Schadensersatz wegen Mängeln beim Werkvertrag;
"Vorschussschaden" des Unternehmers bei mangelhafter Werkleistung eines
Subunternehmers; schadensrechtliches Bereicherungsverbot und
Vorteilsanrechnung; analoge Anwendung von § 255 BGB; sekundäre
Darlegungslast
BGH, Urteil vom 9. November 2023 - VII ZR 92/20 - OLG
Brandenburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt für
BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsätze:
1. In der werkvertraglichen Leistungskette kann
der Hauptunternehmer gegenüber dem Nachunternehmer gemäß § 634 Nr. 4 BGB in
Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB den Schaden ersetzt verlangen,
der ihm dadurch entsteht, dass er wegen der mangelhaften Werkleistung des
Nachunternehmers seinerseits Mängelansprüchen seines Bestellers ausgesetzt
ist. Hat der Hauptunternehmer in diesem Fall einen vom Besteller geltend
gemachten Anspruch auf Kostenvorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB
durch Zahlung erfüllt, kann er im Wege des Schadensersatzes gemäß § 634 Nr.
4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB vom Nachunternehmer
Zahlung in Höhe des geleisteten Kostenvorschusses verlangen.
2. Der
Umstand, dass der vom Hauptunternehmer ersetzt verlangte Schaden
darin liegt, dass er mit dem Kostenvorschuss noch keine endgültige, sondern
eine zweckgebundene Zahlung an seinen Besteller geleistet hat, über deren
Verwendung nach Mängelbeseitigung abzurechnen ist, ist allerdings im Wege
der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen und kann zu einer Begrenzung des
Umfangs seines Schadensersatzanspruchs gegen den Nachunternehmer führen.
Ob und in welcher Weise die Vorteilsausgleichung zu erfolgen hat,
richtet sich im Grundsatz danach, ob der Besteller dem Hauptunternehmer
bereits eine Abrechnung über die Verwendung des Kostenvorschusses erteilt
hat.
a) Hat der Besteller dem Hauptunternehmer noch keine Abrechnung
erteilt, kann der Nachunternehmer im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß §
273 BGB durchsetzen, dass der Schadensersatz an den Hauptunternehmer in
entsprechender Anwendung des § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung der
aus der Vorschusszahlung folgenden Ansprüche des Hauptunternehmers gegen
den Besteller auf Abrechnung sowie gegebenenfalls Rückzahlung zu leisten
ist.
b) Hat der Besteller dem Hauptunternehmer dagegen bereits eine
inhaltlich zutreffende Abrechnung erteilt und ist der Vorschussbetrag danach
vollständig zur Mängelbeseitigung verbraucht worden, kommt eine
Vorteilsausgleichung im Verhältnis des Hauptunternehmers zum Nachunternehmer
nicht (mehr) in Betracht. Besteht nach erteilter Abrechnung ein noch nicht
erfüllter Rückzahlungsanspruch des Hauptunternehmers gegen den Besteller,
kann der Nachunternehmer im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB
durchsetzen, dass der Schadensersatz an den Hauptunternehmer in
entsprechender Anwendung des § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung dieses
Anspruchs zu leisten ist. Ist es bereits zu einer vollständigen oder
teilweisen Rückzahlung an den Hauptunternehmer gekommen, ist der
zurückgezahlte Betrag von Amts wegen auf den vom Nachunternehmer in Geld zu
leistenden Schadensersatz anzurechnen und führt zu dessen Verringerung.
3. Den Hauptunternehmer trifft in diesem Fall eine sekundäre
Darlegungslast für die anspruchsmindernden Vorteile, die sich daraus
ergeben, dass er an seinen Besteller einen Kostenvorschuss wegen der
mangelhaften Werkleistung seines Nachunternehmers geleistet hat. Ihm obliegt
es deshalb insbesondere darzulegen, ob der Besteller bereits eine Abrechnung
über die Verwendung des Kostenvorschusses erteilt hat, und gegebenenfalls
nähere Angaben zum Inhalt und Ergebnis der Abrechnung machen.
Zentrale Probleme:
Ein schönes Problem: Der Kläger, ein Bauunternehmer,
hatte den Beklagten als Subunternehmer im Rahmen eines Bauprojekts mit
bestimmten Werkleistungen beauftragt. Der Kläger wird anschließend von
seinen Bestellern wegen eines vom Beklagten verursachten Mangel des Bauwerks
auf Gewährleistung in Anspruch genommen und zur Leistung eines Vorschusses
zur Mängelbeseitigung (§ 634 Nr. 2, 637 III BGB) verurteilt. Einen solchen
Vorschuss darf der Besteller - anders als eine Schadensersatzleistung - aber nicht
beliebig, sondern nur zur Mängelbeseitigung verwenden. Geschieht das nicht
oder nicht in einem angemessenen Zeitraum, so kann der Unternehmer den
Vorschuss zurückfordern (s. dazu
BGH v. 14.1.2010 - VII ZR 108/08).
Hier will
jetzt der Unternehmern von seinem Subunternehmer nach erfolgloser
Fristsetzung zur Mängelbeseitigung den gezahlten Vorschuss im Wege der
Schadensersatzes statt der Leistung (§ 634 Nr,. 4, 280 I, III, 281 BGB)
ersetzt bekommen. Dabei stellt sich das
Problem, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar ist, ob der Unternehmer
den Schaden endgültig erleidet, denn es steht ja potentiell noch ein
Rückforderungsanspruch des Unternehmers gegen den Besteller hinsichtlich des
Vorschusses, wenn dieser nicht, nicht zweckentsprechend oder nicht
angemessener Frist zur Mängelbeseitigung verwendet wird. Der BGH wendet hier
den Rechtsgedanken des § 255 BGB analog an: Der Subunternehmer muss den
"Vorschussschaden" nur ersetzen, wenn ihm im Gegenzug der (zukünftige)
Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses abgetreten wird, den der Kläger
gegen den Besteller hat. Soweit der Vorschuss bereits zurückgezahlt ist,
mindert sich der Schadensersatzanspruch des Unternehmers gegen den
Subunternehmer. Der Unternehmer hat dabei eine sekundäre Darlegungslast
darüber, ob bereits eine Abrechnung über den Kostenvorschuss stattgefunden
hat. Nicht diskutiert wird in der Entscheidung die Frage, wer das Risiko
der Zahlunsunfähigkeit des Bestellers trägt, d.h. wer das Risiko trägt, dass
der zur Zurückzahlung fällige Vorschuss nicht gezahlt wird. Dieses Risiko
liegt mit Sicherheit beim Subunternehmer.
©sl 2024
Tatbestand:
1 Die Klägerin, eine auf Holzbau spezialisierte Unternehmerin, verlangt
von dem Beklagten, der Inhaber eines Meisterbetriebs für Heizungs-, Sanitär-
und Solaranlagen ist, Schadensersatz in Höhe von insgesamt 47.190,33 €
nebst Zinsen wegen mangelhafter Werkleistung.
2 Die Klägerin wurde
im Jahr 2011 von der C. UG, die später in eine GmbH umgewandelt wurde (im
Folgenden: C. GmbH), damit beauftragt, die Dachaufstockung und energetische
Sanierung von neun Wohngebäuden in B. vorzunehmen. Sie beauftragte
den Beklagten als Nachunternehmer damit, die von ihr vorgefertigten
Holztafelbauteile mit Sanitärsystemen zu bestücken.
3 Nach
Fertigstellung der Arbeiten ergab eine Überprüfung, dass
die Abwasseranschlüsse nicht den Regeln der Technik entsprachen und eine
fachgerechte Ausführung mit den in den Wänden installierten Rohrbelüftern
nicht zu erreichen war. Es kam zur Geruchsbildung in den Wohnungen.
4
Die von der C. GmbH wegen dieser Mängel in Anspruch
genommene Klägerin wurde in einem Vorprozess rechtskräftig zur Zahlung eines
Vorschusses für die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen in
Höhe von 39.103,68 € sowie zur Zahlung der bereits aufgewandten Kosten für
die Mängelbeseitigung in Höhe von 8.086,65 € verurteilt. Die
Klägerin zahlte den zuerkannten Betrag in Höhe von insgesamt 47.190,33 € am
12. Januar 2015 an die C. GmbH.
5 Das Landgericht hat der auf
Schadensersatz in Höhe der Verurteilung im Vorprozess gerichteten Klage -
nach Abzug eines Mitverschuldensanteils zu Lasten der Klägerin - in Höhe von
11.797,58 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin und die
Anschlussberufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das
erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel
teilweise abgeändert und den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in
Höhe von 47.190,33 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt.
6 Auf
die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision durch das
Berufungsgericht hat der Senat unter Zurückweisung der weitergehenden
Beschwerde - auch soweit sie sich gegen die Verneinung eines Mitverschuldens
gerichtet hat - die Revision insoweit zugelassen, als das Berufungsgericht
den Beklagten unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen
Urteils verurteilt hat, an die Klägerin 39.103,68 € nebst Zinsen zu zahlen,
wobei die Zulassung auf die Anspruchshöhe beschränkt worden ist. Mit der
Revision beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil im Umfang der
Revisionszulassung aufzuheben und insoweit die Klage abzuweisen, hilfsweise
den Rechtsstreit im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe:
7 Die im Umfang der Zulassung
eingelegte Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils im tenorierten Umfang und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.
I.
8 Das Berufungsgericht, dessen Urteil
unter anderem in BauR 2021, 568 veröffentlicht ist, hat - soweit für das
Revisionsverfahren von Interesse -Folgendes ausgeführt:
9 Der
Beklagte schulde der Klägerin gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280
Abs. 1 und 3, § 281 BGB Schadensersatz wegen mangelhafter Werkleistung im
Umfang des vollen Betrags, den die Klägerin infolge dieser Mängel nach dem
rechtskräftigen Urteil im Vorprozess an die C. GmbH habe zahlen müssen.
10 Das Werk des Beklagten sei mangelhaft, da die von ihm ausgeführte
Rohrbelüftung unstreitig zu Geruchsbelästigungen in den Wohnungen führe
und weder DIN-gerecht noch den anerkannten Regeln der Technik entsprechend
sei. Das für den Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden des
Beklagten werde vermutet. Einen Mitverursachungsanteil müsse sich die
Klägerin nicht anrechnen lassen.
11 Der Höhe nach bemesse sich der
Schadensersatzanspruch der Klägerin nach dem Betrag, zu dessen Zahlung sie
selbst infolge der mangelhaften Rohrbelüftung im Vorprozess rechtskräftig
verurteilt worden sei und dessen tatsächliche Entrichtung am 12. Januar 2015
sie belegt habe.
12 Es könne nicht festgestellt werden, dass sich der
Schaden der Klägerin nachträglich reduziert habe, beispielsweise weil die
tatsächlichen Aufwendungen für die Mängelbeseitigung durch die C. GmbH
geringer gewesen seien als der ihr im Vorprozess gegen die Klägerin hierfür
zuerkannte Vorschussbetrag oder weil die C. GmbH davon Abstand genommen
habe, die Mängel zu beheben. Die Klägerin sei im Verhältnis zum Beklagten
nicht abrechnungspflichtig; sie fordere Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4 BGB
in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB und keinen Kostenvorschuss
oder Aufwendungsersatz für die Selbstbeseitigung der Mängel nach § 634 Nr. 2
BGB und § 637 Abs. 3 BGB. Den Einwand der Klägerin, der Vorschussbetrag sei
von der C. GmbH vollumfänglich für die Mängelbeseitigung verbraucht worden,
habe der Beklagte nicht widerlegt. Er trage insoweit nach den allgemeinen
zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Es existiere
keine tatsächliche Vermutung des Inhalts, dass eine Behebung von Baumängeln
nicht stattgefunden habe. Allenfalls lasse sich nach dem Ablauf eines
längeren Zeitraums, für dessen Dauer die jeweils konkreten Umstände von
maßgeblicher Bedeutung seien, widerleglich vermuten, dass bei dem Besteller
der Wille fehle, einen Vorschussbetrag zur Mängelbeseitigung einzusetzen,
wenn von ihm bis dahin keine oder lediglich unzureichende Anstrengungen
diesbezüglich unternommen worden seien. Das stehe hier jedoch nicht fest.
Hinzu komme, dass sich der Schaden der Klägerin nachträglich erst dann
verringere, wenn eventuelle Überschüsse durch die C. GmbH bereits
tatsächlich ausgekehrt worden wären.
II. 13 Das hält der
rechtlichen Überprüfung nicht stand.
14 Nach dem Berufungsurteil
steht rechtskräftig fest, dass die Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde
nach einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des kleinen
Schadensersatzes wegen der mangelhaften Rohrbelüftung gemäß § 634 Nr. 4 BGB
in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB hat und ein Abzug wegen
eines Mitverursachungsanteils der Klägerin nicht in Betracht kommt.
15 Mit der vom Berufungsgericht zur Höhe des Schadensersatzanspruchs
gegebenen Begründung kann der Urteilsspruch indes nicht
gerechtfertigt werden.
16 1. Allerdings hat das
Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass der Klägerin
aufgrund der mangelhaften Rohrbelüftung ein Schadensersatzanspruch gegen den
Beklagten gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281
BGB zusteht, der auf Ersatz des Schadens gerichtet ist, der dadurch
entstanden ist, dass die Klägerin wegen des Mangels ihrerseits einen
Kostenvorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB in Höhe von 39.103,68 €
an die C. GmbH gezahlt hat. Das Berufungsgericht hat durch die
konkrete Bezugnahme auf den von der Klägerin vorgelegten Überweisungsbeleg
(GA II Bl. 351) widerspruchsfrei mit Tatbestandswirkung festgestellt, dass
diese Zahlung am 12. Januar 2015 auf den im Vorprozess ausgeurteilten
Kostenvorschussanspruch erfolgt ist.
17 a) Mit
Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17, BGHZ
218, 1) hat der Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung
entschieden, dass der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht
beseitigen lässt, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung
(kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634
Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den voraussichtlich
erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven")
Mängelbeseitigungskosten bemessen kann. Der Senat hat
insoweit ausgeführt, dass die Schadensbemessung nach "fiktiven"
Mängelbeseitigungskosten insbesondere nicht damit begründet werden kann,
dass der Mangel selbst - unabhängig von dessen Beseitigung - der
Vermögensschaden in Höhe dieser Kosten sei (BGH, Urteil vom 22.
Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 33, BGHZ 218, 1). Diese
Rechtsprechung gilt auch in der werkvertraglichen Leistungskette
(vgl. näher dazu BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20 Rn. 48
ff., BauR 2021, 225).
18 b) Die neue Rechtsprechung des
Senats führt indes nicht dazu, dass ein Hauptunternehmer in der
werkvertraglichen Leistungskette den an seinen Besteller gemäß § 634 Nr. 2,
§ 637 Abs. 3 BGB zur Mängelbeseitigung gezahlten Kostenvorschuss nicht im
Rahmen eines infolge dieser Mängel gegebenen Schadensersatzanspruchs gemäß §
634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB gegen seinen
Nachunternehmer als Schaden liquidieren könnte.
19 aa)
Insbesondere ist ein Hauptunternehmer - entgegen der Auffassung der Revision
- in einem Fall, in dem sein Besteller zur Mängelbeseitigung
einen Kostenvorschuss verlangt, nicht seinerseits auf die Geltendmachung
eines Anspruchs auf Kostenvorschuss wegen dieser Mängel gemäß § 634 Nr. 2, §
637 Abs. 3 BGB gegenüber seinem Nachunternehmer beschränkt. Er kann
vielmehr - nach seiner Wahl - auch Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4 BGB in
Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB verlangen (zum
Wahlrecht bei § 634 BGB vgl. z.B. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - XI ZR
181/08 Rn. 49, NJW 2010, 1284).
20 bb) Mit dem
Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1
und 3, § 281 BGB kann der Hauptunternehmer gegenüber dem Nachunternehmer den
Schaden ersetzt verlangen, der ihm dadurch entsteht, dass er wegen der
mangelhaften Werkleistung des Nachunternehmers seinerseits Mängelansprüchen
seines Bestellers ausgesetzt ist.
21 (1) In der
werkvertraglichen Leistungskette ist der Hauptunternehmer wirtschaftlich
betrachtet nur eine Zwischenstation. Ist das durch seinen Nachunternehmer
ausgeführte Werk mangelhaft, kann - wie unter II. 1. a) ausgeführt - nicht
der Mangel selbst bereits als der in Höhe der
voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten bestehende Vermögensschaden des
Hauptunternehmers qualifiziert werden. Der Schaden des
Hauptunternehmers liegt in einem solchen Fall vielmehr zunächst darin, dass
er infolge der mangelhaften Werkleistung seines Nachunternehmers mit
Verbindlichkeiten belastet wird, indem er aufgrund des betreffenden
Werkmangels seinerseits Mängelansprüchen seines Bestellers ausgesetzt ist
(vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020 -
VII ARZ 1/20 Rn. 52, BauR 2021, 225; Urteil vom 28. Januar 2016 - VII ZR
266/14 Rn. 26, BGHZ 208, 372 zum Planervertrag).
Der Hauptunternehmer kann daher von seinem Nachunternehmer im Wege des
Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3,
§ 281 BGB Freistellung von den Mängelansprüchen des Bestellers
verlangen. Verlangt ein Besteller - wie hier - zur Beseitigung von Mängeln
Kostenvorschuss, kann der Hauptunternehmer mithin verlangen, dass der
Nachunternehmer ihn von dem Vorschussanspruch des Bestellers freistellt.
22 (2) Hat der Hauptunternehmer den vom Besteller geltend
gemachten Anspruch auf Kostenvorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB
dagegen bereits durch Zahlung erfüllt, wandelt sich sein zunächst
auf Freistellung gerichteter Schadensersatzanspruch gegen den
Nachunternehmer gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3,
§ 281 BGB in einen solchen auf Zahlung in Höhe des geleisteten
Kostenvorschusses. Dabei handelt es sich nicht um einen
Schadensersatzanspruch auf Zahlung noch nicht aufgewendeter "fiktiver"
Mängelbeseitigungskosten. Vielmehr macht der Hauptunternehmer im Wege des
Schadensersatzes die Vermögenseinbuße geltend, die ihm durch die Zahlung des
Kostenvorschusses an seinen Besteller tatsächlich entstanden ist.
23 c) Der von der Klägerin an die C. GmbH wegen der
mangelhaften Rohrbelüftung gezahlte Kostenvorschuss in Höhe von 39.103,68 €
stellt danach eine ersatzfähige Schadensposition des von ihr geltend
gemachten Schadensersatzanspruchs gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit §
280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB dar.
24 2. Das Berufungsgericht hat aber
die Grundsätze der Vorteilsausgleichung in rechtsfehlerhafter Weise nur
unzureichend berücksichtigt und die in diesem Zusammenhang zu stellenden
Anforderungen an die Darlegungslast verkannt.
25 a) Nach den
auf Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beruhenden Grundsätzen der
Vorteilsausgleichung soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem
Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Hat das zum
Schadensersatz verpflichtende Ereignis neben Nachteilen auch Vorteile
gebracht, sind nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung diejenigen
Vorteile auszugleichen, die dem Geschädigten in einem adäquat kausalen
Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind und deren
Ausgleichung mit dem Zweck des jeweiligen Ersatzanspruchs übereinstimmt.
Denn der Geschädigte darf im Hinblick auf das
schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht besser stehen, als er
ohne das schädigende Ereignis stünde (vgl. BGH,
Urteil vom 25. Juli 2022 - VIa ZR 485/21 Rn. 19, BGHZ 234, 246;
Urteil vom 10. Juli 2008 - VII ZR 16/07 Rn. 20, BauR 2008, 1877 = NZBau
2009, 34, jeweils m.w.N.).
26 Die Durchsetzung des
schadensrechtlichen Bereicherungsverbots begrenzt den zu leistenden
Schadensersatz. Gleichartige Vorteile sind dabei, ohne dass
dies einredeweise geltend gemacht werden müsste, von Amts wegen auf den
Schadensersatz anzurechnen und führen bei einem in Geld zu
leistenden Schadensersatz zu dessen Verringerung. Kommt wegen der mangelnden
Gleichartigkeit des auf das schädigende Ereignis zurückgehenden Vorteils
eine Anrechnung hingegen nicht in Frage, ist ein auf Geld gerichteter
Schadensersatz in seinem Umfang dadurch zu begrenzen, dass der betreffende
Geldbetrag nur Zug um Zug gegen Herausgabe des betreffenden Vorteils
geschuldet ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.
Juli 2022 - VIa ZR 485/21 Rn. 20 m.w.N., BGHZ 234, 246).
Besteht der Vorteil in einem Anspruch des Geschädigten gegen einen Dritten,
kann der Schädiger im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273
BGB durchsetzen, dass ihm dieser Anspruch in entsprechender Anwendung des §
255 BGB abgetreten wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2021 -
V ZR 272/19 Rn. 19, BauR 2022, 232; Urteil vom 25. November 2014 - X ZR
105/13 Rn. 16, NJW 2015, 853; Urteil vom 10. Juli 2008 - VII ZR 16/07 Rn.
23, BauR 2008, 1877 = NZBau 2009, 34 (zum alten Schuldrecht),
jeweils m.w.N.). Auch § 255 BGB ist Ausdruck des
schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots.
27 b) Der
Umstand, dass der vom Hauptunternehmer ersetzt verlangte Schaden darin
liegt, dass er mit dem Kostenvorschuss noch keine
endgültige, sondern eine zweckgebundene Zahlung an seinen Besteller
geleistet hat, über deren Verwendung nach Mängelbeseitigung abzurechnen ist,
ist nach diesen Maßstäben im Wege der Vorteilsausgleichung zu
berücksichtigen und kann zu einer Begrenzung des Umfangs seines
Schadensersatzanspruchs gegen den Nachunternehmer führen.
28
aa) Der Kostenvorschuss ist seiner Natur nach nicht endgültig. Er
ist zweckgebunden und vom Besteller zur Mängelbeseitigung zu verwenden.
Zahlt der Unternehmer einen Kostenvorschuss an den Besteller, muss dieser
daher seine Aufwendungen für die Mängelbeseitigung nachweisen. Er muss
innerhalb angemessener Frist nach Mängelbeseitigung über die Verwendung des
erhaltenen Kostenvorschusses Abrechnung erteilen und einen etwaig für
die Mängelbeseitigung nicht in Anspruch genommenen Betrag zurückzahlen. Mit
der Zahlung des Kostenvorschusses entsteht folglich ein (künftiger) Anspruch
des Unternehmers auf Abrechnung gegen den Besteller sowie auf Rückforderung
in Höhe eines etwaig nicht zweckentsprechend verbrauchten Vorschusses. Bei
den Ansprüchen auf Abrechnung und Rückforderung des Unternehmers handelt
es sich um aus Treu und Glauben entwickelte Ansprüche aus dem
Vertragsverhältnis (vgl. BGH, Urteil vom
14. Januar 2010 - VII ZR 108/08 Rn. 13 m.w.N., BGHZ 183, 366, auch zu
den näheren Einzelheiten dieser Ansprüche).
29 bb) Das den
Schadensersatz begründende Ereignis - die mangelhafte Werkleistung des
Nachunternehmers mit der Folge der Vorschusszahlung des Hauptunternehmers an
den Besteller - führt mithin zu einer Vermögenseinbuße bei dem
Hauptunternehmer, die nicht als endgültig bewertet werden kann.
Die sich aus der Natur der Vorschusszahlung ergebenden Vorteile für
den Hauptunternehmer stehen in einem adäquat kausalen Zusammenhang zu dem
Schadensereignis und sind nach dem Zweck des Ersatzanspruchs grundsätzlich
im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen.
30 cc)
Ob und in welcher Weise die Vorteilsausgleichung in der werkvertraglichen
Leistungskette im Verhältnis des Hauptunternehmers zu seinem Nachunternehmer
zu erfolgen hat, richtet sich dabei im Grundsatz danach, ob der Besteller
dem Hauptunternehmer bereits eine Abrechnung über die Verwendung des
Kostenvorschusses erteilt hat.
31 (1) Hat der Besteller dem Hauptunternehmer
noch keine Abrechnung erteilt, besteht der aus der Natur der
Vorschusszahlung herrührende Vorteil des Hauptunternehmers darin, dass er
bei Fälligkeit zunächst die Abrechnung und sodann die Rückzahlung eines
etwaig nicht zur Mängelbeseitigung verbrauchten Geldbetrags verlangen kann.
Mangels Gleichartigkeit des Vorteils kann der Nachunternehmer in diesem Fall
im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB durchsetzen, dass der
Schadensersatz an den Hauptunternehmer in entsprechender Anwendung des § 255
BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung der aus der Vorschusszahlung folgenden
Ansprüche des Hauptunternehmers gegen den Besteller auf Abrechnung sowie
gegebenenfalls Rückzahlung zu leisten ist.
32 (2) Hat der Besteller dem
Hauptunternehmer dagegen bereits eine inhaltlich zutreffende Abrechnung
erteilt und ist der Vorschussbetrag danach vollständig zur Mängelbeseitigung
verbraucht worden, kommt eine Vorteilsausgleichung im Verhältnis des
Hauptunternehmers zum Nachunternehmer nicht (mehr) in Betracht.
33
Ergibt sich nach einer vom Besteller erteilten Abrechnung, dass der
Vorschussbetrag ganz oder teilweise nicht zur Mängelbeseitigung
verbraucht worden ist, ist eine entsprechende Rückzahlung jedoch noch nicht
erfolgt, liegt der Vorteil des Hauptunternehmers darin, dass er gegen den
Besteller einen Anspruch auf Rückzahlung hat. Mangels
Gleichartigkeit des Vorteils kann der Nachunternehmer auch in dieser
Konstellation im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB
durchsetzen, dass der Schadensersatz an den Hauptunternehmer in
entsprechender Anwendung des § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung dieses
Anspruchs zu leisten ist.
34 Ist es dagegen wegen nicht zweckentsprechender
Verwendung des Vorschussbetrags bereits zu einer vollständigen oder
teilweisen Rückzahlung an den Hauptunternehmer gekommen, handelt es sich bei
dem zurückgezahlten Betrag um einen gleichartigen Vorteil, der von Amts
wegen auf den vom Nachunternehmer in Geld zu leistenden Schadensersatz
anzurechnen ist und zu dessen Verringerung führt.
35 c)
Die Darlegungs- und
Beweislast für die anspruchsmindernd zu berücksichtigenden Vorteile des
Geschädigten trägt nach allgemeinen Grundsätzen zwar der Schädiger. Den
Geschädigten trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, soweit der
Schädiger außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und
dem Geschädigten nähere Angaben möglich und zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil
vom 9. Juni 2022 - III ZR 24/21 Rn. 48, BGHZ 234, 102;
Urteil vom 4. April
2014 - V ZR 275/12 Rn. 22, BGHZ 200, 350, jeweils m.w.N.).
36 In der
werkvertraglichen Leistungskette trifft nach diesen Maßstäben den
Hauptunternehmer, der gegen den Nachunternehmer Schadensersatz gemäß § 634
Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB geltend
macht, grundsätzlich eine sekundäre Darlegungslast für die
anspruchsmindernden Vorteile, die sich daraus ergeben, dass er an seinen
Besteller einen Kostenvorschuss wegen der mangelhaften Werkleistung seines
Nachunternehmers geleistet hat. Denn der Nachunternehmer hat im
Regelfall keinen Einblick in die Abwicklung des zwischen dem
Hauptunternehmer und dem Besteller geschlossenen Vertrags, während dem
Hauptunternehmer nähere Angaben hierzu möglich und
zumutbar sind. Dem Hauptunternehmer obliegt es deshalb insbesondere
darzulegen, ob der Besteller bereits eine Abrechnung über die Verwendung des
Kostenvorschusses erteilt hat, und gegebenenfalls nähere Angaben zum Inhalt
und Ergebnis der Abrechnung machen.
37 d) Nach diesen Grundsätzen kann eine
Vorteilsausgleichung nicht ausgeschlossen werden.
38 Nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts hat das den Schadensersatz begründende Ereignis - die
mangelhafte Ausführung der Rohrbelüftung durch den Beklagten mit der Folge
der Vorschusszahlung der Klägerin an die C. GmbH - bei der Klägerin zu einer
Vermögenseinbuße in Höhe von 39.103,68 € geführt, die (noch) nicht als
endgültig bewertet werden kann. Die sich aus der Natur der Vorschusszahlung
ergebenden Vorteile für die Klägerin, also ihr Anspruch gegen die C. GmbH
auf Abrechnung und Rückzahlung eines etwaig nicht zur Mängelbeseitigung
verbrauchten Vorschussbetrags, sind grundsätzlich im Wege der
Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Dabei ist für die Frage, ob und
inwieweit eine Vorteilsausgleichung zu erfolgen hat, zunächst entscheidend,
ob die C. GmbH der Klägerin bereits eine Abrechnung erteilt hat. Dies hat
das Berufungsgericht ebenso verkannt wie die in diesem Zusammenhang zu
stellenden Anforderungen an die Darlegungslast.
39 Der Beklagte hat geltend
gemacht, dass angesichts des Zeitablaufs davon auszugehen sei, dass die C.
GmbH den von der Klägerin gezahlten Kostenvorschuss entweder gar nicht zur
Mängelbeseitigung verwendet habe oder zumindest nicht in vollem Umfang.
Jedenfalls habe die C. GmbH inzwischen eine Abrechnung erteilen müssen.
Damit hat der Beklagte seiner Darlegungslast genügt. Denn er kann nach den
vorliegenden Umständen weder wissen noch muss er ermitteln, ob die C. GmbH
der Klägerin bereits eine Abrechnung über die Verwendung des
Kostenvorschusses erteilt hat, welchen Inhalt eine etwaig erfolgte Abrechnung hat und ob oder inwieweit es
gegebenenfalls zu einer Rückzahlung an die Klägerin gekommen ist.
40 Es ist
deshalb Sache der Klägerin, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast
zunächst vorzutragen, ob bereits eine Abrechnung der C. GmbH über die
Verwendung des Kostenvorschusses erfolgt ist. Ist das der Fall, ist
die Klägerin weiter gehalten, Inhalt und Ergebnis dieser Abrechnung näher
darzulegen, um einerseits den Vortrag zur Höhe des geltend
gemachten Schadensersatzanspruchs zu vervollständigen und andererseits dem
Beklagten die Möglichkeit zu geben, zu den konkretisierten Angaben Stellung
zu nehmen. Die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allein erfolgte
Behauptung der Klägerin, wonach der Kostenvorschuss von der C. GmbH
vollumfänglich zur Mängelbeseitigung verbraucht worden und es nicht zu einer
Rückzahlung gekommen sei, genügt diesen Anforderungen nicht.
III.
41 Das
Berufungsurteil kann daher hinsichtlich der Schadenshöhe keinen Bestand
haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3
ZPO. Vielmehr werden die Parteien zunächst Gelegenheit bekommen müssen, zur
Vorteilsausgleichung ergänzend Stellung zu nehmen, und das Berufungsgericht
sodann die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
42 Sollte es
danach im weiteren Verfahren auf ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB
ankommen, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass dessen Geltendmachung
nicht dadurch abgeschnitten ist, dass das Berufungsurteil hinsichtlich
des Anspruchsgrunds rechtskräftig geworden ist (vgl. RG, Urteil vom 6.
Dezember 1928 - VI ZR 229/28, RGZ 123, 6; Stein/Jonas/ Althammer, ZPO, 23.
Aufl., § 304 Rn. 39).
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