Ersatzansprüche des
Unternehmers für Wertminderung nach Ausübung eines verbraucherschützenden
Widerrufsrechts - keine Ersatzpflicht durch prüfungsbedingte Wertminderung
(Wasserbett)
BGH, Urteil vom 3. November
2010 - VIII ZR 337/09
Fundstelle:
NJW 2011, 56
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Der Verbraucher, der im Fernabsatz
ein Wasserbett gekauft hat, schuldet im Falle des Widerrufs keinen Ersatz
für die Wertminderung, die dadurch eintritt, dass er die Matratze des Betts
zu Prüfzwecken mit Wasser befüllt.
Zentrale Probleme:
Ein Klassikerproblem aus dem Verbraucherschutzrecht, vom
BGH vollkommen überzeugend und richtig gelöst. Man fragt sich, warum hier
die Revision zugelassen wurde, jedenfalls gibt sie aber dem BGH die
Möglichkeit, sich grundsätzlich zu wichtigen Fragen des § 357 BGB, seiner
Zielsetzung und seines europarechtlichen Hintergrunds zu äußern. Schon
deshalb ist die Entscheidung weiterführend und lehrreich:
Auf die Rückabwicklung nach Ausübung eines Widerrufsrechts sind nach § 357 I
BGB grundsätzlich die §§ 346 ff BGB anzuwenden. Danach schuldet ein
Rücktrittsschuldner eigentlich keinen Wertersatz für die Wertminderung, die
der Gegenstand durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme erfahren hat (§
346 II Nr. 3 Halbs. 2 BGB). Grund: Der Rücktrittsschuldner schuldet ja schon
Nutzungsersatz (§ 346 I BGB) und würde sonst letztlich für das gleiche
Interesse doppelt in Anspruch genommen. Bei verbraucherschützenden
Widerrufsrechten ist das aber anders (§ 357 III BGB), wenn der Verbraucher
darauf und auf eine Möglichkeit der Vermeidung hingewiesen wurde. Die
Richtlinienkonformität dieser Regelung ist streitig, war aber hier
irrelevant. Der Verbraucher haftet nämlich keinesfalls für eine
Verschlechterung, die ausschließlich auf die Prüfung der Ware zurückzuführen
ist (§ 357 III 2 BGB). Dies war hier fraglos der Fall. Kernaussage hierzu:
"Prüfung" kann auch Benutzung beinhalten, wenn anders eine Prüfung nicht
notwendig ist. Will der Unternehmer diese Folge umgehen, darf er eben
entsprechende Waren nicht im Fernabsatz anbieten. Mitleid ist daher nicht
angebracht ....
S. dazu auch BGH v. 12.10.2016
- VIII ZR 55/15.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt den Beklagten, der über das Internet
Wasserbetten zum Verkauf anbietet, auf Rückzahlung des Kaufpreises für ein
Wasserbett in Anspruch.
2 Am 9. August 2008 schlossen die Parteien per E-Mail einen Kaufvertrag über
ein Wasserbett "Las Vegas" zum Preis von 1.265 €. Das Angebot des Beklagten
war dem Kläger per E-Mail als angehängte PDF-Datei übersandt worden. Der
Text der E-Mail enthält eine Widerrufsbelehrung. Zu den Widerrufsfolgen
heißt es dort:
"Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur
in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit
gegebenenfalls Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies
nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung
- wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen
ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die
Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was
deren Wert beeinträchtigt."
3 Im weiteren Text der E-Mail heißt es:
"Im Hinblick auf die o. g. Widerrufsbelehrung weisen wir ergänzend darauf
hin, dass durch das Befüllen der Matratze des Wasserbettes regelmäßig eine
Verschlechterung eintritt, da das Bett nicht mehr als neuwertig zu veräußern
ist."
4 Das Wasserbett wurde am 1. September 2008 gegen Barzahlung beim Kläger
angeliefert. Der Kläger baute das Wasserbett auf, befüllte die Matratze mit
Wasser und benutzte das Bett sodann drei Tage lang. Mit einer E-Mail vom 5.
September 2008 übte er sein Widerrufsrecht aus. In dem Schreiben heißt es:
"...leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich bezüglich des Wasserbettkaufs
von meinem Rückgaberecht Gebrauch machen möchte. In den letzten Tagen hatten
wir die Möglichkeit dieses ausgiebig zu testen."
5 Nach Abholung des Wasserbetts forderte der Kläger den Beklagten zur
Rückzahlung des Kaufpreises auf. Der Beklagte erstattete lediglich einen
Betrag von 258 € und machte geltend, dass das Bett nicht mehr verkäuflich
sei; lediglich die Heizung mit einem Wert von 258 € sei wieder verwertbar.
6 Das Amtsgericht hat der auf Rückzahlung des restlichen Kaufpreises von
1.007 € sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 155,30 € - j
eweils nebst Zinsen - gerichteten Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete
Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein
Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
8 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
9 Dem Kläger stehe der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aufgrund des
nach §§ 312d, 355 BGB wirksamen Widerrufs gemäß § 346 Abs. 1 BGB zu. Der
Beklagte habe dagegen nicht wirksam mit einem Wertersatzanspruch nach § 357
Abs. 3 Satz 1 BGB in Höhe der Klageforderung aufgerechnet.
10 Nach dieser Vorschrift habe der Verbraucher abweichend von § 346 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 BGB Wertersatz auch für eine durch bestimmungsgemäße
Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er
entsprechend den Vorgaben dieser Bestimmung informiert worden sei.
Wertersatz sei dagegen nach § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF; jetzt Satz 3] nicht
zu leisten, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der
Sache zurückzuführen sei.
11 Die zunächst vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, aufgrund der
mehrtägigen ausgiebigen Testung des Bettes könne nicht mehr von einer bloßen
Prüfung, sondern müsse bereits von einer bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme
mit der Folge des Wertersatzes bei Verschlechterung ausgegangen werden,
lasse sich aufgrund der am 3. September 2009 ergangenen Entscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (Rs. C-489/07) nicht mehr aufrecht
erhalten. Der Gerichtshof habe zwar nicht über Wertersatz infolge
Verschlechterung der Sache, sondern über Wertersatz für erlangte
Gebrauchsvorteile zu befinden gehabt, so dass die Entscheidung für den
Streitfall nicht einschlägig sei. Der Gerichtshof habe jedoch grundsätzliche
Ausführungen zu den Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs im
Fernabsatzgeschäft gemacht, die auch den vorliegenden Rechtsstreit beträfen.
12 So habe der Gerichtshof im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2
der Fernabsatz-Richtlinie das Ziel dieser Richtlinie betont, für den
Verbraucher die Nachteile auszugleichen, die er durch den Vertragsabschluss
im Fernabsatz gegenüber einem Vertragsabschluss im Laden hinnehmen müsse.
Mit dem Widerrufsrecht werde dem Verbraucher eine angemessene Bedenkzeit
eingeräumt, in der er die Möglichkeit habe, die gekaufte Ware zu prüfen und
auszuprobieren. Die Ausnahmeregelung des § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF] sei
europarechtskonform dahingehend zu verstehen, dass prüfen auch
"ausprobieren" einschließe.
13 Das Wasserbett könne nur durch Befüllung der Matratze ausprobiert werden.
Insoweit sei auch der formularmäßige Hinweis des Beklagten, "dass durch das
Befüllen der Matratze des Wasserbettes regelmäßig eine Verschlechterung
eintritt, da das Bett nicht mehr als neuwertig zu veräußern ist" nach § 307
Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da er in Widerspruch zur Fernabsatz-Richtlinie
und der europarechtskonform auszulegenden nationalen Vorschrift des § 357
Abs. 3 BGB stehe.
14 Der Kläger habe das Bett nach eigenem Bekunden drei Tage getestet. Da es
sich bei einem Bett regelmäßig um eine langfristige, für das eigene
Wohlbefinden nicht unerhebliche Anschaffung handele, dürfte auch eine
dreitägige Nutzung noch als angemessene Prüfung im Sinne von § 357 Abs. 3
Satz 2 BGB [aF] zu werten sein. Dies könne aber letztlich dahinstehen, denn
der Beklagte habe vorgetragen, dass der geltend gemachte Schaden stets
bereits durch das erstmalige Befüllen in vollem Umfang eintrete. Die über
die - dem Kläger nach Auffassung des Berufungsgerichts jedenfalls gestattete
- einmalige Befüllung hinausgehende Nutzung des Betts sei für den
Schadenseintritt nicht mehr kausal gewesen.
II.
15 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist
daher zurückzuweisen.
16 Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist das
Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund des von ihm
fristgerecht erklärten Widerrufs des mit dem Beklagten geschlossenen
Fernabsatzvertrags gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 357
Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf
Rückzahlung des Kaufpreises hat, hier also des noch offenen Restbetrags von
1.007 €. Dem Beklagten steht demgegenüber, wie das Berufungsgericht
ebenfalls mit Recht angenommen hat, kein aufrechenbarer Gegenanspruch auf
Wertersatz gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB zu.
17 1. Gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB finden auf das Widerrufsrecht des
Verbrauchers gemäß § 355 BGB, soweit nichts anderes bestimmt ist, die
Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. Nach
der für den gesetzlichen Rücktritt geltenden Vorschrift des § 346 Abs. 1 BGB
sind die empfangenen Leistungen von den Vertragsparteien einander
zurückzugewähren. In § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB wird bestimmt, dass der
Schuldner statt der Rückgewähr Wertersatz zu leisten hat, soweit der
empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist;
jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene
Verschlechterung außer Betracht. Abweichend davon ist in § 357 Abs. 3
Satz 1 BGB für das Widerrufsrecht des Verbrauchers geregelt, dass der
Verbraucher Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme
der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten hat, wenn er spätestens
bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit
hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Es bedarf indessen keiner
Entscheidung, ob eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme im Sinne des § 357
Abs. 3 Satz 1 BGB vorliegt, und ob die dem Kläger erteilte Belehrung
inhaltlich den Anforderungen dieser Vorschrift genügt (vgl. dazu etwa
Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 357 Rn. 23; Bamberger/Roth/Grothe,
BGB, 2. Aufl., § 355 Rn. 7; Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 357 Rn. 19;
Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 357 Rn. 10; jeweils mwN; Medicus in:
Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 5. Aufl., § 357 Rn. 11 f.) und ob die in §
357 Abs. 3 Satz 1 BGB getroffene Regelung europarechtskonform ist (so z.
B. Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009, S. 343 f.; Grigoleit,
NJW 2002, 1151, 1154 f.; Staudinger/Kaiser, aaO Rn. 31 mwN; Bamberger/Roth/Grothe,
aaO, § 357 Rn. 12 mwN; aA z. B. Micklitz/Reich, BB 1999, 2093, 2095; Arnold/Dötsch,
NJW 2003, 187).
18 2. Denn die in § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelte Wertersatzpflicht des
Verbrauchers besteht gemäß § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF] nicht, wenn die
Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen
ist. Das ist hier der Fall.
19 Der Kläger hat das Wasserbett aufgebaut, die Matratze mit Wasser befüllt
und das Bett sodann drei Tage lang benutzt. Nach dem Vorbringen des
Beklagten ist dadurch - und zwar bereits durch den Aufbau des Betts und die
Befüllung der Matratze mit Wasser - eine Verschlechterung des Wasserbetts
eingetreten, weil es nunmehr als gebrauchtes Wasserbett anzusehen ist, als
solches nicht mehr verkauft werden kann und deshalb einen Wertverlust in
voller Höhe des Kaufpreises (abzüglich des Betrags von 258 € für die wieder
verwertbare Heizung) erlitten hat. Dies ist mangels gegenteiliger
Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zu
unterstellen. Dabei kommt es allein auf den Aufbau des Betts und die
Befüllung der Matratze mit Wasser an, weil die darüber hinaus gehende
Benutzung durch den Kläger nach dem Vorbringen des Beklagten nicht zu einer
weiter gehenden Verschlechterung geführt hat. Der Aufbau des Betts und
die Befüllung der Matratze mit Wasser stellen aber lediglich eine Prüfung
der Sache im Sinne des § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF] dar.
20 a) Die Regelungen in § 357 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB [aF] sind durch das
Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S.
3138) eingeführt worden. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es dazu (BT-Drucks.
14/6040, S. 199 f.):
"Zu Satz 1
Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass der Verbraucher abweichend von § 346 Abs. 2
Nr. 3 RE auch eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache
entstandene Wertminderung zu ersetzen hat. Diese gegenüber dem
Rücktrittsrecht zu Lasten des widerrufenden Verbrauchers vorgesehene
Haftungserschwerung rechtfertigt sich dadurch, dass das Widerrufs- oder
Rückgaberecht dem Verbraucher [richtig: des Verbrauchers] nicht von einer
Vertragsverletzung des Unternehmers abhängt, sondern dem Verbraucher kraft
Gesetzes in jedem Fall zusteht. Der Unternehmer kann mithin gar nicht
vermeiden, vom widerrufenden Verbraucher die Sache „gebraucht" zurücknehmen
zu müssen, obwohl er diese vertragsgemäß geliefert hatte. (...)
Zu Satz 2
Um auszuschließen, dass der Unternehmer dem Verbraucher auch ein (.)
Prüfungsrecht im Ergebnis nimmt und ihm auch insoweit das
Wertminderungsrisiko auferlegt, bestimmt Satz 2, dass der Verbraucher den
aus der bloßen Prüfung herrührenden Wertverlust - unabhängig davon, ob er
vom Unternehmer auf ein solches Haftungsrisiko hingewiesen worden ist oder
nicht - in keinem Fall tragen muss. Dies bedeutet, dass der Verbraucher für
den Wertverlust, den ein Kleidungsstück allein dadurch erleidet, dass es aus
der Verpackung genommen und anprobiert wird, oder den ein Buch durch das
bloße Aufschlagen und kurzes Durchblättern erleidet, nicht aufzukommen
braucht, dass er wohl aber die durch die Erstzulassung eines Pkws
entstehende Wertminderung tragen müsste, wenn er entsprechend Satz 1 vom
Unternehmer über diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit der Vermeidung
belehrt worden ist. Denn diese Wertminderung ist gerade nicht auf die
Prüfung des Pkws zurückzuführen, sondern beruht allein auf der Zulassung des
Fahrzeugs und ist damit prüfungsunabhängig. Dagegen dürfte dem Verbraucher
der Wertverlust, der dadurch entsteht, dass sich der Verbraucher in den Pkw
setzt, alle Instrumente ausprobiert und mit dem Pkw eine kurze Strecke auf
nichtöffentlicher Verkehrsfläche zurücklegt, in keinem Fall auferlegt
werden.
Satz 2 kommt allerdings vor allem eine klarstellende Funktion zu. Denn § 346
Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz RE setzt gerade voraus, dass durch die
bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache überhaupt ein Wertverlust
eingetreten ist; damit ist die Wertminderung gemeint, die dadurch eintritt,
dass die Sache nicht mehr als „neu" verkauft werden kann. Eine solche
Wertminderung tritt aber in der Regel ohnehin nicht durch die bloße Prüfung
der Sache, sondern erst durch einen darüber hinausgehenden Gebrauch - oder
eben bei Pkws durch die Erstzulassung - ein."
21 aa) Aus den in der Gesetzesbegründung angeführten Beispielen -
insbesondere dem Ausprobieren der Instrumente eines Pkws und der kurzen
Testfahrt mit dem Pkw auf nicht-öffentlichem Gelände - ergibt sich, dass
der Verbraucher grundsätzlich Gelegenheit haben soll, die durch
Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware in Augenschein zu nehmen und
"auszuprobieren". Das setzt bei Möbeln, die im zerlegten Zustand angeliefert
werden, das Auspacken und den Aufbau der Möbelstücke voraus, gegebenenfalls
auch das Aufblasen, Aufpumpen oder sonstige Befüllen mit einem Füllmedium,
wie hier das Befüllen der Matratze mit Wasser. Denn der Verbraucher kann
sich nur dann einen ausreichenden Eindruck von dem gekauften Möbelstück
machen, wenn es aufgebaut ist. Da es im Streitfall allein auf den Aufbau des
Betts und die Befüllung der Matratze mit Wasser ankommt, muss nicht
entschieden werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang dem
Verbraucher auch eine darüber hinaus gehende Nutzung zu Prüfzwecken erlaubt
ist (vgl. dazu Erman/Saenger, aaO Rn. 20 f.; Bamberger/Roth/Grothe, aaO,
§ 357 Rn. 13).
22 bb) Dass der Aufbau eines im Fernabsatz erworbenen Möbelstücks vom
Begriff der Prüfung im Sinne des § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF] erfasst wird,
ergibt sich auch aus der Fassung der Regelungen in § 357 Abs. 3 Satz 1 und 2
BGB [aF]. Denn die in Satz 2 [aF] geregelte Ausnahme setzt logisch voraus,
dass die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt sind, die Sache also in
Gebrauch genommen wurde. Demzufolge erfasst der Begriff der Prüfung in §
357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF] auch eine Ingebrauchnahme der Sache, jedenfalls
dann, wenn die Ingebrauchnahme zu Prüfzwecken erforderlich ist (vgl.
auch Erman/Saenger, aaO; Bamberger/Roth/Grothe, aaO). Das schließt auch den
notwendigen Aufbau eines Möbelstücks zu Prüfzwecken ein. Dafür spricht
schließlich auch die Gesetzesbegründung, nach der § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF]
vor allem klarstellende Funktion zukommt, weil eine Wertminderung in der
Regel nicht durch die bloße Prüfung der Sache eintritt. Daraus ergibt sich
aber im Umkehrschluss, dass der Ausnahmetatbestand des § 357 Abs. 3 Satz 2
BGB [aF] jedenfalls auch in den Fällen anwendbar ist, in denen die Prüfung
notwendigerweise eine Ingebrauchnahme der Sache voraussetzt und zu einer
Verschlechterung führt.
23 cc) Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass das Auspacken und
"Ausprobieren" der gekauften Ware häufig auch beim Kauf im Ladengeschäft
nicht möglich ist (vgl. Medicus, aaO Rn. 12). Allerdings wird der Zweck der
Regelung in § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF] darin gesehen, eine Prüfung der
Ware in dem Umfang zu ermöglichen, in dem eine Prüfung im traditionellen
Handel möglich wäre (Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1346; Föhlisch, aaO S.
346 f.). Der Vergleich mit den Prüfungsmöglichkeiten beim Kauf im
Ladengeschäft kann aber nicht alleiniger Prüfungsmaßstab sein. Denn beim
Kauf von Waren durch Vertragsabschluss im Fernabsatz bleibt gegenüber dem
Kauf im Ladengeschäft auch dann ein Nachteil, wenn der Kunde die gekaufte
Ware im Ladengeschäft nicht auspacken, aufbauen und ausprobieren kann.
Für den Kauf im Ladengeschäft ist typisch, dass dort zumindest Musterstücke
ausgestellt sind, die es dem Kunden ermöglichen, sich einen unmittelbaren
Eindruck von der Ware zu verschaffen und diese auch auszuprobieren. Das
ist bei einem Vertragsabschluss im Fernabsatz, bei dem der Verbraucher sich
allenfalls Fotos der Ware anschauen kann, nicht der Fall. Die Vorschriften
über den Widerruf von Vertragsabschlüssen im Fernabsatz dienen aber gerade
der Kompensation von Gefahren aufgrund der Unsichtbarkeit des
Vertragspartners und des Produkts (Föhlisch, aaO S. 347).
24 dd) Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass schon der Aufbau der
Möbel häufig Gebrauchsspuren hinterlässt, die zu einer erheblichen
Wertminderung führen können, unter Umständen bis zur Unverkäuflichkeit der
Ware, wie hier vom Beklagten vorgetragen. Das Prüfungsrecht des Verbrauchers
kann mit diesem Argument nicht eingeschränkt werden. Zwar hat der
Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung mit der Erstzulassung eines Pkw ein
Beispiel für ein Käuferverhalten genannt, das zu einer erheblichen
Wertminderung und einem Wertersatzanspruch führt (BT-Drucks.
14/6040, S. 199: etwa 20 %). Die mit der Erstzulassung einhergehende
Verschlechterung ist aber, wie sich aus der vorstehend zitierten weiteren
Gesetzesbegründung ergibt, nach der Vorstellung des Gesetzgebers
prüfungsunabhängig, die Erstzulassung somit gerade nicht erforderlich, um
das Fahrzeug zu prüfen. Wenn hingegen - wie im Streitfall -schon der für
Prüfzwecke erforderliche Aufbau des gekauften Gegenstands eine erhebliche
Wertminderung nach sich zieht, kann dies nicht zu einer Einschränkung des
Prüfungsrechts des Verbrauchers führen.
25 Sonst hätte der Verbraucher in solchen Fällen allenfalls die Möglichkeit,
die Ware aus der Verpackung zu nehmen (wobei selbst dies schon zu einer
beträchtlichen Wertminderung führen kann), die Einzelteile zu besichtigen
und auf Vollständigkeit zu kontrollieren. Eine Besichtigung stellt aber
regelmäßig keine Prüfung dar (vgl. Föhlisch, aaO S. 347), erst recht nicht
eine solche, die die in der Gesetzesbegründung hervorgehobene Möglichkeit
des "Ausprobierens" einschließt. Ob insofern bei besonderen Produkten (z. B.
Lebensmitteln) eine andere Beurteilung geboten ist und in solchen Fällen
bereits das Öffnen der Verpackung über eine bloße Prüfung im Sinne des § 357
Abs. 3 Satz 2 BGB [aF] hinausgeht, weil es auch im Ladengeschäft nicht
möglich wäre (vgl. Föhlisch, aaO S. 348 f.; Kaestner/Tews, aaO S. 1348),
bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
26 ee) Hiernach ist der Aufbau des Wasserbetts und die Befüllung der
Matratze durch den Kläger als Prüfung der Sache im Sinne des § 357 Abs. 3
Satz 2 BGB [aF] anzusehen. Auf die Frage, ob dies auch noch für die
anschließende dreitägige Nutzung durch den Kläger gilt, kommt es - wie
bereits ausgeführt -nicht an.
27 b) Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit der Richtlinie 97/7/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den
Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144
S. 19; im Folgenden: Richtlinie 97/7/EG).
28 Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 97/7/EG kann ein Verbraucher
jeden Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens
sieben Werktagen ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung widerrufen.
Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 97/7/EG
bestimmen, dass die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der
Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren
Kosten der Rücksendung der Waren sind. Diese Bestimmungen erfassen sämtliche
Kosten im Zusammenhang mit dem Abschluss, der Durchführung oder der
Beendigung des Vertrags, die im Fall des Widerrufs zu Lasten des
Verbrauchers gehen können (EuGH, ZIP 2010, 839 Rn.
52 - Handelsgesellschaft Heinrich Heine GmbH / Verbraucherzentrale
Nordrhein-Westfalen e. V.). Darunter fällt, anders als es im Schrifttum
im Anschluss an die Gesetzesbegründung (BT-Drucks.
14/6040, S. 199) teilweise vertreten wird (so z. B. Grigoleit, aaO;
Staudinger/Kaiser, aaO Rn. 31 mwN; Bamberger/Roth/Grothe, aaO Rn. 12), auch
die Verpflichtung des Verbrauchers, Wertersatz für die durch die
bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung der
Sache zu leisten.
29 Zu einem Anspruch auf Wertersatz für die Nutzung der gekauften Sache
während der Widerrufsfrist (§ 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 357 Abs. 1 Satz 1
BGB) hat der Gerichtshof der Europäischen Union im
Urteil vom 3. September 2009 (NJW 2009, 3015 - Messner / Krüger)
ausgeführt, aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7/EG ergebe sich,
dass das Verbot, dem Verbraucher andere Kosten als die der unmittelbaren
Rücksendung der Waren aufzuerlegen, gewährleisten solle, dass das in dieser
Richtlinie festgelegte Widerrufsrecht "mehr als ein bloß formales Recht" sei
und der Verbraucher nicht durch negative Kostenfolgen von der Ausübung des
Widerrufsrechts abgehalten werde (Rn. 19). Aus dem gleichen Erwägungsgrund
ergebe sich, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher in der besonderen
Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen solle, in der er
"keine Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen
oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu
nehmen". Das Widerrufsrecht solle also den Nachteil ausgleichen, der sich
für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergebe,
indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt werde, in der er die
Möglichkeit habe, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren (Rn. 20).
Die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf würden
beeinträchtigt, wenn dem Verbraucher auferlegt würde, allein deshalb
(Nutzungs-) Wertersatz zu zahlen, weil er die durch Vertragsabschluss im
Fernabsatz gekaufte Ware geprüft und ausprobiert habe (Rn. 24). Die
Richtlinie habe jedoch nicht zum Ziel, dem Verbraucher Rechte einzuräumen,
die über das hinausgehen, was zur zweckdienlichen Ausübung des
Widerrufsrechts erforderlich sei (Rn. 25). Demzufolge stehe die Zielrichtung
der Richtlinie und insbesondere das in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der
Richtlinie 97/7/EG festgelegte Verbot grundsätzlich Rechtsvorschriften eines
Mitgliedstaats nicht entgegen, wonach der Verbraucher einen angemessenen
Wertersatz zu zahlen habe, wenn er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz
gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen
von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare
Art und Weise benutzt habe (Rn. 26).
30 Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob die Regelungen in Art. 6
Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG in dieser Auslegung durch
den Gerichtshof der Europäischen Union den nationalen Vorschriften in § 357
Abs. 3 Satz 1 und 2 [aF] BGB generell entgegen stehen (vgl. dazu etwa
Schinkels, LMK 2009, 291092 unter 3 c; Ballhausen, K&R 2009, 704, 705; vgl.
ferner die oben unter II 1 genannten Fundstellen). Denn nach dem mit der
Richtlinie 97/7/EG verfolgten Zweck soll dem Verbraucher die Möglichkeit
gegeben werden, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren, weil er
keine Möglichkeit hat, die Ware vor Abschluss des Vertrags zu sehen. Das ist
im vorliegenden Fall aufgrund des Ausschlusses der Haftung in § 357 Abs. 3
Satz 2 BGB [aF] für eine Verschlechterung, die ausschließlich auf die
Prüfung der Sache zurückzuführen ist, gewährleistet. Denn von dem Ausschluss
ist, wie bereits oben unter a ausgeführt, auch die Prüfung umfasst, die
notwendigerweise mit einer Ingebrauchnahme verknüpft ist (vgl. Ballhausen,
aaO S. 705 f.). Das schließt jedenfalls den Aufbau des Wasserbetts und die
Befüllung der Matratze mit Wasser ein.
31 Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung
der Richtlinie 97/7/EG bedarf es nicht, weil die richtige Anwendung des
Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen
Zweifel kein Raum bleibt und die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte
der Mitgliedstaaten gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV entfällt ("acte clair";
vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243 Rn.
31; Senatsurteil vom 16. September 2009 - VIII ZR
243/08, WM 2009, 2334 Rn. 16; jeweils mwN).
32 Im Übrigen ist es nach Art. 14 der Richtlinie 97/7/EG unschädlich, wenn
das nationale Recht einen höheren als den in der Richtlinie vorgesehenen
Mindestschutz für Verbraucher vorsieht.
33 c) Auch der dem Kläger erteilte Hinweis, nach dem schon durch das
Befüllen der Matratze mit Wasser regelmäßig eine Verschlechterung eintritt,
führt, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht zu einer
anderen Beurteilung. Der Verbraucher muss gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB auf
die dort geregelte Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen werden, sie
zu vermeiden. Es kann dahin stehen, ob der hier erteilte Hinweis den
Anforderungen des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB genügt, da er keine Möglichkeit
aufzeigt, wie bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme der Sache eine
Verschlechterung vermieden werden kann. Durch den Hinweis kann aber
jedenfalls der dem Verbraucher nach § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB [aF]
zuzubilligende Prüfungsumfang nicht eingeschränkt werden.
34 3. Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 € ergibt sich aus dem Gesichtspunkt
des Verzuges (§ 280 Abs. 2, § 286 BGB). |