Wertersatzanspruch nach
Rücktritt bei Weiterveräußerung des Gegenstandes (§ 346 II S.1 Nr. 1 BGB):
Bemessung des Wertersatzes an der vereinbarten Gegenleistung (§ 346 II S. 2
BGB) auch im Falle des Rücktritts wegen Zahlungsverzögerung
BGH, Urteil vom 19.
November 2008 - VIII ZR 311/07
Fundstelle:
NJW 2009, 1068 m. Anm. Witt
BGHZ 178, 355
s. dazu auch die Anm. von Gsell LMK 2009, 276149
Amtl. Leitsatz:
Die Bestimmung des § 346
Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der bei der Berechnung des Wertersatzes die im
Vertrag bestimmte Gegenleistung zugrunde zu legen ist, findet auch im Falle
des Rücktritts wegen Zahlungsverzugs des Schuldners Anwendung.
Zentrale Probleme:
Eine hochinteressante Entscheidung zum
Wertersatz: Der Verkäufer hat eine Sache unter Wert verkauft (hier:
Kaufvertrag über ein Pferd mit atypischer Gegenleistung in Form der
Erteilung von Fahrstunden) und tritt später wegen des Ausbleibens der
Gegenleistung nach § 323 BGB zurück (der Senat spricht hier von einem
Rücktritt wegen "Zahlungsverzugs", was dogmatisch irreführend ist: § 323 BGB
setzt nicht "Verzug" i.S.v. § 286 BGB voraus, da dieser seinerseits, nicht
aber § 323 BGB, Vertretenmüssen voraussetzt, vgl. § 286 IV BGB. Man sollte
also besser von einem Rücktritt wegen "Verspätung der Zahlung" sprechen).
Nach dem erfolgten Rücktritt hätte der Käufer eigentlich nach § 346 I BGB
das Pferd herauszugeben gehabt. Da er dieses aber bereits weiterveräußert
hatte, war er dazu außerstande, so dass nach § 346 II Nr. 1 BGB Wertersatz
geschuldet war (Vorsicht: Beachte dazu BGH v. 10.10.2008 - V ZR 131/07:
Danach setzt die Wertersatzpflicht voraus, dass die Leistung iSv § 275 I BGB
unmöglich ist, in der Klausur wäre also zu prüfen, ob nicht der Käufer das
Pferd wiederbeschaffen kann. Das läge hier nicht fern, denn er hatte es an
seine Tochter übereignet!). Jetzt stellt sich die Frage des Wertersatzes:
Nach § 346 II 2 BGB hat sich dieser an der vereinbarten Gegenleistung zu
orientieren. Der Käufer schuldet also nach Rücktritt nicht den wahren Wert
des Pferdes, sondern die vereinbarte Gegenleistung. Wer ein "Schnäppchen"
macht, muß also beim Rücktritt auch nur den Schnäppchenpreis
zurückerstatten, wenn er den Gegenstand nicht mehr hat. Eine teleologische
Reduktion dieser Regelung, die in der Literatur vorgeschlagen wird, lehnt
der Senat ab. In der Literatur wird § 346 II 2 BGB hingegen z.T. lediglich
eine bloße (widerlegbare) Vermutungswirkung, dass die Gegenleistung dem Wert
entspricht, zugesprochen. Der BGH deutet aber an, dass § 242 BGB
ins Spiel kommen kann, wenn etwa der Käufer in Kenntnis des nahenden
Rücktritts die Sache schnell (zu ihrem wahren Wert) veräußert und dann, da
er nur Wertersatz in Höhe des Kaufpreises zu leisten hat, den Gewinn
realisieren kann. Dieser Fall kann m.E. aber über einen
Schadensersatzanspruch gelöst werden: Geschieht es nach der
Rücktrittserklärung, kann nach §§ 346 IV, 280 I, III, 283 Schadensersatz
statt der Leistung verlangt werden. Geschieht es vor der
Rücktrittserklärung, aber in Kenntnis des Rücktrittsrechts, kommt eine
Haftung nach §§ 280 I, 241 II BGB in Betracht (Nebenpflicht, sich für den
Fall des Rücktritts leistungsbereit zu halten). Zur abweichenden Berechnung
des Wertersatzes bei den verbraucherschützenden Widerrufsrechten s.
BGH NJW 2010,
2868 sowie
BGH v. 19.7.2012 - III ZR 252/11, zur Wertberechnung bei einer mangelhaften Leistung
s. die Anm. zu und BGH v. 14.7.2011 - VII ZR
113/10.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Die Parteien schlossen am 25. Juli 2005 einen Vertrag, in dem sich die
damals 17-jährige, durch ihre Eltern vertretene Klägerin verpflichtete, dem
Beklagten den Zweibrücker Wallach "L. " zu übergeben und zu übereignen. Der
Beklagte, ein Kraftfahrzeug-Fahrlehrer, verpflichtete sich "im Gegenzug,
alle Aufwendungen zu übernehmen", die der Klägerin bis zur Erteilung der
Fahrerlaubnis der Klasse B entstehen; darin sollten "alle Fahrstunden,
Theoriestunden und Gebühren" eingeschlossen sein.
2 Die Klägerin begann ihre Fahrausbildung bei dem Beklagten, wechselte aber
nach 24 Fahrstunden im Einvernehmen mit dem Beklagten zur Fahrschule M. .
Nach erfolgreichem Abschluss der Fahrausbildung im Jahr 2006 stellte diese
Fahrschule der Klägerin für die weiteren 28 Fahrstunden und 12 Sonderfahrten
sowie die Prüfungs- und sonstigen Gebühren einen Betrag von 1.531,72 € in
Rechnung. Die Klägerin bezahlte die Rechnung am 31. Juli 2006 und forderte
den Beklagten mit Schreiben vom 7. August 2006 – unter Androhung des
Rücktritts von der Vereinbarung vom 25. Juli 2005 – vergeblich auf, ihr
diesen Betrag bis zum 15. August 2006 zu erstatten. Sie erklärte am 23.
August 2006 den Rücktritt vom Vertrag und verlangte vom Beklagten die
Herausgabe des Pferdes. Der Beklagte, der das Pferd bereits im Frühjahr 2006
seiner Tochter übereignet hatte, zahlte am 25. August 2006 ebenfalls den
Betrag von 1.531,72 € an die Fahrschule M. und lehnte die Herausgabe des
Pferdes ab. Die Fahrschule M. bat die Parteien vergeblich um Mitteilung, an
wen sie den doppelt erhaltenen Rechnungsbetrag zurückzahlen solle.
3 Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Wertersatz für das Pferd in Höhe von
6.000 €. Der Beklagte hat widerklagend die Erstattung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 278,05 € begehrt. Das Landgericht hat die
Klage und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das
Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und der
Klägerin als Wertersatz einen Betrag in Höhe von 2.290,72 € zugesprochen; im
Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den geltend
gemachten Anspruch auf Wertersatz in voller Höhe weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse,
ausgeführt:
6 Der Klägerin stehe, nachdem sie wirksam von der Vereinbarung vom 25. Juli
2005 zurückgetreten sei und der Beklagte das seiner Tochter übereignete
Pferd nicht mehr herausgeben könne, gemäß § 346 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 1
BGB ein Anspruch auf Wertersatz zu. Als Wertersatz könne die Klägerin von
dem Beklagten jedoch nur den Wert der voraussichtlichen Aufwendungen für
ihre Fahrausbildung, nicht aber den von ihr behaupteten Verkehrswert des
Pferdes von 6.000 € beanspruchen. Dies ergebe sich aus § 346 Abs. 2 Satz 2
BGB, wonach die im Vertrag bestimmte Gegenleistung bei der Berechnung des
Wertersatzes zugrunde zu legen sei. Diese Vorschrift sei entgegen einer in
der Literatur vertretenen Auffassung auch dann anzuwenden, wenn der
Rücktritt durch einen Verzug des zum Wertersatz Verpflichteten veranlasst
worden sei und der objektive Verkehrswert der Sache den vereinbarten
Kaufpreis übersteige. Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion
der Vorschrift seien nicht gegeben, weil die Bindung des Wertersatzes an den
Wert der Gegenleistung auch in der vorliegenden Fallgestaltung nicht in
Widerspruch zu den Intentionen des Gesetzgebers stehe und auch sachlich
nicht verfehlt sei.
7 Der Wert der Gegenleistung sei im vorliegenden Fall nach § 287 Abs. 1 ZPO
auf 2.290,72 € zu schätzen. Er bestimme sich danach, was die Klägerin für
eine vollständige Fahrausbildung einschließlich Prüfung bei einem
Fahrschulunternehmen voraussichtlich hätte zahlen müssen. Die Höhe dieser
Aufwendungen für die Fahrausbildung der Klägerin könne hier anhand der
tatsächlich entstandenen Kosten geschätzt werden, weil keine Umstände dafür
vorgetragen seien, dass die Ausbildung der Klägerin unvorhergesehen lang
oder die Kosten ungewöhnlich hoch gewesen seien. Zu der von der Fahrschule
M. in Rechung gestellten Vergütung von 1.531,72 € sei der mit 759,-- € zu
veranschlagende Wert der 24 Fahrstunden hinzuzurechnen, die der Beklagte der
Klägerin bereits vor deren Wechsel zur Fahrschule M. erteilt hatte.
II.
8 Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand, so dass die
Revision zurückzuweisen ist. Der Klägerin steht ein Anspruch auf
weitergehenden Wertersatz für das Pferd "L. " nicht zu.
9 Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte
nach dem wirksamen Rücktritt der Klägerin von der Vereinbarung vom 25. Juli
2005 Wertersatz zu leisten hat, weil er das ihm übereignete Pferd "L."
aufgrund der Veräußerung an seine Tochter der Klägerin nicht mehr
zurückgeben kann (§ 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB).
Im Revisionsverfahren geht es nur noch um die Frage, ob für die Höhe des
Wertersatzes der Verkehrswert des Pferdes, der nach der Behauptung der
Klägerin 6.000,-- € beträgt, oder der Wert der Gegenleistung maßgebend ist.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass sich die Bemessung
des Wertersatzes gemäß § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht nach dem Verkehrswert
des Pferdes, sondern nach dem Wert der Gegenleistung richtet, das heißt nach
den vom Beklagten zu übernehmenden Aufwendungen für die Fahrausbildung,
deren Wert das Berufungsgericht - von beiden Parteien nicht angegriffen -
mit 2.290,72 € veranschlagt hat.
10 1. Entgegen der Auffassung der Revision sind die tatbestandlichen
Voraussetzungen für eine Anwendung des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB erfüllt. Nach
dieser Vorschrift ist bei der Berechnung des Wertersatzes für eine Sache,
deren Rückgewähr – wie hier – wegen zwischenzeitlicher Weiterveräußerung (§
346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB) nicht möglich ist, die Gegenleistung zugrunde
zu legen, wenn eine solche im Vertrag bestimmt ist. Eine Gegenleistung des
Beklagten für die Übereignung des Pferdes ist in der Vereinbarung vom 25.
Juli 2005 "bestimmt", das heißt vereinbart worden. Sie besteht in der
Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme aller Aufwendungen (Fahrstunden,
Theoriestunden und Gebühren), die der Klägerin bis zur Erteilung der
Fahrerlaubnis der Klasse B entstehen. Diese Gegenleistung des Beklagten ist
auch nicht, wie die Revision meint, unbestimmt. Da der Beklagte
vereinbarungsgemäß "alle" Kosten für die Fahrausbildung der Klägerin zu
übernehmen hat, lässt der Vertrag nicht offen, welche Gegenleistung der
Beklagte gegenüber der Klägerin zu erbringen hat; die Verpflichtung des
Beklagten zur umfassenden Kostenübernahme ist eindeutig.
11 2. § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB setzt nicht voraus, dass auch der Geldwert
der Gegenleistung in der Vereinbarung bestimmt worden ist. Haben die
Vertragsparteien den Geldwert der vereinbarten Gegenleistung - wie etwa bei
einem Tausch - nicht beziffert, so steht dies der Anwendung des § 346 Abs. 2
Satz 2 BGB nicht entgegen (vgl. Canaris in: Festschrift für Herbert
Wiedemann, 2002, S. 3, 18 f., zum Wertersatz bei der Rückabwicklung eines
Tauschs). Es reicht aus, wenn der Geldwert der Gegenleistung durch
Auslegung der Vereinbarung - notfalls unter Zuhilfenahme einer Schätzung (§
287 ZPO) - bestimmbar ist. Dies wird auch von der Revision nicht in
Zweifel gezogen. Sie meint aber, im vorliegenden Fall fehle es an der
Bestimmbarkeit des Wertes der Gegenleistung. Dies trifft nicht zu.
12 Das Berufungsgericht hat die Vereinbarung vom 25. Juli 2005 dahin
ausgelegt, dass die Klägerin danach – aus der Sicht bei Vertragsschluss –
Anspruch auf Erstattung der Kosten hatte, welche sie für eine vollständige
Fahrausbildung bei einer Fahrschule voraussichtlich zu zahlen hätte.
Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Auslegung werden von der Revision nicht
aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die genaue
Höhe dieser Kosten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht absehbar
war, hat nicht, wie die Revision meint, zur Folge, dass die Vorschrift des §
346 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anwendbar wäre, sondern führt nur zur
Notwendigkeit einer Schätzung der Kosten nach § 287 ZPO, soweit diese nicht
genau zu beziffern sind. Mit dem Abschluss der Fahrausbildung der Klägerin
stand die Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Kosten für die
Fahrausbildung der Klägerin jedoch fest, so dass sich der
Erstattungsanspruch der Klägerin von da an vereinbarungsgemäß auf die
Übernahme der tatsächlich entstandenen Kosten konkretisierte; dies gilt
jedenfalls dann, wenn diese Kosten – wie es hier nach den unangegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall ist – im Rahmen des Üblichen
liegen. Einer Schätzung der Höhe der voraussichtlichen Kosten aus der Sicht
bei Vertragsschluss – etwa nach Maßgabe durchschnittlicher Kosten für eine
Fahrausbildung – bedarf es deshalb nicht mehr, nachdem die tatsächlich
entstandenen Kosten, auf deren Erstattung die Klägerin Anspruch hat, zu
beziffern sind. Bei der Rückabwicklung des Vertrages fehlt es daher entgegen
der Auffassung der Revision nicht an der Bestimmbarkeit des Wertes der vom
Beklagten geschuldeten Gegenleistung.
13 3. Das Berufungsgericht ist mit Recht nicht der in der Literatur
teilweise vertretenen Auffassung gefolgt, nach der die Vorschrift des § 346
Abs. 2 Satz 2 BGB im Falle des Rücktritts eines Geldgläubigers wegen
Zahlungsverzugs des Schuldners aufgrund einer teleologischen Reduktion keine
Anwendung finden soll, wenn der Wert der Leistung, für die Wertersatz
geschuldet ist, höher ist als der Wert der Gegenleistung (so Canaris,
aaO, S. 3, 22 f.; ebenso Anw-KommBGB/Hager, § 346 Rdnr. 47; aA
Bamberger/Roth/Grothe, BGB, 2. Aufl., § 346 Rdnr. 46; jurisPK-BGB/Faust, 3.
Aufl., § 346 Rdnr. 77; Staudinger/Kaiser, BGB (2004), § 346 Rdnr. 159 m.w.N.).
14 Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB
rechtfertigen es, die Vorschrift für den Fall des Rücktritts wegen
Zahlungsverzugs nicht anzuwenden. Die gesetzliche Regelung differenziert
nicht nach verschiedenen Arten von Rücktrittsgründen und erfasst damit auch
den Rücktritt wegen Zahlungsverzugs. Auch die Gesetzesmaterialien enthalten
keinen Hinweis darauf, dass der Wert der Gegenleistung entgegen dem Wortlaut
der Vorschrift im Falle eines Rücktritts wegen Zahlungsverzugs nicht
maßgeblich sein sollte (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drs. 14/6040, S. 196). Die im
Gesetzgebungsverfahren auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates
vorgenommene Formulierungsänderung bezieht sich auf die Rückabwicklung bei
einer Wertminderung der Sache wegen Mängeln (BR-Drs. 338/1/01, S. 45;
BR-Drs. 338/01 (Beschluss), S. 40 f.; dazu Kohler, JZ 2002, 682, 688 f.)
und betrifft nicht den Rücktritt wegen Zahlungsverzugs, um den es hier geht.
Das Berufungsgericht weist mit Recht darauf hin, dass keine Anhaltspunkte
dafür ersichtlich sind, dass der Gesetzgeber gerade einen der Hauptfälle des
gesetzlichen Rücktritts, nämlich den Rücktritt wegen Zahlungsverzugs nach
§ 323 BGB, bei seiner Wertentscheidung, die Gegenleistung für die
Bemessung des Wertersatzes zugrunde zu legen, übersehen hätte.
15 Soweit die Forderung nach einer teleologischen Reduktion des § 346 Abs. 2
Satz 2 BGB für den Fall des Zahlungsverzugs damit begründet wird, dass der
Rücktritt durch die wortgetreue Anwendung von § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB zum
"stumpfen Schwert" würde, weil der Wertersatzanspruch dann dieselbe Höhe
hätte wie der Kaufpreisanspruch und der Rücktritt damit sinnlos wäre
(Canaris, aaO, S. 22), überzeugt dies nicht, weil der Rücktritt dem
rücktrittsberechtigten Verkäufer, wie Canaris (aaO) einräumt, auch bei einer
Orientierung am Wert der Sache keinen finanziellen Vorteil bietet, wenn der
Kaufpreis dem Wert der Sache entspricht oder höher als dieser ist. Im
Übrigen haben die Regelungen über die Rückabwicklung eines Vertrages
aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts auch keinen
Sanktionscharakter.
16 Der weitere Gedanke, es leuchte nicht ein, dass der vom Vertrag
zurücktretende Verkäufer sich an einem für ihn schlechten Geschäft - einem
Verkauf zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis - solle
festhalten lassen müssen, obwohl er sein Geld nicht bekommen habe (Canaris, aaO), überzeugt ebenfalls nicht. Er steht im Gegensatz zu der § 346 Abs. 2
Satz 2 BGB zugrunde liegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers. Nach der
Gesetzesbegründung erscheint es interessengerecht, die Parteien an den
vertraglichen Bewertungen von Leistung und Gegenleistung festzuhalten; die
objektiven Wertverhältnisse sollen dagegen nur ausnahmsweise dann maßgebend
sein, wenn eine Bestimmung der Gegenleistung – eine privatautonom
ausgehandelte Entgeltabrede – fehlt (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 196).
Es entspricht somit der gesetzgeberischen Intention, dass der Käufer als
Rückgewährschuldner beim Wertersatz begünstigt wird, wenn der Kaufpreis
hinter dem objektiven Wert der Sache zurückbleibt ("Schnäppchen"; so
auch Staudinger/Kaiser, aaO, m.w.N.). Der Verkäufer, der eine Sache unter
Wert verkauft, wird dadurch aus der Sicht der gesetzlichen Regelung nicht
benachteiligt, weil er mit Abschluss des Kaufvertrages gezeigt hat, dass die
Sache für ihn keinen höheren Wert hat als den vereinbarten Kaufpreis
(Staudinger/Kaiser, aaO, m.w.N.); er kann daher im Fall der Unmöglichkeit
der Rückgewähr auch keinen höheren Wertersatz beanspruchen.
17 Der Senat sieht angesichts dieser eindeutigen gesetzgeberischen
Wertentscheidung in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht keine
Rechtfertigung dafür, den Anwendungsbereich des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB im
Wege einer teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass die
Vorschrift beim Rücktritt eines Geldgläubigers wegen Zahlungsverzugs des
Schuldners entgegen ihrem Wortlaut nicht anzuwenden wäre. Für die
gesetzliche Regelung sprechen auch praktische Gründe. Das Berufungsgericht
weist zutreffend darauf hin, dass die vom Gesetzgeber getroffene
Wertentscheidung für eine Anknüpfung des Wertersatzes an die vereinbarte
Gegenleistung einen nahe liegenden Streit über den "wahren" Verkehrswert
der Sache vermeidet, der im nachhinein meist nur durch
Sachverständigenbeweis ermittelt werden könnte und mit zahlreichen
Unsicherheiten verbunden wäre.
18 Ob es Ausnahmefälle geben mag, in denen sich der zum Wertersatz
Verpflichtete nach Treu und Glauben nicht auf die Regelung des § 346 Abs. 2
Satz 2 BGB berufen kann - das Berufungsgericht spricht den Fall an, dass der
in Zahlungsverzug geratene Käufer in Kenntnis der Rücktrittsandrohung des
Verkäufers die Sache noch vor dem Rücktritt weiter veräußert, um deren
höheren Verkehrswert für sich zu realisieren -, bedarf keiner Entscheidung.
Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. |