Schadensersatzverpflichtung des Kfz-Herstellers
im "Diesel-Skandal" aus § 826 BGB: Der Vertrag als Schaden;
Nutzungsersatzpflicht des Käufers
BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 - OLG Koblenz
Fundstelle:
NJW 2020, 1962
BGHZ 225, 316
Amtl. Leitsatz:
a) Es steht wertungsmäßig einer unmittelbaren
arglistigen Täuschung der Fahrzeugkäufer gleich, wenn ein Fahrzeughersteller
im Rahmen einer von ihm bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen
Entscheidung, die Typgenehmigungen der Fahrzeuge durch arglistige Täuschung
des Kraftfahrt-Bundesamts zu erschleichen und die derart bemakelten
Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen
der Fahrzeugkäufer gezielt ausnutzt.
b) Bestehen hinreichende
Anhaltspunkte für die Kenntnis zumindest eines vormaligen Mitglieds des
Vorstands von der getroffenen strategischen Entscheidung, trägt der
beklagte Hersteller die sekundäre Darlegungslast für die Behauptung, eine
solche Kenntnis habe nicht vorgelegen. Darauf, ob die vormaligen Mitglieder
des Vorstands von dem Kläger als Zeugen benannt werden könnten, kommt es
nicht an.
c) Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum
Abschluss eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte,
kann er auch bei objektiver Werthal-tigkeit von Leistung und Gegenleistung
dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke
nicht voll brauchbar ist. Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem
Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag
erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als
Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei
Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als
unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit
als nachteilig ansieht.
d) Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung
gelten auch für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
gemäß § 826 BGB.
Zentrale Probleme:
Endlich hatte nun der BGH die Gelegenheit, einen
VW-Diesel-Fall zu entscheiden. Dass sich der VI. Senat damit beschäftigt hat
und nicht nicht der VIII. Senat, der für das Kaufrecht zuständig ist, ergibt
sich daraus, dass es im Verhältnis des Herstellers und des Autokäufers nicht
um eine vertragliche Haftung gehen kann: Der Kaufvertrag über den Pkw
schließen nämlich der Vertragshändler im eigenen Namen mit dem Kunden. Die
vertraglichen Gewährleistungsansprüche des Käufers gegen den Verkäufer sind
in diesen Fällen unproblematisch herzuleiten, in sehr vielen Fällen aber
bereits verjährt. Also kommen deliktsrechtliche Ansprüche gegen den
Hersteller in Betracht. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger einen
VW-Gebrauchtwagen von einem Autohändler erworben. Der Wagen war mit der
bekannten Abschalteinrichtung versehen, die dafür sorgte, dass der Wagen die
vogeschriebenen Abgaswerte nur auf dem Prüfstand erreichen konnte. Nachdem
der Kläger das vom Hersteller angebotene Software-update hatte aufspielen
lassen, klagte er gegen den Hersteller auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen
Rückgabe des Kfz. In der Instanzrechtsprechung Rechtsprechung gab es hier
in den letzte Jahren dei unterschiedlichsten Ansätze und Ergebnisse sowohl
bei der Frage der Haftung des Herstellers als auch dem Käufer anzurechnenden
Nutzungsersatzes. Der BGH sieht in dem Verhalten des beklagten
Automobilherstellers sicher zu Recht ein sittenwidriges Verhalten. Richtig
ist auch, dass er davon ausgeht, dass eine Leitungsperson das Herstellers
dafür verantwortlich ist, so dass analog § 31 BGB eine Zurechnung dessen
Verhaltens erfolgt. Insoweit lässt der BGH dem Hersteller die Ausflucht
nicht durchgehen, man wisse nicht welche Person die strategische
Entscheidung für die Abschalteinrichtungen getroffen habe. Der BGH bejaht
hier zu Recht eine sog. sekundäre Darlegungslast des Beklagten Herstellers
mit der Folge einer Geständnisfiktion (s. dazu bei Rn. 34 ff.).
In Bezug auf Schaden und Kausalität nimmt die Entscheidung eine
besondere Wendung: Als Schaden wird allein der Vertragsschluss selbt
gesehen: Der Kläger hätte bei Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung und
der damit verbundenen Gefahr der Stilllegung, also ohne das sittenwidrige
Handeln des Herstellers den Vertrag nicht geschlossen. Wenn nun dieser
"unerwünschte Vertrag" selbst der Schaden ist, ist dieser Schaden natürlich
nicht durch das spätere Software-update behoben: "Der im Januar 2014 unter
Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig
herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss, der im Rahmen des § 826 BGB
den Schaden begründet, wird durch das im Februar 2017 - zumal angesichts
einer anderenfalls drohenden Betriebsuntersagung - durchgeführte
Software-Update nicht rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss"
(Rn. 58). Damit geht es also letztlich - auch wenn das
nicht direkt angesprochen wird - um einen immateriellen Schaden des
Kfz-Käufers in Gestalt eines "unerwünschten Vertrags". Die
Entscheidung klärt eine weitere, in Rspr. und Literatur bislang sehr
strittige Frage: Ist der Käufer im Wege des schadensrechtlichen
Vorteilsausgleichs zum Ersatz der Nutzung des Pkw verpflichtet. Der Senat
bejaht das zunächst dem Grunde nach vollkommen zu recht. Der Verpflichtung
zum Nutzungsersatz stehe auch nicht der Präventionscharakter des
Deliktsrechts entgegen. Auch aus § 817 S. 2 BGB sei für das
Schadensersatzrecht keine Wertung zu entnehmen. Für die (ebenfalls im
Vorfeld sehr umstrittene) Berechnung des Nutzungsersatzes greift der Senat
auf die bereits zu §§ 346 I, 100 BGB bekannte Methode zurück: Man teilt den
Kaufpreis durch die übliche, in gefahrenen Kilometern ausdrückte
Nutzungsdauer und multipliziert das Ergebnis durch die tatsächliche, auch in
gefahrenen Kilometern ausgedrückte Nutzung des Klägers. Ob diesem nun der
Prozeßgewinn wirklich nutzt, ist eine andere Frage: Er gibt das (nunmehr
einwandfreie) Auto zurück und erhält dafür ca. 25600.- € zurück. Für ein
Beispiel des vollständigen Wertverzehrs im Rahmen der Vorteilsangleichung s.
BGH v. 30.6.2020 - VI ZR 354/19.
Zur Haftungsausfüllung s. auch BGH v. 6.7.2021 - VI
ZR 40/20 und BGH v. 20.7.2021 - VI ZR 533/20.
Zur Vorteilsausgleichung s. auch BGH v. 25.7.2022
- VIa ZR 485/21.
©sl 2020
Tatbestand:
1 Der Kläger erwarb am 10. Januar 2014 zu einem Preis von 31.490
€ brutto von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan 2.0 TDl match,
der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5
ausgestattet ist. Die Beklagte ist die Herstellerin des Wagens. Das
am 12. Juli 2012 erstmals zugelassene Fahrzeug wies beim Erwerb einen
Kilometerstand von 20.000 km auf. Für den Fahrzeugtyp wurde die
Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der
Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.
2 Die im Zusammenhang mit dem Motor
verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen
Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall
in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In
diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß
statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der
Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die
Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die
Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der
Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte
der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
3 Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung
einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015 erging gegen
sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit
nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fahrzeug
des Klägers betrifft. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen
Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und
die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten.
Die Beklagte gab mit Pressemitteilung vom 25. November 2015
bekannt, Software-Updates durchzuführen, mit denen diese Software aus allen
Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum entfernt werden
sollte. Der Kläger ließ das Software-Update im Februar 2017
durchführen.
4 Mit Schreiben vom 15. September 2017 forderte
der Kläger die Beklagte erfolglos zur Erstattung des Kaufpreises unter
Fristsetzung bis zum 1. Oktober 2017 auf und bot Zug um Zug die Übergabe und
Übereignung des Fahrzeugs an. Mit seiner Klage verlangt er die
Zahlung von 31.490 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 2. Oktober 2017 Zug um Zug gegen Übergabe und
Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte
im Annahmeverzug befindet, und die Zahlung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.680,28 € nebst Zinsen in vorgenannter
Höhe seit Rechtshängigkeit.
5 Das Landgericht hat die am 23. November
2017 rechtshängig gewordene Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers
hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und
die Beklagte verurteilt, an den Kläger 25.616,10 € nebst Zinsen in
vorgenannter Höhe seit dem 2. Oktober 2017 Zug um Zug gegen Übergabe und
Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Ferner hat es die begehrte Feststellung
ausgesprochen und die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.474,89 € nebst Zinsen seit dem 24.
November 2017 verurteilt. Wegen des weitergehenden Zahlungsanspruchs hat es
die Klage abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien die vom Berufungsgericht
zugelassene Revision eingelegt. Die Beklagte verfolgt ihren
Klageabweisungsantrag, der Kläger seinen Zahlungsantrag zur Hauptsache,
soweit dieser abgewiesen worden ist, weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
6 Das Berufungsgericht,
dessen Urteil unter anderem in NJW 2019, 2237 ff. veröffentlicht ist, hat
zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die
Beklagte gemäß § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog ein
Schadensersatzanspruch zu. Er müsse sich aber den gezogenen Nutzungsvorteil
anrechnen lassen.
7 Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der
streitgegenständlichen Umschaltlogik unter bewusstem Verschweigen der
gesetzwidrigen Softwareprogrammierung stelle eine Täuschung nicht nur
staatlicher Stellen und der Wettbewerber, sondern auch der Kunden dar, die
bis zur Stilllegung des Fahrzeugs fortwirke. Ausweislich des
bestandskräftigen Bescheids des KBA liege bei dem Motor des Typs EA189 eine
unzulässige Abschalteinrichtung vor.
8 Das Verhalten der
Beklagten sei sittenwidrig. Die Beklagte habe systematisch und über
Jahre hinweg aus reinem Gewinnstreben die Arglosigkeit der Kunden planmäßig
ausgenutzt und sich dabei das Vertrauen der Verbraucher in das bei dem KBA
zu durchlaufende Genehmigungsverfahren zunutze gemacht. Die Verwendung der
unzulässigen Abschalteinrichtung habe wegen des Risikos der
Betriebsbeschränkung oder -untersagung den ureigenen Zweck des Fahrzeugs,
die Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr, gefährdet. Die
unstreitige Gesamtzahl der betroffenen Fahrzeuge zeige die besondere
Verwerflichkeit des Verhaltens, das sich nachteilig auf die Umwelt
ausgewirkt und das Bestreben des Einzelnen zum Schutz der Umwelt durch eine
gezielte Täuschung unterlaufen habe.
9 Die Beklagte müsse
sich das vorsätzliche Handeln ihrer Mitarbeiter und die Kenntnis des
damaligen Leiters ihrer Entwicklungsabteilung und des damaligen Vorstands
zurechnen lassen.
10 Der Schaden des Klägers liege in dem Erwerb
eines mit der Steuerungssoftware ausgerüsteten Fahrzeugs. Der Kläger sei bei
der Kaufentscheidung aufgrund der verschwiegenen unzulässigen
Abschalteinrichtung eine von ihm so nicht gewollte Verbindlichkeit
eingegangen. Er könne daher die Rückabwicklung des Kaufvertrags
verlangen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei dabei der gezogene
Nutzungsvorteil zu berücksichtigen. Eine unbillige Entlastung des Schädigers
werde dadurch nicht bewirkt. Die erwartete Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs
schätze der Senat auf 300.000 km. Der Gebrauchsvorteil errechne sich, indem
der von dem Kläger gezahlte Bruttokaufpreis (31.490 €) mit den von ihm
gefahrenen Kilometern (52.229) multipliziert und der sich ergebende Wert
durch die erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt (280.000
km) geteilt werde. Somit ergebe sich eine von dem Schadensersatzanspruch
abzuziehende Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.873,90 €, § 287 ZPO.
B.
11 Die Revision der Beklagten bleibt ganz überwiegend ohne
Erfolg; sie ist nur in Bezug auf die Nebenpunkte der Feststellung des
Annahmeverzugs (§§ 293 ff. BGB), des Zinszeitraums in Bezug auf die
Hauptforderung (§ 291 BGB) und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten
geringfügig erfolgreich. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
12 I. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die
Beklagte dem Kläger aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§
826, 31 BGB haftet. Ohne Rechtsfehler geht es ferner davon aus, dass der
Kläger von der Beklagten auf dieser Grundlage die Zahlung von 25.616,10 €
nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs
verlangen kann, ihm mithin eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.873,90 €
als Vorteil anzurechnen ist, § 249 BGB. Die von den Revisionen der
Beklagten und des Klägers dagegen erhobenen Rügen greifen nicht durch.
13 1. Das Berufungsgericht hat das Verhalten der Beklagten auf der
Grundlage der von ihm rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen mit Recht
als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB angesehen.
14 a) Die
Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage, die
der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (st.
Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, WM 2016,
1975 Rn. 15 mwN; vom 7. Mai 2019 - VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8).
15 Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem
Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und
Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht
Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der
Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft.
Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens
hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der
zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann
(st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 28. Juni 2016 - VI ZR
536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16 mwN; vom 7. Mai 2019 - VI ZR 512/17, NJW 2019,
2164 Rn. 8 mwN). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es
daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die
die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen.
Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben
(Senatsurteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 512/17, WM 2016, 1975 Rn.
16 mwN). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner
darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu
haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche
aus § 826 BGB geltend macht (Senatsurteil vom 7. Mai 2019 - VI ZR
512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN).
16 b) Nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist das Verhalten der
Beklagten im Verhältnis zum Kläger objektiv als sittenwidrig zu
qualifizieren. Die Beklagte hat auf der Grundlage einer für
ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der
Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch
bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in
Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen
in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren
Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die
gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung
nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging
einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und
andererseits - wie noch im Einzelnen auszuführen sein wird - die Gefahr
einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine
Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen
Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis
zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis
der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den
grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt.
Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus einer Gesamtschau des
festgestellten Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung des
verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung
und der eingetretenen Folgen. Im Einzelnen:
17 aa) Die
Revision der Beklagten wendet sich nicht gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, dass es sich bei der im Fahrzeug des Klägers vorhandenen
Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandslauf eine verstärkte
Abgasrückführung aktiviert (vgl. Hüning, NZV 2019, 27, 29), um eine
unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung
(EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni
2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen
von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und
über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl.
L 171 vom 29. Juni 2007 S. 1 ff.; im Folgenden: VO 715/2007/EG) gehandelt
hat (vgl.nunmehr auch High Court of England and Wales, Urteil vom 6. April
2020 - [2020] EWHC 783 [QB], BeckRS 2020, 5159 Rn. 268, 437; Schlussanträge
der Generalanwältin E. Sharpston in der Rechtssache C-693/18 vom 30. April
2020, abrufbar unter
www.curia.europa.eu). Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen
Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wegen der Auslegung der genannten Vorschrift
ist nicht veranlasst, weil die Rechtslage im Hinblick auf die hier
vorliegende Abschalteinrichtung von vornherein eindeutig ist ("acte
clair", vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs 283/81, NJW
1983, 1257, 1258; BVerfG, Beschluss vom 28. August 2014 - 2 BvR 2639/09,
NVwZ 2015, 52 Rn. 35).
18 Die Revision hat auch nichts gegen die
Feststellung des Berufungsgerichts erinnert, die Beklagte habe dem KBA bei
der Erlangung der (jeweiligen) Typgenehmigungen durch die Verwendung der
unzulässigen Abschalteinrichtung vorgespiegelt, das Fahrzeug werde auf dem
Prüfstand unter den Motorbedingungen betrieben, die auch im normalen
Fahrbetrieb zum Einsatz kommen, und sie habe dadurch über die
Einhaltung der gesetzlichen Abgaswerte getäuscht, um die Typgenehmigung auf
kostengünstigem Weg zu erhalten.
19 Ohne Rechtsfehler hat
das Berufungsgericht - wie noch auszuführen sein wird - ferner festgestellt,
dass die Abschalteinrichtung auf der Grundlage einer strategischen
unternehmerischen Entscheidung über Jahre hinweg nicht nur im Unternehmen
der Beklagten selbst, sondern auch bei mehreren Tochterunternehmen in
verschiedenen Fahrzeugmodellen durch aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis
gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware zur
Beeinflussung der Abgasrückführung in die Motorsteuerung eingebaut worden
ist, wobei bei einer Entdeckung der verwendeten Software eine
Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte erfolgen können (§ 5
Abs. 1 FahrzeugZulassungsverordnung in der Fassung vom 3. Februar 2011
[BGBl. I S. 139]; im Folgenden FZV). Soweit die Revision der Beklagten
geltend macht, eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung sei aus
tatsächlichen und rechtlichen Gründen ausgeschlossen gewesen (vgl. auch
Oechsler, WuB 2019, 404, 405 f.; 447, 449 f.; Röhl, NZV 2020, 183 ff., 192),
greift das nicht durch.
20 (1) Von der Revision unangegriffen hat das
Berufungsgericht festgestellt, dass nach dem Bekanntwerden der Verwendung
der unzulässigen Abschalteinrichtung eine technische Lösung zunächst von der
Beklagten entwickelt, vom KBA freigegeben und dann auf verschiedene
Fahrzeugvarianten angepasst werden musste. Bis zu diesem Zeitpunkt
bestand daher die Gefahr, dass die erforderliche Entwicklung nicht gelingen
würde und die von dem KBA gemäß § 25 Abs. 2
EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung vom 3. Februar 2011 (BGBl. I S. 126; im
Folgenden EG-FGV) nachträglich angeordnete Nebenbestimmung zur
Typgenehmigung nicht erfüllt werden könnte.
21 (2) Abgesehen
von den tatsächlichen Unwägbarkeiten bestanden ferner auch
erhebliche rechtliche Risiken. Die unzulässige
Abschalteinrichtung konnte grundsätzlich dazu führen, dass die
Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs.
1 FZV vornahm, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO
715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3
Abs. 1 Satz 2 FZV) entsprach (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar
2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 20). Dabei kann offenbleiben, ob
dies nur bei zuvor erfolgter Rücknahme der Typgenehmigung möglich war (vgl.
Röhl, NZV 2020, 183, 189 f.). Denn auch das kam hier gemäß § 25 Abs. 3 Nr. 1
und Nr. 2 EG-FGV in Verbindung mit § 48 VwVfG grundsätzlich in Betracht
(vgl. auch VG Stuttgart, Beschluss vom 27. April 2018 - 8 K 1962/18, juris
Rn. 17; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Januar 2018 - 6 K 12341/17, juris Rn.
271). Nach diesen Vorschriften kann das KBA eine rechtswidrige
Typgenehmigung ganz oder teilweise zurücknehmen, insbesondere wenn
festgestellt wird, dass Fahrzeuge mit einer Übereinstimmungsbescheinigung
nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, oder von Fahrzeugen ein
erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit
oder die Umwelt ausgeht. Vertrauensschutz bestand nicht, nachdem die
Beklagte die Typgenehmigung durch arglistige Täuschung erwirkt hatte (vgl. §
48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG). Welche - möglicherweise auch
zeitlich oder örtlich beschränkten - Maßnahmen die Behörden bei einer
Aufdeckung der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ergreifen
würden, stand insbesondere im Hinblick auf die erfolgte arglistige
Täuschung, die große Zahl der betroffenen Fahrzeuge, die in ihrer Gesamtheit
einen deutlich erhöhten Stickoxidausstoß bewirkten, und die nicht
vorhersehbaren immissionsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen im Vorhinein
nicht fest.
22 bb) Das Ziel der Beklagten bestand
darin, Fahrzeuge kostengünstiger als ihr sonst möglich zu produzieren und
damit - wie das Berufungsgericht zu Recht festgestellt hat - in einer
Erhöhung ihres Gewinns. Ein solches Ziel ist - worauf die Revision
der Beklagten zutreffend hinweist - (selbstverständlich) erlaubt und auch
nicht (per se) verwerflich. Dass auch die handelnden Personen dieses
Ziel erstrebten, stellt die Revision der Beklagten nicht in Abrede; dem
Entgegenstehendes ist auch sonst nicht ersichtlich. Weiterer Feststellungen
zu den individuellen Beweggründen der handelnden Personen bedarf es entgegen
der Ansicht der Revision nicht. Dass sie über das Ziel der Erhöhung
des Gewinns der Beklagten hinaus (weitere) Vorteile für sich persönlich
erstrebten, ist für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der
Sittenwidrigkeit durch die Beklagte selbst nicht erforderlich.
23 cc) Das an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns wird
auch im Verhältnis zu dem Käufer eines der betroffenen Fahrzeuge aber dann
verwerflich, wenn es auf der Grundlage einer strategischen
Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen
Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde - des KBA (§ 2 Abs. 1 EG-FGV)
- erreicht werden soll, und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich
sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise
eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit
geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der
Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt. Ein solches Vorgehen
verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und
Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein
Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden
geboten erscheint (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR
402/02, BGHZ 160, 149, 157). Gerade wenn die Käufer (und damit auch
der Kläger) - wie das Berufungsgericht annimmt, wovon die Beklagte ausgeht
und was auch aus Sicht des Senats naheliegt - sich keine konkreten
Vorstellungen über die Rechtsbeständigkeit der Typgenehmigung und die
Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte machten, war das Inverkehrbringen
der Fahrzeuge unter diesen Umständen sittenwidrig und stand wertungsmäßig
einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer gleich
(vgl. auch Heese, JZ 2020, 178, 179 f.).
24 (1) Der Markt für
Kraftfahrzeuge ist im Interesse der Vereinheitlichung und der Harmonisierung
des Binnenmarktes, der Verkehrssicherheit und des Gesundheits- und
Umweltschutzes geprägt durch eine große Regulierungsdichte im Hinblick auf
die Fahrzeuggenehmigung und -zulassung, die technischen Anforderungen an
Kraftfahrzeuge, die Genehmigungsverfahren und die von den Technischen
Diensten durchzuführenden Prüfungen, vgl. Art. 1 ff. VO 715/2007/EG, Art. 1
ff. der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von
Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und
selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (ABl. L 263 vom 9.
Oktober 2007 S. 1 ff.; im Folgenden Richtlinie 2007/46/EG), Art. 1 ff. der
Verordnung (EG) Nr. 385/2009 der Kommission vom 7. Mai 2009 zur Ersetzung
des Anhangs IX der Richtlinie 2007/46/EG (ABl. L 118 vom 13. Mai 2009 S. 13
ff.; im Folgenden VO 385/2009/EG), §§ 1 ff. EG-FGV, §§ 1 ff. FZV. Es
besteht ferner ein erhebliches Ungleichgewicht im Hinblick auf das bei den
Herstellern und den Käufern der Fahrzeuge vorhandene (technische) Wissen in
Bezug auf die Funktionsweise der hergestellten und vertriebenen Fahrzeuge.
Arglose Käufer der bemakelten Fahrzeuge mussten daher mangels
eigener Möglichkeiten, die Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen
Vorgaben auch nur nachvollziehen, geschweige denn kontrollieren zu können,
darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Vorgaben von der
Beklagten eingehalten worden waren; gleichzeitig durften
sie sich angesichts der die Beklagte nach den genannten Regelungen
treffenden Pflichten und insbesondere im Hinblick auf das
Typgenehmigungsverfahren darauf auch verlassen.
25 (2) Wie
das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, setzt daher der Käufer eines
Fahrzeugs - gleichgültig, ob er das Fahrzeug neu oder gebraucht erwirbt -
die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben arglos als
selbstverständlich voraus. Das betrifft auch den
Gebrauchtwagenkäufer, dessen Fahrzeug bereits über eine Erstzulassung (§ 6
Abs. 3 Satz 1 FZV) verfügt, bei der die von dem Inhaber der
EG-Typgenehmigung für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug
auszustellende Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung
mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG vorgelegen hat, § 6 Abs. 1 EG-FGV.
Die Beklagte machte sich im Rahmen der von ihr bei der
Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die
Typgenehmigungen durch arglistige Täuschung des KBA zu erschleichen und
die derart bemakelten Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die
Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt zunutze.
Dabei erfolgte das Inverkehrbringen der Fahrzeuge gerade mit dem
Ziel, möglichst viele der bemakelten Fahrzeuge abzusetzen. Ein solcher Fall
steht einer bewussten arglistigen Täuschung derjenigen, die ein solches
Fahrzeug erwerben, gleich (vgl. auch Isfen, JA 2016, 1, 3). Die
Beklagte trifft das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, daher
gerade auch im Hinblick auf die Schädigung aller unwissenden Käufer der
bemakelten Fahrzeuge. Diese Schädigung stellt die zwangsläufige Folge des
Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge dar und liegt unmittelbar in der
Zielrichtung des sittenwidrigen Verhaltens (vgl. Senatsurteile
vom 20. Februar 1979 - VI ZR 189/78, NJW 1979, 1599, 1600; vom 7. Mai 2019 -
VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN; BGH, Urteil vom 11. November 1985 -
II ZR 109/84, BGHZ 96, 231, 237). Soweit die Revision demgegenüber auf die
Entscheidung des Senats vom 19. Oktober 2010 (VI ZR 124/09, WM 2010, 2256
Rn. 14) verweist, liegt dieser eine andere Fallgestaltung zugrunde, nachdem
dort kein aktives Tun durch eine bewusste arglistige Täuschung, sondern ein
Unterlassen des persönlich in Anspruch genommenen Geschäftsführers zu
beurteilen war.
26 (3) Nach alledem kommt es auf die Frage, ob dem
Inverkehrbringen der mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen
Fahrzeuge - auch im Hinblick auf die Übereinstimmungsbescheinigung - ein
irgendwie gearteter Erklärungswert beizumessen ist (vgl. dazu auch
Armbrüster, NJW 2018, 3481 f.; Brand, wistra 2019, 169, 171 f.; Führ/Below,
ZUR 2018, 259, 262 ff.) und die zu diesem Punkt erhobenen Rügen der Revision
der Beklagten nicht an. Das gilt auch in Bezug auf die Rüge der Revision,
das Berufungsgericht verwische die Unterscheidung zwischen aktivem Tun und
Unterlassen, wobei in Bezug auf letzteres eine entsprechende
Aufklärungspflicht nicht ersichtlich sei.
27 (4) Bei seiner Bewertung
der Sittenwidrigkeit hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der
Revision der Beklagten zu Recht auch berücksichtigt, dass die
Beklagte systematisch und bewusst eine Software eingesetzt hat, durch die
die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm nur im Prüfbetrieb eingehalten
wurden. Dadurch wurde, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und
insoweit unangefochten festgestellt hat, unerlaubt Einfluss auf den
Stickoxidausstoß genommen und dieser über das Maß des nach den gesetzlichen
Vorgaben Zulässigen hinaus erhöht. Dieses Vorgehen zeigt im Hinblick auf den
von den gesetzlichen Vorgaben intendierten Schutz der Gesundheit der
Bevölkerung eine rücksichtslose Gesinnung, die gegen das Anstandsgefühl
aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
28 (5) Da nach
alledem das Unwerturteil des Berufungsgerichts gerechtfertigt ist, kommt es
auf die weiteren Rügen der Revision nicht an, das Berufungsgericht habe bei
seiner Beurteilung der Sittenwidrigkeit das "Nachtatverhalten" der Beklagten
unzulässig berücksichtigt und zu Unrecht als schwere Folge für den Kläger
angesehen, dass ihm ohne Durchführung des umstrittenen Updates die
Stilllegung des Fahrzeugs gedroht habe.
29 2. Das Berufungsgericht
hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass
die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die
Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software von den im Hause der
Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich
dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs-
und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen
Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung
getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist. Zu Recht hat
es dieses Verhalten der Beklagten zugerechnet (§ 31 BGB).
30
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte
den Vortrag des Klägers, wonach der vormalige Leiter der
Entwicklungsabteilung im Jahr 2011 Kenntnis von den illegalen Praktiken in
Bezug auf die unzulässige Abschalteinrichtung erlangt und dies im
Bewusstsein der Täuschung über die Zulassungsfähigkeit der Fahrzeuge
gebilligt habe, nicht mit Nichtwissen hätte bestreiten dürfen
(§ 138 Abs. 4 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 139/17, WM
2019, 495 Rn. 34). Der Vortrag ist mithin als zugestanden anzusehen,
§ 138 Abs. 3 ZPO. Die Revision der Beklagten ist dem nicht
entgegengetreten.
31 Soweit die Revision der Beklagten in diesem
Zusammenhang (nur) rügt, es sei nicht erkennbar, welche Person das
Berufungsgericht meine, greift das nicht durch. Das Berufungsgericht hat
seine Feststellungen unter anderem auf der Grundlage des klägerischen
Vortrags, wonach der "damalige Chef der Motorenentwicklung ... im Jahr 2011
von einem Motorentechniker vor illegalen Praktiken mit den Abgaswerten
gewarnt worden ist", getroffen. Damit ist dem Berufungsurteil eindeutig zu
entnehmen, auf das Wissen und Wollen welcher Person das Berufungsgericht
abgestellt hat.
32 Unabhängig davon hat sich das Berufungsgericht -
von der Revision nicht angegriffen - davon überzeugt, dass der Leiter der
Entwicklungsabteilung Kenntnis von der illegalen Abschalteinrichtung hatte
und dies gebilligt hat (§ 286 ZPO).
33 Es hat ferner ohne
Rechtsfehler angenommen, dass er als verfassungsmäßig berufener
Vertreter im Sinne von § 31 BGB gehandelt hat. Entgegen der Ansicht
der Revision der Beklagten waren (weitere) tatsächliche Feststellungen dazu,
dass der vormalige Leiter der Entwicklungsabteilung die Beklagte
im Rechtsverkehr, also nach außen repräsentierte, sowie dass die
Tätigkeiten, die er wahrzunehmen hatte, wesensmäßige Funktionen der
Beklagten darstellten, nicht erforderlich. Der Leiter der
Entwicklungsabteilung eines großen, weltweit tätigen Automobilherstellers
wie der Beklagten hat eine für dessen Kerngeschäft verantwortliche, in
besonderer Weise herausgehobene Position als Führungskraft inne. Daraus
folgt unmittelbar, dass ihm bedeutsame, wesensmäßige Funktionen des
Unternehmens zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen
sind, er also das Unternehmen auf diese Weise repräsentiert. Demgegenüber
stellt die Revision nur pauschal und ohne nähere Auseinandersetzung mit dem
von der Beklagten dem Leiter der Entwicklungsabteilung übertragenen
Aufgabenbereich in Abrede, dass es sich bei ihm nach den dafür maßgeblichen
Grundsätzen (vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967 - VII ZR 82/65, BGHZ
49, 19, 21 mwN und ständig; BGH, Urteil vom 14. März 2013 - III ZR 296/11,
BGHZ 196, 340 Rn. 12 mwN) um einen verfassungsmäßigen Vertreter gehandelt
habe.
34 b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ferner
festgestellt, dass der vormalige Vorstand der Beklagten von der
Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hat.
Die dagegen gerichteten Rügen der Revision der Beklagten greifen nicht durch.
35 aa) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt zwar derjenige, der
einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und
Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. sowohl für die
Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver
Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des
Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände (BGH,
Urteile vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17, NJW 2019, 3638 Rn. 37 mwN; vom
18. Januar 2018 - I ZR 150/15 NJW 2018, 2412 Rn. 26 mwN). Der
Anspruchsteller hat daher auch darzulegen und zu beweisen, dass der
Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger
Vertreter (§ 31 BGB) des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven
und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat
(vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, WM 2016, 1975
Rn. 27).
36 In bestimmten Fällen ist es indes Sache der
Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden
Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei
substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die
Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert
der darlegungspflichtige Gegner - hier der Kläger - vorgetragen hat.
In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des
darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und
inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag
substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und
Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des
Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der
darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (Senatsurteil vom 19.
Februar 2019 - VI ZR 505/17, BGHZ 221, 139 Rn. 17; BGH, Urteil vom 3.
Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405 f.).
37 Eine
sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär
darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der
maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung
hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm
unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (st.
Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 10. Februar 2015 - VI ZR 343/13, WM 2015,
743 Rn.11 mwN; BGH, Urteile vom 18. Dezember 2019 - XII ZR 13/19, NJW 2020,
755 Rn. 35 mwN; vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15, NJW 2018, 2412 Rn. 30
mwN). Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären
Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist
(Senatsurteile vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 48
mwN; vom 28. Juni 2016 - VI ZR 559/14, NJW 2016, 3244 Rn. 18). Die
sekundäre Darlegungslast führt jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast
noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast
(§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des
in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg
benötigten Informationen zu verschaffen (BGH, Urteil vom 8. Januar
2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 18 mwN). Genügt
der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die
Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden
(st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15, NJW
2018, 2412 Rn. 30 mwN).
38 Diese allgemeinen Grundsätze kommen unter
anderem bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung
anvertrauter Gelder hergeleitet werden (Senatsurteil vom 10. Februar 2015 -
VI ZR 343/13, WM 2015, 743 Rn. 11 mwN), bei einem auf konkrete Tatsachen
gestützten Verdacht der Bösgläubigkeit eines Zessionars bei dem Erwerb einer
Grundschuld (BGH, Versäumnisurteil vom 24. Oktober 2014 - V ZR 45/13, NJW
2015, 619 Rn. 22 f.) oder des kollusiven Zusammenwirkens mehrerer Personen
im Zwangsversteigerungsverfahren (BGH, Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR
244/17, NJW 2019, 3638 Rn. 47), bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine
Schmiergeldabrede (BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15, NJW 2018,
2412 Rn. 26), ferner auch im Hinblick auf die Organisation des Betriebs
eines Lagerunternehmens (BGH, Urteil vom 20. September 2018 - I ZR 146/17,
WM 2019, 688 Rn. 19).
39 bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht in
Anwendung dieser Maßstäbe angenommen, dass die Beklagte eine
sekundäre Darlegungslast trifft. Der Kläger hat, wie das
Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, hinreichende Anhaltspunkte für
eine Kenntnis des Vorstands von der Verwendung der unzulässigen
Abschalteinrichtung vorgetragen. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass
es sich bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung -
wie bereits dargelegt - um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit
Motoren der Serie EA189 betreffende Strategieentscheidung
handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und auch mit
persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war,
sondern auch die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und
wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit
der Beklagten. Wegen der besonderen Schwierigkeiten des Klägers,
konkrete Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Kenntnis eines bestimmten
Vorstandsmitglieds ergibt, hat das Berufungsgericht die Einlassung der
Beklagten, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse
dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an
der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung und
Verwendung der Software in Auftrag gegeben oder davon gewusst habe, mit
Recht nicht für ausreichend gehalten. Rechtsfehlerfrei hat es der Beklagten
auferlegt mitzuteilen, welche Ermittlungen mit welchem Ergebnis sie insoweit
angestellt habe und über welche Erkenntnisse sie insoweit verfüge. Dies wäre
ihr möglich und zumutbar gewesen.
40 (1) Die Auffassung der
Revision, von der Beklagten könne nicht die (volle) Darlegung einer
negativen Tatsache und auch nicht die Darlegung aller ihrer Informationen
über die Kenntnisse von Mitarbeitern in Bezug auf die unzulässige
Abschalteinrichtung verlangt werden, steht dem schon deshalb nicht entgegen,
weil das Berufungsgericht eine solche umfassende Darlegung nicht verlangt
hat. Die Beklagte hat aber nicht einmal zu ihrer damaligen
Organisationsstruktur und Arbeitsorganisation, den damaligen internen
Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, den Berichtspflichten und den von
ihr veranlassten Ermittlungen vorgetragen.
41 (2) Soweit die Revision
meint, die Ansicht des Berufungsgerichts führe zu einer unzulässigen
Ausforschung, verkennt sie, dass die Auferlegung einer sekundären
Darlegungslast zwangsläufig damit einhergeht, dass die belastete Partei
Tatsachen vortragen muss, von denen der Prozessgegner andernfalls keine
Kenntnis erlangt hätte oder hätte erlangen können. Das wird aber wegen der
aus den verfassungsrechtlich geschützten Rechten auf ein faires
Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz folgenden Verpflichtung zu einer
fairen Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten (vgl. BVerfG, NJW 2019,
1510 Rn. 12 ff.; WM 2011, 1946, 1948, juris Rn. 24; NJW 2000, 1483, 1484,
juris Rn. 39 ff., 42) nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
insbesondere dann hingenommen, wenn es - wie in den Fallgestaltungen, die
den oben zitierten Entscheidungen zugrunde liegen und auch hier -
hinreichende Anhaltspunkte für deliktisches Verhalten zu Lasten des
Prozessgegners gibt, und dieser außerhalb des von ihm darzulegenden
Geschehensablaufs steht.
42 (3) Zu kurz greift schließlich die
Ansicht der Revision der Beklagten (vgl. auch OLG München, Urteil vom 4.
Dezember 2019 - 3 U 2943/19, juris Rn. 41 f., 68 f.; Pfeiffer, ZIP 2017,
2077, 2079 f.; Heese, JZ 2020, 178, 184 f.), sie treffe keine sekundäre
Darlegungslast, weil der Kläger ihre damaligen Vorstandsmitglieder als
Zeugen hätte benennen können. Zum einen vermengt die Revision insoweit
unzulässig die Darlegungs- und die Beweisebene. Ob Beweis angeboten und
erhoben werden muss, richtet sich danach, ob - auch unter Berücksichtigung
der Grundsätze der (sekundären) Darlegungslast - ein Sachverhalt
als streitig oder unstreitig anzusehen ist. Zum anderen wäre der außerhalb
des maßgeblichen Geschehens stehende Geschädigte - folgte man der Ansicht
der Revision - schutzlos gestellt, wenn er in Bezug auf eine der handelnden
Personen ausreichende Anhaltspunkte für ein (möglicherweise) strafbares
Verhalten vortragen kann, diese Person jedoch naturgemäß wegen der Gefahr
einer strafrechtlichen Verfolgung als Zeuge nicht zur Verfügung steht (§ 384
Nr. 2 ZPO). Das ist mit der aus den verfassungsrechtlich geschützten Rechten
auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz folgenden
Verpflichtung zu einer fairen Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten
(vgl. BVerfG NJW 2019, 1510 Rn. 12 ff.; BVerfG NJW 2000, 1483, 1484, juris
Rn. 42) nicht zu vereinbaren und hat der Bundesgerichtshof auch in der
Vergangenheit im Zusammenhang mit Sachverhalten, in denen von einer
sekundären Darlegungslast ausgegangen wurde, nicht angenommen (vgl. etwa
BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15, NJW 2018, 2412 Rn. 28).
43 c) Der Kläger hat im Übrigen verschiedene weitere Personen
benannt, die im Rahmen ihrer klägerseits beschriebenen Funktionen in die
Entwicklung und Verwendung der illegalen Software eingebunden gewesen seien.
Die Beklagte hat sich - abgesehen von dem pauschalen Einwand, dass nach
derzeitigem Ermittlungsstand keine Erkenntnisse vorlägen, dass eines ihrer
Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts oder eine Person im Sinne des
§ 31 BGB in den Vorgang verwickelt gewesen sei, wobei schon offenbleibt,
welche Personen dazu überhaupt bereits befragt worden sind - konkret
bezüglich der vom Kläger benannten Personen damit verteidigt, diese seien
keine "Organe". Abgesehen davon, dass letzteres für die
Repräsentantenhaftung nach § 31 BGB nicht notwendig ist, käme eine Haftung
der Beklagten für das Verhalten der vom Kläger benannten Personen jedenfalls
nach §§ 826, 831 BGB in Betracht. Danach haftet der Geschäftsherr
für einen Verrichtungsgehilfen, wenn er sich bezüglich dessen Auswahl und
Überwachung nicht entlasten kann. Für die Frage einer sittenwidrigen
Schädigung durch diese Personen würde letztlich nichts grundsätzlich anderes
gelten als für die vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den
Vorstand.
44 3. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht
angenommen, dass dem Kläger durch das sittenwidrige Verhalten der
Beklagten ein Schaden entstanden ist, §§ 826, 249 Abs. 1 BGB, der in dem
Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liegt.
45 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein
Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich
der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage
mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches
Minus ergibt. Vielmehr ist auch dann, wenn die Differenzhypothese
vordergründig - wie es die Beklagte unter Hinweis auf das im Februar 2017
aufgespielte Software-Update geltend macht - nicht zu einem rechnerischen
Schaden führt, die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen
Beurteilungsgrundlage nicht von vornherein ausgeschlossen.
Die Differenzhypothese muss stets einer normativen Kontrolle unterzogen
werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Dabei ist
einerseits das konkrete haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage
zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung
unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der
Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen.
Erforderlich ist also eine wertende Überprüfung des anhand der
Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der
Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes
(Senatsurteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 17
mwN).
46 Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten
Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz
subjektbezogen. Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum
Abschluss eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte,
kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung
dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke
nicht voll brauchbar ist. Die Bejahung eines Vermögensschadens
unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den
unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv
willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die
Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den
Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht
angemessen und damit als nachteilig ansieht (Senatsurteil vom 28.
Oktober 2014 - VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 18 mwN; BGH, Urteil vom 26.
September 1997- V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304, juris Rn. 28;
Heese, Beratungspflichten, 2015, S. 220).
47 Im Fall einer
vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch
nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das
sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten.
Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen
Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder
befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten
Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar
(Senatsurteile vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 19 mwN;
vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 ff., juris Rn.
16; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, BGHZ 160, 149,
153, juris Rn. 41; Oechsler in Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, § 826 Rn.
149, 149a; Wagner in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 826 Rn. 41 f.; Hönn in
Soergel, BGB, 13. Aufl., § 826 Rn. 58; ders. WuB IV A. § 826 BGB 3.05; Mot.
II S. 20 f., zitiert bei Mugdan, Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch,
Bd. II S. 11). Insoweit bewirkt § 826 BGB einen Schutz der
allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen
Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen (vgl. Senatsurteile vom 19.
November 2013 - VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28 f.; vom 21. Dezember 2004
- VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 368, juris Rn. 17; Lorenz, Der Schutz vor dem
unerwünschten Vertrag, 1997, S. 385).
48 b) Im Streitfall ist
der Kläger veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende
sittenwidrige Verhalten der Beklagten eine ungewollte Verpflichtung
eingegangen. Dabei kann dahinstehen, ob er einen Vermögensschaden
dadurch erlitten hat, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs eine
objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben war (§
249 Abs. 1 BGB), auch wenn dafür angesichts des zum Zeitpunkt
des Vertragsschlusses vorhandenen verdeckten Sachmangels, der zu einer
Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können (vgl. BGH,
Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17 ff.),
einiges spricht. Denn ein Schaden ist hier jedenfalls deshalb eingetreten,
weil der Vertragsschluss nach den oben genannten Grundsätzen als
unvernünftig anzusehen ist. Der Kläger hat durch den ungewollten
Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für seine Zwecke nicht voll
brauchbar war.
49 aa) Das Berufungsgericht hat
rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger den Kaufvertrag in
Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen hätte,
§ 286 ZPO. Dabei hat es seiner Würdigung einen sich aus der
allgemeinen Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäfts
ergebenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt, wonach auszuschließen ist,
dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder
-untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise
absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann. Die Rüge der
Revision, diese Gefahr halte nach der Lebenserfahrung nicht ohne weiteres
jeden Käufer vom Erwerb eines Fahrzeugs ab, greift demgegenüber nicht durch.
50 (1) Soweit der Senat die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts
überprüfen kann (vgl. zu den maßgeblichen Grundsätzen etwa BGH, Urteile vom
19. Juli 2019 - V ZR 255/17, NJW 2019, 3147 Rn. 26 mwN; vom 24. Januar 2019
- I ZR 160/17, NJW 2019, 1596 Rn. 25 mwN), ist ein Rechtsfehler nicht
zu erkennen. Das Gericht kann sich die Überzeugung vom Vorliegen
bestimmter Tatsachen nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung aufgrund
von Indizien bilden. Im Rahmen eines Indizienbeweises können
Erfahrungssätze, etwa Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung oder durch
besondere Sachkunde erworbene Regeln, etwa ökonomische Erfahrungssätze,
Bedeutung erlangen. Während die Beweiswürdigung des Tatrichters
grundsätzlich vom Revisionsgericht nur eingeschränkt nachgeprüft wird,
unterliegen die Existenz und der Inhalt eines Erfahrungssatzes und seine
Anwendung durch den Tatrichter der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung
(BGH, Urteile vom 11. Dezember 2018 - KZR 26/17, NJW 2019, 661 Rn. 49;
vom 15. Januar 1993 - V ZR 202/91, NJW-RR 1993, 653, juris Rn. 6 mwN; BSG
SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 39 f., juris Rn. 27).
51 Der Senat tritt
dem Berufungsgericht nach eigener Prüfung im Hinblick auf den vom
Berufungsgericht angenommenen Erfahrungssatz bei. Bei einem zur
eigenen Nutzung erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und
ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer von so großer Bedeutung, dass die
vorübergehende Entziehung eines Kraftfahrzeugs auch bei der Anlegung des
gebotenen strengen Maßstabs einen Vermögensschaden darstellt. Der
Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs wirkt sich
typischerweise als solcher auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung
signifikant aus; bei generalisierender Betrachtung erfolgen Anschaffung und
Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen
Vorteils willen, der in der Zeitersparnis liegt (st. Rspr., vgl.
etwa Senatsurteil vom 23. Januar 2018 - VI ZR 57/17, BGHZ 217, 218 Rn.
5-7 mwN). Das rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die
Annahme, dass ein Käufer, der - wie hier der Kläger - ein Fahrzeug zur
eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer
Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des
Fahrzeugs abgesehen hätte (vgl. auch Heese, JZ 2020, 178, 182).
52 (2) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts wies das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs eine
unzulässige Abschalteinrichtung auf. Damit lag - wie bereits oben ausgeführt
- ein Sachverhalt vor, der - gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren
Umständen - dazu führen konnte, dass die Zulassungsbehörde eine
Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV vornimmt. Zu
Recht hat das Berufungsgericht ausgeschlossen, dass ein Käufer, dem
es auf die Gebrauchsfähigkeit des Kraftfahrzeugs wie ausgeführt maßgeblich
ankommt, ein Fahrzeug erwirbt, bei dem eine auch nur abstrakte Gefahr der
Betriebsbeschränkung oder -untersagung besteht, wenn gleichzeitig unklar
ist, ob überhaupt, wenn ja zu welchem Zeitpunkt und wie - vor allem ohne
Nachteil für den Käufer - der Mangel behoben werden kann.
53
bb) Das Fahrzeug war - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgeht
und was die Revision der Beklagten verkennt - im Zeitpunkt des Erwerbs für
die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar, weil es - wie ausgeführt -
einen verdeckten Sachmangel aufwies, der zu einer Betriebsbeschränkung oder
-untersagung hätte führen können (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar
2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17 ff.; Heese, JZ 2020, 178, 179
ff.; Staudinger/Ruks, NJW 2019, 1179 f.). Die dagegen gerichteten Rügen der
Revision der Beklagten greifen nicht durch.
54 (1) Für die Frage der
Brauchbarkeit kommt es - anders als die Revision meint - nicht lediglich
darauf an, dass das Fahrzeug von dem Kläger tatsächlich genutzt werden
konnte und sich die bestehende Stilllegungsgefahr nicht verwirklicht hat.
Ein Fahrzeug ist für die Zwecke desjenigen, der durch ein
sittenwidriges Verhalten zum Vertragsabschluss veranlasst wird, dann nicht
voll brauchbar, wenn es aus der ex ante Sicht des Käufers letztlich vom
Zufall abhängt, ob der unerkannt bestehende Mangel aufgedeckt und die
Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs in der Folge eingeschränkt wird.
Bei Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls ist der Erwerb des
Fahrzeugs auch nach der Verkehrsanschauung unvernünftig und damit für den
Kläger nachteilig, die Brauchbarkeit des Fahrzeugs mithin nicht nur aus rein
subjektiv willkürlicher Sicht des Klägers eingeschränkt.
55 (2)
Entgegen der Ansicht der Revision (vgl. auch Weiler, NZV 2019, 545, 554)
lag nicht lediglich eine Vermögensgefährdung vor. Vielmehr
begründete bereits der (ungewollte) Vertragsabschluss einen
Schadensersatzanspruch. Er war darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als
ob der Kläger den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vgl.
Senatsurteil vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 29;
BGH, Urteil vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 46).
Darauf, dass die unzulässige Abschalteinrichtung und damit die
Unvernünftigkeit des Vertragsschlusses erst später bekannt wurde, kommt es
für die Entstehung des Schadens nicht an.
56 cc) Entgegen
der Ansicht der Revision der Beklagten legt das Berufungsgericht bei seiner
Beurteilung des Schadens keinen unrichtigen Zeitpunkt
zugrunde.
57 (1) Bei der konkreten Schadensberechnung sind
grundsätzlich alle adäquaten Folgen des haftungsbegründenden Umstands bis
zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, dem aus
prozessualen Gründen letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt, in die
Schadensberechnung einzubeziehen (BGH, Urteile vom 12. Juli 1996 -
V ZR 117/95, BGHZ 133, 246, 252; vom 2. April 2001 - II ZR 331/99, WM 2001,
2251, 2252, juris Rn. 15). Davon ist das Berufungsgericht, das diesen
Zeitpunkt im Hinblick auf die von dem Kläger gezogenen Nutzungen
berücksichtigt hat, zutreffend ausgegangen.
58 (2) Entgegen der Ansicht
der Revision führt dies aber nicht zu einer Verringerung oder gar einem
Entfallen des dem Kläger entstandenen Schadens. Der gemäß § 249 Abs. 1 BGB
nach den obigen Ausführungen mit dem Vertragsschluss entstandene Anspruch
des Klägers auf (Rück-)Zahlung des für das bemakelte Fahrzeug gezahlten
Kaufpreises erlischt nicht, wenn sich der (objektive) Wert oder Zustand des
Fahrzeugs in der Folge aufgrund neuer Umstände wie etwa der Aufdeckung des
verdeckten Sachmangels oder der Durchführung des Updates verändern (vgl.
Senatsurteil vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28
f.). Dies geht vielmehr angesichts des Umstands, dass das Fahrzeug Zug um
Zug gegen (Rück-)Zahlung der Beklagten zur Verfügung zu stellen ist, jeweils
zu Lasten oder zu Gunsten der Beklagten. Aus diesem Grund trifft auch die
Ansicht der Revision, der Schaden sei durch das später durchgeführte Update
wieder entfallen, nicht zu. Der im Januar 2014 unter Verletzung des
wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig
herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss, der im Rahmen des § 826 BGB
den Schaden begründet, wird durch das im Februar 2017 - zumal angesichts
einer anderenfalls drohenden Betriebsuntersagung - durchgeführte
Software-Update nicht rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss.
59 (3) Soweit die Revision der Beklagten unter Hinweis auf die
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 15. Dezember 1976 (VIII ZR 97/75,
WM 1977, 343, juris Rn. 19 f.) und 1. Juli 1983 (V ZR 93/82, WM 1983, 1055,
1056 unter II 1) schließlich meint, es sei ein "Gleichlauf" mit der
Rückabwicklung eines Vertrags nach einer Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) herzustellen, greift das nicht durch, zumal im
vorliegenden Fall zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis bestanden
hat. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und der
Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB weisen unterschiedliche Voraussetzungen
auf und bestehen nebeneinander (Mugdan, Materialien zum Bürgerlichen
Gesetzbuch, Bd. II S. 422). Im Übrigen verstößt nach Auffassung des Senats
die Geltendmachung des im Februar 2014 entstandenen Anspruchs aus § 826 BGB,
so gestellt zu werden, als ob der Kaufvertrag nicht abgeschlossen worden
wäre, auch nach Durchführung des Software-Updates nicht gegen Treu und
Glauben. Die den zitierten Entscheidungen zugrundeliegenden Fallgestaltungen
sind hiermit nicht vergleichbar.
60 4. Zu Recht
hat das Berufungsgericht auf der Basis der von ihm getroffenen
rechtsfehlerfreien Feststellungen einen Schädigungsvorsatz der handelnden
Personen, die nach den getroffenen Feststellungen Kenntnis von der
sittenwidrigen strategischen Unternehmensentscheidung hatten, bejaht.
61 a)
Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein
Wissens- und ein
Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des
Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen
aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf
genommen haben. Dabei braucht der Täter nicht zu wissen, welche oder wie
viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus,
dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher
anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden
Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (st.
Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, BGHZ 160,
149, 156 mwN).
62 Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich
objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder
kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer
solchen Situation ist lediglich Fahrlässigkeit gegeben (Senatsurteile vom
28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 25 mwN; vom 20. Dezember
2011 - VI ZR 309/10, WM 2012, 260 Rn. 10 mwN). Es kann aber durchaus
gerechtfertigt sein, im Einzelfall aus dem Wissen einer natürlichen Person
auf deren Willen zu schließen (Senatsurteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR
536/15, WM 2016, 1975 Rn. 26). Aus der Art und Weise des sittenwidrigen
Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz
gehandelt worden ist (BGH, Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17, BGHZ
221,229 Rn. 37 mwN).
63 b) Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu
beanstanden, dass sich das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von dem (auch) auf die Käufer
der mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuge bezogenen
Schädigungsvorsatz der handelnden Personen - des vormaligen Leiters der
Entwicklungsabteilung und der für die Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorstände
- überzeugt gezeigt hat. Da diese nach den Feststellungen die grundlegende
und mit der bewussten Täuschung des KBA verbundene strategische Entscheidung
in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software
jedenfalls kannten und jahrelang umsetzten, ist schon nach der
Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ihnen als für die zentrale Aufgabe
der Entwicklung und des Inverkehrbringens der Fahrzeuge zuständigem Organ
oder verfassungsmäßigem Vertreter (§ 31 BGB) bewusst war, in Kenntnis des
Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen
Fahrzeuge werde niemand - ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden
Abschlag vom Kaufpreis - ein damit belastetes Fahrzeug erwerben. Soweit die
Revision der Beklagten letzteres in Zweifel zieht, wird auf die Ausführungen
oben unter 3 b aa verwiesen. Dass sie dabei darauf vertraut haben mögen, das
sittenwidrige Handeln werde nicht aufgedeckt werden, schließt den Vorsatz
entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten nicht aus, weil der Schaden
im ungewollten Vertragsschluss, nicht dagegen in einer etwaigen
Betriebsuntersagung liegt. Auch insoweit wird auf die Ausführungen oben
unter 3 b verwiesen.
64 5. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen,
dass sich der Kläger im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen
Nutzungen anrechnen lassen muss. Die von der Revision des Klägers dagegen
erhobenen Rügen greifen nicht durch.
65 a) Nach
den von der Rechtsprechung im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten
Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten in gewissem
Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang
mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Es soll ein gerechter Ausgleich
zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen
herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das
schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht besser gestellt werden,
als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind
nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den
Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen
Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist
und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (st. Rspr., vgl. etwa BGH,
Urteile vom 6. August 2019 - X ZR 165/18, juris Rn. 9; vom 30. September
2014 - X ZR 126/13, NJW 2015, 553 Rn. 14 mwN; Senatsbeschluss vom 1. Juni
2010 - VI ZR 346/08, NJW-RR 2010, 1683 Rn. 17 mwN; Senatsurteil vom
10. Dezember 1985 - VI ZR 31/85, NJW 1986, 983, juris Rn. 14).
66 b)
Die
Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus
vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB (Senatsurteile vom
28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 6, 29; vom 28. Oktober 2014
- VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 37 ff.; vgl. auch BGH, Urteile vom 17. Mai
1995 - VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2161, juris Rn. 21-23; vom 14. Oktober
1971 - VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 139, juris Rn. 15; vom 16. Oktober 1963
- VIII ZR 97/62, NJW 1964, 39, juris Rn. 11; vom 2. Juli 1962 - VIII
ZR 12/61, NJW 1962, 1909, juris Rn. 5; vom 29. Oktober 1959 - VIII
ZR 125/58, NJW 1960, 237). Das erkennt der Kläger im Grundsatz an, nachdem
er der Beklagten Zug um Zug die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs
angeboten hat. Die Rüge der Revision des Klägers, es erscheine
unbillig, dass die Beklagte aus der (weiteren) Nutzung des nur auf dem
Prüfstand die maßgeblichen Schadstoffgrenzwerte einhaltenden Fahrzeugs einen Vorteil
ziehe, dies sei ferner auch dem Geschädigten unzumutbar (vgl. auch Bruns,
NJW 2019, 801, 804 f.; NJW 2020, 508 ff.; Heese, NJW 2019, 257, 261 f.; von
Mirbach, MDR 2020, 129 ff.; Staudinger, NJW 2020, 641 ff.; Klöhn, ZIP 2020,
341, 343 ff.), nicht zuletzt, weil es einen Anreiz zur Verfahrensverzögerung
darstelle, greift nicht durch.
67 aa) Die
Revision des Klägers weist zwar zu Recht darauf hin, dass das Deliktsrecht
auch präventiv wirkt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ
190, 145 Rn. 62). Es ist aber nicht geboten, im Hinblick auf die sich als
nützliche Folge aus der Kompensation ergebende Prävention die
Vorteilsausgleichung grundsätzlich auszuschließen; anderenfalls würde der
Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden
Strafschadensersatzes gerückt (BGH, ebenda mwN).
68 bb) Ob es - wie die
Revision des Klägers meint - tatsächlich im Interesse der Beklagten lag, das
vorliegende Verfahren zu verzögern, ist ohne Bedeutung. Denn eine solche -
klägerseits lediglich pauschal behauptete - Verzögerung hätte grundsätzlich
nicht zur Folge, dass der Kläger die gezogenen Nutzungen nicht herauszugeben
bräuchte. Abgesehen davon musste die Beklagte auch mit einer möglichen
Verurteilung zur Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz aus der Klageforderung rechnen. Ob der Wert der durch den
Kläger gezogenen Nutzungen den zu zahlenden Zins letztlich übersteigen
würde, war für sie nicht vorhersehbar.
69 cc) Soweit die Revision des
Klägers meint, dem Vorteilsausgleich stehe für die Zeit, nachdem die
Beklagte im Herbst 2017 die angebotene Rücknahme des Fahrzeugs nicht
akzeptiert habe, die Schadensminderungspflicht des Geschädigten nach § 254
Abs. 2 Satz 1 BGB entgegen, weil der Kläger das Fahrzeug hätte stilllegen und der Beklagten stattdessen Mietwagen- oder
Taxikosten in Rechnung stellen können, greift das nicht durch.
70 Unrichtig
ist bereits die Annahme eines solchen Ersatzanspruchs. Dieser wäre auf
das Erfüllungsinteresse gerichtet, das die Beklagte dem Kläger nicht
schuldet (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78
Rn. 8-11 mwN). Im Übrigen hat das KBA den Betrieb des Fahrzeugs nach
Entfernung der unzulässigen Abschaltvorrichtung durch das genehmigte
Software-Update freigegeben (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3.
Februar 2020 - 10 S 625/19, juris Rn. 1, 2, 14; BayVGH, Urteil vom 22.
Oktober 2019 - 11 BV 19.823, juris Rn. 2, 11, 26, 28, 34, 36; VGH Hessen,
Beschluss vom 20. März 2019 - 2 B 261/19, NVwZ 2019, 1297 Rn. 9 f.; jeweils
zu einem Dieselmotor der Baureihe EA189). Entschied der Kläger sich für die
ihm zumutbare Nutzung, sind nach den oben angeführten Grundsätzen die
daraus gezogenen Vorteile auszugleichen.
71 dd) Diesem Ergebnis steht auch
nicht die sich aus § 817 Satz 2 BGB ergebende Wertung entgegen. Der
Ausnahmecharakter der Vorschrift verbietet es, ihr einen über das
Bereicherungsrecht hinausreichenden allgemeinen Rechtsgedanken zu entnehmen
und das Rückforderungsverbot auf andere als bereicherungsrechtliche
Ansprüche auszudehnen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91, NJW
1992, 310, 311, juris Rn. 24 mwN). Die von der Revision in diesem
Zusammenhang weiter angesprochenen Normen und Rechtsgrundsätze aus
unterschiedlichen Rechtsgebieten außerhalb des Deliktsrechts wie etwa §§ 346
ff., 393, 814 BGB betreffen andere Fallkonstellationen und besagen für die
Frage der Anrechnung der vom Kläger gezogenen Nutzungsvorteile auf seinen
Anspruch aus § 826 BGB nichts.
72 c) Soweit die Revision des Klägers
schließlich meint, jedenfalls sei eine Vorteilsausgleichung im Rahmen eines
dem Kläger neben dem Anspruch aus § 826 BGB zustehenden
Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, §
27 Abs. 1 EG-FGV ausgeschlossen, vermag ihr auch das nicht zum Erfolg zu
verhelfen.
73 aa) Eine Rechtsnorm ist ein Schutzgesetz im
Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den
Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten
Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf
Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass
des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten
Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder
bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat.
Es genügt, dass
die Norm auch das Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in
erster Linie dasjenige der Allgemeinheit im Auge haben. Nicht ausreichend
ist aber, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm nur als ihr
Reflex objektiv erreicht wird; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm
liegen. Außerdem muss die Schaffung eines individuellen
Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen
Gesamtsystems tragbar erscheinen, wobei in umfassender Würdigung des
gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, zu prüfen
ist, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung
des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen
Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs-
und Beweiserleichterungen zu knüpfen (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom
23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW 2019, 3003 Rn. 12 f. mwN; BGH, Urteil vom
27. Februar 2020 - VII ZR 151/18, juris Rn. 34 mwN). Ein
Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB setzt schließlich weiter
voraus, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht hat, vor der
die betreffende Norm schützen sollte. Der eingetretene Schaden muss
also in den sachlichen Schutzbereich der Norm fallen. Weiter muss der
konkret Geschädigte vom persönlichen Schutzbereich der verletzten Norm
erfasst sein und zum Kreis derjenigen Personen gehören, deren Schutz die
verletzte Norm bezweckt (Senatsurteil vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW
2019, 3003 Rn. 14 mwN; BGH, Urteil vom 27. Februar 2020 - VII ZR 151/18,
juris Rn. 34 mwN).
74 bb) Diese Voraussetzungen liegen im
Hinblick auf den von dem Kläger geltend gemachten Schaden offensichtlich
nicht vor. Die zur vollständigen Harmonisierung der technischen
Anforderungen für Fahrzeuge erlassenen Rechtsakte der Europäischen Union
zielen vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und
Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz vor unbefugter
Benutzung, Erwägungsgründe 2, 3, 14, 17 und 23 der Richtlinie 2007/46/EG.
Wie bereits ausgeführt, hat der Inhaber der EGTypgenehmigung gemäß § 6 Abs.
1 EG-FGV für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug eine
Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX
der Richtlinie 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen.
Neue
Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung vorgeschrieben ist,
dürfen gemäß § 27 Abs. 1 EG-FGV im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr
nur feilgeboten, veräußert oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit
einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.
75 Die
Übereinstimmungsbescheinigung stellt nach dem Erwägungsgrund 0 des Anhangs
IX der Richtlinie 2007/46/EG in der Fassung der VO 385/2009/EG eine
Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkäufer
versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner
Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften
übereinstimmt. Sie soll außerdem den zuständigen Behörden der
Mitgliedstaaten ermöglichen, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom
Antragsteller zusätzliche technische Unterlagen anfordern zu müssen.
Dementsprechend ist bei erstmaliger Zulassung (Erstzulassung) der Nachweis,
dass das Fahrzeug einem Typ entspricht, für den eine EG-Typgenehmigung
vorliegt, durch Vorlage der Übereinstimmungsbescheinigung zu führen, § 6
Abs. 3 Satz 1 FZV.
76 Es kann hier dahinstehen, welche
Rechtsbedeutung die Übereinstimmungserklärung hat (vgl. Schröder, DVBl 2017,
1193, 1195 ff.), ob sie - wie der Kläger meint - nicht gültig war, und ob §
6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in Verbindung mit Art. 18 der Richtlinie
2007/46/EG nach Zweck und Inhalt auch dazu dienen sollen, das Interesse des
Käufers eines Neuwagens an der (zügigen) Erstzulassung oder dasjenige des
Käufers eines Gebrauchtwagens an dem Fortbestand der Betriebserlaubnis zu
schützen, § 5 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV in Verbindung mit § 25 Abs. 2
und 3 EG-FGV (vgl. auch OLG Braunschweig, ZIP 2019, 815, 822 ff.; LG
Stuttgart, EuGH-Vorlage vom 13. März 2020 - 3 O 31/20, juris Rn. 161 ff.;
Artz/Harke, NJW 2017, 3409, 3413; Armbrüster, ZIP 2019, 837, 839 ff.; zu §§
20 ff. StVZO Senatsurteil vom 17. Oktober 1978 - VI ZR 236/75, WM 1979, 17,
18, juris Rn. 15). Der Kläger - Käufer eines gebrauchten, nach wie vor
zugelassenen Fahrzeugs - verlangt von der Beklagten nämlich nicht etwa
Erstattung von Schäden, die ihm durch eine verzögerte Erstzulassung oder
auch durch das aufgrund der Nebenbestimmungen zu der Typgenehmigung
erforderlich gewordene Software-Update entstanden seien. Inhalt seines
Vorwurfs ist vielmehr, dass er von der Beklagten zu der Übernahme einer
ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden sei; dementsprechend verlangt
er von der Beklagten die Erstattung des von ihm an den Verkäufer
entrichteten Kaufpreises. Aus diesem Vorwurf kann der Kläger aber in Bezug
auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nichts
für sich herleiten. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten
Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im Aufgabenbereich der
Norm. Die Revision des Klägers zeigt keine Anhaltspunkte dafür auf,
dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch)
einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des
wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und
an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen
Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten
Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen
Kaufvertrags hätte knüpfen wollen; solche sind auch nicht ersichtlich.
Schon
gar nicht ersichtlich ist im Übrigen, dass die entsprechenden Regelungen im
Rahmen des deliktischen Schadensrechts nach §§ 823 ff. BGB einen
Vorteilsausgleich ausschließen. Das Gemeinschaftsrecht hindert die
nationalen Gerichte nicht daran, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der
gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer
ungerechtfertigten Bereicherung des Anspruchsberechtigten führt (vgl. nur
EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006, C-295/04 bis C-298/04, EuZW 2006, 529 Rn.
94 mwN). Insoweit ist es mit dem unionsrechtlichen Effizienzgebot vereinbar,
nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung einen Ersatzanspruch zu
versagen, der zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würde
(vgl.
nur BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 63 mwN zum
Kartellschadensersatz).
77 cc) Ein Vorabentscheidungsersuchen
an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wegen der
Auslegung der genannten Vorschriften ist entgegen der Ansicht der Revision
des Klägers nicht veranlasst. Ein Vorabentscheidungsersuchen ist
erforderlich, wenn sich eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen
Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts stellt. Das ist hier nicht der
Fall. Die Rechtslage ist im Hinblick auf § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wie
dargestellt von vornherein eindeutig ("acte clair", vgl. EuGH, Urteil vom 6.
Oktober 1982 - Rs 283/81, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG, NVwZ 2015, 52 Rn.
35).
78 6. Schließlich ist die
Höhe der von dem Berufungsgericht berücksichtigten Nutzungsentschädigung
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die von beiden Parteien dagegen
erhobenen Rügen greifen nicht durch.
79 a) Die Bemessung der Höhe des
Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO
besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur
daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien
unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt,
wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung
unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Es ist insbesondere nicht Aufgabe
des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode
vorzuschreiben (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 17. Dezember 2019 - VI
ZR 315/18, VersR 2020, 373 Rn. 12 mwN; speziell zur Vorteilsausgleichung
vgl. auch BGH, Urteil vom 23. September 2014 - XI ZR 215/13, BKR 2015, 339
Rn. 39 mwN).
80 b) Solche Fehler zeigen die Revisionen nicht auf und sind
auch nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat die von dem Kläger
gezogenen Vorteile gemäß § 287 ZPO geschätzt, indem es den von dem Kläger
gezahlten Bruttokaufpreis (31.490 €) für das Fahrzeug durch die
voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt (280.000 km) geteilt
und diesen Wert mit den gefahrenen Kilometern (52.229) multipliziert hat
(vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 196/14, Schaden-Praxis
2015, 277, 278 juris Rn. 3; Urteil vom 17. Mai 1995 - VIII ZR 70/94, NJW
1995, 2159, 2161, juris Rn. 23; Wackerbarth, NJW 2018, 1713 ff.).
81 aa) Dem
Einwand der Revision des Klägers, der Nutzungswert sei zu hoch veranschlagt,
weil das nicht den Vorschriften entsprechende Fahrzeug nicht hätte in
Betrieb genommen werden dürfen, ist kein Erfolg beschieden (vgl. auch
Harke, VuR 2017, 83, 91 f.; Fervers/Gsell, NJW 2020, 1393, 1395). Im Rahmen
der Vorteilsausgleichung kommt es auf die aus dem erworbenen Fahrzeug
(tatsächlich) gezogenen Vorteile an. Diese liegen darin, dass der Kläger das
Fahrzeug genutzt hat. Darauf, ob es hätte in Betrieb genommen werden dürfen,
kommt es nicht an.
82 bb) Soweit die Revision der Beklagten
unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 1962
(VIII ZR 12/61, NJW 1962, 1909, 1910, juris Rn. 7; vgl. auch OLG Frankfurt
BeckRS 2019, 22222 Rn. 42) rügt, es komme bei der Berechnung der gezogenen
Vorteile nicht auf das von dem Kläger erworbene Fahrzeug, sondern darauf an,
welche Nachteile der Kläger erlitten hätte, wenn er ein anderes Fahrzeug
erworben und genutzt hätte (vgl. auch Fervers/Gsell, NJW 2020, 1393), zeigt
sie einen revisionsrechtlich beachtlichen Fehler nicht auf. In der der
dortigen Entscheidung zugrundeliegenden Fallgestaltung konnte die Schätzung
der anzurechnenden Vorteile unter Zugrundelegung eines hypothetischen Kaufs
desjenigen Fahrzeugs erfolgen, das der Kläger aufgrund der arglistigen
Täuschung zu erwerben geglaubt hatte (Neuwagen des Jahres 1955 anstatt
Gebrauchtwagen des Jahres 1954). Das kommt hier schon deshalb nicht in
Betracht, weil der Erwerb eines Fahrzeugs des hier streitgegenständlichen
Modells ohne unzulässige Abschalteinrichtung nicht möglich war. Vor diesem
Hintergrund ist die von dem Berufungsgericht in zulässiger Ausübung des ihm
im Rahmen des § 287 ZPO zustehenden Ermessens (vgl. Senatsurteil vom 17.
September 2019 - VI ZR 396/18, NJW 2020, 236 Rn. 13 mwN) gewählte Methode
der Schätzung der dem Kläger entstandenen Vorteile nicht zu beanstanden.
Sie
basiert auf dem Kauf des tatsächlich erworbenen Fahrzeugs und stellt mithin
unmittelbar auf das schädigende Ereignis ab. Dabei berücksichtigt sie
einerseits die dem Kläger zugeflossenen Nutzungsvorteile und andererseits
über den wertbildenden Faktor der Laufleistung auch den Wertverlust des
Fahrzeugs.
83 cc) Mit der
pauschalen Behauptung, die Annahme einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km
sei realitätsfremd, und der Rüge, die Erwägungen des Berufungsgerichts seien
nicht überzeugend, zeigt die Beklagte einen revisionsrechtlich erheblichen
Fehler nicht auf. Übergangenen Vortrag dahin, dass und aus welchen konkreten
Gründen ein VW Sharan 2.0 TDI match eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km
in der Regel nicht erreiche, macht die Revision der Beklagten nicht geltend.
Im Übrigen hat das Berufungsgericht - von der Revision insoweit nicht
angegriffen - auch darauf abgestellt, dass das streitgegenständliche
Fahrzeug als Großraum-Van auf eine umfangreiche und robuste Nutzung
ausgelegt sei.
II.
84 Soweit die Revision der Beklagten in Bezug auf die
Nebenpunkte der Feststellung des Annahmeverzugs (§§ 293 ff. BGB), des
Zinszeitraums in Bezug auf die Hauptforderung (§ 291 BGB) und der
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geringfügig erfolgreich ist, war das
Berufungsurteil zu korrigieren und das klageabweisende Urteil des
Landgerichts insoweit wiederherzustellen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
Im Einzelnen:
85 1. Zu Recht rügt die Revision der Beklagten, dass das
Berufungsgericht den Annahmeverzug nicht hätte feststellen dürfen. Der
Kläger hat der Beklagten im Hinblick darauf, dass er in dem Schreiben vom
15. September 2017 die Erstattung des gesamten Kaufpreises in Höhe von
31.490 € verlangt und sich noch bis in die Revisionsinstanz gegen die
Anrechnung des Nutzungsersatzes gewehrt hat, die Übergabe und Übereignung
des Fahrzeugs nicht zu den Bedingungen angeboten, von denen er sie im
Hinblick auf den im Wege der Vorteilsausgleichung geschuldeten und vom
Kaufpreis in Abzug zu bringenden Nutzungsersatz hätte abhängig machen
dürfen. Er hat damit durchgängig die Zahlung eines deutlich höheren
Betrags verlangt, als er hätte beanspruchen können. Ein zur Begründung von
Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen
Umständen nicht gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR
275/04, BGHZ 163, 381, 390, insoweit nicht vollständig mitabgedruckt, juris
Rn. 30; vgl. auch Niemeyer/König, NJW 2013, 3213, 3214 unter II).
86 2.
Gleiches gilt in Bezug auf die Begründung des
Schuldnerverzugs hinsichtlich der Kaufpreiserstattung (§ 286 Abs. 2 Nr. 3
BGB), weil der Schuldner nur in Verzug geraten kann, wenn der Gläubiger die
ihm obliegende Gegenleistung ordnungsgemäß anbietet (vgl.
BGH, Urteil vom
20. Juli 2005 - VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381, 390, juris Rn. 30)
87 3. Zu Recht weist die Revision der Beklagten ferner darauf hin, dass die von
dem Berufungsgericht ausgeworfenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten um
den Betrag von 116,03 € zu mindern sind, nachdem eine 1,3-Geschäftsgebühr
zuzüglich der Kostenpauschale und Umsatzsteuer (Nr. 2300 und Nr. 7002
RVG-VV) bei einem nach den Feststellungen anzusetzenden Gegenstandswert bis
30.000 € vorgerichtliche Kosten nicht in Höhe von 1.474,89 €, sondern in
Höhe von 1.358,86 € ergibt. Das Urteil war in Bezug auf diese Nebenforderung
zu korrigieren.
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