Abgrenzung zwischen Gefälligkeit und Vertrag;
Abgrenzung von (Gefälligkeits-)Miete (§ 535 BGB) und Leihe (§ 598 BGB);
Haftung auf Nutzungsersatz aus EBV (§ 987 BGB)
BGH, Urteil vom 20. September 2017 -
VIII ZR 279/16 - OLG Hamburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zur Abgrenzung eines
Mietvertrags von anderen Gebrauchsüberlassungsverhältnissen bei Wohnräumen
(Fortführung des Senatsurteils vom 4. Mai 1970 - VIII ZR 179/68, WM 1970,
853; sogenannte Gefälligkeitsmiete).
Zentrale Probleme:
In eine zwangsvollstreckungsrechtliche Problematik (§ 152
ZVG) geht es um die Frage, ob ein Mietvertrag, eine unentgeltliche
Gebrauchsüberlassung oder ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis vorliegt. Nur
ein Mietvertrag hätte der Beklagten nämlich gegenüber dem Zwangsverwalter
ein Besitzrecht i.S.v. § 986 BGB gegeben. Der Senat legt zwar da, dass ein
Mietvertrag auch vorliegen kann, wenn die geschuldete Gegenleistung nicht
kostendeckend ist (sog. Gefälligkeitsmiete), hier aber zwar ein bindendes
Rechtsverhältnis (und damit keine bloße außerrechtliche Gefälligkeit)
vorlag, aber eben jedenfalls kein Mietvertrag. Die Entscheidung enthält
grundlegende (aber nicht neue) Ausführungen über die Abgrenzung von
Gefälligkeit und Vertrag (s. dazu auch
BGH
NJW 1992, 498; BGH
NJW 1995, 3389; BGH NJW 2009, 1141;,BGH v. 21.6.2012 - III ZR
291/11 und zuletzt
BGH, Urteil vom
23. Juli 2015 - III ZR 346/14.
©sl 2017
Tatbestand:
1 Der Kläger, der mit Beschluss des
Amtsgerichts vom 22. November 2013 zum Zwangsverwalter für das im
Wohnungseigentum stehende Reihenhaus bestellt worden ist, nimmt die
Beklagte auf dessen Herausgabe sowie auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung
in Anspruch.
2 Das Haus wird seit seiner Errichtung Ende der 1990er Jahre von der
Beklagten bewohnt - zunächst zusammen mit ihrem Ehemann, dem Zeugen A. ,
seit der Scheidung (2005) allein. Ein schriftlicher Vertrag über die Nutzung
besteht nicht.
3 Eigentümer des zwangsverwalteten Reihenhauses ist der Zeuge Al. , ein
persischer Geschäftsmann, der sich seit Jahren im Ausland aufhält. Der
Ehemann der Beklagten war mit diesem zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses
teils geschäftlich und teils privat - beide sind Landsleute - verbunden.
4 Die Beklagte macht geltend, zwischen ihr beziehungsweise zwischen ihrem
früheren Ehemann und dem Wohnungseigentümer bestehe ein Mietverhältnis. Die
Anschaffungskosten für das Reihenhaus in Höhe von etwa 594.284,04 DM
(303.852,60 €) seien seinerzeit wirtschaftlich von ihrem früheren Ehemann
getragen worden, indem ihm entsprechende Provisionszahlungen "abgezogen"
worden seien. Im Gegenzug habe er auf Lebenszeit unentgeltlich in dem Haus
leben dürfen. Hieraus leite sich auch das lebenslange Wohnrecht für sie
selbst ab. Darüber hinaus ergebe sich das Bestehen eines Mietverhältnisses
bereits daraus, dass die Beklagte und ihr damaliger Ehemann seit
Nutzungsbeginn im Jahr 1998 "sämtliche Neben- und Reparaturkosten" für das
Haus bezahlt hätten. Insoweit habe es keiner ausdrücklichen Vereinbarung
bedürft, es habe die konkludente Vereinbarung durch die Übernahme der Kosten
genügt.
5 Der Kläger nimmt die Beklagte auf Herausgabe des Reihenhauses, Zahlung
einer Nutzungsentschädigung für die Vergangenheit in Höhe von 22.957 € nebst
Zinsen, Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.087 €
monatlich sowie auf Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung von
Betriebskosten in Anspruch.
6 Das Landgericht hat die Beklagte (bis auf einen geringen Teil des
Zinsanspruchs) antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat
das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage
abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision hat Erfolg.
I.
8 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
9 Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 985 BGB auf
Herausgabe der Wohnungseigentumseinheit. Der Beklagten stehe nach § 986 BGB
ein Recht zum Besitz zu. Dabei könne offenbleiben, ob zwischen dem früheren
Ehemann und dem Eigentümer ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht
vereinbart worden sei. Denn zumindest sei zwischen letzterem und der
Beklagten ein Mietvertrag konkludent geschlossen worden.
10 Dies folge aus den Umständen des Falles beziehungsweise der praktischen
Handhabung. Der frühere Ehemann der Beklagten habe in dem Haus mit seiner
Familie seit 1998 gewohnt. Er und die Beklagte hätten seit 1998 sämtliche
Neben- und Reparaturkosten gezahlt. Der Eigentümer habe ihn dafür zusammen
mit der Beklagten in dem Haus wohnen lassen und keine (weitere) Miete und
keine Herausgabe verlangt.
11 Dass der frühere Ehemann und die Beklagte seit 1998 sämtliche Neben-und
Reparaturkosten gezahlt hätten, sei in erster Instanz unstreitig gewesen.
12 Nach der Rechtsprechung sei ein Mietverhältnis auch dann anzunehmen, wenn
der Mieter lediglich die Betriebskosten oder sonstige Lasten zu tragen habe.
So liege ein Mietvertrag bereits dann vor, wenn überhaupt eine - nicht
notwendig kostendeckende - Gegenleistung erfolge. Hier habe die Beklagte mit
ihrem früheren Ehemann noch zusätzlich die Reparaturkosten übernommen. Diese
gehörten zur Erhaltung der Mietsache in vertragsgemäßen Zustand, die
grundsätzlich dem Vermieter obliege (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit hätten
die Beklagte und ihr früherer Ehemann eine Pflicht des Vermieters
übernommen, sich insoweit an den notwendigen Ausgaben beteiligt und somit
ein Entgelt für die Gewährung des Gebrauchs übernommen. Das genüge, da ein
Mietvertrag auch dann anzunehmen sei, wenn das Entgelt für die Überlassung
einer Wohnung sehr niedrig sei und es sich um eine sogenannte
Gefälligkeitsmiete handele.
II.
13 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte
ein Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks gemäß § 985 BGB zu. Ebenso ist
die Beklagte verpflichtet, ihm seit Rechtshängigkeit gemäß § 987 BGB eine -
der Höhe nach unstreitige - Nutzungsentschädigung in Höhe von monatlich
2.087 € zu zahlen. Den Abschluss eines Mietvertrags gemäß § 535
BGB, den die Beklagte hier allein dem Kläger als Zwangsverwalter gemäß § 152
Abs. 2 ZVG entgegenhalten könnte, hat diese bereits nicht schlüssig
dargelegt. Hinsichtlich der geforderten Nutzungsentschädigung für die Zeit
vor Rechtshängigkeit, der Zinsen sowie des hinreichenden
Feststellungsbegehrens kann das Bestehen von Ansprüchen des Klägers nicht
mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden (§§
988, 990, 987 BGB).
14 1. Das Berufungsgericht hat - zu Recht - offengelassen, ob ein
unentgeltliches lebenslanges Wohnungsrecht, das auch das Wohnungsrecht der
Beklagten miteinschloss, zwischen ihrem geschiedenen Ehemann und dem
Eigentümer vereinbart war.
15 Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist im Grundbuch
ein dingliches Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB, welches allein ein die
Anordnung eines unbeschränkten Zwangsverwaltungsverfahrens hinderndes Recht
darstellen würde (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2015 - V ZR 191/14, NJW 2016,
1242 Rn. 17), nicht eingetragen. Ob der frühere Ehemann der Beklagten mit
dem Eigentümer ein schuldrechtliches, unentgeltliches, lebenslanges
Wohnungsrecht vereinbart hatte, ist unerheblich. Selbst wenn dies zuträfe,
wäre der Zwangsverwalter aus einem solchen schuldrechtlichen Vertrag nicht
verpflichtet, da gemäß § 152 Abs. 2 ZVG nur ein Miet- oder Pachtvertrag über
ein vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassenes Grundstück
dem Zwangsverwalter gegenüber wirksam ist. Ein lediglich schuldrechtlich
vereinbartes lebenslanges Wohnungsrecht könnte die Beklagte mithin
allenfalls dem Eigentümer entgegenhalten, nicht jedoch dem Kläger als
Zwangsverwalter.
16 2. Soweit das Berufungsgericht allerdings angenommen hat, die Beklagte
könne den Räumungs- und Zahlungsansprüchen des Zwangsverwalters den Bestand
eines wirksam vereinbarten Mietverhältnisses gemäß § 535 BGB entgegenhalten,
ist diese Auffassung rechtsirrig. Sie lässt sich auch nicht unter
Heranziehung des Senatsurteils vom 4. Mai 1970 (VIII ZR 179/68, WM 1970,
853) begründen.
17 a) Zwar kann sich ein Vertrag, durch den sich jemand
verpflichtet, den Gebrauch einer Sache gegen Entrichtung eines Entgelts zu
gewähren, rechtlich als Mietvertrag im Sinne des § 535 BGB darstellen. Dies
gilt auch dann, wenn das vereinbarte Entgelt sehr niedrig ist, denn die
Miete braucht dem Mietwert der Sache nicht zu entsprechen. Vielmehr stellt
auch ein weit unter der Marktmiete liegendes Entgelt für den Gebrauch einer
Sache eine Miete dar (sogenannte Gefälligkeitsmiete;
vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 1970 - VIII ZR 179/68, aaO unter II 2 am Ende).
18 Den Abschluss eines solchen Mietvertrags gemäß § 535 BGB hat die Beklagte
jedoch bereits nicht schlüssig dargelegt. Den vagen und in sich teils
widersprüchlichen Ausführungen der Beklagten, die vorgerichtlich den
Abschluss eines Mietvertrags sogar in Abrede gestellt und stattdessen ein
unentgeltliches lebenslanges Wohnungsrecht für sich in Anspruch genommen
hatte, welches ihr aufgrund der behaupteten wirtschaftlichen Aufwendungen
ihres früheren Ehemannes für den Erwerb des Wohnungseigentums zustünde,
lässt sich eine auf einen Mietvertrag gerichtete Einigung des Eigentümers
mit dem früheren Ehemann der Beklagten nicht entnehmen.
19 Fest steht insoweit lediglich, dass die Beklagte seinerzeit nach
Errichtung des Reihenhauses dieses anfänglich zusammen mit ihrem Ehemann
bezog und dort seither ohne Zahlung eines über die - in genauem Umfang
streitigen - Neben- und gelegentliche Reparaturkosten an dem (seinerzeit neu
errichteten) Haus hinausgehenden Geldbetrags wohnt.
20 b) Ob hierin eine entgeltliche Gewährung des Gebrauchs des Reihenhauses
und damit ein Mietvertrag gemäß § 535 BGB oder eine unentgeltliche
Gestattung des Gebrauchs und damit eine Leihe gemäß § 598 BGB, eine sonstige
schuldrechtliche Nutzungsvereinbarung (§ 241 BGB) oder gar ein bloßes
Gefälligkeitsverhältnis - ohne Rechtsbindungswillen - zu sehen ist, ist zwar
grundsätzlich der tatrichterlichen Auslegung vorbehalten (§§ 133, 157 BGB).
Ob eine Erklärung oder ein bestimmtes Verhalten als
(rechtsverbindliche) Willenserklärung zu werten ist, beurteilt sich dabei
nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben
(Senatsurteil vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 28 mwN).
21 Diese durch den Tatrichter vorzunehmende Auslegung ist vom
Revisionsgericht jedoch beschränkt darauf zu überprüfen, ob gesetzliche oder
allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist
oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st.
Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 27. April 2016 - VIII ZR 61/15, NJW-RR 2016,
910 Rn. 26 mwN). Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat allgemein
anerkannte Auslegungsgrundsätze missachtet und zugleich wesentlichen
Auslegungsstoff unberücksichtigt gelassen. Da weitere tatsächliche
Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der erkennende Senat die
Auslegung selbst vornehmen (vgl. Senatsurteil vom 27. April 2016 - VIII ZR
61/15, aaO).
22 c) Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass die damaligen Parteien
jedenfalls keinen dem Kläger als Zwangsverwalter allein entgegenzuhaltenden
Mietvertrag (§ 152 Abs. 2 ZVG) vereinbart haben.
23 aa) Bei einer (nahezu) unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum
zu Wohnzwecken mag die Differenzierung, ob die Parteien einen Mietvertrag (§
535 BGB), einen Leihvertrag (§ 598 BGB) oder ein schuldrechtliches
Nutzungsverhältnis sui generis (§ 241 BGB) abschließen oder nur ein bloßes
Gefälligkeitsgeschäft vornehmen wollten, im Einzelfall schwierig sein.
Zur Abgrenzung der verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten ist nach Anlass
und Zweck der Gebrauchsüberlassung und gegebenenfalls sonstigen erkennbar
zutage getretenen Interessen der Parteien zu unterscheiden (Senatsurteil vom
27. April 2016 - VIII ZR 61/15, aaO Rn. 27). Dabei kann auch das
nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien zu berücksichtigen sein. Dieses
kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, aber
Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche
Verständnis der Vertragsparteien haben (st. Rspr.; vgl.
Senatsurteil vom 27. April 2016 - VIII ZR 61/15, aaO Rn. 28).
24 bb) Die Abgrenzung, ob den Erklärungen der Parteien ein Wille zur
rechtlichen Bindung zu entnehmen ist oder die Parteien nur aufgrund einer
außerrechtlichen Gefälligkeit handeln, ist unter Würdigung der Umstände des
jeweiligen Einzelfalls zu bewerten. Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden
ist, ist anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des
Verhaltens der Parteien zu ermitteln, wobei vor allem die wirtschaftliche
und die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit heranzuziehen sind (BGH,
Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141 unter II 1
mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - III
ZR 346/14, BGHZ 206, 254, 256; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., Einl.
v. § 241 Rn. 7). Bei Anlegung dieser Maßstäbe liegt hier ein bloßes
Gefälligkeitsverhältnis nicht vor
.
25 Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ließ der
Eigentümer seine Landsleute, die Beklagte und ihre Familie, aufgrund der
geschäftlichen und persönlichen Beziehungen zwischen ihnen seinerzeit in
sein neu errichtetes Reihenhaus einziehen und sodann über mehr als ein
Jahrzehnt wohnen. Auch falls diese Überlassung ohne ein - wie auch
immer geartetes - Entgelt erfolgte, sprechen hier die objektiven Umstände,
insbesondere die wirtschaftliche Bedeutung der Überlassung von Wohnräumen
ohne eine Befristung und die rechtliche Bedeutung für die Beklagte und ihre
Familie hinsichtlich des Hauses als ihres Lebensmittelpunkts bereits gegen
die Annahme eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses.
26 cc) Damit liegt zwar eine vertragliche Bindung vor. Den Abschluss eines
Mietvertrags gemäß § 535 BGB hat die Beklagte jedoch nicht hinreichend
konkret dargelegt.
27 Der Abschluss eines Wohnraummietvertrags setzt voraus, dass sich
einerseits der Vermieter verpflichtet, Wohnräume dauerhaft und - im Rahmen
des sozialen Mietrechts - unter Einschränkung seiner Kündigungsmöglichkeit
dem Mieter gegen Zahlung eines Entgelts zu überlassen und dass sich der
Mieter im Gegenzug verpflichtet, hierfür Miete zu entrichten. An letzterem
fehlt es, wenn erst nach der Überlassung Kostentragungspflichten entstehen
(Palandt/ Weidenkaff, aaO, Einl. v. § 598 Rn. 1 [zur Leihe]).
28 (1) Aufgrund der Angaben der Beklagten ist hier weder eine solche
Verpflichtung des Eigentümers zur Überlassung des Reihenhauses noch eine im
Gegenseitigkeitsverhältnis dazu stehende Verpflichtung der Beklagten zur
Entrichtung eines Entgelts feststellbar. Unstreitig existiert keine
Mietvertragsurkunde, aus der sich die gegenseitigen Verpflichtungen der
Parteien ergeben. Anders als bei der Fallgestaltung, wie sie dem
Senatsurteil vom 4. Mai 1970 (VIII ZR 179/68, aaO) zugrunde lag, gibt es
auch keine sonstigen mündlichen Absprachen, aus denen sich eine solche
gegenseitige Verpflichtung der damaligen Parteien entnehmen lässt.
29 Die vagen Angaben der Beklagten zur behaupteten Anschaffung des
Reihenhauses mittels "abgezogener" Provisionen ihres geschiedenen Ehemannes
sind ebenfalls nicht geeignet, den Abschluss eines Mietvertrags gemäß § 535
BGB zu belegen. Sie lassen bereits offen, ob, falls überhaupt
Provisionszahlungen für die Anschaffungskosten verwendet wurden, das Geld
als Darlehen oder aus sonstigen Gründen an den Eigentümer geleistet worden
wäre. Auch wären - worauf schon das Landgericht in der mündlichen
Verhandlung vom 10. Dezember 2014 hingewiesen hat - hieraus allein noch
keine Rückschlüsse auf den Inhalt und die Dauer eines möglicherweise
zustande gekommenen Mietvertrags möglich.
30 (2) Es bleibt damit nur der von der Beklagten vorgetragene Umstand,
"sämtliche" Neben- und Reparaturkosten von Anfang an gezahlt zu haben. Dabei
handelt es sich allerdings um einen ambivalent zu beurteilenden
Gesichtspunkt, aus dem sich der Abschluss eines Mietvertrags entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen lässt. Aus der
Übernahme der - im Umfang hier darüber hinaus streitigen - Neben- und
Reparaturkosten kann ohne nähere Absprachen hierzu nicht auf eine
Gegenleistung im Sinne des § 535 Abs. 1 BGB zur Gewährung des
(Miet-)Gebrauchs an dem Reihenhaus geschlossen werden.
31 Die Übernahme gelegentlicher Reparaturkosten spricht - entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht für eine mietvertragliche
Vereinbarung. Denn auch bei der Leihe hat der Entleiher gemäß §§ 598, 601
Abs. 1 BGB regelmäßig die der Erhaltung der Sache dienenden Kosten, die den
Gebrauch der Sache erst ermöglichen, zu tragen. Die Kosten sind nach dem
Leitbild des Leihvertrags gerade von demjenigen zu tragen, dem der Gebrauch
der Sache zusteht. Dies wäre hier die Beklagte. Die Tragung der
Reparaturkosten kann daher genauso gut für die Vereinbarung einer Leihe
sprechen.
32 Hinsichtlich der Tragung der Betriebskosten hat auch bei der
Vereinbarung eines unentgeltliches Wohnungsrechts, wovon die Beklagte hier
offensichtlich ausgeht, der Wohnungsberechtigte jedenfalls die
verbrauchsabhängigen Kosten wie Strom, Wasser und Heizung zu tragen, ebenso
aber auch die anteiligen verbrauchsunabhängigen Kosten der Unterhaltung der
Anlagen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2011 - V ZR 57/11, BGHZ 191, 213
Rn. 5, 7 ff.).
33 Selbst wenn die Beklagte darüber hinaus - was sich ihrem Vorbringen
allerdings nicht ganz klar entnehmen lässt - verbrauchsunabhängige
Betriebskosten (etwa Grundsteuer, Versicherung o.ä.) getragen haben sollte,
ließe dies mangels konkreter Abreden den Rückschluss auf den
stillschweigenden Abschluss eines Mietvertrages ebenfalls nicht zu. Diese
Kosten stellen allenfalls einen geringen Bruchteil des üblicherweise für die
mietweise Überlassung eines Reihenhauses zu zahlenden Entgelts dar.
Angesichts der Interessenlage der Beteiligten können allein aus dieser
tatsächlichen Handhabung der Kosten keine Willenserklärungen des Eigentümers
und des früheren Ehemanns der Beklagten dahin entnommen werden, dass damit
eine dauerhafte Gebrauchsüberlassungsverpflichtung gegen Übernahme dieser
(geringfügigen) Kosten begründet werden sollte.
34 (3) Besondere Umstände, die gleichwohl für eine solche Würdigung
sprächen, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch nicht
erkennbar. Sie liegen insbesondere weder allein in dem Umstand, dass
es sich bei den Beteiligten um Landsleute handelt noch in der langjährigen
Überlassung des Reihenhauses an die Beklagte und ihre Familie. Es
ist schon nicht ersichtlich, dass diese langjährige Überlassung bereits im
Zeitpunkt der Überlassung des Reihenhauses an die Beklagte und ihren
früheren Ehemann absehbar war. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die
Vertragsverhandlungen der Parteien seinerzeit nicht zu Ende geführt worden,
sondern letztlich "steckengeblieben" sind. Auch diesem Umstand kann daher
kein entscheidendes Gewicht bei der Beurteilung der Frage, ob die
Überlassung des Reihenhauses seinerzeit mietweise erfolgte, beigemessen
werden.
35 dd) Somit scheidet ein Mietvertrag gemäß § 535 BGB aus.
Da jedoch weder die Leihe gemäß § 598 BGB - die zudem, wenn keine
bestimmte Zeitdauer vereinbart ist, jederzeit gemäß § 604 Abs. 3 BGB beendet
werden kann - noch ein sonstiges vereinbartes Nutzungsverhältnis sui generis
(§ 241 BGB) dem Kläger als Zwangsverwalter gegenüber bestandskräftig sind (§
152 Abs. 2 ZVG), bedarf es keiner Entscheidung darüber, welches andere
Rechtsinstitut hier vorliegt.
36 3. Mangels Abschlusses eines Mietvertrags nach § 535 BGB steht
der Beklagten folglich kein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB zu, das sie dem
Zwangsverwalter gemäß § 152 Abs. 2 ZVG entgegen halten könnte. Der
Kläger ist daher aufgrund seiner Bestellung zum Zwangsverwalter durch das
Vollstreckungsgericht (§ 150 Abs. 1 ZVG) berechtigt, von ihr die
Herausgabe des Reihenhauses und die Zahlung einer - der Höhe nach
unstreitigen - monatlichen Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.087 € seit
Rechtshängigkeit (§ 987 BGB), dem 7. August 2014, zu verlangen.
III.
37 Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist hinsichtlich des
Herausgabeanspruchs und des Zahlungsanspruchs ab Rechtshängigkeit zur
Endentscheidung reif, weil der Beklagten gegenüber dem
Herausgabeanspruch des Klägers nach § 985 BGB kein Recht zum Besitz gemäß §
986 BGB in Verbindung mit § 152 Abs. 2 ZVG zusteht. Sie hat daher das im
Wohnungseigentum stehende Reihenhaus an den Kläger herauszugeben und für die
gezogenen Nutzungen nach § 987 BGB monatlich 2.087 € seit September 2014 zu
zahlen.
38 Im Übrigen (bezüglich der darüber hinaus verlangten
Nutzungsentschädigung, der Zinsen und des Feststellungsantrags) ist der
Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif, weil insoweit weitere
Feststellungen zu treffen sind. Hierzu weist der Senat darauf hin,
dass es für die vor Rechtshängigkeit geltend gemachten Zahlungsansprüche
darauf ankommt, ob der Beklagten Bösgläubigkeit im Sinne von § 990 BGB
nachzuweisen ist. Bezüglich des Feststellungsantrages sind
angesichts des Umstandes, dass die Beklagte vorgetragen hat, stets sämtliche
Betriebskosten getragen zu haben, nähere Feststellungen zum
Feststellungsinteresse erforderlich. Zudem bedarf es hinsichtlich der für
die Nutzungsentschädigung begehrten Zinsen konkreter Feststellungen zum
Verzugs eintritt. Die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zur neuen
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
|