Vorliegen eines
Fernabsatzvertrages i.S.v. § 312b BGB bei Vertragsschluß mittels Boten;
Voraussetzungen einer Annahme nach § 151 BGB; invitatio ad offerendum und
Angebot, abändernde Annahme nach § 150 II BGB
BGH, Urteil vom 21. Oktober
2004 - III ZR 380/03
Fundstelle:
NJW 2004, 3699
BGHZ 160, 393
Anm. Lorenz EWiR 2005, 157 f.
Zentrale Probleme:
Im Rahmen einer Verbandsklage nach §§ 2,3
UKlaG geht es um die Frage des Bestehens eines Widerrufsrechts nach §§ 312d
Abs. 1 S. 1, 355 BGB. Der Bekl. vertreibt Mobiltelefone und
Telefondienstleistungsverträge, indem er durch Anzeigen ein
"Multimedia-Paket" bestehend aus Mobiltelefon und "Kartenvertrag" anbietet.
Das beworbene Angebot kann telefonisch bei einer sog. "Bestell-Hotline"
angefordert werden. Die Bekl. bereitet dann einen schriftlichen Vertrag vor,
dem auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt sind. Das
Vertragsformular versendet sie zusammen mit dem Mobiltelefon und der
Chipkarte im sog, "Postident 2- Verfahren" der Deutschen Post AG. Der
Postzusteller hat dabei den Kun-den zu identifizieren, seine Unterschrift
auf das Vertragsformular einzuholen, anschließend die Sendung auszuhändigen,
den Bekl. hiervon zu unterrichten und das unterschriebene Vertragsformular
an ihn zurückzuleiten. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht erfolgte dabei
nicht. Die Parteien streiten darum, ob dem Kunden bei der gewählten
Vertriebsform ein Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB nach
Fernabsatzregeln zusteht.
Der Senat bejaht diese Frage in methodisch vorbildlicher Weise. Zentrale
Frage ist, ob es sich bei der gewählten Vertriebsart um einen
Fernabsatzvertrag i.S.v. § 312b Abs. 1 BGB handelt. Dies setzt neben der
hier unproblematischen Eröffnung des persönlichen und sachlichen
Anwendungsbereichs voraus, daß der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung
von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wird, es sei denn, dies geschieht
nicht in einem "für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder
Dienstleistungssystem". Nach § 312b Abs. 2 BGB sind Fernkommunikationsmittel
solche Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluß eines
Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige
körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können. Damit
hatte sich der Senat zunächst mit dem Vertragsabschlußmechanismus zu
beschäftigen. Er kommt dabei zu dem zutreffenden Ergebnis, daß ein Vertrag
jedenfalls noch nicht mit der Zusendung der Vertragsunterlagen zustande
komme. Selbst wenn man – was der Senat zwar offen läßt, aber zu Recht
bezweifelt - schon in der telefonischen Bestellung des Verbrauchers ein
Vertragsangebot sehen wollte, so sei doch die Zusendung der
Vertragsunterlagen einschließlich der erstmals übersandten AGB als
abändernde Annahme und damit neues Angebot i.S.v. § 150 Abs. 2 BGB zu
bewerten. Damit stellt die gleichsam "an der Haustür" erfolgte
Unterzeichnung der Vertragsunterlagen (ein Widerrufsrecht nach § 312 Abs. 1
Nr. 1 BGB – "Haustürgeschäft" - scheitert dabei am Ausschlußtatbestand des §
312 Abs. 3 Nr. 1 BGB) die Annahme seitens des Kunden dar. Diese
(schriftliche) Willenserklärung des Verbrauchers wird freilich von dem
Postzusteller als Empfangsboten des Anbieters entgegengenommen, so daß sich
die Frage stellt, ob der Vertrag dann noch unter ausschließlicher Verwendung
von Fernkommunikationsmitteln geschlossen ist. Zentrale Aussage der
Entscheidung ist, daß entgegen einer in der Literatur anzutreffenden Tendenz
der Einsatz von Boten nicht stets als Direktkommunikationsmittel anzusehen
ist. Der Schutzzweck der §§ 312b bis 312d BGB gebiete es vielmehr, es als
ausschließlichen Einsatz von Fernkommunikationsmitteln anzusehen, wenn bei
Vertragsschluß oder -anbahnung ein Bote beauftragt wird, der zwar dem
Verbraucher in unmittelbarem persönlichen Kontakt gegenüber tritt, jedoch
über den Vertragsinhalt und insbesondere über die Beschaffenheit der
Vertragsleistung des Unternehmers keine näheren Auskünfte geben kann und
soll. Dies gebiete insbesondere der Schutzzweck der Fernabsatzvorschriften,
zwei für Distanzgeschäfte typische Defizite auszugleichen, die darin
bestehen, daß der Verbraucher die Eignung der Ware/Dienstleistung nicht
prüfen kann und sich an keine natürliche Person wenden kann, um weitere
Informationen über den Vertragsgegenstand und damit seine Eignung zu
erlangen. Beide Defizite lägen in der vorliegenden Fallgestaltung vor. Beim
Einsatz von Hilfspersonen sei dies nur dann anders zu sehen, wenn die
eingeschaltete Person nicht darauf beschränkt ist, Willenserklärungen und
Waren zu überbringen und entgegenzunehmen, sondern auch in der Lage und
damit beauftragt ist, dem Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere
Auskünfte über die angebotene Ware oder Dienstleistung zu geben. Dies könne
beispielsweise bei Vermittlern, Verhandlungsgehilfen oder sonstigen
Repräsentanten, nicht aber in der vorliegenden Konstellation des Postident
2-Verfahrens der Fall sein.
Die Entscheidung bedeutet entgegen der vielleicht ein wenig apodiktischen
Formulierung nicht, daß im Falle des Einsatzes von Hilfspersonen beim
Vertragsschluß im Grundsatz stets vom Vorliegen eines Fernabsatzgeschäftes
auszugehen sei. In der Regel ist weiterhin vom Gegenteil auszugehen.
Lediglich Fälle wie der vorliegende, in welchen die Übermittlungsperson
gleichsam ein "stummer Bote" ist, hindern nicht das Vorliegen eines
Fernabsatzvertrags.
Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Es kann teleologisch schlicht keinen
Unterschied machen, ob der Bote ein schriftliches Vertragsangebot nur abgibt
und anschließend eine schriftliche Annahmeerklärung versandt wird, oder ob
der Bote abwartet und die schriftliche Annahmeerklärung gleich entgegennimmt
und weiterleitet.
S. auch BGHZ 154, 239 (Ausschluß des
Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen nach § 312 d IV BGB bei "nach
Kundenspezifikation" gefertigten Waren - Kauf eines Laptops im
"built-to-order"-Verfahren). Zur Annahme nach § 151 BGB s. auch
BGH NJW 1997,
2233, BGH NJW 1999, 2179
sowie BGH NJW 2000, 276.
©sl 2004
Amtl. Leitsätze:
a) Wird bei Vertragsschluß oder -anbahnung ein Bote
beauftragt, der zwar dem Verbraucher in unmittelbarem persönlichen Kontakt
gegenübertritt, jedoch über den Vertragsinhalt und insbesondere über die
Beschaffenheit der Vertragsleistung des Unternehmers keine näheren Auskünfte
geben kann und soll, steht dies der Annahme eines Fernabsatzvertrages nicht
entgegen.
b) Beauftragt der Unternehmer die Deutsche Post AG mit der Einholung der
Unterschrift des Verbrauchers unter das Vertragsformular im Wege des
Postident 2-Verfahrens, liegt der Einsatz von Fernkommunikationsmitteln vor,
da der mit der Ausführung betraute Postmitarbeiter keine Auskünfte über
Vertragsinhalt und -leistung geben kann und soll.
Tatbestand:
Der Kläger, ein gemäß § 4 Abs. 1 UKlaG in die Liste qualifizierter
Einrichtungen des Bundesverwaltungsamts eingetragener
Verbraucherschutzverband, verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, in
einer bestimmten Vertriebsform Mobiltelefone und
Telefondienstleistungsverträge abzusetzen, ohne auf das Widerrufsrecht nach
dem Fernabsatzrecht hinzuweisen.
Der Vertrieb vollzieht sich wie folgt: Die Beklagte bewirbt durch Anzeigen
ein "Multimedia-Paket", mit dem sie ein Mobiltelefon zusammen mit einem
sogenannten Kartenvertrag anbietet. Die Anzeige, die Ende 2000 erschien,
enthält eine kurze Beschreibung des angebotenen Geräts und die Mitteilung
seines Werts. Außerdem sind in ihr unter anderem die Anschluß- und
Grundgebühren, die einzelnen Tarife für Telefonate in das deutsche Festnetz
und in das gleiche Mobilfunknetz, der Rahmen für die Verbindungspreise in
andere Mobilfunknetze sowie die 24 Monate betragende Laufzeit des
Kartenvertrags angegeben. Ferner ist in der Annonce die Nummer einer "Bestell-Hotline"
aufgeführt, bei der das beworbene Leistungspaket angefordert werden kann.
Auf entsprechenden Anruf eines Interessenten bereitet die Beklagte einen
schriftlichen Vertrag vor, dem sie auch ihre Allgemeinen
Geschäftsbedingungen beifügt. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht
enthalten die Unterlagen nicht. Das Vertragsformular bringt sie zusammen mit
dem Mobilfunkgerät und der dazu gehörenden Chipkarte zum Versand. Sie
bedient sich hierfür des Postident2-Verfahrens der Deutschen Post AG. Der
Postzusteller identifiziert dabei anhand eines Ausweises den Kunden, holt
dessen Unterschrift unter das Vertragsformular der Beklagten ein, händigt
die Sendung aus und benachrichtigt anschließend die Beklagte hiervon. Diese
schaltet sodann den Anschluß frei.
Der Kläger ist der Ansicht, diese Form des Vertriebs stelle einen Fernabsatz
dar mit der Folge, daß den Kunden der Beklagten ein Widerrufsrecht zustehe,
über das sie belehren müsse.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
Beklagte im wesentlichen antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Mit ihrer
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die
Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
der Kunde gebe in dem Telefonat mit der "Bestell-Hotline" ein bindendes
Vertragsangebot ab, das die Beklagte durch die Versendung der Unterlagen und
des Mobilfunkgeräts nebst Chipkarte nach § 151 BGB annehme. Da sich diese
Vorgänge allein im Wege der Fernkommunikation vollzögen, vertreibe die
Beklagte ihre Leistungen im Fernabsatz. Es bestehe deshalb ein
Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 BGB,
auf das die Beklagte hinzuweisen habe. Falls der Vertrag hingegen erst mit
der Unterschrift des Kunden unter das von der Beklagten übersandte Formular
zustande käme, läge ein Umgehungsgeschäft (§ 312f Satz 2 BGB) vor.
II. Dies rügt die Revision vergeblich.
1. Der Kläger ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 UKlaG befugt, den
Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Insoweit erhebt
die Revision auch keine Beanstandungen.
2. Das Berufungsgericht hat auf den Sachverhalt zutreffend nicht mehr die im
Jahr 2000 geltenden Vorschriften angewandt, obgleich die Anzeige bereits in
diesem Zeitraum erschienen war. Da die Unterlassung für die Zukunft verlangt
wird, richtet sich der Anspruch des Klägers trotz Art. 229 §§ 5, 9 EGBGB
nach §§ 312b bis 312d BGB in der seit dem 1. August 2002 geltenden Fassung
(vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - I ZR 90/01 -
NJW-RR 2004, 841, 842).
3. Das Berufungsgericht hat den mit der Klage verfolgten
Unterlassungsanspruch mit Recht zuerkannt, da das Vorgehen der Beklagten bei
Anbahnung und Abschluß der mit der Anzeige beworbenen Verträge unter die für
den Fernabsatz geltenden besonderen Vorschriften fällt. Die Kunden der
Beklagten haben deshalb ein Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 und §
355 BGB. Über dieses Recht hat die Beklagte zu informieren (§ 312c Abs. 1
und 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 BGB-InfoV).
a) Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung der Vorinstanz, daß der
Telefondienstleistungsvertrag und der Kaufvertrag über das Mobilfunkgerät
bereits mit der Absendung der Vertragsunterlagen und des Telefons zustande
kommt. Es kann dabei auf sich beruhen, ob der Kunde, der aufgrund der
Anzeige der Beklagten unter der Nummer der "Bestell-Hotline" anruft, bereits
in diesem Telefonat ein verbindliches Angebot auf Abschluß der in der
Annonce beworbenen Verträge abgibt.
aa) Hiergegen spricht, daß die Erklärung des Kunden, zu den in der
Anzeige der Beklagten genannten Bedingungen das sogenannte Multimedia-Paket
bestellen zu wollen, aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht mit dem für
das Vorliegen eines Vertragsangebots (§ 145 BGB) erforderlichen
Rechtsbindungswillen abgegeben werden dürfte. Dem durchschnittlich
informierten und aufmerksamen Verbraucher ist, für einen objektiven
Empfänger erkennbar, bewußt, daß es sich bei einem auf mindestens 24 Monate
Laufzeit angelegten Telefondienstleistungsvertrag um ein Rechtsverhältnis
handelt, dem typischerweise ein detailliertes Regelungswerk zugrunde liegt,
dessen Bedingungen in der Anzeige nicht erschöpfend aufgeführt sein können.
Er stellt sich deshalb darauf ein, von dem Anbieter noch ein
Vertragsformular mit weiteren Regelungen zu erhalten. Der Empfänger der
telefonischen Bestellung wird aus diesem Grund nicht annehmen können, daß
sich der Kunde bereits in dem Telefonat zu den Bedingungen der Beklagten
vertraglich binden will, obgleich ihm diese noch nicht bekannt sind.
bb) Legt man hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts zugrunde, daß die
telefonische Bestellung des Multimedia-Pakets ein bindendes Angebot des
Kunden darstellt, zu den in der Anzeige aufgeführten Bedingungen mit der
Beklagten einen Telefondienstleistungs- und Kaufvertrag zu schließen, fehlt
es an der Annahme dieser Offerte. Die Versendung des Mobilfunkgeräts nebst
Chipkarte und schriftlichen Vertragsunterlagen ist keine Annahme ohne
Erklärung gegenüber dem Antragenden gemäß § 151 Satz 1 BGB.
(1) Nach dieser Vorschrift kommt ein Vertrag durch die Annahme eines
Angebots zustande, ohne daß dies dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden
braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten
ist oder der Antragende auf sie ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet
hat. Allerdings bedarf es für das Zustandekommen des Vertrages auch in den
Fällen des § 151 Satz 1 BGB der Annahme, das heißt eines als
Willensbetätigung zu wertenden, nach außen hervortretenden Verhaltens des
Angebotsempfängers, aus dem sich dessen Annahmewille unzweideutig ergibt
(z.B.: BGHZ 111, 97, 101; BGH, Urteil vom 12.
Oktober 1999 - XI ZR 24/99 - NJW 2000, 276, 277 m.w.N.;
Bamberger/Roth/Eckert, BGB, § 151 Rn. 3). In welchen Handlungen eine
ausreichende Betätigung des Annahmewillens zu finden ist, kann nur in
Würdigung des konkreten Einzelfalls entschieden werden. Dabei ist mangels
Empfangsbedürftigkeit der Willensbetätigung nicht auf den Empfängerhorizont
(§ 157 BGB) abzustellen, sondern darauf, ob das Verhalten des
Angebotsadressaten vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten
aufgrund aller äußeren Indizien auf einen wirklichen Annahmewillen (§ 133
BGB) schließen läßt (BGH aaO; Bamberger/Roth/Eckert aaO).
(2) Der Versendung des Geräts und der Vertragsunterlagen ist der Wille
der Beklagten, ein etwaiges telefonisches Angebot des jeweiligen Kunden zu
den Bedingungen der Anzeige uneingeschränkt akzeptieren, nicht zu entnehmen.
Im Gegenteil gibt die Beklagte aus Sicht eines objektiven Dritten dadurch,
daß sie der Sendung den schriftlichen Vertragstext unter Einschluß ihrer
Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Unterschrift des Kunden beifügt, zu
erkennen, daß sie hierzu nicht bereit ist. Vielmehr geht ihr nach außen
zutage getretener Wille dahin, den ihr angesonnenen Vertrag nur unter
Einbeziehung der in den Unterlagen enthaltenen zusätzlichen Bedingungen zu
schließen. Der Versand des Geräts und des Vertragstexts stellt sich damit
nicht als Betätigung des Annahmewillens der Beklagten, sondern als Abgabe
eines neuen Antrags (§ 150 Abs. 2 BGB) dar.
b) Hiernach gibt die Beklagte durch die Versendung des Mobilfunkgeräts und
des Vertragstexts ein Angebot auf Abschluß eines Telefondienstleistungs- und
Kaufvertrags ab. Dabei handelt es sich, je nach rechtlicher Bewertung der
telefonischen Bestellung des Kunden, entweder um ein erstmaliges Angebot
oder um eine neue Offerte gemäß § 150 Abs. 2 BGB. Der Vertrag kommt durch
die Annahme des jeweiligen Kunden zustande, die er mit der von dem
Postmitarbeiter eingeholten Unterschrift auf dem Vertragsformular der
Beklagten erklärt. Dieser Vertragsschluß erfolgt bei wertender Betrachtung
unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b Abs.
1, 2 BGB) im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems.
aa) Fernkommunikationsmittel sind nach § 312b Abs. 2 BGB
Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluß eines Vertrages
zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige
körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können,
insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie
Rundfunk-, Tele-und Mediendienste.
bb) Bei Anbahnung und Abschluß der Telefondienstleistungs- und Kaufverträge
finden in dem hier in Rede stehenden Vertriebsweg ausschließlich
Fernkommunikationsmittel im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB, und zwar Telefon
und Postversand, Verwendung. Das von der Beklagten in Anspruch genommene
Postident 2-Verfahren vermittelt im Gegensatz zu der von ihr vertretenen
Auffassung nicht die gleichzeitige körperliche Anwesenheit der
Vertragsparteien nach § 312b Abs. 2 BGB.
(1) Entgegen der in der Literatur feststellbaren Tendenz (Härting,
Fernabsatzgesetz, 2000, § 1 Rn. 37 f; Lütcke, Fernabsatzrecht, 2002, § 312b
Rn. 67; MünchKommBGB/Wendehorst, 4. Aufl., § 312b Rn. 42, siehe jedoch auch
Rn. 44: bei Einschaltung von Angestellten eines Logistikunternehmens soll §
312f Satz 2 BGB eingreifen; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 312b Rn. 8;
nicht eindeutig: Reich EuZW 1997, 581, 583: "Repräsentanten" schließen
Anwendung des Fernabsatzrechts aus; anders wohl Bamberger/Roth/
Schmidt-Räntsch, BGB, § 312b Rn. 22) bedeutet der Einsatz von Boten beim
Vertragsschluß oder bei seiner Anbahnung nicht stets, daß
Direktkommunikationsmittel Verwendung finden.
(a) Der Schutzzweck der §§ 312b bis 312d BGB gebietet es, es als Einsatz
von Fernkommunikationsmitteln zu bewerten, wenn bei Vertragsschluß oder
-anbahnung ein Bote beauftragt wird, der zwar dem Verbraucher in
unmittelbarem persönlichen Kontakt gegenüber tritt, jedoch über den
Vertragsinhalt und insbesondere über die Beschaffenheit der Vertragsleistung
des Unternehmers keine näheren Auskünfte geben kann und soll.
§§ 312b bis 312d BGB sowie das zuvor geltende inhaltsgleiche
Fernabsatzgesetz beruhen auf der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen
Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei
Vertragsabschlüssen im Fernabsatz - FernAbsRL (Abl. EG Nr. L 144 vom 4. Juni
1997, S. 19). Nach Nr. 14 der Erwägungsgründe der Richtlinie war Anlaß für
die Schaffung von besonderen Vorschriften für den Fernabsatz, daß der
Verbraucher in der Praxis keine Möglichkeit hat, vor Abschluß des Vertrages
das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im
einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Die Fernabsatzvorschriften sollen
dementsprechend zwei für Distanzgeschäfte typische Defizite ausgleichen
(BGHZ 154, 239, 242 f; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch
aaO, Rn. 24; vgl. auch MünchKommBGB/ Wendehorst aaO, Rn. 47): Der
Verbraucher kann vor Abschluß des Vertrages die Ware oder die Dienstleistung
nicht prüfen, und er kann sich an keine natürliche Person wenden, um weitere
Informationen zu erlangen (Bamberger/ Roth/Schmidt-Räntsch aaO). Diese
Defizite vermag eine Person, deren Rolle sich auf die Botenfunktion in dem
oben geschilderten engen Sinn beschränkt, trotz ihrer körperlichen
Anwesenheit nicht zu beheben. Der Verbraucher ist in diesen Fällen ebenso
schutzwürdig wie bei einem Vertragsschluß durch den Austausch von Briefen,
bei dem er dem Post- oder Kurierboten nicht notwendig persönlich gegenüber
steht. In diesen Fällen sieht das Gesetz ausdrücklich die Anwendbarkeit der
Schutzvorschriften des Fernabsatzrechts vor (§ 312b Abs. 2 BGB; vgl.
auch Begründung der Bundesregierung zum Fernabsatzgesetz vom 9. Februar
2000, BT-Drucks. 14/2658 S. 31 zu § 1 Abs. 2).
(b) Etwas anderes dürfte gelten, wenn die eingeschaltete Person nicht
darauf beschränkt ist, Willenserklärungen und Waren zu überbringen und
entgegenzunehmen, sondern in der Lage und damit beauftragt ist, dem
Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere Auskünfte über die
angebotene Ware oder Dienstleistung zu geben. Dies kann beispielsweise bei
Vermittlern, Verhandlungsgehilfen oder sonstigen Repräsentanten des
Unternehmens, die wegen der Einzelheiten der Leistung Rede und Antwort
stehen (vgl. Münch-KommBGB/Wendehorst aaO), der Fall sein.
(2) Das Postident 2-Verfahren vermittelt dem mit dessen Ausführung betrauten
Mitarbeiter der Deutschen Post AG jedoch lediglich die Stellung eines bloßen
Boten. Er ist nicht befugt und in aller Regel auch nicht in der Lage, den
Kunden der Beklagten über die Vertragsleistung Auskunft zu geben.
(a) Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG über den
Postident-Service umfaßt der Postident 2-Dienst lediglich die Identifikation
natürlicher Personen anhand des Personalausweises oder Reisepasses, die
Erfassung der Ausweisnummer, die Einholung von zwei eigenhändigen
Unterschriften des Empfängers zu den vom Auftraggeber definierten Zwecken
und die Aushändigung von Unterlagen an den Empfänger (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2
Abs. 2 der AGB). Zum Leistungsumfang gehört hingegen nicht die Abgabe von
Erklärungen rechtlicher oder tatsächlicher Natur für den Auftraggeber
gegenüber dem Empfänger der Sendung.
(b) Der Postmitarbeiter besitzt zudem - von denkbaren Zufällen abgesehen -
nicht die tatsächlichen und rechtlichen Kenntnisse, die erforderlich sind,
um etwaige Fragen des Kunden zu den von der Beklagten angebotenen Leistungen
beantworten zu können. Der Zusteller muß im Laufe einer Lieferfahrt in aller
Regel eine Vielzahl verschiedenartiger Sendungen aushändigen und ist weder
in der Lage noch mit dieser Zielsetzung beauftragt, sich mit dem Inhalt der
einzelnen Aufträge zu befassen oder sich gar Wissen anzueignen, das über die
Informationen, die der Auftraggeber dem Empfänger über das versandte Produkt
zukommen läßt, hinausgeht. Zudem verfügt er nicht über die nötige Zeit, um
abzuwarten, daß der Empfänger die übersandte Ware prüft und sich mit den
Vertragsbedingungen des Versenders vertraut macht, um sodann gegebenenfalls
weitergehende Informationen zu verlangen.
c) Die Beklagte handelt mit dem hier fraglichen Absatz der Mobilfunkgeräte
und Kartenverträge im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten
Vertriebssystems, wie es weitere Voraussetzung für die Anwendung der
Vorschriften über Fernabsatzverträge ist (§ 312b Abs. 1, 2. Halbsatz BGB).
Hierfür ist erforderlich, daß der Unternehmer durch die personelle und
sachliche Ausstattung innerhalb seines Betriebs die organisatorischen
Bedingungen geschaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig im Fernabsatz
zu tätigende Geschäfte zu bewältigen (Begründung der Bundesregierung zum
Entwurf des Fernabsatzgesetzes aaO, S. 30; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch
aaO, Rn. 11 m.w.N.; MünchKommBGB/Wendehorst aaO, Rn. 49 m.w.N.; Fuchs ZIP
2000, 1273, 1275; Lorenz JuS 2000, 833, 838; Meents CR 2000, 610, 611).
Diese Voraussetzung ist erfüllt, da sich die Beklagte durch die Angabe der "Bestell-Hotline"
systematisch die Technik der Fernkommunikation zunutze macht und für ihren
Betriebsablauf in personeller und sächlicher Hinsicht ein eingespieltes
Verfahren entwickelt hat, um den Abschluß und die Ausführung des Vertrages
regelmäßig im Postwege zu vollziehen.
4. Soweit die Revision meint, die Verurteilung sei in jedem Fall zu weit
gehend, da auch Fälle erfaßt würden, in denen dem Kunden bei der
telefonischen Bestellung erläutert werde, daß der Vertragsschluß erst durch
Unterzeichnung des Vertragsformulars und dessen Übergabe an den
Postmitarbeiter erfolge, ist dem nicht zu folgen. Für die rechtliche
Bewertung des von der Beklagten gewählten Vertriebswegs als
Fernabsatzgeschäft ist es ohne Bedeutung, ob dem Verbraucher das Verfahren
bei Vertragsanbahnung erklärt wird. |