte einen in Wirklichkeit nicht bestehenden
Anspruch der Stadt P. auf Auszahlung eines Darlehens erfüllen. Daß sich die Überweisung aus der Sicht der Stadt P. als Erfüllung
ihrer Ansprüche auf Rückzahlung von Darlehen darstellte, die sie angeblich
dem Klinikum O. und den Städten D. und E. gewährt hatte, ändert an
dem Kondiktionsanspruch der Beklagten gegen die Stadt P. aus § 812
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nichts. Wie bereits dargelegt, reichen bloße
Vorstellungen des Zahlungsempfängers allein nicht aus, ein Leistungsverhältnis oder einen Rechtsgrund zu begründen. Wollte man dies anders
sehen, so könnte - abhängig von der Willkür des Finanzmaklers K. -
eine Kommune, die weder eine Vermögensverschiebung bewirkt noch
eine Tilgungsbestimmung getroffen hat, als Leistende anzusehen sein.
Auf den durch K. geschaffenen Rechtsschein von Leistungen des Klinikums
O. und der Städte D. und E. kann sich die Stadt P. nicht berufen,
da der Beklagte den Rechtsschein nicht in zurechenbarer Weise veranlaßt
hat.
(2) Der Revision ist auch nicht zu folgen, soweit sie meint, der
Klägerin sei es aufgrund eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 32 KWG im Hinblick auf § 817 Satz 2 BGB versagt, den Beklagten in
Anspruch zu nehmen. Ihrem klaren Wortlaut nach findet die auf Sanktionszwecken
beruhende Ausnahmevorschrift des § 817 Satz 2 BGB auf
die Nichtleistungskondiktion im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB keine Anwendung
(vgl. BGHZ 39, 87, 91; BGH, Urteil vom 25. September
1967 - VII ZR 42/65, WM 1967, 1217, 1218; Staudinger/Lorenz, BGB
13. Bearb. 1999 § 817 Rdn. 10; Erman/H. P. Westermann, BGB 10. Aufl.
§ 817 Rdn. 3; MünchKomm/Lieb, BGB 3. Aufl. § 817 Rdn. 15). Abgesehen
davon handelt es sich bei § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und § 32 KWG nur
um gewerberechtliche Ordnungsvorschriften, deren Verletzung nicht zur
Nichtigkeit von Kreditgeschäften nach § 134 BGB führt (vgl. BGHZ 76,
119, 126; BGH, Urteil vom 21. April 1972 - V ZR 52/70, WM 1972, 853).
(3) Auch die Ausführungen des Landgerichts zum Einwand der
fehlenden Entreicherung der Klägerin lassen entgegen der Ansicht der
Revision keine Rechtsfehler erkennen. Ein Schaden im Sinne der
Differenzbetrachtung,
nach der sich der Geschädigte mit dem schädigenden
Ereignis unmittelbar zusammenhängende Vermögensvorteile mit gewissen
Einschränkungen anrechnen lassen muß, ist für einen Bereicherungsanspruch
nicht notwendig (vgl. BGHZ 36, 232, 233; BGH, Urteil
vom 28. Juni 1967 - VIII ZR 59/65, NJW 1968, 197). Für eine Anrechnung
der Vorteile aus von anderen Landkreisen an die Klägerin aufgrund
vermeintlicher Darlehensverträge gezahlten Beträgen ist infolgedessen
von vornherein kein Raum.
2. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Auskunft über
die gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugebenden Nutzungen oder erstattungsfähigen
Gebrauchsvorteile verurteilt.
Ein Anspruch auf Auskunft besteht nach dem Grundsatz von Treu
und Glauben, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das
Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und er sich
die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen
Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann, während
der Verpflichtete sie unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben
vermag. Zwischen den Beteiligten muß eine besondere rechtliche
Beziehung bestehen, wobei ein gesetzliches Schuldverhältnis genügt
(st.Rspr., siehe etwa BGHZ 81, 21, 24; 95, 285, 287; 126, 109, 113).
Diese Anspruchsvoraussetzungen sind nach den zutreffenden und von
der Revision nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts sämtlich
erfüllt.
3. Dem Landgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es
darüber hinaus auch einen Anspruch der Klägerin auf Rechnungslegung
bejaht hat.
Eine Rechnungslegung ist eine besonders genaue Art der Auskunft
(vgl. BGHZ 93, 327, 329), die nach § 259 Abs. 1 BGB eine geordnete, in
sich verständliche Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben erfordert
und den Betroffenen zur Vorlage von Belegen, soweit solche erteilt
zu werden pflegen, verpflichtet (BGH, Urteil vom 16. April 1962
- VII ZR 252/60, WM 1962, 706, 707). Eine solche weitgehende Pflicht
trifft im allgemeinen nur Personen, die fremde Angelegenheiten besorgen
(vgl. etwa BGHZ 10, 385, 386 f.; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1978
- VIII ZR 273/77, WM 1979, 472, 474). Ferner kann ein rechtswidriger
Eingriff in fremde Rechte - wie etwa bei der Verletzung von Urheberrechten
und Rechten aus Arbeitnehmererfindungen - unter bestimmten
Umständen eine Rechnungslegungspflicht des Betroffenen begründen
(vgl. BGHZ 126, 109, 113; BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 - KZR 42/95,
WM 1997, 2007, 2010). Dagegen führt der Kondiktionsschuldner gewöhnlich
keine fremden Geschäfte und ist bei wertender Betrachtung
auch nicht mit einem in fremde Rechte eingreifenden Schuldner zu vergleichen.
Von ihm kann daher in aller Regel nicht nach Treu und Glauben
erwartet werden, daß er Belege oder sonstige Urkunden aufhebt, um
sie dem Kondiktionsgläubiger später gegebenenfalls vorlegen zu können.
Für die Annahme einer Rechnungslegungspflicht bei der auf § 818
Abs. 1 BGB beruhenden Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen
oder anderen geldwerten Vorteilen fehlt infolgedessen die notwendige
Rechtsgrundlage (RGZ 137, 206, 212; vgl. ferner BGHZ 19, 51, 68).
III.
Die Sprungrevision des Beklagten war daher abgesehen von der
Verurteilung zur Rechnungslegung zurückzuweisen.
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