Voraussetzung des Neubeginns der Verjährung
durch Anerkenntnis (§ 212 I Nr. 1 BGB) bei Vornahme der Mängelbeseitigung;
Beweislast für das Vorliegen eines Anerkenntnisses
BGH, Beschluss vom 23. August 2012 -
VII ZR 155/10 - OLG Celle
Fundstelle:
NJW 2012, 3229
Amtl. Leitsatz:
Ein Anerkenntnis im Sinne des
§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegt nicht vor, wenn ein Unternehmer auf
Aufforderung des Bestellers eine Mängelbeseitigung vornimmt, dabei jedoch
deutlich zum Ausdruck bringt, dass er nach seiner Auffassung nicht zur
Mängelbeseitigung verpflichtet ist.
Zentrale Probleme:
Ein verjährungsrechtliches
Standardproblem, hier aus dem Bereich des Werkvertragsrechts, das sich in
gleicher Weise im Kaufrecht ergeben kann. Nach § 212 I Nr. 1 BGB beginnt die
Verjährung erneut, wenn der Schuldner den Anspruch (auch konkludent)
anerkannt hat (rätselhaft ist, warum der Senat hier von bloßer Hemmung
i.S.v. § 209 BGB spricht, § 212 I Nr. 1 BGB betrifft eindeutig den
Neubeginn. Wahrscheinlich handelt es sich um ein bloßes Schreibversehen,
jedenfalls ist es hier nicht entscheidungserheblich). Ein solches konkludentes Anerkenntnis kann in der Vornahme
von Nachbesserungsarbeiten liegen. Das gilt allerdings dann nicht, wenn der
Schuldner dabei zum Ausdruck bringt, ohne Anerkennung einer Verpflichtung,
also etwa aus Kulanz zu handeln (s. zu den Voraussetzungen eines
Anerkenntnisses auch BGH v.
15.8.2012 - XII ZR 86/11). Zwar liegt die Beweislast für die
Verjährung beim Schuldner, beweispflichtig für das Vorliegen einer Hemmung
ist aber der Gläubiger, da diese Norm ihn als Ausnahmetatbestand vom
Fristablauf begünstigt. Prozessual waren hier die Rollen vertauscht: Der
Kläger war der Werkunternehmer, für dessen Gewährleistungshaftung eine
Bürgschaft bestand. Wenn Gewährleistungsansprüche nicht bestanden und nicht
mehr entstehen konnten bzw. diesen über die Verjährung eine dauernde Einrede
entgegenstand, war die Bürgschaft wegen des Akzessoritätsgrundsatzes (§ 765
BGB) erloschen bzw. stand ihr eine dauernde Einrede entgegen (§ 768 I BGB).
In einem solchen Fall hat der Schuldner aus dem Sicherungsvertrag (d.h. der
schuldrechtlichen Abrede, eine Bürgschaft zu stellen) einen Anspruch auf
Herausgabe der Bürgschaftsurkunde (idR an den Bürgen), s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 1989, 1482. Um diesen Anspruch
ging es hier. Daher musste der Kläger die Verjährung beweisen, den Neubeginn
(der Senat spricht wohl irrtümlich von Hemmung) als Ausnahmetatbestand der Beklagte.
Zur Verjährungshemmung nach § 203 S. 1 BGB wegen
"Verhandlungen" s.
BGH NJW 2007, 587
sowie
BGH NJW 2009, 1806.
©sl 2012
Gründe:
I.
1 Die Parteien streiten um die vom Kläger verlangte Herausgabe einer
Originalbürgschaftsurkunde über eine Gewährleistungsbürgschaft sowie mit der
Widerklage erhobene Gewährleistungsansprüche der Beklagten und einen
Schadensersatzanspruch des Beklagten zu 2 wegen Kostenschäden aus einem
Vorprozess.
2 Der Kläger nahm im Auftrag der in einer Projektgemeinschaft verbundenen
Beklagten 1999 Rohbauarbeiten für ein Doppelhaus in C. vor. Die Beklagten
entrichteten die letzte Zahlung an ihn am 3. Dezember 1999.
3 In einem Rechtsstreit der Bauherren gegen den Beklagten zu 2 wurde später
festgestellt, dass die Abdichtung des Verblendmauerwerks an dem Bauvorhaben
mangelhaft ausgeführt und die sogenannte Z-Sperre über den
Schlafzimmerfenstern zu erneuern war (Urteil des LG Stade vom 15. Oktober
2002 - 3 O 167/00). Im Februar 2003 nahm der Kläger auf Aufforderung der
Beklagten Abdichtungsarbeiten vor.
4 Die Bauherren machten im Rahmen eines zweiten Rechtsstreits erfolgreich
weitere Gewährleistungsansprüche gegen den Beklagten zu 2 geltend (3 O
328/06 LG Stade - 7 U 132/08 OLG Celle). Der Kostenschaden des Beklagten zu
2 ist unter anderem Gegenstand der Widerklage.
5 Der Kläger hat Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt. Er hat die
Meinung vertreten, dass gegen ihn gerichtete Gewährleistungsansprüche mit
Ablauf des 3. Dezember 2004 verjährt seien. Die Klage hatte in erster
Instanz Erfolg; die Widerklage der Beklagten hat das Landgericht abgewiesen.
Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten, die den Widerklageantrag im
zweiten Rechtszug erweitert haben, hatte überwiegend Erfolg.
II.
6 Der Beschwerde ist stattzugeben, soweit der Kläger auf die
Widerklage zur Zahlung von 9.520 € nebst Zinsen und Freistellung von
Mängelbeseitigungskosten verurteilt worden ist. Das Berufungsurteil
beruht insoweit auf einer Verletzung des Rechts des Klägers auf Gewährung
rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Es ist deshalb insoweit aufzuheben.
Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).
7 1. Das Berufungsgericht hat Gewährleistungsansprüche, die sich im
Streitfall nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts richten, als
unverjährt angesehen. Die fünfjährige Verjährungsfrist habe zwar am
3. Dezember 1999 begonnen. Anspruchsverjährung sei mit Ablauf des 3.
Dezember 2004 nicht eingetreten, denn die Abdichtungsarbeiten des Klägers im
Februar 2003 seien als verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis im Sinne von
§ 208 BGB a.F. zu werten.
8 2. Damit hat sich das Berufungsgericht über entscheidungserheblichen
Vortrag des Klägers hinweggesetzt.
9 a) Da der (vermeintliche) Hemmungstatbestand nach dem 1. Januar 2002
eingetreten ist, ist - der gegenüber § 208 BGB a.F. inhaltlich unveränderte
- § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anwendbar. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB
gelangen grundsätzlich die neuen Verjährungsregeln zur Anwendung. Das
Stichtagsprinzip gilt in Übergangsfällen nicht nur für den
Verjährungsbeginn, sondern auch für die Hemmung des Laufs der
Verjährungsfrist (BGH, Urteil vom 5. April 2011 - XI ZR 201/09, BGHZ 189,
104 Rn. 17; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 7).
10 Etwas anderes ergibt sich nicht aus Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, da
dort lediglich geregelt ist, dass sich die Hemmung der Verjährung für den
Zeitraum vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis
zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmt. Etwas anderes folgt auch nicht aus
Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB. Diese Bestimmung betrifft lediglich die
Fortgeltung von Regelungen, nach denen eine vor dem 1. Januar 2002
eintretende Unterbrechung als erfolgt oder nicht erfolgt gilt (dazu Kniffka/Schulze-Hagen,
Bauvertragsrecht, 2012, § 634a BGB Rn. 359).
11 b) Die Verjährung ist gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt
[red. Anm.: gemeint ist wohl "Neubeginn", s. dazu
die oben unter "Zentrale Probleme"], wenn
der Verpflichtete dem Berechtigten gegenüber den Anspruch durch
Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise
anerkennt. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Anerkenntnis im
Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor, wenn sich aus dem
tatsächlichen Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger klar und
unzweideutig ergibt, dass dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewusst ist
und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der
Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird. Der Schuldner
muss dabei sein Wissen, zu etwas verpflichtet zu sein, klar zum Ausdruck
bringen, wobei allerdings auch ein eindeutiges schlüssiges Verhalten genügen
kann (BGH, Urteile vom 24. Mai 2012 - IX ZR 168/11, BeckRS 2012,
12770 Rn. 29; vom 9. Dezember 2011 - V ZR 131/11, NJW 2012, 1293 Rn. 10).
Das entspricht der Rechtsprechung zu § 208 BGB a.F. (BGH, Urteile vom 3.
Dezember 1987 - VII ZR 363/86, BauR 1988, 465 = NJW 1988, 1259, unter II 1;
vom 13. Januar 2005 - VII ZR 15/04, BauR 2005, 710 = NZBau 2005, 282 = ZfBR
2005, 363, unter II 2).
12 Ob in der Vornahme von nicht nur unwesentlichen
Nachbesserungsarbeiten ein Anerkenntnis der Gewährleistungspflicht des
Auftragsnehmers liegt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles
zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei, ob der Auftragnehmer aus der Sicht des
Auftraggebers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines
Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet
zu sein (vgl. BGH, Urteile vom 5. Oktober 2005 - VIII ZR 16/05,
BGHZ 164, 196, 205; vom 2. Juni 1999 - VIII ZR 322/98, NJW 1999, 2961, unter
II 2 und 3).
13 c) Das Berufungsgericht hat für die Beurteilung, ob ein Anerkenntnis
vorliegt, entscheidungserheblichen Vortrag übergangen. Der Kläger hat, wie
die Beschwerde zutreffend rügt, nach seinem, vom Senat zugrunde zu legenden
Vortrag, behauptet, dass er dem Beklagten zu 2 im Februar 2003 unmittelbar
vor der Veränderung der Z-Sperre erklärt habe, fachgerecht und mangelfrei
gearbeitet zu haben. Er habe die Z-Sperre auf Bitte des Beklagten zu 2
verändert, da die Verblendsteine noch nicht wieder angebracht gewesen seien.
Das Berufungsgericht hat diesen maßgeblichen Gesichtspunkt nicht in seine
Erwägungen einbezogen.
14 d) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht
auszuschließen, dass das Berufungsgericht kein verjährungshemmendes
Anerkenntnis feststellt. Denn nach dem Vortrag des Klägers liegt ein
Anerkenntnis des Anspruchs der Beklagten auf Mängelbeseitigung nicht vor. Er
hat vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nach seiner Auffassung
nicht zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist, so dass die gleichwohl auf
Bitte des Beklagten zu 2 vorgenommene, nach Darstellung des Klägers mit
wenig Aufwand verbundene Veränderung der Folie, nicht als eine Maßnahme
beurteilt werden kann, die der Kläger im Bewusstsein seiner
Nachbesserungspflicht vorgenommen hat. Unerheblich ist, dass die Arbeiten
nicht in Rechnung gestellt worden sind. Das würde für eine Kulanz des
Klägers sprechen. Unerheblich ist auch, dass der Kläger im Prozess die
offenbar unzutreffende Auffassung vertreten hat, er habe die Arbeiten
aufgrund eines gesonderten Auftrags erledigt. Diese fehlerhafte Würdigung
ändert nichts daran, dass der Kläger auf der Grundlage seines Vorbringens
durch die vorgenommenen Maßnahmen den Anspruch des Beklagten nicht anerkannt
hat.
15 e) Der Senat weist darauf hin, dass die Beweislast für das
Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Beklagten tragen.
16 3. Der Streitwert der Klage (2.416,88 €) und der Streitwert der
Widerklage werden nicht addiert, weil sie denselben Gegenstand betreffen (§
45 Abs. 1 Satz 1, 3 GKG). Die Zuerkennung des einen Anspruchs ist mit der
Aberkennung des anderen verbunden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 - III ZR
209/09, BGHZ 185, 310 Rn. 26; Beschluss vom 6. Oktober 2004 - IV ZR 287/03,
NJW-RR 2005, 506, unter III 1).
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