Haftungsausfüllung beim "Vertrag als Schaden"
("Diesel-Skandal"); "Minderung" im Wege des Schadensersatzes: Anspruch auf
Rückzahlung des zuviel Gezahlten; Kausalitätsnachweis
BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20 - OLG
Stuttgart
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsätze:
a) Ein Geschädigter, der
durch das deliktische Handeln eines Dritten (hier: Fahrzeughersteller) zum
Abschluss eines Kaufvertrages (hier: über ein Dieselfahrzeug
mit Prüfstanderkennungssoftware) bestimmt worden ist, kann, wenn er die
Kaufsache behalten möchte, als Schaden von dem Dritten den Betrag ersetzt
verlangen, um den er den Kaufgegenstand - gemessen an dem objektiven Wert
von Leistung und Gegenleistung - zu teuer erworben hat (sogenannter kleiner
Schadensersatz). b) Für die Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes ist
grundsätzlich zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und
Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich.
Eine etwaige Aufwertung des Fahrzeugs durch eine nachträgliche Maßnahme
(hier: Software-Update) des Schädigers, die gerade der Beseitigung der
Prüfstanderkennungssoftware dienen sollte, ist im Rahmen der
Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen; dabei sind etwaige mit dem
Software-Update verbundene Nachteile in die Bewertung des Vorteils
einzubeziehen. c) In den so zu bemessenden Schaden (Minderwert) sind
Nachteile, die mit der Prüfstanderkennungssoftware oder dem Software-Update
(Vorteilsausgleichung) verbunden sind, bereits "eingepreist". Für eine
Feststellung der Ersatzpflicht für diesbezügliche weitere Schäden ist daher
kein Raum.
Zentrale Probleme:
Die Haftungsbegründung des Autoherstellers nach § 826 BGB
in den Fällen des sog. "Diesel-Skandals" ist seit
BGHZ 225, 316 höchstrichterlich geklärt. Wichtig daran ist, dass der V.
Senat den Schaden bereits im Abschluss eines unerwünschten Vertrags selbst
sieht, weil § 826 BGB eben auch die rechtsgeschäftliche
Entscheidungsfreiheit schützt (s. dazu die Anm. zu
BGHZ 225, 316). Der Hersteller ist damit nach § 249 I BGB dazu
verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn das schädigende
Ereignis (die Täuschung über die technische Manipulation) bestünde. In der
Haftungsausfüllung führt das dazu, dass - wenn und weil der Käufer das
Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der Manipulation des Herstellers
gewusst hätte. Er hat also nach § 249 I BGB einen Anspruch auf Erstattung
des Kaufpreises. Dabei muss er im Wege der Vorteilsausgleichung das Fahrzeug
herausgeben und sich die Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen (s. dazu
BGHZ 225, 316 und BGH v. 20.7.2021 - VI ZR 533/20
zum Wertersatz bei Weiterveräußerung). Im vorliegenden Fall wollte der Kläger aber nicht
diese Rechtsfolge, sondern er wollte Erstattung des Betrags, um den er für
das Fahrzeug zu viel gezahlt hatte. Auch das kann man auf § 249 I BGB
stützen, wenn der Kl. in Kenntnis der Täuschung eben weniger für das
Fahrzeug gezahlt hätte. Das ist für die Haftung aus §§ 280 I, 311 II, 241 II
BGB (c.i.c.) lange anerkannt, wobei es nicht darauf ankommt, ob der
Verkäufer seinerseit bereit gewesen wäre, zu einem geringeren Preis zu
verkaufen (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2001, 2875 sowie zu
BGHZ 168, 35 und
BGH v. 11.11.2011 - V ZR
245/10). Diese Grundsätze der Haftungsausfüllung wendet der
Senat - folgerichtig - auch auf die Haftung aus § 826 BGB an. Ob es wirklich
geschickt ist, diese Rechtsfolge als "kleinen Schadensersatz" zu bezeichnen,
ist eine lediglich terminologische Frage. Der Begriff ist wohl schon durch
die Haftung auf das - hier nicht in Betracht kommende - positive Interesse
in § 281 BGB belegt. Ein Ersatz des positiven Interesses (also des
entgangenen Gewinns aus dem Vertrag) kommt bei der Deliktshaftung sowie bei
der c.i.c. nicht in Betracht (wohl aber dasjenige aus einem anderen, wegen
der Rechtsgutsverletzung nicht abgeschlossenen Vertrag, vgl. zu dieser
Sonderkonstellation die Anm. zu BGH NJW 2001, 2875.)
© sl 2021
Tatbestand:
1 Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche im
Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal geltend.
2
Die Klägerin erwarb von einem Autohaus am 9. Juli 2015 einen von der
Beklagten hergestellten, gebrauchten VW Passat Variant 2.0 TDI,
Erstzulassung Februar 2012, Laufleistung 58.500 km, zum Kaufpreis von 22.730
€. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm
Euro 5 ausgestattet. Die im Zusammenhang mit dem Motor ursprünglich
verwendete Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen
Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde, und schaltete in diesem
Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen Stickoxid-optimierten
Abgasrückführungsmodus 1 (Prüfstanderkennungssoftware). Es ergaben sich
dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen
Fahrbetrieb. Die Grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Modus 1
eingehalten.
3 Im Jahr 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
gegenüber der Beklagten den Rückruf der mit dieser Software ausgestatteten
Fahrzeuge an, weil es die Software als unzulässige Abschalteinrichtung
einstufte. Die Beklagte entwickelte in der Folge ein Software-Update, das
vom KBA freigegeben und auch im Fahrzeug der Klägerin aufgespielt wurde.
4 Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zum Ersatz des
Minderwerts, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, der
jedoch mindestens 5.682,50 € (25 % des Kaufpreises) betrage, nebst Zinsen zu
verurteilen. Der Minderwert entspreche dem aufgrund des Einsatzes der
Motorsteuerungssoftware eingetretenen Wertverlust aller Fahrzeuge der
Produktionslinie. Neben der Freistellung von vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten hat sie zudem die Feststellung der Verpflichtung
der Beklagten beantragt, der Klägerin weiteren über den Minderungsbetrag
hinausgehenden Ersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des
Fahrzeugs resultieren würden.
5 Das Landgericht hat die
Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht im
Wege des Grundurteils die Ansprüche auf Ersatz des Minderwerts und auf
Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten dem Grunde nach
für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung gegen die Abweisung des
Feststellungsantrags hat es im Wege des Endurteils zurückgewiesen. Mit den
vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihren
Feststellungsantrag weiter, die Beklagte hält an ihrem Ziel der
vollständigen Klageabweisung fest.
Entscheidungsgründe:
I.
6 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (9 U 3/19,
veröffentlicht in BeckRS 2019, 32200) darauf gestützt, dass der Klägerin der
mit den Leistungsanträgen geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde
nach aus §§ 826, 31 BGB zustehe. Die Klägerin habe durch den Abschluss des
ungewollten Kaufvertrags über das Fahrzeug einen Schaden erlitten, weil
dieses mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet gewesen sei
und wegen der deshalb drohenden Betriebsbeschränkung oder -untersagung für
ihre Zwecke nicht voll brauchbar gewesen sei. Das Gericht habe keine
Zweifel, dass die Klägerin das Fahrzeug in Kenntnis der Software und der
damit verbundenen Gefahren nicht gekauft hätte. Die Beklagte habe den
Schaden der Klägerin durch einen oder mehrere Repräsentanten im Sinne von §
31 BGB zurechenbar verursacht. Die Beklagte habe lediglich bestritten, dass
ein Organ der Beklagten im Sinne eines Vorstandsmitglieds im
aktienrechtlichen Sinne verantwortlich sei. An einem wirksamen und
umfassenden Bestreiten für sonstige Repräsentanten der Beklagten fehle es,
abgesehen davon habe sie ihrer diesbezüglichen sekundären Darlegungslast
nicht genügt. Der oder die Repräsentant(en) hätte(n) auch vorsätzlich
gehandelt. Die Schadenszufügung sei sittenwidrig gewesen. Die besondere
Verwerflichkeit liege nicht nur in der Masse der Geschädigten und in
dem hohen Schaden für diese, sondern auch in der für die Endabnehmer nicht
durchschaubaren planmäßigen Täuschung des KBA. Die Beklagte habe das
Verfahren für die Erteilung der Typgenehmigung regelrecht entgegen den
berechtigten Verhaltenserwartungen des Geschäftsverkehrs in einer Weise
konterkariert, die weder für die Behörden noch für den Nutzer erkennbar
gewesen sei.
7 Die Klägerin könne den von ihr begehrten
"kleinen Schadensersatz" verlangen. Als Vermögensschaden im Rahmen
von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung sei grundsätzlich der
Differenzschaden in Form des negativen Interesses zu ersetzen. Der
Geschädigte könne Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen, wahlweise
aber auch den Vertrag bestehen lassen und Ersatz des durch die unerlaubte
Handlung bedingten Mehraufwands verlangen. Das geschehe
bei einem Kaufvertrag in der Weise, dass der Geschädigte so behandelt werde,
als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu
einem niedrigeren Preis abzuschließen. Diese für Fälle der
(quasi-)vertraglichen Haftung entwickelte Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, die auch für Dritte gelte, die nicht Vertragspartner
seien, sei auf die deliktische Haftung übertragbar. Es gehe
hier nicht um das Erfüllungsinteresse wie etwa bei Schadensersatz in Höhe
der (fiktiven) Mangelbeseitigungskosten, sondern um den Teil des
Kaufpreises, um den der Geschädigte das Fahrzeug in Unkenntnis des Mangels
zu teuer erworben habe.
8 Der Feststellungsantrag sei
unzulässig, wobei offenbleiben könne, ob die Klägerin ein ausreichendes
Feststellungsinteresse geltend gemacht habe. Denn jedenfalls sei der Antrag
zu unbestimmt. Er lasse nicht erkennen, aus welchen konkreten Handlungen der
Beklagten der Klägerin Schäden entstanden sein könnten. Wann, in welcher
Weise und in welchem Umfang das Fahrzeug von der Beklagten manipuliert (also
behandelt oder verändert) worden sei, ergebe sich aus dem Antrag auch im
Lichte des gesamten Klägervorbringens nicht. Mit der Manipulation des
Fahrzeugs könne die Verwendung der als unzulässigen Abschalteinrichtung
qualifizierten Motorsteuerungssoftware gemeint sein, aber auch das spätere
Aufspielen des Softwareupdates oder auch noch weitere Umstände der
Herstellung des Fahrzeugs oder einer späteren Einwirkung auf das Fahrzeug.
Dies zu klären, sei in einem Verfahren, in dem Anwaltszwang bestehe, Aufgabe
der Klagepartei gewesen. Das Gericht habe einen Hinweis zur Frage der
Bestimmtheit des Feststellungsantrags erteilt, ohne dass die Klagepartei
darauf reagiert habe.
II.
9 Die Revision der Beklagten
ist unbegründet. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht
getroffenen Feststellungen steht der Klägerin der mit der zulässigen
Leistungsklage verfolgte Anspruch auf den sogenannten kleinen Schadensersatz
(Ersatz des Minderwerts) dem Grunde nach zu.
10 1.
Rechtsfehlerfrei ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass
die Leistungsklage hinreichend bestimmt ist. Im Hinblick auf die dem
Gericht bei der Bemessung der Schadenshöhe gemäß § 287 Abs. 1 ZPO
zustehenden Freiheiten hat die Klägerin die Höhe des von ihr geforderten
Minderwerts in das Ermessen des Gerichts gestellt, zugleich aber einen
Mindestbetrag sowie die tatsächlichen Grundlagen für die Schadensschätzung
angegeben. Dies genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
(vgl. Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 350,
juris Rn. 33; vom 13. Oktober 1981 - VI ZR 162/80, NJW 1982, 340, juris Rn.
6; vom 1. Februar 1966 - VI ZR 193/64, BGHZ 45, 91, 93, juris Rn. 12; BGH,
Urteile vom 28. Oktober 1998 - XII ZR 255/96, NJW 1999, 353, 354, juris Rn.
11; vom 24. April 1975 - III ZR 7/73, MDR 1975, 741, juris Rn. 30 f.; vom
13. Dezember 1951 - III ZR 144/50, BGHZ 4, 138, 141 f., juris Rn. 7).
11 2. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen
Feststellungen hält dessen Beurteilung, dass die Beklagte der Klägerin gemäß
§§ 826, 31 BGB dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist,
revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die insoweit von der Revision der
Beklagten erhobenen Einwände entsprechen im Wesentlichen den in dem
Verfahren VI ZR 252/19 von ihr angeführten
Argumenten. Sie greifen aus den im Senatsurteil vom
25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 genannten Gründen auch hier
nicht durch. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe der
genannten Entscheidung verwiesen.
12 3. Frei von Rechtsfehlern ist
ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, dass auch im Rahmen der
deliktischen Haftung gemäß § 826 BGB ein Anspruch auf den sogenannten
kleinen Schadensersatz besteht.
13 a) Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat, wer
zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen
würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
Dabei kommt es darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu
stellen, wie er ohne das schadenstiftende Ereignis stünde (Senatsurteile vom
21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 369 f., juris Rn. 20; vom
28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, VersR 2015, 75 Rn. 25; jeweils mwN).
14 b) Für die deliktische Haftung ist zu beachten, dass diese nicht
das Erfüllungsinteresse oder positive Interesse erfasst, weil sie nicht an
das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung
anknüpft. Sie beschränkt sich vielmehr auf das "Erhaltungsinteresse"
(Senatsurteil vom 18. Januar 2011 - VI ZR
325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8) und damit das negative Interesse (Senatsurteil
vom 25. November 1997 - VI ZR 402/96, NJW 1998, 983, 984, juris Rn. 10; BGH,
Urteil vom 14. Mai 2012 - II ZR 130/10, NJW 2012, 3510 Rn. 14; Beschluss vom
9. Juni 2020 - VIII ZR 315/19, NJW 2020, 3312 Rn. 25). Das
gilt grundsätzlich auch dann, wenn sie neben einer vertraglichen
Schadensersatzpflicht besteht. Der durch eine unerlaubte Handlung
Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als
er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte.
Dieser Grundsatz findet bei einem Kaufvertrag jedenfalls dann Anwendung,
wenn dieser aufgrund falscher Angaben eines Dritten zustande gekommen ist.
Die im Gewährleistungsrecht verankerte Besserstellung des Käufers ist nur
gerechtfertigt, weil sie auf einem Rechtsgeschäft beruht, denn nur dieses,
nicht aber die unerlaubte Handlung, kann den Käufer besserstellen, als er
vorher stand. Der Käufer kann nur von dem Verkäufer Erfüllung oder
Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
Die unerlaubte Handlung eines Dritten kann nicht dazu führen, dass dieser
haftungsrechtlich wie ein Verkäufer behandelt wird. Allerdings muss das
negative Interesse nicht notwendigerweise geringer sein als das positive
Interesse des Geschädigten an der Vertragserfüllung. So ist anerkannt, dass
die Anwendung der Differenzhypothese in dem Fall, in dem der Geschädigte
nachweist, dass er ohne die für den Abschluss des Vertrages ursächliche
Täuschungshandlung einen anderen, günstigeren Vertrag - mit dem Verkäufer
oder einem Dritten - abgeschlossen hätte, im Ergebnis das
Erfüllungsinteresse verlangen kann, und zwar deswegen, weil der Schaden in
diesem Ausnahmefall dem Erfüllungsinteresse entspricht (Senatsurteil
vom 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8-10).
15 c)
Nach diesen Grundsätzen kann ein Geschädigter, der durch ein deliktisches
Handeln eines Dritten zum Abschluss eines Kaufvertrages bestimmt worden ist,
von diesem verlangen, so gestellt zu werden, als habe er den
Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Will er die Kaufsache behalten, kann er
hingegen nicht Ersatz der Kosten verlangen, die zur Mängelbeseitigung
erforderlich sind. Denn damit beansprucht er das Erfüllungsinteresse, weil
er im Ergebnis so gestellt werden möchte, als hätte der Verkäufer den
Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt (Senatsurteil
vom 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 11). Er
kann allerdings, wenn er die Kaufsache behalten möchte, als Schaden den
Betrag ersetzt verlangen, um den er den Kaufgegenstand - gemessen an dem
objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung - zu teuer erworben hat. Denn
dabei handelt es sich nicht um das Erfüllungs-, sondern um das
Erhaltungsinteresse.
16 aa) Für die Fälle der
Haftung wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten, die
ebenfalls auf das negative Interesse, den sogenannten Vertrauensschaden
(s. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05,
BGHZ 168, 35 Rn. 21 mwN), beschränkt ist, ist dies anerkannt. Es
ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der durch die
Verletzung einer Aufklärungspflicht zum Vertragsschluss veranlasste
Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne das schadenstiftende Verhalten,
also etwa bei Offenbarung bzw. zutreffender Darstellung der für den
Vertragsentschluss maßgeblichen Umstände, stünde (BGH,
Urteile vom 6. April 2001 - V ZR 394/99, NJW 2001,
2875, 2876, juris Rn. 17; vom 19. Mai 2006 - V
ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21; vom 6. Februar 2018 - II ZR 17/17, NJW
2018, 1675 Rn. 9; vom 25. September 2018 - II ZR 27/17, juris Rn. 9).
Dabei kann er zwischen zwei Möglichkeiten des Schadensausgleichs
wählen. Er kann entweder die Rückabwicklung des Vertrages verlangen oder
stattdessen an dem Vertrag festhalten und den Ersatz der durch
das Verschulden des anderen Teils veranlassten Mehraufwendungen verlangen (sog.
"kleiner Schadensersatz", vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai
1977 - VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 57 f., juris Rn. 18 f.; vom 27.
September 1988 - XI ZR 4/88, ZIP 1988, 1464, 1467, juris Rn. 19; vom 3.
Februar 2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495 f., juris Rn. 14;
vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn.
21 f. mwN; vom 6. Februar 2018 - II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 11 ff.; vom
25. September 2018 - II ZR 27/17, juris Rn. 12). In letzterem Fall
wird der zu ersetzende Vertrauensschaden auf die berechtigten Erwartungen
des Geschädigten reduziert, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht
befriedigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19.
Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21mwN). Bei
einem Kaufvertrag geschieht dies durch die Herabsetzung der Leistung des
Geschädigten auf das tatsächlich angemessene Maß. Der Geschädigte wird damit
so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den
Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden ist danach
der Betrag, um den er den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat.
Da es sich
hierbei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens und nicht
um die Frage einer Anpassung des Vertrages handelt, braucht der Geschädigte
in diesem Fall auch nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf
einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte
(vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 1977 - VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 58, juris
Rn. 19; vom 6. April 2001 - V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2877, juris Rn. 17;
vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 22; vom 6. Februar 2018
- II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 13 mwN). Maßgeblich für die Bemessung
dieses "kleinen Schadensersatzes" ist grundsätzlich der Vergleich der Werte
von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH,
Urteile vom 6. Februar 2018 - II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 20; vom 25.
September 2018 - II ZR 27/17, juris Rn. 11).
17 bb) Diese Grundsätze sind
auch auf den Vertreter des Vertragspartners anwendbar, der durch eine
unerlaubte Handlung den Abschluss eines Vertrages herbeigeführt hat und
deshalb deliktsrechtlich haftet (BGH, Urteil vom 20. März 1987 - V ZR 27/86,
NJW 1987, 2511, 2512, juris Rn. 20). Dies gilt selbst dann, wenn er nicht
zugleich die Voraussetzungen für eine Eigenhaftung wegen Verschuldens bei
Vertragsschluss erfüllt (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1987 - V ZR 153/86,
VersR 1988, 386, 387, juris Rn. 12).
18 cc) Für die vorliegende
Fallkonstellation der Haftung der Beklagten aus § 826 BGB gilt im Ergebnis
nichts Anderes (ebenso: OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 29.
Oktober 2019 - 17 U 102/18, juris Rn. 10; Schleswig-Holsteinisches OLG,
Urteil vom 22. November 2019 - 17 U 70/19, juris Rn. 29; OLG Stuttgart,
Hinweisbeschluss vom 12. Dezember 2019 - 14 U 92/19, juris Rn. 2-4; Förster
in BeckOK BGB, Stand, 1.5.2021, § 826 Rn. 59; Heese, NJW 2019, 257, 262;
a.A.: OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Juni 2020 - 17 U 732/19, juris Rn. 47
ff.; OLG Hamm, Urteil vom 27. Februar 2020 - I-34 U 129/19, juris Rn. 24;
OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 13 U 670/19, juris Rn. 23 ff.;
OLG Karlsruhe, BeckRS 2019, 40215 Rn. 21; OLG München, BeckRS 2019, 35659
Rn. 14; OLG München, Urteil vom 10. August 2020 - 21 U 2719/19, juris Rn.
33-40; OLG Oldenburg, BeckRS 2020, 1973 Rn. 10; OLG Stuttgart, Urteil vom
19. Dezember 2019 - 7 U 72/19, juris Rn. 28 ff.; Thüringisches OLG, Urteil
vom 17. Juli 2020 - 4 U 25/19, juris Rn. 52).
19 (1) Die Klägerin ist durch
das vom Berufungsgericht festgestellte Verhalten der Beklagten, das einer
bewussten arglistigen Täuschung gleichsteht (Senatsurteil vom 25. Mai 2020 -
VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 25), zum Abschluss des Kaufvertrags über das
Fahrzeug veranlasst worden. Dabei ist es unerheblich, dass die Beklagte
weder (quasi-)vertraglich mit der Klägerin verbunden war noch als
Vertreterin des Fahrzeugverkäufers den Vertragsschluss herbeigeführt hat
(entgegen OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 13 U 670/19,
juris Rn. 23). Maßgeblich im Rahmen der deliktischen Haftung sind zwar,
anders als bei einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss, nicht
der "Vertrauensschaden" und die berechtigten Erwartungen des Geschädigten,
die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden.
Maßgeblich ist aber das Interesse des Geschädigten an dem Erhalt seiner
objektiven Vermögenslage (Erhaltungsinteresse) im Sinne einer ausgeglichenen
Vermögensbilanz. So dient der Schadensersatzanspruch im Falle einer
vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht nur, aber auch dem Ausgleich
jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die
objektive Vermögenslage des Geschädigten (Senatsurteile
vom 25. Mai
2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 47; vom 19. November 2013 - VI ZR
336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28). Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ist ein Schaden im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB nicht nur,
aber gerade dann gegeben, wenn sich bei dem Vergleich der infolge des
haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen,
die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus gibt
(Differenzhypothese, vgl. Senatsurteile
vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19,
BGHZ 225, 316 Rn. 45; vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn.
17). Schließt der Geschädigte infolge des vorsätzlichen,
sittenwidrigen Verhaltens einen Vertrag, bei dem der objektive Wert der
Gegenleistung (hier: Fahrzeug) den objektiven Wert seiner Leistung (hier:
Kaufpreis) nicht erreicht, so liegt nach der Differenzhypothese ein Schaden
vor. Eben den in dieser Differenz liegenden Schaden kann der Geschädigte
ersetzt verlangen, um so die negative Einwirkung auf seine objektive
Vermögenslage auszugleichen. Dieser Ausgleich dient nicht - wie etwa der
Ersatz von Kosten für eine Mangelbeseitigung - dem Erfüllungsinteresse,
sondern dem Erhaltungsinteresse (entgegen OLG München, Urteil vom 10. August
2020 - 21 U 2719/19, juris Rn. 33 ff.).
20 (2) Anderes ergibt sich nicht
daraus, dass im Rahmen des § 826 BGB ein Vermögensschaden unter Umständen
schon in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit auch bei
objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung liegen kann, weil
die Differenzhypothese einer normativen Kontrolle unterzogen wird (Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 45-48).
Vielmehr hat dies lediglich zur Folge, dass im Fall der
objektiven Werthaltigkeit als Schadensersatz nur die Erstattung des
Kaufpreises (gegen Herausgabe des Fahrzeugs im Wege der
Vorteilsausgleichung) verlangt werden kann. Besteht der Schaden im Sinne von
§ 249 Abs. 1 BGB aber (außerdem) in einer Wertdifferenz zwischen
geschuldeter Leistung und Gegenleistung (vgl.
Senatsurteil vom 25. Mai 2020
- VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 48), so kann stattdessen Ersatz
dieser Differenz, mithin der sogenannte kleine Schadensersatz verlangt
werden.
21 (3) Entgegen der Ansicht der Revision und der Rechtsprechung
mancher Oberlandesgerichte (OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Juni 2020 - 17 U
732/19, juris Rn. 57; OLG Hamm, Urteil vom 27. Februar 2020 - I-34 U 129/19,
juris Rn. 24; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 13 U 670/19,
juris Rn. 25; OLG Karlsruhe, BeckRS 2019, 40215 Rn. 21; OLG München, BeckRS
2019, 35659 Rn. 14) kommt es im Rahmen des § 826 BGB weder darauf an, ob der
Verkäufer sich auf den Kaufvertrag zu einem niedrigeren Kaufpreis
eingelassen hätte, noch muss der Geschädigte darlegen und beweisen, dass
zumindest er ohne die schädigende Handlung bereit gewesen wäre, den
Kaufvertrag zu einem niedrigeren Kaufpreis zu schließen. Denn die im Rahmen
dieser Haftung auszugleichende negative Einwirkung auf die objektive
Vermögenslage durch den Abschluss eines Vertrages, bei dem der objektive
Wert der Gegenleistung hinter der Leistung des Geschädigten zurückbleibt,
tritt auch dann ein, wenn der Geschädigte in Kenntnis der Sachlage nicht nur
von dem Abschluss des Vertrags mit seinem konkreten Inhalt, sondern vom Kauf
überhaupt abgesehen hätte. Deshalb ist es entgegen der Ansicht der Revision
auch kein Widerspruch, wenn der Geschädigte vorträgt, er hätte in Kenntnis
der unzulässigen Abschalteinrichtung (aus ex-ante-Sicht) von dem Erwerb des
Fahrzeugs ganz Abstand genommen, nunmehr aber am Vertrag festhält und Ersatz
der von ihm zu beweisenden Wertdifferenz verlangt (vgl. auch BGH, Urteil vom
25. Mai 1977 - VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 57 f., juris Rn. 18 f.; a.A.:
OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 13 U 670/19, juris Rn. 27; OLG
Karlsruhe, BeckRS 2019, 40215 Rn. 23; OLG Oldenburg, BeckRS 2020, 1973 Rn.
10). Ob sich - so die Revision - aus dem Urteil des II. Zivilsenats vom 6.
Februar 2018 (II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 13) ableiten lässt, dass bei
einem Anspruch aus culpa in contrahendo ein Minderwert nur ersetzt verlangt werden kann, wenn zumindest der Käufer bei Aufklärung vor
Vertragsschluss damals einen Kauf zum Minderwert gewollt hätte (anders -
ohne Abstellen auf die hypothetische Einstellung des Käufers - dagegen BGH,
Urteile vom 25. Mai 1977 - VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 56 ff. juris Rn.
16-19; vom 2. Juni 1980 - VIII ZR 64/79, juris Rn. 17-24;
vom 19. Mai 2006 -
V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21-23), mag dahinstehen. Für den hier
streitgegenständlichen deliktischen Schadensersatz nach § 826 BGB ist dies
jedenfalls nicht nötig. Hier hat der Geschädigte, der durch ein
sittenwidriges Verhalten eines Dritten zu einem Vertragsschluss bewegt
worden ist, den er ohne das sittenwidrige Verhalten nicht geschlossen hätte,
die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten der Schadensberechnung. Er kann
wirtschaftlich gesehen Rückgängigmachung des Vertrages gegenüber dem Dritten
verlangen (= Kaufpreiserstattung abzüglich Nutzungsersatz Zug um Zug gegen
Herausgabe des Fahrzeugs) oder, wenn er nunmehr am Vertrag festhalten will,
Erstattung des objektiven Minderwerts zwischen Leistung und Gegenleistung.
22
(4) Aus den unter (3) genannten Gründen kommt es entgegen anderer Ansicht
(OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 2019 - 7 U 72/19, juris Rn. 29-33)
für die Ersatzfähigkeit des Minderwerts auch nicht darauf an, dass ohne die
Schädigungshandlung der Beklagten das Fahrzeug auf dem Markt gar nicht zu
erwerben gewesen wäre, der Geschädigte also den Vertrag nicht zu anderen
Bedingungen, etwa einem niedrigeren Kaufpreis, hätte abschließen können.
23
d) Im Streitfall kann die Klägerin demnach den Schaden ersetzt verlangen,
der dadurch entstanden ist, dass sie infolge des vorsätzlichen
sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten einen Kaufvertrag über das Fahrzeug
geschlossen hat, bei dem der objektive Wert der Gegenleistung (des
Fahrzeugs) den objektiven Wert ihrer Leistung (des Kaufpreises)
nicht erreicht. Diese Wertdifferenz wird im Betragsverfahren festzustellen
sein. Abweichend von der allgemeinen Regel, dass es für die Berechnung des
konkreten Schadens - sofern der Schuldner nicht bereits vorher seine
Ersatzpflicht erfüllt - grundsätzlich auf den Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankommt (vgl.
Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 57; BGH,
Urteile vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, NJW 2013, 450 Rn. 23; vom 12.
Juli 1996 - V ZR 117/95, ZIP 1996, 1382, 1384, juris Rn. 18), ist für die
Bemessung des sogenannten kleinen Schadensersatzes dabei grundsätzlich
zunächst der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt
des Vertragsschlusses maßgeblich (vgl. BGH, Urteile vom 25. September 2018 -
II ZR 27/17, juris Rn. 11; vom 6. Februar 2018 - II ZR 17/17, NJW 2018, 1675
Rn. 20; vgl. auch Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225,
316 Rn. 48: "im Zeitpunkt des Erwerbs"). Denn das Wertverhältnis der
vertraglich geschuldeten Leistungen ändert sich nicht dadurch, dass eine der
Leistungen nachträglich eine Auf- oder Abwertung erfährt; der Vertrag wird
dadurch nicht günstiger oder ungünstiger. Dies schließt eine
schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Rahmen
der Vorteilsausgleichung nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2018 -
II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 21).
24 Vorliegend sind in die Bemessung des
objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die mit
der Prüfstanderkennungssoftware verbundenen Nachteile, insbesondere das
Risiko behördlicher Anordnungen, einzubeziehen. Eine etwaige
Aufwertung des Fahrzeugs durch das Software-Update als nachträgliche
Maßnahme der Beklagten, die gerade der Beseitigung der
Prüfstanderkennungssoftware dienen sollte, ist als Vorteil zu
berücksichtigen. Die Beweislast liegt insoweit
bei der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, NJW
2015, 468 Rn. 22 mwN). Die Beurteilung, ob und inwieweit sich durch
das Software-Update die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung
reduziert hat, bleibt dem Betragsverfahren vorbehalten. Dabei wird auch zu
prüfen sein, ob und inwieweit sich Nachteile tatsächlicher und
rechtlicher Art, die dem Vortrag der Klägerin zufolge mit dem
Software-Update verbunden sein sollen (Stilllegungsgefahr wegen
Thermofenster, Risiken technischer Art, Gefahr von Steuernachforderungen),
auf die Bewertung dieses Vorteils auswirken.
25 4. Entgegen der Ansicht der
Revision der Beklagten ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der
Klägerin der von ihr geltend gemachte Schadensersatzanspruch mit gewisser
Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise zusteht, revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden. Damit sind sämtliche Voraussetzungen für den Erlass eines
Grundurteils (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - VII ZR 103/16, NJW-RR
2019, 982 Rn. 16 mwN: Anspruch nach Grund und Höhe streitig, Anspruchsgrund
geklärt, nach dem Sach- und Streitstand bestehende Wahrscheinlichkeit, dass
der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht) erfüllt. Das Berufungsgericht ist
bei seinen Ausführungen zur Frage der Ersatzfähigkeit des Minderwerts im
Rahmen der deliktischen Haftung ersichtlich davon ausgegangen, dass hier
nach dem Sach- und Streitstand der Wert des Fahrzeugs, dessen Brauchbarkeit
mit dem genannten Risiko behaftet war, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
wahrscheinlich den Wert des vereinbarten Kaufpreises nicht erreicht hat.
Dies liegt nahe (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19,
BGHZ 225, 316 Rn. 48) und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch
steht dem Erlass des Grundurteils die Möglichkeit einer infolge des
Software-Updates reduzierten Wertdifferenz nicht entgegen; insbesondere ist
in diesem Verfahrensstadium nicht von einer Reduzierung der Differenz auf
Null auszugehen.
III.
26 Die Revision der Klägerin ist unbegründet,
weil die Feststellungsklage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen
worden ist.
27 1. Der Revision der Klägerin ist allerdings darin Recht zu
geben, dass der Feststellungsantrag auslegungsfähig und damit entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts hinreichend bestimmt ist.
28 a) Auch bei
einer Feststellungsklage muss der Klageantrag im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr.
2 ZPO bestimmt sein, damit über den Umfang der Rechtskraft des
Feststellungsausspruchs keine Ungewissheit herrschen kann. Die erforderliche
Bestimmtheit verlangt, dass das festzustellende Rechtsverhältnis genau
bezeichnet wird. Dazu genügt es, dass der Kläger die rechtsbegründenden
Tatsachen näher angibt. Soweit es sich um Schadensersatzansprüche handelt,
ist eine bestimmte Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses
erforderlich (BGH, Urteile vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, NJW 2008, 2647
Rn. 21 mwN; vom 10. Januar 1983 - VIII ZR 231/81, MDR 1983, 661,662,
juris Rn. 39). Genügt die wörtliche Fassung eines Antrags nicht dem
Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, ist er unter
Heranziehung der Klagebegründung auszulegen (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I
ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 24).
29 b) Das Berufungsgericht
ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die wörtliche Fassung des
Feststellungsantrags dem Bestimmtheitserfordernis nicht genügt. Dem Antrag,
die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen für weitere Schäden, "die aus
der Manipulation des Fahrzeugs VW Passat ... durch die Volkswagen AG
resultieren", lässt sich das zum Ersatz verpflichtende
Ereignis ("Manipulation") nicht hinreichend sicher entnehmen.
30
c) Der Feststellungsantrag lässt sich allerdings unter
Heranziehung des klägerischen Vorbringens und insbesondere im Kontext mit
dem Leistungsantrag dahingehend auslegen, dass es um die
Ersatzpflicht der Beklagten für Schäden geht, die daraus resultieren, dass
die Beklagte in das streitgegenständliche Fahrzeug die vom KBA im Oktober
2015 als unzulässig beanstandete Abschalteinrichtung eingebaut und das
Fahrzeug so in den Verkehr gebracht hat. Denn der Einbau eben dieser
Abschalteinrichtung ist die Manipulation, auf die die Klägerin schon ihren
Leistungsantrag auf Ersatz des Minderwerts und das Berufungsgericht das
Grundurteil gestützt hat. Dafür, dass die "Manipulation" des Fahrzeugs, auf
die der mit der Feststellungsklage verfolgte "weitere Schadensersatz,
der über den Minderungsbetrag hinausgeht" abstellt, etwas Anderes sein soll
als der Einbau der dem Leistungsantrag zugrundeliegenden unzulässigen
Abschalteinrichtung, ist nichts ersichtlich. Anderes ergibt sich nicht
daraus, dass nach Auffassung der Klägerin auch das Software-Update eine
unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters enthalten soll.
Denn etwaige künftige Schäden, die unmittelbar auf das Software-Update
zurückgehen sollen, wären, worauf die Revision der Klägerin zutreffend
hinweist, mittelbar ebenfalls auf die ursprüngliche Manipulation durch die
Prüfstanderkennungssoftware zurückzuführen.
31 Das Schweigen der anwaltlich
vertretenen Klägerin auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass an der
Bestimmtheit des Feststellungsantrags hinsichtlich des Grundes der Haftung
Zweifel bestünden, hat das Gericht von der Notwendigkeit, den Klageantrag
auszulegen, nicht entbunden. Da die Auslegung hier zu einem eindeutigen
Ergebnis führt, bedurfte es einer Klarstellung durch die Klägerin nicht.
32
2. Dennoch hat die Feststellungsklage keinen Erfolg. Denn die aus Sicht der
Klägerin zu erwartenden künftigen Schäden sind nicht zusätzlich zum
bereits eingetretenen Schaden ersatzfähig. Die Feststellungsklage erweist
sich somit - ungeachtet des Vorliegens des
Feststellungsinteresses, das nur für ein stattgebendes Urteil echte
Prozessvoraussetzung ist (BGH, Urteile vom 24. Februar 1954 - II ZR 3/53,
BGHZ 12, 308, 316, juris Rn. 11; vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 456/16, NJW
2018, 227 Rn. 16) - jedenfalls als unbegründet. Auch wenn die Klage in der
Vorinstanz zu Unrecht als unzulässig abgewiesen worden ist, kann der Senat
vorliegend in der Sache entscheiden, weil das Berufungsurteil einen
Sachverhalt ergibt, der eine verwertbare tatsächliche Grundlage für
eine rechtliche Beurteilung bietet, und weil im Falle einer Zurückverweisung
der Sache ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint (vgl. Senatsurteil
vom 29. Juni 2010 - VI ZR 122/09, NJW-RR 2010, 1554 Rn. 13; BGH, Urteil vom
7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 141 f., juris Rn. 12 mwN).
33
a) Die Revision der Klägerin befürchtet künftige Schäden als Folge der aus
ihrer Sicht nach wie vor bestehenden Stilllegungsgefahr; diese sei durch
das Software-Update nicht gebannt, weil dieses ebenfalls über eine
unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verfüge.
Infolge des SoftwareUpdates drohten zudem Schäden am Fahrzeug, die
außergewöhnliche Reparaturen (z.B. Austausch AGR-Ventil, Partikelfilter)
notwendig machen könnten. Schließlich kämen Steuernachforderungen in
Betracht, weil das Software-Update zu einem erhöhten Treibstoffverbrauch und
damit verbunden zu erhöhten Kohlendioxidemissionen führe.
34 b)
Ein Ersatz
dieser Schäden kommt nicht zusätzlich zu dem Begehren der Klägerin auf den
sogenannten kleinen Schadensersatz (Ersatz des Minderwerts) in Betracht.
Denn in die Bemessung dieses Schadens einschließlich der Bewertung eines
etwaigen Vorteils durch das Software-Update im Rahmen
der Vorteilsausgleichung (s.o. II. 3. d) sind die Nachteile, die mit der
Prüfstanderkennungssoftware oder dem Software-Update verbunden sind, bereits
"eingepreist" (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 - XI ZR 4/88, ZiP
1988, 1464, 1467, juris Rn. 21; OLG Frankfurt, Urteil vom
17. Juni 2020 - 17 U 732/19, juris Rn. 63-65; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2020,
347 Rn. 26).
35 Ob eine gesonderte Ersatzfähigkeit von Schäden infolge des
Software-Updates in Betracht käme, wenn die Beklagte mit dem Aufspielen des
Software-Updates einen eigenständigen Haftungsgrund verwirklicht hätte, kann
hier dahinstehen. Denn ein solcher wäre vom Streitgegenstand des
vorliegenden Feststellungsantrags nicht erfasst. Zudem sind weder
Feststellungen getroffen noch rügt die Revision der Klägerin Vorbringen als
übergangen, auf das sich ein solcher Haftungsgrund stützen ließe.
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