Gefährdungshaftung des
Fahrzeughalters nach § 7 StVG: Verwirklichung der typischen Betriebsgefahr
(Selbstentzündung eines auf privatem Grund abgestellten Kfz)
BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 - VI ZR 158/19 - OLG
Hamm
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zur Reichweite der Haftung des Halters eines in
einer Werkstatthalle in Brand geratenen Kraftfahrzeuges nach § 7 Abs. 1
StVG.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
BGH v. 8.12.2015 - VI ZR 139/15
sowie zu
BGH, Urteil vom 21. Januar 2014
- VI ZR 253/13:
§ 7 StVG setzt eine Schaden "beim Betrieb" des Kfz voraus.
In diesem Zusammenhang steht in der Rspr. immer wieder die Frage der
"typischen Betriebsgefahr" im Vordergrund. Dieser Begriff wird sehr weit
gefasst (s. z.B. auch
BGH NJW 2005, 2081
sowie BGH v. 26.2.2013 -
VI ZR 116/12
). Aufgrund einer wertenden
Betrachtungsweise ist zu fragen, ob sich ein typisches Betriebsrisiko eines
Kfz verwirklicht hat. Dass sich ein Kraftfahrzeug aufgrund eines technischen
Defekts selbst entzündet, ist noch Bestandteil einer solchen
Betriebsgefahr, das heißt es liegt eine Schädigung „beim Betrieb“ des
Kraftfahrzeugs vor. Damit wird eine Gefährdungshaftung nach § 7 StVG
begründet. Anders wäre die Rechtslage im Fall einer Brandstiftung zu
beurteilen
(s. dazu
BGH NJW-RR 2008, 764).
Tatbestand:
1 Der klagende Sach- und
Betriebsunterbrechungsversicherer macht im Wege des Direktanspruchs gegen
den beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer Schadensersatzansprüche aus
Halterhaftung (§ 7 Abs. 1 StVG) nach einem Brandereignis geltend.
2
Die Klägerin ist der Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherer der Firma
L. H., die eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt betreibt. Am 12.
Dezember 2014 wurde ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Lkw zum
Austausch der Hinterreifen und zur TÜV-Untersuchung zur Firma L. H.
gebracht. Die Hinterreifen wurden noch am 12. Dezember 2014 ausgetauscht.
Die TÜV-Untersuchung war für den nächsten Tag geplant. Der Lkw wurde hierzu
im Werkstattgebäude der Firma L. H. über Nacht abgestellt. In der Nacht vom
12. auf den 13. Dezember 2014 entstand ein Brand an dem Lkw, der zu Sach-
und Betriebsunterbrechungsschäden bei der Firma L. H. führte.
3 Die Klägerin begehrt - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse
- die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin
für sämtliche Schäden ihrer Versicherungsnehmerin aufgrund des
streitgegenständlichen Brandereignisses, soweit ein Anspruchsübergang auf
die Klägerin erfolgt ist (§ 86 Abs. 1 VVG).
4 Das Landgericht hat
diesem Klageantrag stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem
Oberlandesgericht ohne Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision
erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
I.
5 Das Berufungsgericht hat
zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Landgericht habe zu Recht
dem Grunde nach eine Ersatzpflicht der Beklagten als
Kfz-Haftpflichtversicherer des hier in Rede stehenden Lkw nach § 7 Abs. 1
StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bejaht. Nach dem Ergebnis
der landgerichtlichen Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der
streitgegenständliche Brand entweder durch Defekte an Kabeln im Motorraum im
Bereich des Generators oder durch einen Defekt an einem im Führerhaus fest
eingebauten Kühlschrank verursacht worden sei. Danach sei der
streitgegenständliche Schaden im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG beim Betrieb des
bei der Beklagten versicherten Lkw entstanden. Denn hierzu reiche es aus,
dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang
mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges stehe. Insoweit komme es
nicht entscheidend darauf an, ob der zum Schaden des Dritten führende Brand
von einer unmittelbar für die Transport- und Fortbewegungsfunktion des
Fahrzeugs erforderlichen Einrichtung ausgegangen sei. Der Anwendung des § 7
Abs. 1 StVG stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass das versicherte
Fahrzeug zum Zeitpunkt der Brandentstehung in der verschlossenen
Werkstatthalle der Firma L. H. gestanden habe. Dies ändere nichts daran,
dass sich hier die vom Fahrzeug ausgehenden Gefahren realisiert hätten. Zu
der Entzündung sei es ohne Zusammenhang mit konkreten Reparaturarbeiten
gekommen. Die Frage einer Abgrenzung zu einer bloßen Arbeitsfunktion des
Fahrzeugs stelle sich hier nicht. Sei demnach von einer Haftung nach § 7
Abs. 1 StVG auszugehen, bestünden auch keine Zweifel an
der versicherungsrechtlichen Eintrittspflicht und einem Direktanspruch gegen
die Beklagte nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 VVG.
II.
6 Die
Erwägungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung stand. Die
Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz des
ihrer Versicherungsnehmerin entstandenen Sach- und
Betriebsunterbrechungsschadens gegen die Beklagte aus § 115 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 VVG, § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG.
7 1.
Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort
genannten Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" verletzt bzw.
beschädigt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden
Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach
§ 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines
Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die
Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr
beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits
dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die
von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei
der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das
Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets,
dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine
Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach
dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die
Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die
Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der
Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache
in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten
Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs
steht (vgl. nur Senatsurteile vom 11. Februar 2020 - VI ZR 286/19,
VersR 2020, 782 Rn. 10; vom 26. März 2019 - VI ZR 236/18, VersR 2019, 897
Rn. 8 mwN.
8 2. Nach diesen Grundsätzen ist der geltend gemachte
Brandschaden der von dem Fahrzeug der Versicherungsnehmerin der Beklagten
ausgehenden Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen.
9 a) Das Schadensgeschehen ist auf eine defekte Betriebseinrichtung des
Fahrzeugs zurückzuführen.
10 aa) Entgegen der Ansicht der Revision
ist für die Einordnung einer Fahrzeugkomponente als Betriebseinrichtung im
Sinne der oben dargestellten Grundsätze nicht entscheidend, ob die
Transport- und Fortbewegungsfunktion des Fahrzeugs auch ohne sie erfüllt
werden kann. Eine solch enge Betrachtungsweise ließe - worauf das
Berufungsgericht zu Recht hinweist - außer Acht, dass insbesondere
angesichts der zunehmenden werkseitigen Ausstattung der Kraftfahrzeuge mit
Assistenzsystemen, Unterhaltungselektronik und sonstigen den Fahrkomfort
steigernden technischen Einrichtungen Gefahren für Dritte von einem
Kraftfahrzeug auch aufgrund solcher - defekter - Fahrzeugteile
ausgehen können, die zwar nicht für dessen Fortbewegungs- und
Transportfunktion zwingend erforderlich, aber dem Betrieb des Fahrzeugs
insoweit zu dienen bestimmt sind, als sie dessen Benutzung sicherer,
leichter oder komfortabler gestalten sollen (vgl.
Laws/Lohmeyer/Vinke in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrs-recht,
Stand 25. März 2020, § 7 StVG Rn. 78). Solche Bauteile als die Halterhaftung
nach § 7 Abs. 1 StVG begründende Gefahrenquellen grundsätzlich
auszuschließen, wäre unter Berücksichtigung der Entwicklung der
Fahrzeugtechnik mit dem Zweck des § 7 Abs. 1 StVG nicht vereinbar, einen
weitgehenden Schutz gegen die Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu
gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom 9. Januar 1959 - VI ZR 202/57, BGHZ 29,
163, 171, juris Rn. 12).
11 Dem kann nicht - wie die Revision meint -
entgegengehalten werden, die Qualifizierung nicht für die Transport- und
Fortbewegungsfunktion zwingend erforderlicher Bauteile als
Betriebseinrichtungen führe zu Wertungswidersprüchen, weil sie zu einer
Gefährdungshaftung für im Fahrzeug installierte Elektrogeräte führen könne,
die kein höheres Gefährdungspotential als vergleichbare Geräte außerhalb von
Fahrzeugen besäßen, für die keine Gefährdungshaftung gelte. Insoweit lässt
sich das von fest in Kraftfahrzeugen eingebauten Geräten ausgehende
Gefahrenpotential angesichts ihres wechselnden Standorts und der
Einwirkungen, denen sie z.B. durch den Fahrbetrieb, durch Hitze, Kälte oder
Feuchtigkeit ausgesetzt sind, mit der Gefährlichkeit entsprechender
stationärer Geräte nicht ohne weiteres vergleichen. Zudem wird der
Unterschied im Haftungsregime durch die auf einer typisierenden Einschätzung
des Gefahrenpotentials des Betriebs von Kraftfahrzeugen beruhenden
Entscheidung des Gesetzgebers für eine hieran anknüpfende Gefährdungshaftung
gerechtfertigt. Dass im Einzelfall die vom Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr
nicht höher ist als die von nicht der Gefährdungshaftung unterfallenden
Gegenständen, schließt eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG nicht aus.
12 bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das
Brandgeschehen entweder durch Defekte an Kabeln im Motorraum im Bereich des
Generators oder durch einen Defekt an einem im Führerhaus des Lkw fest
eingebauten Kühlschrank verursacht. Legt man die oben dargelegten Maßstäbe
zugrunde, dienten im Streitfall beide als Schadensquellen in Betracht
kommenden Bauteile des bei der Beklagten versicherten Lkw als
Betriebseinrichtungen dessen Betrieb im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG.
13
b) Der geltend gemachte Schaden unterfällt entgegen der Ansicht der Revision
auch im Übrigen nach Art und Entstehungsweise dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1
StVG.
14 aa) Dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung
eines Kraftfahrzeuges an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört
nach der Rechtsprechung des Senats zu den spezifischen Auswirkungen
derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr
schadlos halten will. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der
Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt
eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG auf Schadensfolgen
begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen
verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen
unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer
Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist.
Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist das Schadensgeschehen jedoch
auch in diesen Fällen - im Gegensatz etwa zu einem vorsätzlichen
Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten
Kraftfahrzeuges (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06,
VersR 2008, 656 Rn. 11 f.) - durch das Kraftfahrzeug selbst und die von
ihm ausgehenden Gefahren entscheidend (mit)geprägt worden. Hierzu reicht es
aus, dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen
Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl.
Senatsurteil vom 21. Januar 2014 - VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn. 6). An
diesen Grundsätzen hält der Senat auch angesichts der hiergegen
vorgebrachten Kritik (vgl. LG Heidelberg, r+s 2016, 481, 482 f.; LG Köln,
r+s 2017, 655; Burmann/Jahnke, DAR 2016, 313, 319; Burmann in
Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 7 StVG Rn.
9; Herbers, NZV 2014, 208; Lemcke, r+s 2014, 195; ders., r+s 2016, 152;
Schwab, DAR 2014, 197; Pieroth/Schmitz-Justen, NZV 2020, 293 ff.) fest.
15 bb) Demnach liegen im Streitfall keine Umstände vor, die den
Schutzzweckzusammenhang zwischen der nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts schadensursächlichen Betriebseinrichtung und dem
Brandschaden entfallen lassen würden. Das Fahrzeug befand sich zwar nach den
unter Ausschöpfung des Beklagtenvortrags getroffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts zum Schadenszeitpunkt in der verschlossenen Werkstatthalle
der Firma L.H. und damit außerhalb öffentlicher oder privater
Verkehrsflächen. Dass der Schaden auf einem Privatgelände
eingetreten ist, steht einer Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG jedoch nicht
grundsätzlich entgegen (vgl. nur Senatsurteil vom 24. März 2015 -
VI ZR 265/14, VersR 2015, 638 Rn. 10 mwN).
16 3. Ist somit eine
Haftung der Versicherungsnehmerin der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG dem
Grunde nach zu bejahen, liegen auch die Voraussetzungen für eine
Inanspruchnahme der Beklagten im Wege des Direktanspruches nach § 115 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG durch die Klägerin vor, soweit
ein Anspruchsübergang nach § 86 Abs. 1 VVG erfolgt ist. Anders als die
Revision meint, steht dem nicht entgegen, dass sich der bei der Beklagten
haftpflichtversicherte Lkw zum Zeitpunkt der Schadensverursachung nicht im
öffentlichen Verkehr befand.
17 Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG
kann ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Versicherer des
Ersatzpflichtigen geltend gemacht werden, wenn es sich um eine
Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem
Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt. Der
Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem
Versicherungsverhältnis (§ 115 Abs. 1 Satz 2 VVG). Ein Direktanspruch ist
demnach bereits dann eröffnet, wenn - wie im Streitfall - eine
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz
besteht (vgl. Beckmann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 115 Rn. 27, Klimke
in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 115 Rn. 11), soweit der Versicherer aus
diesem Versicherungsverhältnis deckungspflichtig ist. Dies ist nach § 2 Abs.
1 KfzPflVV auch dann der Fall, wenn der Schaden bei einer Verwendung des
Fahrzeugs auf nicht-öffentlichen Wegen oder Plätzen eintritt (vgl. Jahnke in
Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., § 115 VVG Rn. 91).
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht ist der Direktanspruch
dagegen nicht davon abhängig, dass die Umstände des Schadenseintritts für
sich genommen eine Versicherungspflicht nach dem Pflichtversicherungsgesetz
begründen, was nach § 1 PflVG die Verwendung des Fahrzeugs auf öffentlichen
Wegen oder Plätzen voraussetzt, so dass Schadensfälle auf privaten Flächen
vom Direktanspruch ausgenommen wären (so etwa Jahnke in Stiefel/Maier,
Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., § 115 VVG Rn. 90 f.; Bur-mann/Jahnke, DAR
2016, 313, 318; Schwab, DAR 2014, 197; wohl auch Schwartze in
Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl., § 115 Rn. 9). Eine
solche Einschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn und
Zweck der Vorschrift. Bei Einführung des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG war
keine Begrenzung des Direktanspruchs für den Bereich der Kfz
Haftpflichtversicherung gegenüber der Vorgängerregelung in § 3 Nr. 1 PflVG
a.F. bezweckt (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 50 und 16/5862 S. 99), die den
Direktanspruch allein an den versicherungsvertraglichen Deckungsrahmen aus
der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung knüpfte (vgl. Senatsurteile vom 8.
Dezember 2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 20; vom 17. Februar 1987 -
VI ZR 75/86, VersR 1987, 1034, 1036, juris Rn. 25 f.; Burmann/Jahnke, DAR
2016, 313, 318). Auch nach den europarechtlichen Vorgaben in Art. 18 i.V.m.
Art. 3 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und
die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. L 263 S. 11) ist
der von den Mitgliedstaaten sicherzustellende Direktanspruch nicht auf
Schadensfälle im öffentlichen Verkehr beschränkt (vgl. EuGH, Urteil vom 20.
Juni 2019 - Rs. C-100/18, VersR 2019, 1008, 1011 Rn. 35 ff.; Buse in
MüKo-StVR 2019, Bd. 3 Kap. 1 Rn. 33 mwN).
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