Erledigung in der Hauptsache: Übereinstimmende Erledigterklärung; Kostenentscheidung analog § 307 ZPO bei Anerkenntnis der Kostenfolge; Erfordernis des Feststellungsinteresses bei der Feststellungsklage


BGH, Urteil vom 21. März 2006 - VI ZR 77/05


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Amtl. Leitsatz:

Zum Feststellungsinteresse nach übereinstimmender Erledigungserklärung.


Zentrale Probleme:

In der sehr lehrreichen Entscheidung geht es um die Erledigung in der Hauptsache. Eine Erledigung in der Hauptsache (in der ZPO nur in Bezug auf die Kosten in § 91a ZPO geregelt) tritt nur ein, wenn eine anfänglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit liegendes Ereignis unzulässig bzw. unbegründet wird (s. dazu nur BGH NJW 1986, 588 ff ; BGH NJW 1994, 2363 ff  sowie BGHZ 83, 12). Bei einer einseitigen Erledigterklärung, die nur seitens des Klägers möglich ist (s. dazu BGH NJW 1994, 2363 ff) entfällt die Rechtshängigkeit nicht ipso iure. Der Kläger kann und muß, will er nicht Klageabweisung riskieren, die Klage ändern in einen Antrag auf Feststellung (§ 256 ZPO), daß sich die Hauptsache nach Rechtshängigkeit erledigt hat. Hierbei handelt es sich um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung. Ist dies der Fall (zur Begründetheit s. BGH v. 17. 7. 2003 - IX ZR 268/02), ergeht eine Kostenentscheidung nach § 91 ZPO, d.h. der unterlegene Gegner trägt die Kosten. Bei einer übereinstimmenden Erledigterklärung entfällt die Rechtshängigkeit ipso iure, d.h. es ergeht kein Urteil mehr. Das ergibt sich letztlich aus der Dispositionsmaxime. Eine Kostenentscheidung ergeht (durch Beschluß) nach § 91a ZPO, wobei der bisherige Sach- und Streitstand berücksichtigt wird. Erkennt eine Partei aber die Kostenlast, wie hier geschehen, an, so werden ihr analog § 307 ZPO ohne weitere Sachprüfung die Kosten auferlegt. Hier stellte sich jetzt die Frage, ob in diesem Fall eine Feststellungsklage wie bei einseitiger Erledigterklärung zulässig ist. Der Senat läßt die Statthaftigkeit der Feststellungsklage (feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 ZPO?) offen und verneint die Zulässigkeit jedenfalls wegen des fehlenden Feststellungsinteresses.

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Tatbestand:

Der Kläger begehrte von der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Schädigers Erstattung der Kosten für ein Sachverständigengutachten, das er nach einem Verkehrsunfall eingeholt hat. Die uneingeschränkte Haftung der Beklagten für die entstandenen Schäden war unstreitig.

Der Kläger beauftragte das Sachverständigenbüro S. & A. in L. mit der Begutachtung seines beschädigten Fahrzeugs. Grundlage der Honorarvereinbarung war eine Gebührentabelle des Sachverständigenbüros, die das Honorar in Abhängigkeit von der Brutto-Schadenshöhe zzgl. Wertminderung beziehungsweise im Falle eines Totalschadens in Abhängigkeit vom Brutto-Wiederbeschaffungswert festlegte. Dem Kläger wurden insgesamt 652 € netto in Rechnung gestellt. Der Kläger hat die Honorarforderung insgesamt ausgeglichen. Die Beklagte verweigerte die Erstattung. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 335 € verurteilt. Hiergegen richtete sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrte. Die Beklagte hat im Revisionsrechtszug die gesamte Klageforderung einschließlich Zinsen an die Prozessbevollmächtigten des Klägers im II. Rechtszug bezahlt und erklärt, dass sie die angefallenen Gerichtskosten und die festsetzbaren Anwaltskosten des Klägers übernehme.

Der Kläger hat darauf im Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt und die Feststellung beantragt, dass die Klage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen sei. Die Beklagte hat ebenfalls den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, aber Verwerfung der Feststellungsklage beantragt.

Entscheidungsgründe:

Mit der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien hat die Rechtshängigkeit der Leistungsklage des Klägers geendet (vgl. BGH, BGHZ 106, 359, 366).

Eine Entscheidung über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist nicht erforderlich. Der Beklagten sind ohne weitere Sachprüfung die Kosten aufzuerlegen, die auf den erledigten Teil entfallen und die sie anerkannt hat (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 307 ZPO entsprechend; vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 198 - II ZR 248/84 - JZ 1985, 853, 854; BAG, Beschluss vom 4. September 1987 - 8 AZR 487/80 - NJW 1988, 990; vom 11. September 2003 - 6 AZR 457/02 -NJW 2004, 533; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 91 a Rdnr. 22; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91 a Rdnr. 20; Saenger/Gierl, ZPO, § 91 a Rdnr. 46; MünchKomm-ZPO/Lindacher, 2. Aufl., § 91 a Rdnr. 58; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 a Rdnr. 36 zu FN 125). Sie hat durch ihren Prozessbevollmächtigten erklärt, die Beklagte übernehme die angefallenen Gerichtskosten und die festsetzbaren Anwaltskosten des Klägers. Der bisherige Sach- und Streitstand ist daher für die Kostenentscheidung nicht mehr maßgebend.

Der Kläger hat seine Erledigungserklärung mit dem Antrag verbunden festzustellen, dass das Zahlungsverlangen bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Diese Feststellungsklage ist unzulässig.

Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob einer solchen Feststellungsklage verfahrensrechtliche Bedenken entgegenstehen (vgl. einerseits BGH, BGHZ 106, 359, 367; andererseits BGH, Urteil vom 19. März 1998 - I ZR 264/95 - WM 1998, 1699, 1701; Stein/Jonas/Bork, aaO, Rdnr. 27; Westermeier, Die Erledigung der Hauptsache im Deutschen Verfahrensrecht, 2005, S. 332).

Jedenfalls setzt ein solcher in Anwendung des § 264 Ziff. 2 ZPO allein auf Feststellung gerichteter Antrag ein rechtliches Interesse auf Seiten des Klägers voraus (§ 256 ZPO). Ein solches ist hier nicht ersichtlich. Auch wenn es sich aus einer günstigeren Kostenfolge ergeben können sollte (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1998 - I ZR 264/95 - aaO), besteht es infolge der Kostenübernahmeerklärung durch die Beklagte im vorliegenden Fall nicht mehr. Der Umstand, dass die Frage, inwieweit das Honorar eines Kfz-Sachverständigen dem Unfallgeschädigten vom Schädiger zu erstatten ist (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB), in zahlreichen gleichgelagerten Rechtsstreitigkeiten zwischen anderen Parteien von Interesse sein mag, begründet kein rechtliches Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung. Es ist nicht dargetan und nicht ersichtlich, dass für den unfallgeschädigten Kläger des hier zu entscheidenden Rechtsstreits ein weiteres Mal eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte eine Erstattungspflicht bestreitet und diese Gefahr nur durch die beantragte Feststellung beseitigt werden könnte.

Soweit nach allem die Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen ist, ist der Kläger mit den Kosten belastet wie bei einer nur teilweisen Erledigungserklärung (vgl. Stein/Jonas/Bork aaO Rdnr. 27 und 37). Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 a, 92, 97 ZPO.