Verbrauchergeschäfte nach Art. 29 EGBGB: Widerrufsrecht nach § 312 BGB bei in der Türkei geschlossenem Kaufvertrag über Teppiche; Begriff der "Freizeitveranstaltung" i.S.v. § 312 I Nr. 2 BGB


LG Tübingen, Urteil vom 30. 3. 2005 - 5 O 45/03


Fundstelle:

NJW 2005, 1513
s. auch
BGH v. 25.1.2005 - XI ZR 78/04; BGHZ 123, 380; BGHZ 135, 124 sowie OLG Frankfurt/M. v. 22.5.2007 - 9 U 12/07.


Eigener Leitsatz:

Ein im Ausland geschlossener Verbrauchervertrag erfüllt die Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB auch dann, wenn das Reiseunternehmen und der Verkäufer bei der Zuführung von Kunden geschäftsmäßig zusammenwirken.


Zum Sachverhalt:


Die Kl. begehrt Rückabwicklung eines am 17. 4. 2002 im Teppichknüpfzentrum T./Türkei bei der Bekl. abgeschlossenen Kaufvertrags über zwei Teppiche. Die Kl. buchte im März 2002 eine einwöchige Pauschalreise vom 14. 4. bis 21. 4. 2002 nach Antalya/Türkei bei der Firma E-Reisen-Vermittlung GmbH & Co KG. Die gesamte Reise einschließlich der Busreisen wurde von der Firma E organisiert. Bestandteil der Reise war unter anderem auch eine Busreise vom Hotel zum Teppichknüpfzentrum in T. am 17. 4. 2002. Die Reiseteilnehmer waren auf die Teilnahme an der Rundfahrt angewiesen, da das abseits liegende Hotel und das Schwimmbad tagsüber geschlossen waren, und darüber hinaus keine Zugangsmöglichkeiten zum Strand oder zu Sehenswürdigkeiten direkt um das Hotel bestanden. Im Geschäftslokal der Bekl. unterzeichnete die Kl. einen in deutscher Sprache formulierten Kaufvertrag über Teppiche zum Preis von 58000 Euro. Die Teppiche sollten der Kl. nach ihrer Rückkehr am Heimatort übergeben werden. Bei Vertragsabschluss erfolgte eine Anzahlung in Höhe von 1000 Euro. Der restliche Kaufpreis sollte bei Anlieferung der Teppiche am Heimatort bezahlt werden. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht der Kl. enthielt der Kaufvertrag nicht. Nach dem Vertragsabschluss stellte die Kl. fest, dass sie sich in der Währung geirrt hatte. Die Kl. war davon ausgegangen, dass der Kaufpreis insgesamt nicht 58000 Euro, sondern 58000 DM betragen würde. Auf Vermittlung der örtlichen Reiseleitung wurde der Kaufpreis auf insgesamt 45000 Euro herabgesetzt. Am 30. 4. 2002 wurden der Kl. die Teppiche vereinbarungsgemäß an ihrem Heimatort übergeben. Bei der Übergabe leistete die Kl. den restlichen Kaufpreis in Höhe von 44000 Euro. Nach dem Erhalt der Teppiche kamen der Kl. Bedenken, ob der Wert der gekauften Teppiche dem gezahlten Kaufpreis entsprach. Die Kl. legte die Teppiche daher am 12. 9. 2002 dem Teppichsachverständigen S zur Wertermittlung vor. Dieser teilte mit, dass die streitgegenständlichen Teppiche lediglich einen Wert von insgesamt 12500 Euro hätten. Ein weiterer Sachverständiger, A, hat den Wert der beiden Teppiche noch geringer, nämlich auf höchstens 7000 Euro bemessen. Am 2. 10. 2002 setzte sich eine Mitarbeiterin der Bekl. mit der Prozessbevollmächtigten der Kl. mit der Aufforderung in Verbindung, eine schriftliche Bewertung der Teppiche vorzulegen. Die schriftliche Wertangabe des Sachverständigen S erfolgte mit Schreiben vom 17. 10. 2002, das sodann mit weiterem Schreiben vom 21. 10. 2002 mit der Bitte um Rückabwicklung des Kaufvertrags an die Bekl. weitergeleitet wurde. Die Kl. trägt vor, mit Schreiben vom 24. 9. 2002 habe sie ihr Widerrufsrecht gem. §§ 312 I Nr.2, 355 BGB ausgeübt.
Die Kl. begehrt Zahlung von 45000 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe der zwei Teppiche. Das LG hat der Klage stattgegeben.

Aus den Gründen:

A. Die Klage ist zulässig.
Das LG Tübingen ist gem. § 29c ZPO sowohl örtlich als auch international zuständig. Zwar kommen im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO) vorrangig die Gerichtsstände der Art. 15 und Art. 16 zur Anwendung. Die Türkei ist der EuGVVO indessen nicht beigetreten. Außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der EuGVVO ist der Gerichtsstand des § 29c ZPO indessen doppelfunktional (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 29c Rdnr. 3) und begründet die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ohne Rücksicht darauf, ob nach deutschem Internationalen Privatrecht in der Sache deutsches Recht zur Anwendung kommt (Zöller/Geimer, IZPR, Rdnr. 90c).
Grundlage der Zuständigkeitsprüfung ist der Klagevortrag. Die Kl. hatte als Verbraucherin ihren Wohnsitz zur Zeit der Klageerhebung in R., also im LG-Bezirk Tübingen. Um eine Vorwegnahme der Sachprüfung zu vermeiden, kann das Vorliegen der weiteren Voraussetzung, nämlich ob im vorliegenden Fall ein Haustürgeschäft i.S. des § 312 I BGB vorliegt, als so genannte „doppeltrelevante Tatsache“ im Rahmen der Zulässigkeit der Klage dahingestellt bleiben. Denn die Zuständigkeit ist bereits dann anzunehmen, wenn die Kl. - wie im vorliegenden Fall - die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen zumindest schlüssig vorgetragen hat (Zöller/Vollkommer, § 12 Rdnr. 14). Aus dem Schutzzweck des § 29c ZPO ergibt sich darüber hinaus, dass die Lösung weiterer schwieriger Rechtsfragen gerade im Zusammenhang mit Haustürgeschäften des Verbrauchers der Begründetheit der Klage vorzubehalten ist. Die weit auszulegende Vorschrift soll den prozessualen Rechtsschutz des Verbrauchers verbessern (Zöller/Vollkommer, § 29c Rdnr. 1). Im Übrigen sollen gerade die vorliegend geltend gemachten Ansprüche auf Rückgewähr der empfangenen Leistungen, die sich aus dem Widerruf des Haustürgeschäfts nach §§ 355, 357 BGB ergeben, vom Anwendungsbereich der Norm erfasst werden (Zöller/Vollkommer, § 29c Rdnr. 4).
B. Die Klage ist auch begründet.
I. Anwendbarkeit deutschen Rechts
Auf den zwischen den Parteien am 17. 4. 2002 geschlossenen Kaufvertrag ist gem. Art. 29 I Nr. 3 i.V. mit II EGBGB deutsches Recht anzuwenden.
Die Kl. beruft sich mit Erfolg auf die Vorschrift des Art. 29 II EGBGB, wonach Verbraucherverträge dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Kl. ist nach der Definition des Art. 29 I EGBGB Verbraucherin. Der Erwerb der Teppiche ist weder ihrer beruflichen noch gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen, was sich bereits daraus ergibt, dass der Kaufvertrag im Rahmen einer Pauschalreise abgeschlossen wurde. Die Kl. hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch in Deutschland.
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen der Alternative des Art. 29 I Nr. 3 EGBGB vor. Art. 29 I Nr. 3 EGBGB betrifft Vertragsabschlüsse, die zwar ihren Schwerpunkt im Ausland haben, bei welcher der Verkäufer die Auslandsreise des Verbrauchers jedoch selbst zu diesem Zweck zumindest mitorganisiert oder mitveranlasst (BGH, NJW 1991, 1054; LG Hamburg, RIW 1999, 391 [392 l. Sp.]; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, 2003, Art. 29 EGBGB Rdnr. 14). Es genügt, wenn er die Reise durch eine Vereinbarung mit einem Beförderungsunternehmen (z.B. Reisebüro oder Busunternehmen) organisiert hat (Martiny, in: MünchKomm, 3. Aufl. [1998], Art. 29 EGBGB Rdnr. 24 m.w. Nachw.). Andererseits soll nach wohl herrschender Meinung das bloße Ausnutzen der von einem anderen veranstalteten Reise für Verkaufszwecke nicht genügen (LG Hamburg, RIW 1999, 391 [392 l. Sp.]; Palandt/ Heldrich, BGB, 64. Aufl., Art. 29 EGBGB Rdnr. 5). Danach soll bei einer organisierten Pauschalreise ins Ausland und der dortigen Zuführung des Kunden an einen ausländischen Verkäufer die Vorschrift grundsätzlich nicht eingreifen (LG Düsseldorf, NJW 1991, 2220; a.A. aber LG Limburg, NJW 1990, 392).
Im vorliegenden Fall bestehen zwischen dem Reiseveranstalter, der Firma E, und der Bekl. jedoch unstreitig enge Verflechtungen und Geschäftsbeziehungen bis hin zu Gewinnabsprachen. Darüber hinaus war der Besuch des Teppichknüpfzentrums der Bekl. unstreitig in Absprache zwischen dem Reiseunternehmen, dem Reiseführer und der Bekl. erfolgt. Denn die Bekl. hat Absprachen und Geschäftsbeziehungen mit der Firma E unzulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Erklärung mit Nichtwissen ist jedoch nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat, zum Beispiel weil der Vorgang sich außerhalb seiner Wahrnehmung abgespielt hat (Zöller/Greger, § 138 Rdnr. 13). Bei Vorgängen im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich kann sich die Bekl. aber nicht ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen. Im vorliegenden Fall hat die Bekl. daher nicht nur übliche Freizeiten im Rahmen einer Auslandsreise ausgenutzt, um Verkaufsveranstaltungen durchzuführen oder dafür zu werben. Die Bekl. hat die Reise vielmehr durch eine Vereinbarung mit einem Beförderungsunternehmen, nämlich der Firma E, zumindest mitorganisiert. Durch die mit der Firma E im Zusammenhang mit der Busreise getroffenen Absprachen und durch die bereits bestandenen engen Geschäftsbeziehungen bis hin zu Gewinnabsprachen hat die Bekl. schon im Verbraucherland Absatztätigkeit entfaltet, ist also sozusagen „zum Verbraucher gekommen“ und hat den Verbraucher als Vertragspartner mit dem Ziel des Geschäftsabschlusses aus der vertrauten Rechtsordnung herausgeholt (vgl. dazu Erman/Hohloch, BGB, 11. Aufl. [2004], Art. 29 EGBGB Rdnr. 9). Die Kl. weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass sich der extrem niedrige Preis der Pauschalreise nur durch so genannte „Drittzuschüsse“ erklären lässt. Das pauschale Bestreiten der Bekl. von Geschäftsbeziehungen und Gewinnabsprachen mit Nichtwissen sind jedenfalls auch in diesem Zusammenhang völlig unzureichend. Das bisweilen vorgebrachte Argument, es fehle an der Zielrichtung des Verkäufers auf Absatz im Verbraucherstaat, kann im vorliegenden Falle jedenfalls nicht überzeugen. Die Bekl. hat auf die konkrete Gestaltung der Pauschalreise derart intensiv Einfluss genommen, dass sie der Bekl. i.S. des Art. 29 I Nr. 3 EGBGB zuzurechnen ist.
Entscheidend ist, dass auch der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Reise und der Verschaffung der Kaufgelegenheit, die vergleichbare psychologische Situation und das der Kaffeefahrt vergleichbare Gewinninteresse des Verkäufers wie des die Reise Veranstaltenden im vorliegenden Fall vorliegen.
Im Übrigen handelt es sich vorliegend nicht nur um eine organisierte Reise ins Ausland, bei der es den Teilnehmern völlig freisteht, ob und wo sie am Zielort in ihrer Freizeit Waren erwerben wollen (vgl. Martiny, in: MünchKomm, Art. 29 EGBGB Rdnr. 24). Vielmehr ist unstreitig, dass im vorliegenden Fall die Reiseteilnehmer auf die Teilnahme an der Busfahrt angewiesen waren, da das abseits liegende Hotel und das Schwimmbad tagsüber geschlossen waren, und darüber hinaus keine Zugangsmöglichkeiten zum Strand oder zu Sehenswürdigkeiten direkt um das Hotel bestanden. Im vorliegenden Fall kann jedenfalls nicht mehr von der „Ausnutzung einer üblichen Freizeit“ (vgl. Spickhoff, in: Bamberger/Roth, Art. 29 EGBGB Rdnr. 14) oder von einer „fakultativ vom Reiseveranstalter vorgeschlagenen Zusatzveranstaltung, die mit den Verantwortlichen der Bekl. zeitlich abgestimmt sein mag“ (vgl. LG Hamburg, RIW 1999, 391 [392 l.Sp.]), gesprochen werden. Vielmehr wurde gezielt eine faktische Zwangslage zur Teilnahme an der Busreise geschaffen.
Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass gem. Art. 29 I Nr. 3 i.V. mit II EGBGB deutsches Recht anzuwenden ist.
II. Rückabwicklung gem. §§ 312 I 1 Nr. 2, 355 I, III, 357 I, 346 I, 348 BGB
Die Kl. hat mit Erfolg ihre auf Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen, da ihr ein Widerrufsrecht gem. §§ 312 I 1 Nr. 2, 355 I 1 i.V. mit III BGB zusteht.
1. Die Kl. hat nämlich als Verbraucher i.S. des § 13 BGB anlässlich einer Freizeitveranstaltung eine auf den Abschluss des Kaufvertrags mit der Bekl. als Unternehmer i.S. des § 14 BGB gerichtete Willenserklärung abgegeben.
a) Als besonders situationsbedingte Voraussetzung des Vertragsschlusses liegt eine Freizeitveranstaltung i.S. des § 312 I 1 Nr. 2 BGB vor. Bei der Beurteilung, ob eine Freizeitveranstaltung vorliegt, ist die Einzelveranstaltung und nicht die Gesamtreise maßgeblich (BGH, NJW-RR 1991, 1524). Der Schutzzweck des Gesetzes, das den Verbraucher vor der Beeinträchtigung seiner rechtlichen Entscheidungsfreiheit durch Überrumpelung oder anderweitige unlautere Beeinflussung durch unseriöse Gewerbetreibende schützen soll, verbietet eine die Widerrufsmöglichkeiten des Kunden zu sehr einschränkende Auslegung (BGH, NJW 1990, 181). Freizeitveranstaltungen i.S. des § 312 I 1 Nr. 2 BGB sind solche Veranstaltungen, bei denen der Verkehr nach dem von der Ankündigung und Durchführung geprägten Gesamtbild von einem Freizeiterlebnis ausgeht, angesichts dessen für die Teilnehmer weniger die eigentliche gewerbliche Zielsetzung des Veranstalters im Vordergrund steht und deshalb die Gefahr gegeben ist, dass der Kunde durch das Freizeitangebot vom eigentlichen Zweck der Veranstaltung abgelenkt und unter Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit für die Verkaufsabsicht des Veranstalters gewogen gemacht wird (BGH, NJW 1990, 3265). Der Schutzzweck des § 312 BGB greift selbst noch in den Fällen ein, in denen die Werbeveranstaltung im Programm angekündigt worden war und als solche keine Überraschung für den Verbraucher bedeutet (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1269).
Die Kl. wurde vorliegend in eine ihre rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit beeinflussende Freizeitstimmung versetzt. Der Tagesausflug vom 17. 4. 2002 war der Unterhaltung, Bildung und Erholung gewidmet und so auch von der veranstaltenden Firma E angeboten und von der Kl. angenommen worden. Bei der Veranstaltung im Teppichgeschäft der Bekl. wurden mit der eigentlichen gewerblichen Absicht nicht in Zusammenhang stehende, attraktive Leistungen in den Vordergrund gestellt, die die Kunden über den Hauptzweck haben hinwegsehen lassen und sie in den Verkaufsabsichten gewogen gemacht haben.
Im Teppichknüpfzentrum fand für die Teilnehmer zunächst eine zwei bis dreistündige Veranstaltung statt, in deren Rahmen eine ausführliche Besichtigung des Teppichknüpfbetriebs stattfand. Von außen war der Betrieb der Bekl. nicht als Verkaufsstätte erkennbar. Während die Herstellung, die Historie und Bedeutung der einzeln vorgeführten Teppiche erläutert wurden, wurden den Teilnehmern Imbisse und Getränke gereicht. Hinzu kommt, dass vorformulierte und in deutscher Sprache abgefasste Kaufverträge zur Anwendung kamen, was darauf schließen lässt, dass man sich auf die jeweilige Besuchergruppe eingestellt und den Verkauf von Teppichen gezielt verfolgt hat. Nicht unbeachtet bleiben darf der Preis der von der Kl. gekauften Teppiche, der mit zunächst insgesamt 58000 Euro und schließlich - nach einvernehmlicher Herabsetzung des Kaufpreises - mit 45000 Euro eine beträchtliche Höhe erreicht. Der im Reiseprospekt der Firma E enthaltene Hinweis auf eine „Ferienverkaufsschau - Teilnahme freigestellt!“ wurde dagegen derartig „blumig“ untermalt und versteckt, dass das für das Haustürgeschäft typische Überraschungsmoment im vorliegenden Fall ohne weiteres gegeben ist. Der gewerbliche Zweck der Reise ist im vorliegenden Fall eindeutig in den Hintergrund getreten (vgl. aber auch OLG München, DB 1990, 2262, wonach ein gewerblicher Zweck als verschleierter Hauptzweck nicht erforderlich ist).
b) Im Übrigen wird die Anwendung des § 312 I 1 Nr. 2 BGB auch nicht dadurch gehindert, dass die Präsentation und der Verkauf der Teppiche in den Geschäftsräumen der Bekl. erfolgte. Eine Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ist auch dann gegeben, wenn die eigentliche Verkaufsveranstaltung in den Geschäftsräumen der anderen Vertragspartei abgehalten wird (BGH, NJW-RR 1991, 1524).
c) Des Weiteren war die Organisationsform der Veranstaltung auch derart konzipiert, dass sich die Kl. als Verbraucherin ihr nur schwer entziehen konnte. Denn es ist unstreitig, dass im vorliegenden Fall die Reiseteilnehmer auf die Teilnahme an der Busfahrt am 17. 4. 2002 angewiesen waren, da das abseits liegende Hotel und das Schwimmbad tagsüber geschlossen waren, und darüber hinaus keine Zugangsmöglichkeiten zum Strand oder zu Sehenswürdigkeiten direkt um das Hotel bestanden.
d) Die Firma E hat darüber hinaus als Dritte i.S. von § 312 I 1 Nr. 2 BGB den Tagesausflug zumindest auch im Interesse der Bekl. als der anderen Vertragspartei veranstaltet. Die Firma E ist unstreitig Veranstalter des Tagesausflugs vom 17. 2. 2002. Der Dritte veranstaltet die Freizeit schon dann im Interesse des Unternehmers, wenn er weiß, dass der Unternehmer während dieser Veranstaltung Geschäfte machen will (BGH, NJW-RR 1991, 1524 [1525]). Diese Kenntnis der Firma E lässt sich im vorliegenden Fall ohne weiteres bereits aus dem versteckten Hinweis auf die „Ferienverkaufsschau“ ihres Reiseprospekts entnehmen.
e) Die Kl. hat sich schließlich auch anlässlich des Tagesausflugs als Freizeitveranstaltung zur Abgabe ihrer Willenserklärung bestimmen lassen. Der Zusammenhang wird bereits dadurch hergestellt, dass die Kl. die Willenserklärung am damaligen Ort der Veranstaltung abgegeben hat. Hierdurch ist der zeitliche, räumliche und sachliche Bezug unmittelbar gewahrt (OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 1144). Dem Kausalitätserfordernis genügt, dass die Veranstaltung der Anlass für die Abgabe der Willenserklärung war.
2. Die Bekl. hat mit ihrem Schreiben vom 24. 9. 2002 gem. § 355 I i.V. mit III BGB rechtzeitig den Widerruf erklärt. Die Widerrufsfrist beträgt gem. § 355 I BGB zwar grundsätzlich zwei Wochen und erlischt gem. § 355 III 1 BGB spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Gemäß Absatz 3 Satz 3 erlischt das Widerrufsrecht indessen abweichend von Satz 1 nicht, wenn der Verbraucher - wie im vorliegenden Fall - nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Im Übrigen erscheint dem Gericht auf Grund der unstreitigen Tatsache, dass sich eine Mitarbeiterin der Bekl. mit der Prozessbevollmächtigten der Kl. am 2. 10. 2002 in Verbindung gesetzt hat, der Einwand der Bekl., ihr sei die Widerrufserklärung vom 24. 9. 2002 nicht zugegangen, weder überzeugend noch glaubwürdig.
3. Rechtsfolgen
Gemäß § 357 I 1 BGB finden die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. Dementsprechend haben sich die Parteien die empfangenen Leistungen gem. § 346 I i.V. mit § 348 BGB Zug um Zug zurückzugewähren.