Ersatzansprüche des
Unternehmers für Wertminderung nach Ausübung eines verbraucherschützenden
Widerrufsrechts - Ersatzpflicht nach Einbau
(Katalysator); Konkurrenz von Widerruf und Rücktritt; Berechnung der
Wertminderung
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 -
VIII ZR 55/15 - LG Berlin
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Der Verbraucher, der im
Fernabsatz einen Katalysator gekauft, diesen anschließend in sein
Kraftfahrzeug eingebaut und mit diesem eine (kurze) Probefahrt durchgeführt
hat, schuldet im Falle des Widerrufs dem Verkäufer Ersatz für die
Verschlechterung, die dadurch an dem Katalysator eingetreten ist. Solche
Maßnahmen gehen über die in § 357 Abs. 3 BGB in der bis zum 12. Juni 2014
geltenden Fassung vorgesehene Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise
der Sache hinaus, denn diese Vorschrift soll den Verbraucher nicht gegenüber
einem Käufer im stationären Handel begünstigen, sondern nur einen Ausgleich
dafür schaffen, dass ihm die im stationären Handel zur Verfügung stehenden
Erkenntnismöglichkeiten entgangen sind (Fortführung von
Senatsurteil vom 3. November 2010 - VIII ZR
337/09, BGHZ 187, 268 Rn. 23).
Zentrale Probleme:
Eine wichtige und sehr gehaltvolle (und deshalb auch
für BGHZ vorgesehene) Entscheidung zum Widerrufsrecht bei
Fernabsatzverträgen. Die Entscheidung erging zum vor dem 13.5.2014 geltenden
Recht, jedoch hat die Gesetzesänderung im Zuge der Umsetzung der
Verbraucherrechte-Rl.
insoweit keine Änderung gebracht: Nach Ausübung eines Widerrufsrechts bei
Fernabsatzverträgen (jetzt: § 312g BGB) sind die gegenseitigen Leistungen
zurückzuerstatten (jetzt: § 355 III 1 BGB). Dabei hat der Verbraucher für
einen Wertverlust der Ware Ersatz zu leisten, wenn dieser "auf einen Umgang
mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der
Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war" und der
Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB über sein
Widerrufsrecht unterrichtet hat (jetzt: § 357 VII BGB, einer gesonderten
Belehrung über die Wertersatzpflicht bedarf es heute nicht mehr). Hier hatte
der Verbraucher den im Fernabsatz erworbenen Katalysator in sein Kfz
eingebaut, ausprobiert, wieder ausgebaut und dann den Vertrag widerrufen,
der Unternehmer fordert Wertersatz. Es geht also um die Frage, ob diese Art
des Umgangs noch zur "Prüfung" der Ware gehört. Der Senat verneint das,
indem er - wie schon in
BGHZ 187, 268 - den Fernabsatz mit
dem stationären Handel verkauft. Da man auch im stationären Handel einen
Katalysator vor Vertragsschluss nur vor Ort begutachten, nicht aber in sein
Fahrzeug einbauen könne, ginge es hier nicht mehr um die spezifischen
Gefahren des Fernabsatzes, vor welchen der Ausschluss eines Wertersatz
für die Wertminderung infolge der "Prüfung" der Sache schützen wolle s.
Rn. 21 ff). Das ist teleologisch sicher zutreffend,
zweifelhaft ist allerdings, ob diese Frage wirklich so klar ist, dass sie
nicht gem. Art. 267 AEUV dem EuGH hätte vorgelegt werden müssen (in Bezug
auf die Auslegung der früheren
FernabsatzRl.). Das allerdings hatte bereits
BGHZ 187, 268 unter Hinweis
auf
Urteil vom 3. September 2009 (NJW 2009, 3015 - Messner / Krüger
verneint, weil es sich insoweit um einen "acte clair" handele (s. dazu
Rn. 29 ff).
Weiter geht es in der Entscheidung um die unterschiedliche Wertersatzpflicht
im Falle des Rücktritts wegen eines Sachmangels (§ 437 Nr. 2 BGB): In der
Tat hätte der Käufer als Folge eines solchen Rücktritts in der vorliegenden
Fallkonstellation gem. § 346 BGB keinen Wertersatz für die Abnutzung durch
Einbau leisten müssen, weil gem. § 346 II 2 Halbs. 2 BGB für den Wertverlust
durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme kein Ersatz zu leisten ist. Wenn
sich der Verbraucher zum Widerruf entscheidet und nicht zurücktritt, ist §
346 BGB aber durch das Rückabwicklungsregime von §§ 355 III, 357 BGB
verdrängt (s. bei Rn. 37). Wenn darin allerdings die
Aussage stecken sollte, dass der Verbraucher nach Ausübung des
Widerrufsrechts nicht mehr wegen eines Mangels zurücktreten kann (weil es
wegen der dadurch erfolgten Aufhebung des Kaufvertrags an einer Grundlage
für die Gewährleistung fehlt), ist das zumindest bedenkenswert: Denn
regelmäßig geht ja auch die Rechtsprechung von einer sog. "Doppelwirkung"
aus, indem sie etwa auch bei einem wegen § 138 BGB nichtigen Vertrag dennoch
einen verbraucherschützenden Widerruf zulässt (s. dazu
BGH NJW 2010,
610). Daher wird man einem Verbraucher, der zunächst nach § 312g BGB
widerruft nicht ohne weiteres die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten,
zumindest aber eines Rücktritts, verwehren können. Sofern der Mangel
behebbar ist, kann freilich wegen des vernichteten Vertrags wohl keine
Nacherfüllung mehr erfolgen, so dass auf diese Weise dem Verkäufer das
"Recht" zu zweiten Andienung genommen wäre. Zumindest aber dann,
wenn zur Zeit des Widerrufs die Rücktrittsvoraussetzungen vorlagen muss man dem Verbraucher auch nach Erklärung des Widerrufs einen
Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 326 V, 323 BGB gestatten mit der Folge, dass
die Rückabwicklung nach dem für ihn günstigeren § 346 BGB erfolgt.
Das weitere in der Entscheidung diskutierte Problem, ob beim Wertersatz
der Gewinnanteil im Kaufpreis zu berücksichtigen ist
(s. bei
Rn. 49), ist heute
wohl durch §
§ 357 VIII BGB (im gegenteiligen Sinn) geklärt: Bei
Dienstleistungen und Verträgen über (jeweils leitungsgebundenem) Wasser,
Gas, Strom und Fernwärme ist der vereinbarte Preis zugrundzulegen. Daraus
ergibt sich e contrario, dass in Fällen wie dem vorliegenden der objektive
Wert maßgeblich ist. Der Gewinnanteil wäre also herauszurechnen. Aber auch
zum bisherigen recht überzeugen die Ausführungen des Senats nicht: Er grenzt
nämlich die gegenläufige Entscheidung in
BGHZ 185, 192 und
BGH v.
19.7.2012 - III ZR 252/11 dadurch ab, dass beim Fernabsatz keine
Überrumpelungssituation vorliegt. Das ist insofern bedenklich, als auch die
ratio des Fernabsatzwiderrufs die Entscheidung des Verbrauchers betrifft, ob
ihm diese Ware genau diesen Preis wert ist. Die Dinge liegen hier also nicht
anders.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Beklagte betreibt einen
Onlinehandel für Autoteile. Im Februar 2012 bestellte der Kläger über deren
Internetseite einen Katalysator nebst Montagesatz zu einem Gesamtkaufpreis
von 386,58 €. Hiervon entfielen auf den Katalysator 351,99 €, auf den
Montagesatz 17,59 € und weitere 17 € auf Versandkosten. Am 7. Februar 2012
erhielt der Kläger von der Beklagten per E-Mail eine Bestätigung über den
Versand der Ware, die mit einer Widerrufsbelehrung und Hinweisen zu den
Widerrufsfolgen versehen war.
2 Den am 9. Februar 2012 gelieferten Katalysator ließ der Kläger von
einer Fachwerkstatt in seinen Mercedes-Benz S420 einbauen. Als er nach einer
kurzen Probefahrt feststellte, dass das Fahrzeug nicht mehr die vorherige
Leistung erbrachte, widerrief er mit E-Mail vom 21. Februar 2012 sowie mit
Schreiben vom 22. Februar 2012 seine auf Abschluss des Kaufvertrags
gerichtete Willenserklärung und sandte die Kaufsache am 22. Februar 2012 an
die Beklagte zurück.
3 Der Katalysator wies deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren auf.
Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des Kaufpreises mit der Begründung,
der Katalysator sei durch die Ingebrauchnahme wertlos geworden. Sie rechne
daher mit einem hieraus resultierenden Wertersatzanspruch auf.
4 Die auf Rückzahlung des Gesamtkaufpreises von 386,58 € nebst Zinsen
gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht Erfolg gehabt. Auf die vom
Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht das
erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage unter Berücksichtigung
eines Wertersatzanspruchs der Beklagten von 172,41 € nur in Höhe von 214,17
€ nebst Zinsen stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen
Urteils. Die Beklagte beziffert ihren Wertersatzanspruch auf 255,63 € und
begehrt daher im Wege der Anschlussrevision die Abweisung der Klage, soweit
sie einen Betrag von 130,95 € übersteigt.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision des Klägers hat im Ergebnis Erfolg; die zulässige
Anschlussrevision der Beklagten ist nur teilweise begründet.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im
Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7 Dem Kläger stehe aufgrund des wirksam ausgeübten Widerrufs seiner auf den
Abschluss eines Fernabsatzvertrags gerichteten Willenserklärung ein Anspruch
aus § 346 Abs. 1, § 357 Abs. 1, § 355 Abs. 1, 2, § 312d Abs. 1, 2, § 312b
Abs. 1 BGB - jeweils in der im Februar 2012 geltenden Fassung - auf
Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises für den Katalysator mit Montagesatz
nebst Versandkosten in Höhe von 386,58 € zu. Allerdings sei dieser Anspruch
infolge der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit einem aus § 357 Abs.
3 Satz 1 BGB - in der im Februar 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) -
resultierenden Gegenanspruch auf Wertersatz für die eingetretene
Verschlechterung des Katalysators in Höhe von 172,41 € erloschen (§ 389
BGB), so dass der Kläger nur Rückzahlung von 214,17 € verlangen könne.
8 Nach § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB aF habe der Verbraucher Wertersatz für eine
Verschlechterung zu leisten, die auf einen Umgang mit der Sache
zurückzuführen sei, der über die Prüfung der Eigenschaften und der
Funktionsweise hinausgehe, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in
Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden sei. Der danach
erforderliche Hinweis sei nach den - insoweit nicht angegriffenen -
Feststellungen des Amtsgerichts erteilt worden. Der Einbau des Katalysators
in das Fahrzeug des Klägers und die anschließende Probefahrt stellten einen
Umgang mit der Sache dar, der über die Prüfung der Eigenschaften und der
Funktionsweise im Sinne von § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF hinausgehe.
9 Zwar solle der Verbraucher grundsätzlich Gelegenheit haben, eine durch
Vertragsabschluss im Fernabsatz erworbene Ware einer Prüfung in dem Umfang
zu unterziehen, wie dies auch bei einem Kauf im traditionellen Handel
(Ladengeschäft) möglich sei. In einem Ladengeschäft könne der Verbraucher
zwar die Kaufsache nicht unbedingt auspacken, aufbauen oder ausprobieren,
sich aber in der Regel zumindest durch ausgestellte Musterstücke einen
unmittelbaren Eindruck von der Ware verschaffen. Eine Prüfung der Sache
durch ihren Einbau und eine anschließende Probefahrt wäre bei einem Kauf des
Katalysators in einem Ladengeschäft aber nicht möglich gewesen. Vielmehr sei
ein Käufer in diesem Falle auf ein Anfassen der Ware und auf optische
Prüfungen - insbesondere mittels eines Vergleichs verschiedener Modelle oder
eines Ab-gleichs mit dem alten Katalysator - beschränkt. Da der Kläger durch
die vorgenommenen Maßnahmen den nach § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF
erlaubten Prüfungsumfang überschritten habe, müsse er der Beklagten den
hierdurch entstandenen Wertverlust ersetzen. Für den nunmehr als gebraucht
einzustufenden Katalysator verbleibe nach dem Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigen noch ein Marktwert von 150 €.
10 Bei dem Wertersatzanspruch der Beklagten sei allerdings der von ihr mit
dem Kaufvertrag erstrebte Gewinnanteil nicht zu berücksichtigen, der nach §
287 Abs. 2 ZPO auf 10 % des Netto-Verkaufspreises des Katalysators, mithin
auf 29,58 € zu schätzen sei. Die in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF angeordnete
allgemeine Verweisung auf die entsprechende Anwendung der "Vorschriften über
den gesetzlichen Rücktritt" müsse in Anlehnung an die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zum Widerruf bei Haustür- und Teilzahlungsgeschäften zum
Schutz des Verbrauchers einschränkend dahin ausgelegt werden, dass einem
verschuldensunabhängigen Wertersatzanspruch des Unternehmers für bis zum
Widerruf erbrachte Leistungen nicht gemäß § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BGB
das vertraglich vereinbarte Entgelt, sondern der objektive Wert der
Unternehmerleistungen zugrunde zu legen sei, soweit dieser das vertragliche
Entgelt nicht übersteige.
11 Die von der Beklagten für die Abwicklung des Widerrufs und den
Weiterverkauf des Katalysators geltend gemachten Kosten seien nicht durch
den Kläger zu erstatten. Die Beklagte könne nach alledem mit einem
Wertersatzanspruch in Höhe von 172,41 € aufrechnen, so dass dem Kläger noch
ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 214,17 € zustehe. Ein weitergehender
Rückzahlungsanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt eines zum Rücktritt
berechtigenden Sachmangels scheide aus, nachdem der Sachverständige entgegen
der Behauptung des Klägers die Eignung des Katalysators für einen Einbau in
das Fahrzeug des Klägers bestätigt habe.
II.
12 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand.
13 Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend und im Revisionsverfahren nicht
angegriffen dem Kläger aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs seiner auf
den Abschluss eines Fernabsatzvertrags gerichteten Willenserklärung einen
Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von insgesamt 386,58 €
zugesprochen, der sich aus der nach der Übergangsregelung des Art. 229 § 32
Abs. 1 EGBGB maßgeblichen, bis einschließlich 12. Juni 2014 geltenden
Fassung der Bestimmungen in § 312d Abs. 1 Satz 1, § 312b Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB (nachfolgend jeweils:
aF) in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB ergibt [red. Anm:
heute aus § 355 III 1 BGB].
14 Dagegen hat es auf der Grundlage unzureichender tatsächlicher
Feststellungen und damit rechtsfehlerhaft angenommen, der Beklagten stehe
eine aufrechenbare Gegenforderung auf Wertersatz nach der gemäß Art. 229 §
32 Abs. 1 EGBGB anzuwendenden, bis einschließlich 12. Juni 2014 geltenden
Fassung der Vorschrift des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB (nachfolgend: aF) zu
[red. Anm.: heute § 357 VII Nr. 1 BGB]. Dabei hat es zwar
entgegen der Auffassung der Revision des Klägers rechtsfehlerfrei das
Vorliegen der nach § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF für das Entstehen eines
Wertersatzanspruchs notwendigen Voraussetzungen, also eine Verschlechterung
des Katalysators bejaht, die auf einen über eine Prüfung der Kaufsache
hinausgehenden Gebrauch zurückzuführen ist. Jedoch fehlen - was die Revision
allerdings nicht rügt, aber von Amts wegen zu beachten ist - tatsächliche
Feststellungen zu einer weiter erforderlichen Anspruchsvoraussetzung,
nämlich dazu, ob der Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss in Textform
auf die Rechtsfolge eines möglichen Wertersatzanspruches hingewiesen worden
ist (§ 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF) beziehungsweise ein solcher Hinweis
nachträglich erfolgt ist (§ 357 Abs. 3 Satz 2 BGB aF). [red. Anm:
eine solche gesonderte Belehrung über die Wertersatzpflicht ist heute nicht
mehr vorgeschrieben].
15 Weiter hat das Berufungsgericht - was die Anschlussrevision der Beklagten
zu Recht rügt - bei der Bemessung eines (möglichen) Wertersatzanspruchs
rechtsfehlerhaft den Gewinnanteil der Beklagten in Höhe von 29,58 €
abgesetzt.
16 1. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der in § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr.
1 BGB aF [red. Anm.: heute § 357 VII Nr. 1 BGB] für
einen Anspruch der Beklagten auf Wertersatz erforderlichen Voraussetzungen
rechtsfehlerfrei bejaht.
17 a) Der Einbau des Katalysators in das Fahrzeug des Klägers und sein
anschließender Gebrauch im Rahmen einer kurzen Probefahrt gingen - anders
als die Revision des Klägers meint - über eine nach § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr.
1 BGB aF gestattete bloße Prüfung seiner Eigenschaften und seiner
Funktionsweise hinaus und führten unstreitig zu einer Verschlechterung der
Kaufsache in Form von deutlichen Gebrauchs- und Einbauspuren.
18 aa) Der Verbraucher soll nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die
Kaufsache zwar nicht nur in Augenschein nehmen, sondern darüber hinaus einer
Prüfung auf ihre Eigenschaften und ihre Funktionsweise unterziehen können,
ohne eine Inanspruchnahme für einen hieraus resultierenden Wertverlust
befürchten zu müssen. Dies entspricht ausweislich der Gesetzesmaterialien
auch der erklärten Zielsetzung des nationalen Gesetzgebers (vgl.
BT-Drucks. 17/5097, S. 15 [zum Nutzungswertersatz nach § 312e BGB aF], S. 17
[zu § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF]). Der Gesetzgeber hat
ausweislich der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der
Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und
über verbundene Verträge anerkannt, dass eine Prüfung der Ware auf ihre
Eigenschaften und ihre Funktionsweise in bestimmten Fällen über eine
Inaugenscheinnahme hinaus auch eine Ingebrauchnahme erfordern kann
(BT-Drucks. 17/5097, S. 17 [zu § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF] sowie S. 15
[zu § 312e BGB aF]; vgl. hierzu
auch Senatsurteil vom 3. November 2010 - VIII ZR 337/09, BGHZ 187, 268 Rn.
22 [zur Vorgängerfassung]).
19 bb) Mit der Neufassung des § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF, bei der
unter anderem die in der - bereits mit der Schuldrechtsreform eingeführten
und bis zum 10. Juni 2010 geltenden - früheren Fassung des § 357 Abs. 3 BGB
verwendete Formulierung "Prüfung der Sache" durch die Wendung "Prüfung der
Eigenschaften und Funktionsweise" der Sache ersetzt wurde, wollte
der Gesetzgeber die dem Verbraucher bisher eingeräumten
Prüfungsmöglichkeiten nicht erweitern, sondern lediglich in Umsetzung der
Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union erreichen, dass die
Beweislast für die Frage, ob die Verschlechterung einer Sache auf einen für
die Prüfung der Sache nicht erforderlichen Umstand zurückzuführen ist, auf
den Unternehmer verlagert wird (BT-Drucks. aaO S. 17).
20 (1) Daher kommt den in der Gesetzesbegründung zu der mit der
Schuldrechtsreform eingeführten Fassung des § 357 Abs. 3 BGB zur
Veranschaulichung angeführten Beispielen nach wie vor Bedeutung für die
Abgrenzung einer gestatteten Prüfungsmaßnahme von einer übermäßigen Nutzung
zu. Danach soll der Verbraucher beispielsweise nicht für den
Wertverlust aufkommen müssen, den etwa ein Kleidungsstück allein dadurch
erleidet, dass es aus der Verpackung genommen und anprobiert wird, den ein
Buch durch das bloße Aufschlagen und Durchblättern erfährt, oder der bei
einem Kraftfahrzeug durch das Ausprobieren seiner Instrumente oder durch
eine kurze Testfahrt auf einem nicht-öffentlichen Gelände eintritt
(BT-Drucks. 14/6040, S. 200; vgl. auch BT-Drucks. 17/5097, S. 15;
Senatsurteil vom 3. November 2010
- VIII ZR 337/09, aaO Rn. 20 f.).
21 (2) Die
Vorschriften über den Widerruf von Willenserklärungen, die auf den Abschluss
von Fernabsatzverträgen gerichtet sind, dienen der Kompensation von Gefahren
aufgrund der fehlenden physischen Begegnung von Anbieter und Verbraucher und
der in der Regel fehlenden Möglichkeit, die Ware oder Dienstleistung vor
Vertragsschluss in Augenschein zu nehmen (BGH,
Urteile vom 19. März 2003 - VIII ZR
295/01, BGHZ 154, 239, 243 [zu § 3 FernAbsG]; vom
21. Oktober 2004 - III ZR 380/03,
BGHZ 160, 393, 399; vom
3. November 2010 - VIII ZR 337/09,
aaO Rn. 23; jeweils mwN). Dementsprechend soll nach der Intention
des Gesetzgebers ein Gleichlauf mit den Prüfungs- und
Unterrichtungsmöglichkeiten im Ladengeschäft erreicht werden.
22 (a) Ausgehend von diesem Regelungszweck hat sich die Beurteilung,
was im Einzelfall vom Tatbestandsmerkmal der Prüfung der Eigenschaften und
der Funktionsweise umfasst ist, zunächst daran zu orientieren, wie ein
Verbraucher beim Testen und Ausprobieren der gleichen Ware in einem
Ladengeschäft im stationären Handel typischerweise hätte verfahren können
(BT-Drucks. 17/5097, S. 15 [zu § 312e BGB aF]; BT-Drucks. 17/12637
S. 63 [zu § 357 Abs. 7 BGB nF];
Senatsurteil vom 3. November 2010
- VIII ZR 337/09, aaO Rn. 23 [zu § 357 Abs. 3 BGB in der
bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung]; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb.
2012, § 357 Rn. 45; MünchKommBGB/ Masuch, 6. Aufl., § 357 Rn. 47; jeweils
mwN). Der Verbraucher soll mit der Ware grundsätzlich so umgehen und
sie so ausprobieren dürfen, wie er dies auch in einem Ladengeschäft hätte
tun dürfen (BT-Drucks. 17/5097, S. 15). Ihm muss es
zumindest gestattet sein, dieselben Ergebnisse wie bei einer Prüfung im
Ladengeschäft zu erzielen (BT-Drucks. aaO).
23 (b) Weiter ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem Verbraucher beim
Kauf von Waren im Fernabsatz gegenüber dem Kauf im Ladengeschäft selbst dann
ein Nachteil verbleibt, wenn der Kunde die gekaufte Ware im Ladengeschäft
nicht auspacken, aufbauen und ausprobieren kann (Senatsurteil
vom 3. November 2010 - VIII ZR 337/09, aaO). Denn
für den Kauf im Ladengeschäft ist typisch, dass dort zumindest Musterstücke
ausgestellt sind, die es dem Kunden ermöglichen, sich einen unmittelbaren
Eindruck von der Ware zu verschaffen und diese auszuprobieren. Das ist bei
einem Vertragsabschluss im Fernabsatz, bei dem der Verbraucher sich
allenfalls Fotos der Ware anschauen kann, nicht der Fall (Senatsurteil
vom 3. November 2010 - VIII ZR 337/09, aaO mwN). Der
Umstand, dass beim Fernabsatz im Rahmen einer Prüfung der Ware zu Hause
solche im stationären Handel vielfach üblichen Vergleichs-, Vorführ- und
Beratungsmöglichkeiten fehlen, ist daher durch die Einräumung angemessener
Prüfungsmöglichkeiten zu Hause auszugleichen (BT-Drucks. 17/5097, S. 15).
24 cc) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei angenommen, dass der vom Kläger veranlasste Einbau des
Katalysators in sein Fahrzeug und die anschließende kurze Probefahrt über
die bloße Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise der Kaufsache
hinausgingen.
25 (1) Eine Ware, die bestimmungsgemäß in einen anderen Gegenstand
eingebaut werden soll, ist für den Käufer im Ladengeschäft regelmäßig nicht
auf ihre Funktion im Rahmen der Gesamtsache prüffähig. Daher ist
eine solche Prüfung auch beim Kauf im Fernabsatz nicht wertersatzfrei zu
gewähren (so auch jurisPK-BGB/Wildemann, 6. Aufl., § 357 Rn. 49; Kaestner/Tews,
WRP 2005, 1335, 1346; aA KG Berlin, KGR 2008, 244, 247 [Einbau eines
Autoradios]; Staudinger/Kaiser, aaO, Rn. 47).
26 So liegen die Dinge hier. Den streitgegenständlichen Katalysator hätte
der Kläger im stationären Handel nicht - auch nicht in Gestalt eines damit
ausgestatteten Musterfahrzeugs oder durch Nutzung einer mit einem
Fahrzeugmotor versehenen Testeinrichtung, an die wiederum Katalysatoren
probeweise angeschlossen werden könnten - dergestalt ausprobieren können,
dass er dessen Wirkungsweise auf sein oder ein vergleichbares Kraftfahrzeug
nach Einbau hätte testen können. Dies stellt auch die Revision nicht in
Frage. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wäre der Kläger
bei einem Kauf im stationären Handel vielmehr darauf beschränkt gewesen, das
ausgewählte Katalysatormodell oder ein entsprechendes Musterstück eingehend
in Augenschein zu nehmen und den Katalysator mit Alternativmodellen oder dem
bisher verwendeten Teil zu vergleichen. Darüber hinaus hätte er sich beim
Verkaufspersonal gegebenenfalls über die technischen Daten des ausgewählten
Modells erkundigen und sich über dessen Vorzüge oder Nachteile gegenüber
anderen Modellen fachkundig beraten lassen können. Die vom Kläger
ergriffenen Maßnahmen gehen über die Kompensation solcher ihm entgangener
Erkenntnismöglichkeiten im Ladengeschäft hinaus. Sie stellen sich vielmehr
als eine - wenn auch nur vorübergehende - Ingebrauchnahme des Katalysators
dar, die ihm eine im stationären Handel unter keinen Umständen eröffnete
Überprüfung der konkreten Auswirkungen des erworbenen Autoteils auf die
Fahrweise seines Fahrzeugs in der Praxis verschaffen sollte.
27 (2) Dem lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht
entgegenhalten, eine (vollständige) Funktionsprüfung eines Katalysators sei
ohne Einbau nicht möglich, da dieser auch Auswirkungen auf die Motorleistung
des Fahrzeugs habe könne. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll zwar der
Ausfall im stationären Handel vielfach gegebener Beratungs-, Vergleichs- und
Vorführmöglichkeiten durch die Gewährung angemessener Prüfungsmöglichkeiten
bei Fernabsatzverträgen ausgeglichen werden (BT-Drucks. 17/5097, S. 15).
Die vom Kläger durch die ergriffenen Maßnahmen erlangten
Erkenntnisse wären aber bei lebensnaher Betrachtung im Falle einer Beratung
im Ladengeschäft nicht erreichbar gewesen. Soweit die Revision in
diesem Zusammenhang geltend macht, eine fachkundige Beratung hätte den
Kläger über die - vom gerichtlich bestellten Sachverständigen beschriebenen
- konstruktiven Unterschiede von Originalteil und Nachbau sowie über deren
möglichen Auswirkungen auf die Motorleistung des klägerischen Fahrzeugs
aufklären können, verkennt sie, dass auch ein geschulter Verkäufer lediglich
eine Beratung anhand der technischen Daten der Kaufsache hätte vornehmen,
nicht aber die tatsächlichen Auswirkungen eines Einbaus in das klägerische
Fahrzeug - zumal ohne nähere Kenntnisse von besagtem Fahrzeug - hätte
verlässlich beurteilen können. Die von der Revision eingenommene Sichtweise
liefe folglich auf eine durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigte und vom
Gesetzgeber nicht beabsichtigte Besserstellung eines Vertragsabschlusses im
Fernabsatz gegenüber einem solchen im stationären Handel hinaus.
28 (3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Revision zur
Begründung ihrer abweichenden Auffassung angeführten Erwägungen im
Senatsurteil vom 3. November
2010 (VIII ZR 337/09, aaO Rn. 23). Der Senat hat dort
zwar ausgeführt, dass der Vergleich mit den Prüfungsmöglichkeiten beim Kauf
im Ladengeschäft nicht alleiniger Prüfungsmaßstab sein könne, sondern
lediglich den Mindestumfang der zulässigen Prüfung darstelle. Damit ist aber
lediglich dem Umstand Rechnung getragen worden, dass auch dann, wenn ein
Verbraucher beim Kauf im Ladengeschäft die konkrete Kaufsache nicht
auspacken oder ausprobieren kann, ihm dort regelmäßig die Möglichkeit
verbleibt, im stationären Handel typischerweise vorhandene Musterstücke in
Augenschein zu nehmen und auszuprobieren (Senatsurteil
vom 3. November 2010 - VIII ZR 337/09, aaO). Um das
Fehlen dieser ergänzenden Erkenntnismöglichkeiten auszugleichen, hat der
Senat beim Fernabsatzkauf eines zerlegt gelieferten Wasserbetts dem
Verbraucher das Recht eingeräumt, die zugesandte Ware selbst dann
auszupacken, aufzubauen und auszuprobieren, wenn ihm ein solches Vorgehen im
Ladengeschäft nicht in vergleichbarer Form gestattet wäre (Senatsurteil
vom 3. November 2010 - VIII ZR 337/09, aaO). Eine solche
Konstellation ist aber im Streitfall nicht gegeben.
29 dd) Anders als die
Revision meint, widerspricht dieses Verständnis des § 357 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 BGB aF auch nicht der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei
Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19; im
Folgenden:
Fernabsatzrichtlinie)
und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union (im Folgenden: Gerichtshof).
30 (1) Zwar dürfen gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 der
Fernabsatzrichtlinie dem Verbraucher infolge der Ausübung seines
Widerrufsrechts nur die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren
auferlegt werden.
Von diesem Verbot wird auch die Verpflichtung
des Verbrauchers erfasst, Wertersatz für die durch die bestimmungsgemäße
Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung der Sache zu leisten
(Senatsurteil vom
3. November 2010 - VIII ZR 337/09, aaO Rn. 29).
Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit einem - hier
nicht in Frage stehenden - Anspruch auf Wertersatz für die Nutzung der
Kaufsache während der Widerrufsfrist ausgeführt, die Wirksamkeit und die
Effektivität des Rechts auf Widerruf würden beeinträchtigt, wenn dem
Verbraucher auferlegt würde, allein deshalb (Nutzungs-)Wertersatz zu zahlen,
weil er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware geprüft und
ausprobiert habe (EuGH,
Urteil vom 3. September 2009 - C-489/07, NJW 2009, 3015 Rn. 24 -
Messner/Krüger).
31 Gleichzeitig hat der Gerichtshof aber
betont, die Fernabsatzrichtlinie habe nicht zum Ziel, dem Verbraucher Rechte
einzuräumen, die über das hinausgingen, was zur zweckdienlichen Ausübung des
Widerrufsrechts erforderlich sei. Demzufolge stehe die Zielrichtung der
Fernabsatzrichtlinie und insbesondere das in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2
der Richtlinie festgelegte Verbot grundsätzlich Rechtsvorschriften eines
Mitgliedsstaats nicht entgegen, wonach der Verbraucher einen angemessenen
Wertersatz zu zahlen habe, wenn er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz
gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen
von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare
Art und Weise benutzt habe (EuGH,
Urteil vom 3. September 2009 - C-489/07, aaO Rn. 25 f. - Messner/ Krüger).
32 (2) Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber bei der Änderung des § 357 Abs. 3
BGB aF durch das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz
bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27.
Juli 2011 (BGBl. I S. 1600) ausdrücklich berücksichtigt (BT-Drucks. 17/5097,
S. 1, 11 f., 14 f., 17), indem er den Verbraucher zum Wertersatz nur
verpflichtet, soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Kaufsache
zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der
Funktionsweise hinausgeht. Dass eine solche Ersatzpflicht für einen durch
über die Prüfungs- und Unterrichtungsmöglichkeiten im stationären Handel
hinausgehende (übermäßige) Maßnahmen ausgelösten Wertverlust der Sache mit
Wertungen des Unionsrechts im Einklang steht, verdeutlicht der damals schon
vorliegende und vom Gesetzgeber herangezogene (BT-Drucks. 17/5097, S. 12)
Vorschlag der Kommission (KOM[2008] 614, Art. 17 Abs. 2) zur kurze Zeit
später verabschiedeten Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 25. Oktober 2011 (ABl. EG Nr. L 304, S. 64 -
Verbraucherrechterichtlinie; so auch Staudinger/Kaiser, aaO Rn.
40), die durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und
zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.
September 2013 (BGBl. I S. 3642) in nationales Recht umgesetzt wurde.
Nach Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie haftet der Verbraucher für
einen etwaigen Wertverlust der Waren, wenn dieser auf einen zur Prüfung der
Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen
Umgang mit den Waren zurückzuführen ist.
33 ee) Hiernach hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der vom
Kläger veranlasste Einbau des Katalysators in sein Fahrzeug und die
anschließende kurze Probefahrt über die Prüfung der Eigenschaften und der
Funktionsweise der Kaufsache im Sinne von § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF
hinausgingen. Entgegen der Ansicht der Revision hat es dabei auch
nicht die Beweislast verkannt. Durch die Neufassung des § 357 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 BGB aF hat der Gesetzgeber zwar die Beweislast für die Frage, ob die
Verschlechterung auf einen Umgang zurückzuführen ist, der für die Prüfung
nicht notwendig war, vom Verbraucher auf den Unternehmer verlagert
(BT-Drucks. 17/5097, S. 17). Vorliegend ist es aber unstreitig, dass die
Verschlechterung des Katalysators auf Einbau und Gebrauch zurückgehen. Bei
der allein streitigen Frage, ob es sich dabei um einen für die Prüfung
notwendigen Umgang mit der Kaufsache handelte, handelt es sich um eine dem
Beweis nicht zugängliche Rechtsfrage.
34 b) Entgegen der Auffassung der Revision entfällt ein Wertersatzanspruch
der Beklagten auch nicht im Hinblick auf die - für einen Käufer im Vergleich
zu § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB aF günstigere - Bestimmung des § 346 Abs. 2 Satz
1 Nr. 3 Halbs. 2 BGB, die im Falle der Ausübung eines gesetzlichen
Rücktrittsrechts eine Wertersatzpflicht wegen Verschlechterung der Kaufsache
durch eine "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" ausschließt. Die Revision
will den vom Kläger erklärten Widerruf als Rücktritt vom Kaufvertrag wegen
Vorliegens eines Sachmangels (§ 437 Nr. 2 BGB) auslegen oder umdeuten.
Hilfsweise macht sie geltend, in den Fällen, in denen zum Zeitpunkt der
Ausübung des Widerrufsrechts im Fernabsatz gleichzeitig ein zum Rücktritt
berechtigender Sachmangel vorliege, müsse sich der Inhalt des durch den
Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnisses nach den für den
Verbraucher günstigeren Rechtsfolgen des Rücktritts richten, um die
Effektivität des Widerrufs nicht zu gefährden. Diese Auffassung geht aus
mehreren Gründen fehl.
35 aa) Das Berufungsgericht hat die Erklärungen des Klägers in der E-Mail
vom 21. Februar 2012 ("mache ich [...] von meinem Widerrufsrecht Gebrauch")
und im anschließenden Schreiben vom 22. Februar 2012 ("mache ich von meinem
Widerrufsrecht bzgl. o.a. Artikels Gebrauch") rechtsfehlerfrei als
Widerrufserklärungen ausgelegt. Die Auslegung einer Individualerklärung -
wie sie hier vorliegt - durch den Tatrichter darf vom Revisionsgericht nur
eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein
anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist
oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st.
Rspr.; Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - VIII ZR 99/14, NJW 2015, 2324 Rn. 13
mwN). Solche Rechtsfehler macht die Revision, die lediglich ihre eigene
Wertung an die Stelle der Deutung des Berufungsgerichts setzt, nicht geltend
und sind auch sonst nicht ersichtlich. Auch eine nachträgliche Umdeutung der
abgegebenen Widerrufserklärung in eine für den Kläger hinsichtlich der
Wertersatzverpflichtung günstigere Rücktrittserklärung (§ 346 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 Halbs. 2 BGB), wie sie die Revision im Ergebnis beabsichtigt, scheidet
aus. Mit dem Zugang der wirksamen Widerrufserklärung ist das
Rückgewährschuldverhältnis mit den Rechtsfolgen nach § 357 BGB aF
entstanden. Die getroffene Wahl dieses Gestaltungsrechts (vgl. dazu
MünchKommBGB/Fritsche, 7. Aufl., § 355 Rn. 34) ist für den Verbraucher
verbindlich.
36 bb) Für die von der Revision hilfsweise geforderte Anwendung der
günstigeren Rechtsfolgen beim gesetzlichen Rücktritt, namentlich des
Entfallens eines Wertersatzanspruchs bei einer durch die bestimmungsgemäße
Ingebrauchnahme der Sache ausgelösten Verschlechterung gemäß der - durch §
357 Abs. 3 BGB aF verdrängten - Bestimmung des § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
Halbs. 2 BGB, besteht kein Raum. Der Gesetzgeber hat mit § 357 Abs.
3 Satz 1 BGB aF für den Fall des Widerrufs von Willenserklärungen im
Fernabsatz bezüglich der Wertersatzpflicht des Verbrauchers eine im
Vergleich zu § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB für den Verbraucher ungünstigere
Sonderregelung getroffen (vgl. KG Berlin, KGR 2008, 244, Rn. 24 f.;
OLG Stuttgart, OLGR 2008, 377, 380; MünchKommBGB/Masuch, 6. Aufl., § 357 Rn.
43). Die darin angeordnete, im Vergleich zu den Rechtsfolgen beim
Rücktritt schärfere Haftung des Verbrauchers für Verschlechterungen der
Kaufsache beruht auf den unterschiedlichen Interessenlagen beim gesetzlichen
Rücktritt einerseits und beim Widerruf einer auf den Abschluss eines
Fernabsatzvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers
andererseits. Sie rechtfertigt sich dadurch, dass das Widerrufs- oder
Rückgaberecht des Verbrauchers nicht von einer Vertragsverletzung des
Unternehmers abhängt, sondern ihm kraft Gesetzes in jedem Fall zusteht
(BT-Drucks. 16/6040, S. 199). Bei einem Fernabsatzgeschäft
bleibt es dem freien Willen des Verbrauchers überlassen, ob und aus welchen
Gründen er von dem - nicht an eine Begründungspflicht geknüpften -
gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch macht (Senatsurteil
vom 16. März 2016 - VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951 Rn.
20). Weiter wird ihm das Recht eingeräumt, die bestellte Sache zu prüfen und
auszuprobieren, und zwar auch dann, wenn dies zu Verschlechterungen führt.
Wertersatz muss der Verbraucher nur leisten, wenn er den gesetzlich
gestatteten Prüfungsumfang überschreitet und wenn er spätestens bei
Vertragsschluss auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist (§ 357 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 BGB aF) oder ein entsprechender Hinweis unter den
Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB aF nachgeholt worden ist.
37 Entgegen
der Auffassung der Revision besteht in Anbetracht der beschriebenen
Unterschiede der beiden Rückabwicklungssysteme weder ein Wertungswiderspruch
noch gefährdet es die Effektivität des Widerrufsrechts, wenn einem sein
Widerrufsrecht ausübenden Verbraucher hinsichtlich einer etwaigen
Wertersatzpflicht die für ihn günstigere Rechtsfolge des § 346 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 Halbs. 2 BGB nicht für den Fall zugebilligt wird, dass der
Kaufgegenstand mit Mängeln behaftet ist und er die Prüfung im Sinne von §
357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF (auch) dazu nutzt, eine etwaige
Mangelhaftigkeit der Kaufsache festzustellen.
Für eine solche Durchbrechung des in sich geschlossenen und
auf die beiderseitige Interessenlage abgestimmten Systems des Widerrufs bei
Fernabsatzverträgen besteht auch keine Veranlassung. Dem Verbraucher
bleibt es, wie auch in sonstigen Fällen einer Konkurrenz mehrerer zur Wahl
stehender Rechte oder Ansprüche, unbenommen, bei der Lieferung einer
mangelhaften Sache dasjenige Gestaltungsrecht (Widerruf oder Rücktritt) zu
wählen, das für ihn im Gesamtergebnis günstiger erscheint. Das
Berufungsgericht war daher nicht gehalten, die Wertersatzpflicht des Klägers
an der durch § 357 Abs. 3 BGB aF verdrängten Regelung des § 346 Abs. 2 Satz
1 Nr. 3 Halbs. 2 BGB zu messen.
38 2. Rechtsfehlerhaft hat es das Berufungsgericht allerdings unterlassen,
die erforderlichen Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen eines
Wertersatzanspruchs nach § 357 Abs. 3 BGB aF zu treffen. Gemäß § 357 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 BGB aF hängt ein solcher Anspruch des Verkäufers neben den vom
Berufungsgericht geprüften Anforderungen zusätzlich davon ab, dass der
Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss in Textform (§ 126b BGB) auf die
Rechtsfolge einer möglichen Wertersatzverpflichtung hingewiesen worden ist.
Das Berufungsgericht hat den Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht
festgestellt, sondern insoweit lediglich ausgeführt, die genannte
Voraussetzung sei nach den unangegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts
gegeben [Red. Anm.: Eine solche Belehrung ist nach § 357 BGB nicht
mehr vorgesehen].
39 a) Dabei hat es den Inhalt der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen
verkannt. Dieses hat lediglich festgestellt, dass der Kläger am 7. Februar
2012 von der Beklagten eine Versandbestätigung erhielt, der eine dem
amtlichen Muster entsprechende Widerrufsbelehrung unter Angabe auch der
Widerrufsfolgen beigefügt war. Ob die in einer Versandmitteilung erteilte
Belehrung den Anforderungen des § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF genügte,
der eine Belehrung "spätestens bei Vertragsschluss" verlangt, hat das
Amtsgericht dagegen nicht festgestellt, weil es aus seiner Sicht hierauf
nicht ankam. Nach seiner Auffassung schied ein Wertersatzanspruch der
Beklagten schon mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 BGB aF aus.
40 b) Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen
Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Entgegen einer vereinzelt gebliebenen
Auffassung in der Instanzrechtsprechung (OLG Hamburg, OLGR 2007, 657 f.;
2008, 129, 130 [jeweils zu § 312c Abs. 2 BGB in der bis zum 10. Juni 2010
geltenden Fassung]) lässt sich aus § 312d Abs. 2 BGB in der bis zum 21. Juli
2013 geltenden Fassung (aF) nicht ableiten, dass ein Hinweis auf die
Wertersatzverpflichtung nach § 357 Abs. 3 BGB aF bei der Lieferung von Waren
im Fernabsatz noch bis zum Wareneingang beim Verbraucher erfolgen könne.
Denn die genannten Vorschriften regeln unterschiedliche Gegenstände. § 312d
Abs. 2 BGB aF bezieht sich auf die bei jedem Fernabsatzgeschäft
vorzunehmenden Pflichtangaben, während § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB aF die
Bestimmungen in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB
zugunsten des Unternehmers abbedingt (OLG Köln, OLGR 2007, 695, 700; OLG
Stuttgart, aaO S. 380; KG Berlin, GRUR-RR 2008, 352, 353 f.;
Staudinger/Kaiser, aaO Rn. 50 mwN; offen gelassen im Senatsurteil vom 9.
Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 36 [jeweils zu § 312c Abs.
2 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung]). Auch der Gesetzgeber
hat diese Auffassung anlässlich der Einfügung des Satzes 2 von § 357 Abs. 3
BGB aF als "nicht überzeugend" bezeichnet (BT-Drucks. 16/11643, S. 72).
41 c) Das Berufungsgericht hat schließlich auch keine Feststellungen zum
Vorliegen der Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB aF getroffen,
wonach ein unterbliebener Hinweis unter bestimmten Umständen vom Unternehmen
nachgeholt werden kann. Nach dieser Bestimmung steht ein unverzüglich nach
Vertragsschluss in Textform mitgeteilter Hinweis einem solchen bei
Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig
vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten
Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise über die Wertersatzpflicht
unterrichtet hat.
42 3. Nicht in allen Punkten frei von Rechtsfehlern ist auch die vom
Berufungsgericht vorgenommene Bemessung eines etwaigen Wertersatzanspruchs
der Beklagten nach § 357 Abs. 3 BGB aF.
43 a) Ohne Erfolg rügt die Anschlussrevision der Beklagten
allerdings, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO für die
Berechnung des geschuldeten Wertersatzes den vom Sachverständigen
ermittelten Marktwert des gebrauchten Katalysators in Höhe von 150 €
zugrunde gelegt, ohne dabei die für dessen Weiterveräußerung anfallenden
Kosten von 53,64 € in Abzug zu bringen.
44 aa) Es trifft bereits entgegen der Rüge der Anschlussrevision nicht zu,
dass das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 8. Juli 2014, dem
das Berufungsgericht gefolgt ist, in keiner Weise erkennen lässt, ob und auf
welche Anknüpfungstatsachen und/oder Erwägungen der Sachverständige seine
Wertermittlung gestützt hat. Ausweislich des Gutachtens hat der
Sachverständige Preisrecherchen bei Verwerterbetrieben und
Auktionsplattformen durchgeführt und dabei in Erfahrung gebracht, dass
gebrauchte Originalkatalysatoren für Fahrzeuge des vorliegenden Typs je nach
Zustand zu Preisen zwi-sehen etwa 250 € und 550 € gehandelt werden.
Ausgehend hiervon hat er für den streitgegenständlichen Nachbaukatalysator,
der ihm zur Begutachtung vorgelegen hat, anhand des Alters, des Zustandes,
des Neupreises sowie aller anderen wertbeeinflussenden Faktoren einen
Marktwert von 150 € ermittelt. Soweit die Anschlussrevision eine vertiefte
Darstellung im Gutachten vermisst, ist ihr entgegen zu halten, dass die
Parteien weder innerhalb der vom Berufungsgericht gesetzten Frist nach § 411
Abs. 4 Satz 2 ZPO noch danach Einwendungen gegen das Gutachten erhoben oder
Ergänzungsfragen mitgeteilt haben. Entgegen der Ansicht der
Anschlussrevision hat sich das Berufungsgericht auch nicht nur floskelhaft
dem Gutachten angeschlossen, sondern sich in mehreren Absätzen seines
Urteils mit diesem auseinandergesetzt.
45 bb) Aus Rechtsgründen nicht zu bestanden ist, dass das Berufungsgericht
bei der Bemessung des Wertersatzanspruchs der Beklagten die vom
Sachverständigen nicht berücksichtigten Kosten für die Weiterveräußerung des
gebrauchten Katalysators nicht in Abzug gebracht hat. Mit den Kosten für die
Vorbereitung und die Durchführung des Wiederverkaufs der Kaufsache nach
erfolgtem Widerruf, die die Anschlussrevision vorliegend auf 53,64 €
beziffert, darf der Verbraucher nicht belastet werden (aA ohne nähere
Begründung Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1348 und Fn. 97).
46 Wie bereits ausgeführt, steht es der Zielsetzung der Fernabsatzrichtlinie
nicht entgegen, wenn der Verbraucher einen angemessenen Wertersatz für eine
unangemessene Benutzung der im Fernabsatz gekauften Ware zu leisten hat (EuGH,
Urteil vom 3. September 2009 - C-489/07, aaO Rn. 26 - Messner/ Krüger).
Diesen mit der Richtlinie noch zu vereinbarenden Wertersatz leistet
der Verbraucher bereits vollständig dadurch, dass er nach § 357 Abs. 3 BGB
aF für den Wertverlust aufkommen muss, den er durch seinen über eine bloße
Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise hinausgehenden Umgang mit der
Kaufsache verursacht hat. Kosten für die Vorbereitung und die Durchführung
eines Wiederverkaufs sind aber nicht durch die unangemessene oder übermäßige
Benutzung der Kaufsache vor Widerruf entstanden. Diese Kosten
fallen vielmehr auch in den Fällen an, in denen sich der Verbraucher keinem
Wertersatzanspruch nach § 357 Abs. 3 BGB aF ausgesetzt sieht, weil er den
ihm nach § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF eingeräumten Prüfungsumfang nicht
überschritten hat.
-
47 b) Mit Erfolg macht die Anschlussrevision allerdings geltend, dass das
Berufungsgericht den Wertersatzanspruch nicht um den Gewinnanteil der
Beklagten (29,58 €) hätte kürzen dürfen.
48 aa) § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in der mit dem
Schuldrechtsmodernisie-rungsgesetz eingeführten und bis zum 12. Juni 2014
anzuwendenden Fassung verweist, soweit er nicht (wie bei § 357 Abs. 3 BGB aF)
ausnahmsweise speziellere Regelungen für die Rechtsfolgen des Widerrufs
getroffen hat, auf die Bestimmungen des Rücktrittsrechts. Hiervon ist auch
die Regelung in § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BGB erfasst, die vorschreibt,
dass die im Vertrag bestimmte Gegenleistung bei der Berechnung des
Wertersatzes zugrunde zu legen ist (so auch Staudinger/Kaiser, aaO, § 357
Rn. 35; MünchKommBGB/ Masuch, aaO Rn. 31; jurisPK-BGB/Wildemann, aaO Rn. 58;
Giesen in: Gedächtnisschrift Heinze, 2005, 233, 246 ff.; Lorenz, NJW 2005,
1889, 1893; aA Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 357 Rn. 14; Grigoleit,
NJW 2002, 1151, 1154; Arnold/Dötsch, NJW 2003, 187, 188). Für die Berechnung
des nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB - und aufgrund der Verweisung
in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF - auch des nach § 357 Abs. 3 BGB aF
geschuldeten Wertersatzes ist daher die im Vertrag bestimmte Gegenleistung
zugrunde zu legen. Nach der vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidung ist
es interessengerecht, die Parteien bei einem gesetzlichen
Rückgewährschuldverhältnis grundsätzlich an ihrer Bewertung von vereinbarter
Leistung und Gegenleistung festzuhalten; die objektiven Wertverhältnisse
sollen dagegen nur ausnahmsweise dann maßgebend sein, wenn eine Bestimmung
der Gegenleistung, also eine privatautonom ausgehandelte Entgeltabrede,
fehlt (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 196; Senatsurteil vom 19. November 2008 -
VIII ZR 311/07, BGHZ 178, 355 Rn. 16).
49 bb)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs zur Bemessung des nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF, §
346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB geschuldeten Wertersatzes für bis zum Widerruf
empfangene Unternehmerleistungen (BGH,
Urteile vom 15. April 2010 - III ZR 218/09, BGHZ 185, 192;
vom 19. Juli 2012 - III ZR
252/11, BGHZ 194, 150) nicht auf die Bemessung
des nach § 357 Abs. 3 BGB aF geschuldeten Wertersatzes wegen
Verschlechterung der nach Widerruf zurückzugewährenden Sache übertragen.
Die in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF enthaltene allgemeine Verweisung auf die
"Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt" ist nicht dahingehend
einschränkend auszulegen, dass für die Bemessung eines nach § 357 Abs. 3 BGB
aF geschuldeten Wertersatzes statt des vertraglich vereinbarten Entgelts der
objektive Wert der Sache maßgebend ist, soweit dieser das vertragliche
Entgelt nicht übersteigt.
50 Zwar hat der Bundesgerichtshof eine derartige einschränkende
Auslegung bei der Bemessung des Wertersatzes vorgenommen, den ein
Verbraucher nach dem Widerruf eines durch Haustürgeschäft abgeschlossenen
Partnervermittlungsvertrages und eines Teilzahlungsgeschäfts über
Maklerleistungen für die bereits empfangenen Unternehmerleistungen nach §
357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB schuldet
(Urteile vom 15. April 2010
- III ZR 218/09, aaO Rn. 24 ff.; vom
19. Juli 2012 - III ZR 252/11,
aaO Rn. 19 ff.). Die dabei angestellten Erwägungen finden jedoch bei der für
die Verschlechterung einer Sache bestehenden Wertersatzverpflichtung nach §
357 Abs. 3 BGB aF keine Entsprechung.
51 (1) So hat der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen
namentlich darauf abgestellt, dass es an der in § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB
vorausgesetzten privatautonom ausgehandelten Entgeltabrede fehle, wenn einem
Verbraucher wegen der Verhandlungssituation beim Haustürgeschäft, die für
ihn typischerweise mit einem Überraschungsmoment und einer
Überrumpelungsgefahr verbunden sei, zur Wiederherstellung seiner dadurch
beeinträchtigten Entschließungsfreiheit ein Widerrufsrecht eingeräumt werde
(BGH, Urteile vom 15. April 2010 - III ZR 218/09, aaO Rn. 26; vom 19. Juli
2012 - III ZR 252/11, aaO Rn. 22). Dies gelte entsprechend für
Teilzahlungsgeschäfte über Maklerleistungen, bei denen die Widerrufsrechte
aus §§ 495, 506 BGB dem Schutz des Verbrauchers vor Übereilung und vor den
spezifischen Gefahren der streitgegenständlichen Rechtsgeschäfte dienten
(BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11, aaO).
52 Hiermit ist die Situation des Verbrauchers bei einem Fernabsatzvertrag
aber nicht vergleichbar. Diese Art des Vertragsschlusses ist für ihn
typischerweise nicht mit einem Überraschungsmoment verbunden und auch eine
Übereilungsgefahr spielt hier keine wesentliche Rolle. Dem Verbraucher steht
es frei, zu einem von ihm ausgewählten Zeitpunkt und in einer vom ihm
gewählten Umgebung eigenbestimmt den Entschluss zu fassen, eine zu allgemein
gültigen Preisen und Bedingungen angebotene Ware im Fernabsatz zu bestellen.
Das ihm eingeräumte, an keine materiellen Voraussetzungen gebundene, einfach
auszuübende Recht zur einseitigen Lösung vom Vertrag (Senatsurteile vom 25.
November 2009 - VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 Rn. 17; vom 16. März 2016 -
VIII ZR 146/15, aaO Rn. 16) ist ihm daher nicht zum Schutz vor einer
möglichen Übervorteilung oder Übereilung, sondern deswegen an die Hand
gegeben worden, weil er das Erzeugnis in der Regel nicht vor
Vertragsabschluss in Augenschein nehmen kann und eine physische Begegnung
zwischen Anbieter und Verbraucher nicht stattfindet (BGH, Urteile vom 19.
März 2003 - VIII ZR 295/01, aaO [zu § 3 FernAbsG]; vom 21. Oktober 2004 -
III ZR 380/03, BGHZ 160, 393, 399; vom 3. November 2010 - VIII ZR 337/09,
aaO Rn. 23; Staudinger/Thüsing, BGB, Neubearb. 2012, § 312b Rn. 34; vgl.
auch den 14. Erwägungsgrund der Fernabsatzrichtlinie). Die fehlende
Möglichkeit, die Kaufsache vor Vertragsschluss unmittelbar in Augenschein zu
nehmen, wird durch die Einräumung eines an keine materiellen Voraussetzungen
geknüpften Widerrufsrechts und die dem Verbraucher gemäß § 357 Abs. 3 BGB aF
eingeräumte Möglichkeit zur Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise
ausgeglichen. Sie führt - entgegen der Ansicht der
Anschlussrevisionserwiderung -nicht dazu, dass der Verbraucher in seiner
Entschließungsfreiheit so beeinträchtigt wäre, dass es an einer - vom
Gesetzgeber bei § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB vorausgesetzten - privatautonom
ausgehandelten Entgeltabrede fehlte.
53 (2) Ergänzend hat der Bundesgerichtshof zur Begründung seiner
einschränkenden Auslegung des § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in den
entschiedenen Fällen zu Haustürwiderrufs- und Teilzahlungsgeschäften
hervorgehoben, dass die Ausübung eines Widerrufsrechts insbesondere im
Bereich der Dienstleistungen in vielen Fällen wirtschaftlich sinnlos und
somit dieses Recht wesentlich entwertet würde, wenn der Verbraucher für die
an ihn bereits erbrachten Unternehmerleistungen das vertraglich vereinbarte
Entgelt leisten müsste. Auf diese Weise wäre er letzten Endes doch zur
Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet; der Zweck des
Widerrufsrechts, der dem Verbraucher gerade die Möglichkeit geben wolle,
sich von einem nachteiligen, unter Beeinträchtigung seiner
Entschließungsfreiheit zustande gekommenen Vertrages wieder lösen zu können,
würde insoweit verfehlt (BGH, Urteile vom 15. April 2010 - III ZR 218/09,
aaO Rn. 27; vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11, aaO Rn. 24).
54 Diese Erwägungen treffen auf Dienstleistungen und Gebrauchsüberlassungen
zu, bei denen nach einem Widerruf grundsätzlich immer Wertersatz gemäß § 357
Abs. 1 Satz 1 BGB aF, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zu leisten sein wird,
weil eine Rückgewähr nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist. Anders
liegt jedoch der Fall bei einem - hier gegebenen - Widerruf eines Vertrages
über eine Sachleistung. In einem solchen Fall wird der Verbraucher
grundsätzlich bei Rückgabe der Kaufsache an den Anbieter vollständig vom
Vertrag befreit. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Sache durch eine
Prüfung ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise verschlechtert haben
sollte. Die die Bestimmung des § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB zu Lasten des
Verbrauchers modifizierende Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 3 BGB aF kommt
- ebenso wie die Nutzungsersatzpflicht nach § 312e BGB aF - nur dann zum
Tragen, wenn der Verbraucher die Sache aus Gründen, die aus seinem
Verantwortungsbereich herrühren, nicht oder nur mit Verschlechterungen
zurückgeben kann, namentlich weil er die Sache über eine angemessene Prüfung
hinaus genutzt hat, und dies auch nur dann, falls er spätestens bei
Vertragsschluss in Textform auf eine Wertersatzpflicht wegen
Verschlechterung hingewiesen oder ein entsprechender Hinweis rechtzeitig
nachgeholt worden ist (§ 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BGB aF).
55 Beim Widerruf einer auf den Abschluss eines auf den Bezug von Waren
gerichteten Fernabsatzvertrages ist daher - anders als das Berufungsgericht
meint - regelmäßig nicht davon auszugehen, dass eine auf der Grundlage der
vertraglichen Entgeltabrede bemessene Wertersatzpflicht die Wirksamkeit und
die Effektivität des dem Verbraucher eingeräumten Widerrufsrechts und damit
die Zielsetzung der Fernabsatzrichtlinie beeinträchtige. Es verkennt
hierbei, dass eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers für eine übermäßige
Nutzung oder Prüfung der Kaufsache im Falle des Widerrufs mit der
Zielsetzung der Fernabsatzrichtlinie grundsätzlich vereinbar ist (vgl.
EuGH, Urteil vom 3. September
2009 - C-489/07, aaO Rn. 26 - Messner/Krüger). Daran
ändern auch die weiteren vom Berufungsgericht berücksichtigten
Gesichtspunkte nichts, dass die Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 3 BGB aF
verschuldensabhängig ausgestaltet ist und die trennscharfe Bestimmung der
Reichweite der nach dieser Vorschrift ersatzlos möglichen Prüfung in manchen
Fällen Schwierigkeiten aufwerfen kann. Dass der Verbraucher in
Eigenverantwortung erkennen muss, ab wann die Prüfung das erlaubte Maß
überschreitet, beschränkt die Wirksamkeit und Effektivität des ihm
zustehenden Widerrufsrechts nicht, zumal der Unternehmer - wie vom
Gerichtshof gefordert - im Rahmen des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB aF die
Beweislast dafür trägt, dass die Verschlechterung der Sache auf einer
unangemessenen Prüfung beruht. Ebenso wenig besteht die Gefahr, dass allein
durch die Zugrundelegung des vertraglich vereinbarten Entgelts die Höhe des
Wertersatzes außer Verhältnis zum Kaufpreis der fraglichen Sache stünde, so
dass auch unter diesem Aspekt die Wirksamkeit und Effektivität des
eingeräumten Widerrufs nicht in Frage gestellt ist (vgl. hierzu
EuGH, Urteil vom 3. September 2009 -
C-489/07, aaO Rn. 27 - Messner/Krüger).
56 c) Der aufrechenbare Wertersatzanspruch der Beklagten würde damit - falls
der für das Entstehen eines solchen Anspruchs erforderliche Hinweis erteilt
worden sein sollte (§ 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BGB aF) - nicht nur,
wie vom Berufungsgericht angenommen, 172,41 € betragen, sondern wäre um den
vom Berufungsgericht gekürzten Gewinnanteil (29,58 €) zu erhöhen und beliefe
sich damit auf 201,99 €. Demzufolge reduzierte sich der dem Kläger vom
Berufungsgericht zugesprochene RückZahlungsanspruch von 214,17 € in diesem
Falle auf 184,59 € (386,58 € abzüglich 201,99 €).
III.
57 Nach alledem kann das Berufungsurteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang keinen Bestand haben; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Die nicht entscheidungsreife Sache ist im Umfang der Aufhebung an das
Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§
563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit die erforderlichen Feststellungen bezüglich
der Hinweispflicht nach § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BGB aF nachgeholt
werden können. Ist der erforderliche Hinweis nicht erfolgt, steht der
Beklagten kein Wertersatzanspruch zu, so dass der Kläger den gezahlten
Kaufpreis in vollem Umfang zurückverlangen kann. Ist dagegen ein Hinweis
rechtzeitig erteilt oder nachgeholt worden, steht dem Kläger gegen die
Beklagte nur ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 184,59 € zu. Soweit die
Beklagte mit ihrer Anschlussrevision eine Verurteilung in Höhe von nur
130,95 € erreichen will, ist ihr Rechtsmittel zurückzuweisen.
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